Psychologen in der Talkshow

Eine inhaltsanalytische Betrachtung


Diplomarbeit, 2007

130 Seiten, Note: 2,2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Psychologie als Profession
2.1 Psychologen in den Medien
2.1.1 Psychologen im Fernsehen
2.2 Psychologen in der Realität
2.2.1 Berufsbild
2.2.2 Image

3 Das Genre Talkshow als Affektfernsehen
3.1 Charakteristika und Definition des Genres
3.2 Die historische Entwicklung der Talkshow im deutschen Fernsehen
3.3 Wer möchte warum in einer Talkshow zu Gast sein?
3.4 Wer schaltet warum ein, wenn eine Talkshow gesendet wird?
3.4.1 Zuschauerprofile
3.4.2 Rezeptionsmotive

4 Kultivierungsforschung
4.1 Cultivation of beliefs
4.2 Drei-Speicher-System

5 Die „Oliver Geissen Show“
5.1 Psychologen in der „Oliver Geissen Show“

6 Anliegen der Untersuchung und Ableitung der Hypothesen
6.1 Hypothese zu den Themen der Sendungen
6.2 Hypothese zur Empfehlung weiterführender Maßnahmen
6.3 Hypothese zum Diskurstypus der Psychologen
6.4 Hypothesen

7 Methode
7.1 Entwicklung des Kategoriensystems
7.1.1 Generierung der Stichprobe
7.1.2 Die Kategorien
7.1.2.1 Themen der Sendungen
7.1.2.2 Empfehlung weiterführender Maßnahmen
7.1.2.3 Diskurstypus der Psychologen
7.1.3 Reliabilität des Kategoriensystems
7.2 Anwendung des Kategoriensystems
7.2.1 Generierung der Stichprobe
7.2.2 Datenanalyse

8 Ergebnisse
8.1 Thematische Analyse: Themen der Sendungen
8.2 Allgemeine Analyse der Statements
8.3 Inhaltliche Analyse: Empfehlung weiterführender Maß-nahmen
8.4 Formale Analyse: Diskurstypus der Psychologen

9 Diskussion
9.1 Themen der Sendungen
9.2 Allgemeine Statementanalyse
9.3 Empfehlung weiterführender Maßnahmen
9.4 Diskurstypus der Psychologen
9.5 Diskussion weiterer Befunde, Kritik und Ausblick

10 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Verteilung der Mitglieder des BDP nach Sektionen (BA, 2005)

Abbildung 2: Image der Diplom-Psychologen in der Bevölkerung (Sander, 1998)

Abbildung 3: Kultivierungsansatz (Winterhoff-Spurk, 2004)

Abbildung 4: Drei-Speicher-System (Winterhoff-Spurk, 1989)

Abbildung 5: Häufigkeitsverteilung der Sendungsthemen

Abbildung 6: Häufigkeitsverteilung der Äußerungen in den Katego-rien zur Empfehlung weiterführender Maßnahmen

Abbildung 7: Durchschnittliche Auftretenshäufigkeit von Äußerung-en in den Kategorien zur Empfehlung weiterführender Maßnahmen (Vergleich der Psychologen)

Abbildung 8: Durchschnittliche Auftretenshäufigkeit von Äußerung-en in den Kategorien zur Empfehlung weiterführender Maßnahmen (Vergleich der Themenkategorien)

Abbildung 9: Häufigkeitsverteilung der Äußerungen in den Katego-rien zum Diskurstypus

Abbildung 10: Durchschnittliche Auftretenshäufigkeit von Äußerung-en in den Kategorien zum Diskurstypus (Vergleich der Psychologen)

Abbildung 11: Durchschnittliche Auftretenshäufigkeit von Äußerung-en in den Kategorien zum Diskurstypus (Vergleich der Themenkategorien)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Kategorien zu den Themen der Sendungen

Tabelle 2: Kategorien zur Empfehlung weiterführender Maßnahmen

Tabelle 3: Kategorien zum Diskurstypus der Psychologen

Tabelle 4: Psychologenstatements: Anzahl, Dauer, Wortzahl und Sprechgeschwindigkeit; Vergleich der Psychologen

Tabelle 5: Psychologenstatements: Anzahl, Dauer, Wortzahl und Sprechgeschwindigkeit; Vergleich der Themenkategorien

Tabelle 6: Durchschnittliche Auftretenshäufigkeit von Äußerungen in den Kategorien zur Empfehlung weiterführender Maß-nahmen (Vergleich der Psychologen)

