Texthaftigkeit von Hypertext


Bachelorarbeit, 2007

39 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Was ist Text?
2.1 Textdefinition nach Heinemann/Viehweger
2.2 Textdefinition nach Püschel
2.3 Textualitätskriterien nach de Beaugrande und Dressler

3 Was ist Hypertext?
3.1 Die geschichtliche Entwicklung von Hypertext
3.2 Hypertextmerkmale nach Flender/Christmann und Storrer

4 Texthaftigkeit von Hypertext
4.1 Erfüllung der Textualitätskriterien durch einen Roman
4.2 Erfüllung der Textualitätskriterien durch einen Internetauftritt

5 Fazit

6 Literatur

1 Einleitung

Das Internet wird mehr und mehr zu einer der einflussreichsten Informationsquellen. Das neue Medium bietet Produzenten und Rezipienten ganz neue Möglichkeiten der Informationsdarbietung: Hyperlinks, Bilder, Musik, Videos. Dargeboten werden diese Inhalte alle im Browser mit Hilfe der Auszeichnungssprache „html“ – Hypertext Markup Language. Eine Definition von „Markup Language“ (Auszeichnungssprache) ist relativ einfach zu geben,[1] aber was genau bedeutet „Hypertext“ und wie wird er in der Wissenschaft gesehen?

In der hier vorliegenden Arbeit möchte ich die beiden Objekte Text und Hypertext einander gegenüberstellen und herausarbeiten, inwieweit die beiden sich ähneln und welche Zusammenhänge zwischen ihnen bestehen. Die Hauptfrage, die ich klären möchte ist: Wie viel „Text“ steckt wirklich im „Hypertext“?

Dafür gilt es zunächst einmal zu klären, was überhaupt Text ist und was Hypertext. Ich erläutere in Kapitel 2 mehrere wissenschaftliche Ansätze für Definitionen von Text. Im 3. Kapitel werden dann prototypische Merkmale von Hypertext vorgestellt. Dabei lege ich ein besonderes Augenmerk auf Unterschiede gegenüber den Definitionen aus Kapitel 2. Danach analysiere ich beruhend auf einer der drei Textdefinitionen[2] im 4. Kapitel einen Roman (als Beispiel für einen Text) und eine Internetseite (als Beispiel für einen Hypertext). Die Ergebnisse dieser Analyse werde ich vergleichen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Text und Hypertext herauszuarbeiten und um deutlich zu machen, inwiefern ein Hypertext ein Text ist und inwiefern nicht.

2 Was ist Text?

Die Textlinguistik ist in der Sprachwissenschaft eine verhältnismäßige junge Fachrichtung, die sich erst in den späten 60er Jahren als Teildisziplin der Linguistik herausbildete (Bußmann 2002: 688). Die Hauptaufgabe dieser Wissenschaft liegt – wie der Name schon vermuten lässt – auf der Erforschung von Texten. Doch was ist eigentlich ein Text? Eine Definition liefern uns Angelika Linke et al. im „Studienbuch Linguistik“ - Texte sind:

„solche sprachliche Einheiten, die mehr als einen Satz umfassen (können) – und deshalb im Rahmen einer Syntax nicht mehr beschreibbar sind –, die wir aber dennoch als zusammenhängende Einheit empfinden.“ (Linke et al. 2004: 242)

Das ist eine sehr allgemeine Formulierung, bei der das Schlusswort „empfinden“ schon darauf hinweist, dass eine Definition für „Text“ aus wissenschaftstheoretischer Sicht nicht ganz einfach aufzustellen ist.

Jeder kann intuitiv sagen, ob etwas ein Text ist oder nicht, aber „eine abschließende linguistische Definition der Größe ‚Text’ gibt es (bis jetzt noch) nicht“ (Linke et al. 2004: 242). Dennoch gibt es mehrere wissenschaftliche Ansätze zur Aufstellung von Definitionen, drei davon möchte ich im Folgenden vorstellen.