Tabelle 7: Durchschnittliche Auftretenshäufigkeit von Äußerungen in den Kategorien zur Empfehlung weiterführender Maß-nahmen (Vergleich der Themenkategorien)

Tabelle 8: Durchschnittliche Auftretenshäufigkeit von Äußerungen in den Kategorien zum Diskurstypus (Vergleich der Psy-chologen)

Tabelle 9: Durchschnittliche Auftretenshäufigkeit von Äußerungen in den Kategorien zum Diskurstypus (Vergleich der The-menkategorien)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

„Das grosse [...] Publikum sucht Wohlleben und Zeitvertreib [...]. Um ausnahmsweise einmal zur Belehrung zu lesen, wartet es zuvoerderst auf Brief und Siegel von denen, die es besser verstehen [...]“ (Schopenhauer, 1851/1965, S. 567). Dieses Zitat trifft heute nur noch bedingt zu. Denn Belehrung und Anleitung werden heute nicht mehr nur ausnahmsweise, sondern häufig gesucht. Gleichwohl vertraut das Publikum dabei auch in der heutigen Zeit auf Expertenaussagen (Westerhoff, 2005). So werden Stellungnahmen von Psychologen gesellschaftlich verstärkt gewünscht und gefordert. Eine Konsequenz hieraus ist, dass Vertreter der Profession Psychologie in der Talkshow, die im Rahmen der vorliegenden Diplomarbeit betrachtet wird, mittlerweile zu einer festen Institution geworden sind. Dass damit Bedürfnisse und Wünsche der Zuschauer nach Orientierung aufgegriffen werden, wird auch an der Resonanz deutlich, die die Psychologen in Form von Briefen, Anrufen und Anfragen nach Hilfestellung verschiedenster Art (von einem persönlichen Gespräch bis zur konkreten Bitte um Therapie) erreicht.

Gleichzeitig ist jedoch durchaus kritisch zu betrachten, dass das Setting einer Talkshow nicht den Rahmenbedingungen professionellen psychologischen oder gar therapeutischen Handelns entspricht – man denke hier nur an die extreme Zeitbegrenzung. So stellen etwa Rietz und Wahl (2001) fest, dass Psychologen, die als Experten in Talkshows zu Gast sind, kurze Statements abgeben, die allenfalls mit den hobbypsychologischen Stellungnahmen des Publikums zu vergleichen sind. So wird der Eindruck erweckt, die Psychologen hätten bezüglich der angesprochenen Themen und Probleme nur das beizutragen, was ohnehin allgemein bekannt ist. Aufgrund der Kürze der Zeit sind die Psychologen gleichsam gezwungen, ihre Aussagen sehr deutlich und teilweise drastisch zu formulieren.

Viele Personen haben keinen persönlichen Kontakt zu Psychologen (Sander, 1998). Dennoch haben sie eine Meinung, was diesen Berufsstand betrifft, und man kann davon ausgehen, dass diese Einstellung zu einem Großteil über die Massenmedien aufgebaut wird (Romppel, 1999). In diesem Sinne ist es interessant, näher zu beleuchten, welches Bild des (typischen) Psychologen über das Medium Fernsehen transportiert wird. Grundlage einer solchen Wirkungsforschung ist immer eine Inhaltsanalyse des entsprechenden Materials (Winterhoff-Spurk, 2004). Hierzu soll durch die vorliegende Diplomarbeit ein Beitrag geleistet werden.

Im zweiten Kapitel werden zunächst Rolle und Präsenz der Psychologie und ihrer Vertreter in den Medien beleuchtet. Ebenso wird das reale Berufsbild und das Image der Psychologie bzw. der Psychologen in der Bevölkerung dargestellt. Anschließend werden in Kapitel 3 das dem Affektfernsehen zugehörige Genre Talkshow und dessen Rezipienten näher beschrieben. In Kapitel 4 folgt ein Blick auf die Kultivierungsforschung, in deren Tradition die vorliegende Diplomarbeit eingebunden ist. Kapitel 5 widmet sich dann speziell der Talkshow, der die Psychologen-Statements entnommen wurden, die Gegenstand der Inhaltsanalyse sind. Der Prozess eben dieser Inhaltsanalyse, also sowohl Entwicklung als auch Anwendung des Kategoriensystems, wird – nach einer Erläuterung der Hypothesenableitungen in Kapitel 6 – in Kapitel 7 beschrieben. Hiernach erfolgt in Kapitel 8 die Darstellung der Ergebnisse der Inhaltsanalyse, die dann in Kapitel 9 diskutiert werden. Eine Zusammenfassung aller wesentlichen Aspekte bildet schließlich den Abschluss der vorliegenden Diplomarbeit.