2.1 Textdefinition nach Heinemann/Viehweger

Wolfgang Heinemann und Dieter Viehweger sehen als eine Hauptaufgabe der Textlinguistik die „Erforschung von Textstrukturen und Textformulierungen (…), jeweils in ihrer Einbettung in kommunikative, allgemein soziologische und psychologische Zusammenhänge“ (Heinemann/Viehweger 1991: 17). Diese Sichtweise auf die Textlinguistik lässt erahnen, welchen Begriff von Text Heinemann und Viehweger haben.

Sie unterscheiden einen engen und einen weiten Textbegriff. Beim engen Textbegriff verstehen sie Text ausschließlich als ein Produkt aus rein sprachlichen Zeichen. Der weiter gefasste Textbegriff bezieht auch alle weiteren Zeichen wie Gestik, Mimik etc. mit ein (vgl. Heinemann/Viehweger 1991: 125).

Für Heinemann und Viehweger ist Text keinesfalls etwas rein schriftliches, sondern ein kommunikatives und gesellschaftliches Ereignis, wobei sie sich aber nur auf rein sprachliche Elemente, also auf den engen Textbegriff, beziehen: „Wir (…) schränken den Textbegriff (…) auf die Produktion und Rezeption von sprachlichen kommunikativen Signalen ein.“ (Heinemann/Viehweger 1991: 16)

Dieses Verständnis von Text schließt also gleichzeitig jegliche Form von sprachlicher Kommunikation mit ein. Ein Text kann demzufolge auch ein Gespräch sein und ist kein starres Gebilde, sondern ein dynamischer Prozess.

„Unter Texten werden Ergebnisse sprachlicher Tätigkeit sozial handelnder Menschen verstanden, durch die in Abhängigkeit von der kognitiven Bewertung der Handlungsbeteiligten wie auch des Handlungskontextes vom Textproduzenten Wissen unterschiedlicher Art aktualisiert wurde, das sich in Texten spezifischer Weise manifestiert und deren mehrdimensionale Struktur konstituiert. Die Struktur eines Textes indiziert zugleich die Funktion, die einem Text von einem Produzenten in einem bestimmten Interaktionskontext zugeschrieben wurde und stellt die Basis für einen komplizierten Interpretationsprozeß des Textrezipienten dar.“ (Heinemann/Viehweger 1991: 126)

Die von Heinemann und Viehweger gegebene Textdefinition verweist auf die verschiedenen Ebenen von Texten. Sie schließt innertextliche und auch außertextliche Bedingungen mit ein. Sie verweisen in der Definition auf die Produktion, Rezeption, den Kontext und die Struktur von Texten. Über das Wesen von Texten sagen sie aus, dass sie Produkt einer Tätigkeit sind und die Struktur eines Textes gleichzeitig auch auf seine Funktion hinweist. Die dynamische Komponente von Texten, die Heinemann und Viehweger immer wieder betonen, wird durch den „Interaktionskontext“ (Heinemann/Viehweger 1991: 126) bestimmt. Laut Heinemann und Viehweger hat ein Text keine Funktion an sich, die nur innerhalb des Textes zu finden ist, sondern die Funktion etabliert sich erst im entsprechenden „Interaktionskontext“ mit ihren „Handlungsbeteiligten“[3] (vgl. Heinemann/Viehweger 1991: 126). Dadurch ergibt sich auch ein grundlegend anderes Verständnis von Kohärenz. Nach obiger Definition wird Kohärenz nicht nur durch den Text, sondern auch durch Produzent und Rezipient gestiftet. Text und Wissen der Handlungsbeteiligten ergänzen sich.

Heinemann und Viehweger beanspruchen mit ihrer Definition keinen Absolutheitsanspruch, verweisen aber darauf, dass frühere Definitionen vom rein statischen Textbegriff ausgegangen seien und damit zu kurz greifen:

„Die von uns vorgeschlagene Textdefinition wird ganz ohne Zweifel noch nicht allen Anforderungen gerecht, die an eine theoretisch fundierte Definition zu stellen sind. Unbestritten ist dabei jedoch, dass sie über existierende Textdefinitionen hinausführt und es ermöglicht, die bislang vorherrschend statische Textauffassung zu überwinden.“ (Heinemann/Viehweger 1991: 127)

2.2 Textdefinition nach Püschel

Ulrich Püschel nimmt in seinen „Bemerkungen zum Textbegriff“ die Ausführungen von Heinemann und Viehweger auf und führt sie weiter. Er geht dabei nicht nur von einem dynamischen Textverständnis aus, bei dem Text durch Produzent und Rezipient gleichermaßen entsteht, sondern seiner Meinung nach entsteht ein Text durch den Textrezipienten, der „sich aus vorgegebenem Material einen eigenen Text“ (Püschel 1997: 28) erzeugt:

„(…) was ein Text ist, hängt davon ab, ob wir eine sprachliche Erscheinung als Text betrachten oder nicht. Etwas ist also nicht per se ein Text, sondern immer nur nach dem Verständnis von jemandem.“ (Püschel 1997: 28)

Püschels Ausgangspunkt für diese recht offene Textdefinition sind Texte, die aus kleineren Abschnitten bestehen, wie Textsammlungen u.ä. Als ein Beispiel führt er Boccaccios Novellensammlung „Decamerone“ an (vgl. Püschel 1997: 28). Ob jede einzelne Novelle ein Text oder nur die gesamte Sammlung als ein Text zu sehen ist, entscheidet laut Püschel in letzter Instanz der Rezipient selbst (und nicht der Produzent). Er nennt diese Texte „Puzzle-Texte“, nicht nur weil die Einzelteile vom Rezipienten zusammengesetzt werden, sondern auch da sie „aus dem Alltagsverständnis von Text und traditioneller textlinguistischer Perspektive verwirrend wirken können“ (Püschel 1997: 29). Der Rezipient verfolgt bei diesen Texten seinen eigenen Lesepfad und setzt dadurch im Kopf einen eigenen Text zusammen.[4] Wenn er zum Beispiel bei einem Zeitungsbericht den gesamten Bericht inklusive einem folgenden Kommentar liest, ist das laut Püschel durchaus ein vollständiger Text, aber genauso gut ist es ein vollständiger Text, wenn ein Leser nur Überschrift und Vorspann des Berichtes liest. Der Leser selbst bestimmt durch sein Tun, seine Selektion des dargebotenen Materials, was ein Text (für ihn) ist. Auf die Spitze getrieben bedeuten die Ausführungen von Püschel, dass jedes sprachliche Material prinzipiell ein Text sein kann, wenn ein Rezipient es als einen Text wahrnimmt. Text ist also, wie schon bei Heinemann und Viehweger, „eine relationale Größe“ (Püschel 1997: 40), die in einem dynamischen Prozess von vorgegebenem sprachlichen Material und aufnehmenden Rezipienten entsteht.

2.3 Textualitätskriterien nach de Beaugrande und Dressler

Die zwei bisher vorgestellten Textdefinitionen sind für einen Vergleich von Text und Hypertext aufgrund ihrer vagen und sehr offenen Formulierung eher schlecht geeignet.[5] De Beaugrande und Dressler haben bereits 1981 in ihrer „Einführung in die Linguistik“ schon vor Püschel (1997) und Heinemann und Viehweger (1991) einen Kriterien-Katalog für Textualität[6] aufgestellt. Diese Kriterien wurden schon häufiger als Mittel zum Vergleich von Text und Hypertext in wissenschaftlichen Abhandlungen verwendet.[7] Auch in dieser Arbeit soll der Ansatz von de Beaugrande und Dressler im Folgenden näher erläutert und für die Untersuchungen in Kapitel 4 verwendet werden.

Sie erforschen Text von zwei verschiedenen Seiten. Ihr „prozeduraler Ansatz“ (Beaugrande/Dressler 1981: 32) beleuchtet dabei die Abläufe der jeweiligen Prozesse. Dazu gehören sowohl die Textproduktion, als auch die Textrezeption. Text ist also ein Ergebnis des Produzenten und wird vom Rezipienten wieder aufgenommen und verarbeitet. Laut de Beaugrande und Dressler ist ein Text ein Vorkommnis in der menschlichen Kommunikation, das sich durch sieben Kriterien der Texthaftigkeit auszeichnet, und sich dadurch von „Nicht-Texten“ (Beaugrande/Dressler 1981: 3) abgrenzen lässt.