2 Psychologie als Profession

2.1 Psychologen in den Medien

Die Psychologie ist mit ihren Themen und Berufs-Vertretern in immer stärkerem Maße in allen Medien – Zeitung, Rundfunk und Fernsehen – präsent. Es geht dabei um Themen, die alle Menschen betreffen und zu denen jeder eine persönliche Erfahrung oder seine Sichtweise beitragen kann. Doch gerade diese „Vertrautheit“ macht es psychologischen Experten nicht leicht, ihre Themen der Öffentlichkeit zu vermitteln (Westerhoff, 2005). Die Grenzen zwischen der wissenschaftlichen Psychologie und der „Alltags-Psychologie“ verschwimmen. Die Folge davon ist ein Dilemma. Denn gerade weil die Psychologie etwas so Alltägliches ist und in allen Medien implizit vorkommt, ist es besonders schwer, ihre wissenschaftliche Seite einem breiten Publikum fundiert zugänglich zu machen (Trepte, Reinecke & Bruns, in Druck; Westerhoff, 2005). Viele psychologische Begriffe haben Eingang in die Alltagssprache gefunden. „Ödipuskomplex“, „Angst“ oder „Depression“ sind Worte, die scheinbar Allgemeingut sind und ganz selbstverständlich in den Mund genommen werden. Doch der Bedeutungshorizont, der hinter den Begriffen steht, wenn sie im fachlichen Sinne von Psychologen gebraucht werden, ist dem Laien – zumindest in seiner Komplexität – nicht bekannt (Westerhoff, 2005). Hinzu kommt, dass psychologische Erkenntnisse oftmals banal erscheinen – das lässt ihre Erwähnung dann als überflüssig anmuten. Oder sie stehen konträr zur Alltags-Intuition – dann ist ihre Vermittlung umso schwieriger, denn vermeintlich kann es nur „eine Wahrheit“ geben. Doch „[...] was sich logisch ausschließt, schließt sich häufig psychologisch ein.“ (Thomann & Schulz von Thun, 2006, S. 86).

Kliche, Rietz und Wahl (1999) nennen konkret drei Dilemmata der Psychologie und ihrer Vertreter in den Medien: (a) Banalität vs. Wissenschaftlichkeit, (b) Rezeptartige Kontrollillusionen vs. Differenzierung und Ambiguitätstoleranz und (c) Kulturelle Modelle vs. individuelle Beziehung. Den Autoren zufolge bestimmen diese spezifischen Dilemmata die gesellschaftliche Stellung und die soziale Repräsentation der Psychologie.

Auch wenn psychologische Aspekte vermehrt in Fernseh-, Print- und Hörfunkformaten thematisiert werden, ist in der medialen Berichterstattung eine Verengung des Faches auf den klinisch-therapeutischen Bereich festzustellen. Dies macht es für Rezipienten nahezu unmöglich, umfassende und realistische Eindrücke vom Forschungsfeld Psychologie zu erhalten (Böhme-Dürr & Grube, 1989; Westerhoff, 2005).

Westerhoff (2005) weist darauf hin, dass als ein wesentliches Bestimmungsmerkmal einer Profession das ihr entgegengebrachte gesellschaftliche Vertrauen gelten kann. Er konstatiert, dass die Art und Weise, in der eine Profession ihre Erkenntnisse und ihr Wissen medial kommuniziert, dieses Vertrauen maßgeblich mitbestimmt.

Die – leider oftmals berechtigte – Sorge, dass ihre Aussagen entweder verkürzt und ungenau oder aber übertrieben dargestellt und interpretiert werden, führt zu einer gewissen Scheu der Psychologen vor einer Zusammenarbeit mit Medienvertretern. Hinzu kommt die Angst, durch Medienauftritte innerhalb der sogenannten „scientific community“ an Reputation und Glaubwürdigkeit zu verlieren (Canter & Breakwell, 1986).

Dennoch bietet die Medienpräsenz den Psychologen auch die Chance, fachliche Erkenntnisse und nicht zuletzt den eigenen Beruf einer breiten Masse vorzustellen. Von den Vertretern des Faches wird das wachsende Interesse an psychologischen Themen durchaus positiv bewertet (Foppa, 1989). So findet auch Abele (1990) bei einer Umfrage unter Forschern und Professoren im Bereich Psychologie, dass im Allgemeinen gute Pressekontakte bestehen. Probleme lokalisiert er vorwiegend dort, wo in der Zusammenarbeit schlechte Forscher auf schlechte Journalisten treffen.

Das Verhältnis zwischen Psychologen und Medienvertretern ist also insgesamt ein ambivalentes, da beide Seiten zwar von einer Kooperation profitieren (können), jedoch auch Kompromisse und Zugeständnisse eingegangen werden müssen.

Die Zunahme psychologischer Themen und damit auch die Einbindung hierin versierter Fachkräfte ist sicherlich für alle Massenmedien zu konstatieren. Für die vorliegende Diplomarbeit sind die Zeitungen, das Radio oder das Internet in diesem Zusammenhang jedoch nicht weiter von Bedeutung. Daher wird im Folgenden konkret das Medium Fernsehen im Hinblick auf Präsenz und Rolle von Psychologen einer näheren Betrachtung unterzogen.

2.1.1 Psychologen im Fernsehen

Im Fernsehen ausgestrahlte Beiträge können danach unterschieden werden, ob sie fiktional (z.B. Spiel- oder Zeichentrickfilme, Seifenopern, etc.) oder nicht fiktional (z.B. Game- oder Talkshows, Wissensmagazine, Dokumentationen, etc.) sind. Nachstehend wird nur auf nicht fiktionale Formate Bezug genommen, da fiktionale Formate für diese Arbeit wenig relevant sind und an anderer Stelle (Pies, 2001; Schneider, 1977, 1987; Wahl, 1995) bereits ausreichend thematisiert wurden.

Das Ausmaß psychologischer Berichterstattung im deutschen Fernsehen ist wissenschaftlich bis dato kaum betrachtet worden. So weisen etwa Trepte et al. (in Druck) darauf hin, dass bislang keine Inhaltsanalysen speziell zu diesem Thema existieren, die sich auf die hiesige Medienlandschaft beziehen. Es ist aber zu beobachten, dass Psychologen zu nahezu jedem Thema um eine Erklärung oder Stellungnahme gebeten werden – sei es die Frage nach geschlechtsspezifischem Verhalten, dem Umgang mit tatsächlichen oder vermeintlichen Katastrophen oder nach dem Grund für einen Anstieg der Kriminalitätsrate. Oft wird auch das Verhalten eines bestimmten Prominenten zum Anlass genommen, dessen gesamte Persönlichkeit von Psychologen analysieren zu lassen. Und nicht zuletzt sind allgemeine „Lebenstipps“ von Psychologen schmückendes Beiwerk in vielen Service-Sendungen und Boulevardmagazinen. In diesem Zusammenhang sind auch Talkshows anzuführen, in denen Psychologen als Experten eingeladen sind und Statements zu den auftretenden Gästen abgeben (Jaeggi & Möller, 1997). Zimmerman (1983) stellt die folgenden unterschiedlichen Rollen heraus, die Psychologen bei ihrer TV-Arbeit einnehmen können:

- Als Berater informieren sie hinter der Kamera über aktuelle Forschungsergebnisse.
- In der Rolle des Experten oder des Interviewten kommentieren sie vor der Kamera Themen, die ihrer Qualifikation und Profession entsprechen bzw. ordnen diese Themen kritisch ein.
- Als Interviewer führen sie Diskussionen mit anderen und greifen dabei auf Gesprächstechniken aus der psychologischen Praxis zurück.
- In der Rolle von Produzenten oder Reportern schließlich verfassen sie eigenständig Beiträge auf der Grundlage ihres fachlichen Wissens.

Über die Rolle der Experten speziell in Daytime Talkshows finden sich, zumindest was die Forschung in Deutschland betrifft, bislang kaum explizite Befunde. Sie werden in der einschlägigen Literatur – wenn überhaupt – meist nur am Rande erwähnt. So konstatieren etwa Mikos (1998a), Schilcher (1996) und Semeria (1999) lediglich ihre Existenz und bescheinigen den Experten, eine untergeordnete Rolle zu spielen. Hierbei verweist Semeria (1999) darauf, dass Experten in den USA wesentlich häufiger in Talkshows eingebunden werden als in Deutschland. Trepte et al. (in Druck) benennen das Problem, dass die Experten, die sich in Daytime Talkshows zu psychologischen Belangen äußern, häufig keine adäquate psychologische Ausbildung absolviert haben. Bente und Fromm (1997) widmen sich dem Thema der Talkshow-Experten etwas eingehender, indem sie zeitliche Bildschirmpräsenz und Verbalaktivität von Talkgästen, Moderatoren und Experten vergleichen. Auch sie finden in diesem Zusammenhang eine eher nebensächliche Rolle der Experten. Einzig Trepte (2002) weist den Experten eine Schlüsselrolle im Hinblick auf die Möglichkeit zu, die Talkshow als eine Form der Therapie zu etablieren, da sie qua Profession als hierzu befähigt angesehen werden.