Die sieben Textualitätskriterien sind Kohäsion, Kohärenz, Intentionalität, Akzeptabilität, Informativität, Situationalität und Intertextualität. Wobei sie Kohäsion und Kohärenz als „text-zentrierte Begriffe“ (Beaugrande/Dressler 1981: 8) und Intentionalität und Akzeptabilität als „verwender-zentrierte Begriffe“ (Beaugran-de/Dressler 1981: 8) bezeichnen. Die drei Kriterien Informativität, Situationalität und Intertextualität dagegen gehören in den Bereich „des Kontexts“ (Beaugrande/Dress-ler 1981: 144).

Die ersten beiden Kriterien beziehen sich folglich direkt auf das sprachliche Material an sich. Intentionalität und Akzeptabilität betreffen „die Aktivität der Text-Kommunikation“ (Beaugrande/Dressler 1981: 8), bei der sowohl Produzent als auch Rezipient beteiligt sind. Die letzten drei beziehen sich auf Faktoren außerhalb des Textes. Die sieben Textualitätskriterien sollen in der Reihenfolge, wie auch de Beaugrande und Dressler (Beaugrande/Dressler 1981: 3 ff.) sie aufzählen, näher erläutert werden.

Das erste Kriterium ist die Kohäsion. Sie bezeichnet laut de Beaugrande und Dressler die Verbindungsarten der einzelnen „Komponenten des Oberflächentextes, d.h. die Worte, wie wir sie tatsächlich hören oder sehen“ (Beaugrande/Dressler 1981: 3 f.). Die Verbindung zwischen den einzelnen Komponenten erfolgt durch „grammatische Formen und Konventionen […], so dass also Kohäsion auf grammatischen Abhängigkeiten beruht“ (Beaugrande/Dressler 1981: 4). Der Begriff der Kohäsion ist somit eng mit der Funktion der Syntax verknüpft.

Die grammatischen Abhängigkeiten bestehen innerhalb von Texten auf den unterschiedlichsten Ebenen, angefangen bei Phrasen und Teilsätzen bis hin zu Sätzen. Abhängigkeiten über die Satzgrenze hinaus werden mit den unterschiedlichsten Mitteln hergestellt, auch sie gelten als kohäsive Mittel:

„Alle Funktionen, die man verwenden kann, um Beziehungen zwischen Oberflächenelementen zu signalisieren, fassen wir unter der Bezeichnung Kohäsion zusammen.“ (Beaugrande/Dressler 1981: 4)

Bei den kohäsiven Elementen handelt es sich meist um „Erscheinungen der Wiederholung, Ersetzung und Verknüpfung“ (Bußmann 2002: 352).

Der Hund ist braun. Der Hund hat langes Fell.

Bei diesen beiden Sätzen zum Beispiel sind die Wiederholung der Worte „der Hund“ sowie auch die einfache lineare Abfolge der beiden Sätze ein kohäsive Mittel. Bei der Untersuchung von Roman und Internetseite (vgl. Kap. 4) werde ich auf weitere Kohäsionsmittel eingehen. Ich beschränke mich dabei auf die vier Kohäsionsmittel Rekurrenz, Substitution, Pro-Formen und Konnektive.

Die Kohäsion ist eng verbunden mit dem zweiten Kriterium, der Kohärenz, da sie „die offensichtlichsten Kriterien der Textualität“ (Beaugrande/Dressler 1981: 118) sind. Während bei der Kohäsion Relationen im Bereich der Textoberfläche im Zentrum stehen, geht es bei der Kohärenz um Relationen in der „Textwelt“ (Beaugrande/Dressler 1981: 5), also der „konzeptionellen Repräsentation eines Textes“ (Storrer 2000: 16).