Hier ist anzumerken, dass eine Talkshow niemals das Äquivalent einer lege artis durchgeführten realen Therapie oder Beratung sein kann, auch wenn sie aufgrund ihrer formalen und inhaltlichen Gestaltung als solche begriffen wird (Trepte et al., in Druck). Die Beispiele, die zeigen, dass die Talk-Psychologie enorm von der therapeutischen Psychologie abweicht, sind zahlreich. Man denke nur an die Kürze der Zeit, den fehlenden Beziehungsaufbau zwischen „Klienten“ und Psychologen oder die allgemeine öffentliche Situation mit einem großen Publikum. Mit dem geschützten Raum einer Therapie bzw. psychologischen Beratung ist dies nicht zu vergleichen. So sollten sich Psychologen vielmehr der Bedingungen bewusst sein, unter denen sie mit massenmedialer Hilfe ihren Berufsstand und das Fach Psychologie als solches vertreten (Trepte et al., in Druck). Denn ganz gleich, welches Berufsbild im Fernsehen dargestellt wird, es muss sich den Anforderungen des Formates unterwerfen. Der Tatsache, dass hiervon im Falle der Psychologen auch ethische Aspekte berührt werden, wurde inzwischen Rechnung getragen.

In Anlehnung an den “Code of conduct” der Fachgruppe “Media Psychology” der APA (American Psychological Association) wurden auch in Deutschland von den Fachgesellschaften ethische Standards und Hinweise zum Umgang der Psychologen mit den Massenmedien formuliert. So empfehlen die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) und der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP) folgenden – sehr allgemein gehaltenen – Verhaltenskodex (DGPs, 1998):

- Stellungnahmen und Ratschläge sollen auf gesichertem, fachlichem Wissen und anerkannter psychologischer Praxis beruhen.
- Aussagen sind auf die sachliche Ebene zu beschränken, und Werbung für eigene Belange der Psychologen ist zu unterlassen.
- Die Aussagen der Psychologen sollen den Rezipienten nicht suggerieren, dass eine persönliche Beziehung zwischen ihnen und den Psychologen besteht.

Die Einhaltung dieser Empfehlungen wird bisher nicht institutionell eigeninitiativ kontrolliert, obgleich dies seit langem gefordert wird. Wohl aber können grobe Verstöße den Fachgesellschaften angezeigt werden, woraufhin eine Überprüfung erfolgt (Trepte et al., in Druck).

Das immer stärker aufkeimende und sich haltende Interesse an psychologischen Themen und Sachverhalten ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist es wünschenswert, wenn Psychologen Erklärungen anbieten und Antworten geben auf Fragen, die die Öffentlichkeit bewegen (Jaeggi & Möller, 1997). Solche fachlichen Hinweise werden durchaus zu Recht gefordert. Bei dem Bemühen, diesen Forderungen gerecht zu werden, sehen sich die im Fernsehen tätigen Psychologen andererseits einigen Schwierigkeiten gegenüber. Von ihnen wird eine schnelle Problemlösung erwartet und für ausgiebige Erklärungen und Hintergrundinformationen bleibt häufig keine Zeit. Journalisten und Moderatoren werden bei Erreichen eines gewissen Tiefgangs schnell ungeduldig und lenken ab. Als Konsequenz hieraus mutet die durch das Fernsehen vermittelte Psychologie allenfalls wie die schnelle Verordnung eines Medikaments an (Jaeggi & Möller, 1997). Durch diese verkürzte Darstellung wird die Entstehung von Vorurteilen begünstigt und es entsteht der Eindruck, Psychologie habe über den „gesunden Menschenverstand“ nur wenig Brauchbares beizutragen (Kliche et al., 1999).

Um solchen Problemen angemessen begegnen zu können, schlagen Trepte et al. (in Druck) unter anderem vor, dass Psychologen in den Medien ihr Kommunikationsverhalten und den Inhalt des Gesagten an die gegebenen medialen Umstände anpassen. Hierzu gehört den Autoren zufolge auch, dass sie ihre Ziele – etwa Verweise auf Hilfe leistende Institutionen – mit den Vertretern der Massenmedien aushandeln, um zufriedenstellende Ergebnisse ihrer Arbeit zu erzielen.