Kohärenz wird von de Beaugrande und Dressler wie folgt definiert:

„Kohärenz betrifft die Funktionen, durch die die Komponenten der Textwelt, d.h. die Konstellation von Konzepten (Begriffen) und Relationen (Beziehungen), welche dem Oberflächentext zugrundeliegen, für einander gegenseitig zugänglich und relevant sind.“ (Beaugrande/Dressler 1981: 5)

Konzepte bezeichnen hier das Wissen, das durch bestimmte sprachliche Ausdrücke bei allen Sprachverwendern in ähnlicher Weise aktiviert wird (vgl. Beaugrande/Dressler 1981: 89). Das Wort „Kind“ zum Beispiel ruft bei allen Deutschsprechern ein ähnliches Wissenskonzept hervor, was man in etwa so beschreiben könnte: Kleines junges menschliches Wesen. Diese Konzepte können in verschiedenen Relationen mit anderen Konzepten auftreten, wobei manche Relationen eher wahrscheinlich sind als andere. Dieses Prinzip der Wahrscheinlichkeit bedingt eine weitere Facette von Kohärenz:

„Manchmal, aber nicht immer, sind die Relationen im Text nicht explizit angeführt, d.h. sie werden nicht direkt durch Ausdrücke an der Oberfläche aktiviert […]. Die Sprachbenutzer werden so viele Relationen beisteuern, als nötig sind, um den vorliegenden Text sinnvoll zu machen.“ (Beaugrande/Dressler 1981: 5)

Unter Kohärenz, wie der Begriff hier definiert wird, kann man also den „semantisch-kognitiven Sinnzusammenhang eines Textes“ (Bußmann 2002: 351) verstehen, der aber nicht ausschließlich textimmanent ist, sondern durchaus vom Sprachbenutzer mit Hilfe seines Wissens mitproduziert wird.

Kohäsion und Kohärenz allein aber sind für de Beaugrande und Dressler nicht entscheidend für Textualität. Da die Kommunikation auch mit Texten fehlerhafter Kohäsion oder fehlerhafter Kohärenz durchaus gelingt, werden auch noch die Kriterien Intentionalität und Akzeptabilität angeführt:

„Sprachbenutzer können Texte verwenden, die aus verschiedenen Gründen nicht einwandfrei kohäsiv und kohärent erscheinen. Daher sollten wir die Einstellung der Textbenützer in die Kriterien der Textualität mitaufnehmen. Eine sprachliche Struktur muß als Text intendiert und akzeptiert werden, um in der kommunikativen Interaktion verwendet werden zu können.“(Beaugrande/Dressler 1981: 118)

Denn die Intention durch den Produzenten und die Akzeptanz durch den Rezipienten beinhalten „eine gewisse Toleranz gegenüber Kohäsions- oder Kohärenz-störungen“ (Beaugrande/Dressler 1981: 118), die verhindert, dass die Kommunikation der Textverwender misslingt.

Es ist also wichtig bei einem Text zu schauen, was für einen Plan hat der betreffende Produzent: Was ist sein Ziel? Was will er mit dem Text erreichen? Hat er überhaupt ein Ziel? Für die Untersuchung des Rezipienten gilt: Was ist für welchen Typ von Rezipient akzeptabel/unakzeptabel?

De Beaugrande und Dressler verweisen auch auf „die große Rolle des Kontexts der Kommunikation in Bezug auf die Intentionalität und Akzeptabilität“ (Beau-grande/Dressler 1981: 144). Fragen rund um Faktoren des Kontexts behandeln die letzten drei Kriterien Informativität, Situationalität und Intertextualität.

Informativität behandelt die Frage: „wieviel Wissen wird von den Diskursteilnehmern geteilt und vermittelt“ (Beaugrande/Dressler 1981: 144). De Beaugrande und Dressler

„meinen damit das Ausmaß der Erwartetheit bzw. Unerwartetheit oder Bekanntheit bzw. Unbekanntheit/Ungewissheit der dargebotenen Textelemente. […] Die Verarbeitung von hochgradig informativen Nachrichten ist anstrengender als von weniger informativen, ist dafür aber auch dementsprechend interessanter.“ (Beaugrande/Dressler 1981: 11)

Sie unterscheiden dabei drei „Informativitätsstufen“ (Beaugrande/Dressler 1981: 147) innerhalb von Texten. Bei der ersten Stufe gibt es eine völlige Vorhersagbarkeit.