Mit dem Kommunikationsverhalten von (unter anderem) psychologischen Experten in amerikanischen Daytime Talkshows befasst sich Seifried (1999). Sie untersucht jeweils drei Sendungen der Talkshows „Rolonda“ und „Oprah Winfrey“ hinsichtlich des Sprachstils, den die Experten im Gespräch mit den Talkgästen pflegen. Hierbei unterscheidet sie – in Anlehnung an Foucault – zwischen diskursiven Strategien der Objektivierung und solchen der Subjektivierung. Die Autorin kommt zu dem Ergebnis, dass die Experten-Diskurse in den beiden Showreihen unterschiedlich strukturiert sind. In den Rolonda-Sendungen artikuliert sich die durch den Psychologen stattfindende Beratung der Talkgäste als Pflicht des Subjekts zur Übernahme von Normen und zum dressurähnlichen Einüben eines vom Experten als richtig erachteten Verhaltens. Hier werden also vorwiegend Strategien der Objektivierung des Talkgastes angewendet. Die Winfrey-Sendungen dagegen zeichnen sich dadurch aus, dass der Expertendiskurs von Subjektivierungsstrategien geprägt ist. Hier zeigt sich Beratung als zur Selbsthilfe ermächtigender Informationszuwachs.

Welcher Diskurstypus bei den Psychologen der Talkshow überwiegt, die Gegenstand der vorliegenden Diplomarbeit ist, wird im Rahmen der später dargestellten Inhaltsanalyse überprüft.

2.2 Psychologen in der Realität

Nachdem Präsenz und Rolle von Psychologen in den Medien beleuchtet wurden, sollen nun das reale Berufsbild und die in der Öffentlichkeit vorherrschende Meinung über Psychologen näher betrachtet werden.

2.2.1 Berufsbild

Psychologen betätigen sich in vielfältigen Berufsfeldern und Arbeitsbereichen. Hierzu gehören (a) Arbeits- und Organisationspsychologie, (b) Forensische und Rechtspsychologie, (c) Forschung und Lehre, (d) Klinische Psychologie und Psychotherapie, (e) Markt- und Meinungsforschung sowie Kommunikations- und Medienpsychologie, (f) Pädagogische Psychologie, (g) Verkehrspsychologie und (h) weitere, neuere Bereiche wie Gesundheits-, Sport-, Freizeit- und Umweltpsychologie (BA, 2005; DGPs, 2007). Sie erbringen damit für die gesellschaftlichen Aufgabenfelder Gesundheit, Erziehung und Bildung, Arbeitswelt und Kultur professionelle Dienstleistungen (BDP, 2007a).

Die Arbeitsmarkt-Information der Bundesagentur für Arbeit (BA) beziffert die Zahl der erwerbstätigen Psychologen in Deutschland auf 43.000 bis 48.000 (BA, 2005). Ca. 70% der Psychologen sind Frauen. Die Zahl der Erwerbstätigen hat sich in den letzten 10 Jahren mehr als verdoppelt. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten ist stark angestiegen und wird auf über 50 % geschätzt. Abbildung 1 zeigt die Verteilung der Mitglieder des BDP auf die einzelnen Sektionen im Jahr 2004. Rund ein Viertel aller berufstätigen Psychologen ist im BDP organisiert, so dass die Zahlen Rückschlüsse auf die Schwerpunkte der Berufstätigkeit zulassen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Verteilung der Mitglieder des BDP nach Sektionen (BA, 2005)

Hierbei ist anzumerken, dass es je nach Interessenlage des jeweiligen Psychologen und dessen individuellen Tätigkeitsanforderungen und Arbeitszusammenhängen auch Doppelmitgliedschaften gibt. Da ein Teil der freiberuflichen sowie der angestellten und beamteten Psychologen auch im klinischen Bereich tätig ist, wird deutlich, dass der Großteil der berufstätigen Psychologen im klinischen Bereich arbeitet. Diesem Tätigkeitsbereich kommt also als Berufsfeld die größte Bedeutung zu (BA, 2005).

Die Arbeit von Psychologen in Beratungsstellen – ebenfalls dem klinischen Bereich zuzurechnen – ist für die vorliegende Diplomarbeit von besonderer Bedeutung, da diese Tätigkeit Parallelen mit der Arbeit von Psychologen in Talkshows aufweist. Daher wird das Tätigkeitsfeld der psychologischen Beratung nachfolgend eingehender beschrieben.