Zudem ist

„Informativität erster Stufe […] immer in jedem Text vorhanden, egal ob höhere Stufen erreicht werden oder nicht. Jeder Vorkommensfall, wie trivial er auch ist, verwirft die Alternative des Nicht-Vorkommens.“ (Beaugrande/Dressler 1981: 149).

So genannte „Standardfälle […] und Präferenzen […] verringern die Verarbeitungslast auf ein Mindestmaß, so dass die Aufmerksamkeit für höher eingestufte Vorkommensfälle vorbehalten werden kann“ (Beaugrande/Dressler 1981: 149 f.). Es erfordert also weniger Aufwand vom Leser einen Text zu verstehen und zu verarbeiten. Tauchen neue bzw. unerwartete sprachliche Elemente innerhalb eines Kontextes auf, die aber für den Rezipienten relativ leicht zu erschließen sind, befindet man sich bereits auf Stufe zwei der Informativität. Die letzte Stufe der Informativität ist Stufe drei: „Vorkommensfälle, die außerhalb der Menge mehr oder weniger wahrscheinlicher Optionen zu stehen scheinen, übermitteln Informativität dritter Stufe.“ (Beaugrande/Dressler 1981: 150).

Bei der dritten Stufe kann der Rezipient Teile des Textes nicht mit Hilfe des Kontextes in sein Wissen integrieren und es entstehen Brüche, die erst mit größerem Aufwand behoben werden können. Diesen Aufwand bezeichnen de Beaugrande und Dressler als „Motivationssuche“ (Beaugrande/Dressler 1981: 150), der Rezipient versucht zu ergründen, warum und aus welchem Grund eine Formulierung, ein Wort gewählt wurde und wie sie in den Sinnzusammenhang des Textes eingebettet ist. Es kann innerhalb des Textes gesucht werden, aber auch außerhalb des Textes. Die Suche kann erfolgreich sein, aber auch nicht:

[...]


[1] Auszeichnungssprachen fügen gegebenen Informationen Meta-Informationen hinzu. In html gibt es zum Beispiel den strukturierenden <p>/</p>-Tag, der anzeigt, wo in einem Text ein Absatz beginnt bzw. endet. Die Information „Absatz“ wird also hinzugefügt.

[2] Ich arbeite mit einer Textdefinition (und nicht mit einer Hypertextdefinition) weiter, da ich herausarbeiten möchte, wie viel „Text“ im „Hypertext“ steckt und nicht umgekehrt.

[3] Gemeint sind hier Textproduzent und -rezipient.

[4] Diese Vorstellung der Rezeption eines Textes mittels Lesepfaden erinnert deutlich an die Pfade, die Vannevar Bush in seinem fiktiven mechanischen System „Memex“ angedacht hatte (vgl. Eibl 2004: 47), das als ein Vorgänger des modernen Hypertext-Begriffes gesehen wird.

[5] Nach Püschel z.B. wäre jeder Hypertext auch ein Text, wenn es einen Rezipienten gäbe, der aus dem Hypertext, also „aus vorgegebenem Material einen eigenen Text erzeugen“ (Püschel 1997: 28) würde. Nach einem solchen Ansatz ist ein Vergleich kaum möglich.

[6] Textualität bezeichnet die Texthaftigkeit von sprachlichem Material.

[7] So auch in „Text und Hypertext“ (Storrer 2000: 14 ff.).

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Texthaftigkeit von Hypertext
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
1,8
Autor
Jahr
2007
Seiten
39
Katalognummer
V87361
ISBN (eBook)
9783638009409
ISBN (Buch)
9783638914888
Dateigröße
1099 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Texthaftigkeit, Hypertext
Arbeit zitieren
Bianca Meyer (Autor:in), 2007, Texthaftigkeit von Hypertext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87361

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