Die Fach- und berufspolitischen Leitsätze des BDP zur Psychologischen Beratung (BDP, 2000) definieren diese als einen wechselseitigen Prozess zwischen Personen bzw. Gruppen, der psychische Kompetenz und Handlungskompetenz fördert, vorhandene Ressourcen aktiviert bzw. neue Ressourcen erschließt und störende Faktoren abbaut. Hierzu werden Methoden eingesetzt, die auf den Kenntnissen der wissenschaftlichen Psychologie beruhen. Den Leitsätzen nach kann psychologische Beratung ausschließlich von Psychologen durchgeführt werden, da nur sie über entsprechende wissenschaftliche und berufliche Kompetenzen verfügen. Hierzu ist anzumerken, dass die Berufsbezeichnung „Psychologischer Berater“ nicht geschützt ist. So kann sich – unabhängig von der Ausbildung – jeder als „Psychologischer Berater“ bezeichnen. Die Berufsbezeichnung „Diplom-Psychologe“ oder „Psychologe“ ist demgegenüber gesetzlich geschützt und impliziert eine festgelegte, mit bestimmten Standards versehene, universitäre Ausbildung (BDP, 2007b).

Den Großteil der insgesamt ca. 2500 Beratungsstellen in Deutschland bilden die ca. 1650 Beratungsstellen für Kinder und Jugendliche bzw. Eltern und Familien, in denen Diplom-Psychologen die größte einheitliche Berufsgruppe darstellen (BDP, 2006). Sie sind wie alle Psychologen den Ethischen Richtlinien der DGPs und des BDP (DGPs, 1998) verpflichtet. Diese fordern unter anderem auf zu

- ständiger Fortbildung,
- kollegialer Zusammenarbeit mit Fachkräften anderer Berufsgruppen,
- Reflexion bzw. Supervision der Arbeit,
- beruflicher Verschwiegenheit und
- klarer Abgrenzung der Verantwortlichkeiten, insbesondere bei psycho-logischen Stellungnahmen nach außen.

Für die psychosozialen Beratungsstellen besteht ein Vernetzungs- und Koordinationsauftrag mit ihrem institutionellen Umfeld (Böckelmann, 2003). Das konkrete Tätigkeitsfeld der psychologischen Beratung schließt Informationen über psychische und soziale Dynamiken ein sowie Motivation zur (a) Weiterführung der Beratung in der eigenen oder einer anderen Einrichtung, (b) Einleitung einer externen Psychotherapie oder (c) Aufnahme einer anderweitigen Behandlung (BDP, 2006).

Nach dieser Betrachtung des realen Berufsbildes des Psychologen – mit besonderem Blick auf die psychologische Beratung – soll nun das Image von Psychologen in der Bevölkerung dargestellt werden.

2.2.2 Image

Eine breit angelegte, repräsentative Befragung bezüglich des Image der Diplom-Psychologen in der Bundesrepublik (Sander, 1998) mit 2597 Teilnehmern kommt zu folgenden Ergebnissen:

- 81 % der Befragten haben noch nie persönlich Kontakt zu Psychologen gehabt.
- Bei den Personen mit Psychologen-Kontakt zeigt sich, dass dieser Kontakt als umso erfolgreicher eingestuft wird, je häufiger er stattfindet.
- Ca. zwei Drittel der Befragten interessieren sich kaum oder überhaupt nicht für das Thema Psychologie. Bei den Frauen ist das Interesse größer als bei den Männern (41 % vs. 33 %). Außerdem gilt, dass das Interesse mit steigender Schulbildung wächst: 73 % der Abiturienten, aber nur 24 % der Hauptschulabgänger schenken der Psychologie Beachtung.
- Nur etwa jeder zweite Befragte hält den Beruf des Psychologen für bedeutsam. Jedoch wird seine Bedeutsamkeit von 77 % derjenigen, die Kontakt zu Psychologen haben, als groß bzw. sehr groß eingeschätzt.
- Vor allem für psychopathologische, psychotherapeutische und forensische Tätigkeitsbereiche wird von den Befragten die Mitarbeit von Psychologen als wichtig und bedeutsam angesehen. Als nicht so wichtig bzw. unwichtig beurteilt ein Großteil der Befragten die Arbeit der Psychologen vor allem in den Bereichen Umweltschutz, Arbeitsschutz, Organisationsentwicklung und Marktforschung. Für alle Arbeitsbereiche zeigt sich jedoch, dass die Mitwirkung von Psychologen als umso bedeutsamer eingestuft wird, je mehr man Kontakt zu Psychologen hat.
- Bei 6 von 14 erfassten Image-Dimensionen fielen die Urteile indifferent aus. Hier waren die Befragten vor allem unsicher in der Beurteilung der folgenden Items: Psychologen (a) nehmen oft sehr kompetent Stellung zum aktuellen Zeitgeschehen, (b) genießen in der Bevölkerung ein hohes Ansehen, (c) sind in der Lage, ganz praktische Hilfe bei Lebensproblemen zu leisten und (d) wissen oft selbst nicht so genau, wie sie anderen helfen können.
- Ein positives Image wurde den Psychologen auf 6 Dimensionen bescheinigt. Demnach gilt, Psychologen (a) haben eine fundierte wissenschaftliche Hochschulausbildung, (b) sind keine Scharlatane und Quacksalber, (c) haben nicht Psychologie studiert, weil sie selbst Probleme haben, (d) sind echte Fachleute auf ihrem Gebiet, (e) haben wirksame Methoden und Verfahren, um Menschen helfen zu können und sind (f) nicht überflüssig, da ein guter Freund nicht den Psychologen ersetzt.
- Bei zwei Dimensionen fiel das Psychologen-Image negativ aus. Hier sind viele Befragte (39 %) zum einen der Meinung, dass Psychologen sich meist so kompliziert ausdrücken, dass man sie kaum versteht. Zum anderen gibt ein Großteil der Befragten (43 %) an, bei Problemen nicht einen Psychologen um Rat fragen zu wollen.

Insgesamt belegt die Studie, dass das Image von Psychologen in der Öffentlichkeit kein sehr schlechtes ist. Bemerkenswert ist vor allem der Befund, der sich ergibt, wenn die Variable Kontakthäufigkeit kontrolliert wird. Hier zeigt sich, dass – wie Abbildung 1 verdeutlicht – auf allen erhobenen Image-Dimensionen die Beurteilung umso positiver ausfällt, je mehr Kontakt zur Berufsgruppe der Psychologen besteht. Offensichtlich wirkt sich also vermehrter Kontakt zwischen Bevölkerung und Psychologen derart aus, dass Hemmschwellen und Vorbehalte seitens der Bevölkerung abgebaut werden und das Vertrauen in den Berufsstand gesteigert wird. Dies führt dann auch zu einer erhöhten Bereitschaft, sich bei eigenen Problemen an einen Psychologen zu wenden und dessen professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Image der Diplom-Psychologen in der Bevölkerung (Sander, 1998)

Hieraus folgt für Sander (1998) die Aufforderung an die Psychologen, die Kontakte zur Bevölkerung zu intensivieren und so das öffentliche Ansehen der Profession zu verbessern.

Rompell (1999) findet in einer Internetbefragung mit 271 Teilnehmern folgende Ergebnisse bezüglich des Psychologen-Image:

- Den Psychologen wird eine hohe Kompetenz – vor allem im klinischen Bereich – zugesprochen.
- Im persönlichen Kontakt mit Psychologen bestehen bei vielen Befragten Vorbehalte bzw. sie fühlen sich in Anwesenheit von Psychologen unsicher und sind der Meinung, Psychologen hätten selbst einen „Tick“.
- Im Hinblick auf die berufliche Tätigkeit der Psychologen werden von den meisten Befragten klinisch-therapeutische Anwendungsfelder genannt.
- Die Abgrenzung von Psychologen zu benachbarten Berufsgruppen (etwa Psychiater oder Psychotherapeut) gelingt den Befragten nur unzureichend.
- Die Assoziationen der Befragten zum Stichwort „Psychologisches Experiment“ sind vorwiegend negativ und inhaltlich behavioristisch geprägt. Psychoanalytische Ansätze spielen dagegen nur vereinzelt eine Rolle.

Der Autor kommt zu dem Schluss, dass für die Psychologie vor allem eine Korrektur der gefundenen Überzeugungen in Richtung einer differenzierteren und realistischeren Sichtweise notwendig sei. Zu dieser Studie ist jedoch kritisch anzumerken, dass sie nicht repräsentativ ist, da die Stichprobe im Hinblick auf Alter, Bildung und Geschlecht der Teilnehmer nicht der Durchschnittsbevölkerung entspricht.

Eine Internetbefragung von Wahl und Rietz (1999) untersucht bezüglich des Psychologen-Image in Deutschland das Selbstbild der Psychologen (Selbstbild), das von den Psychologen vermutete Fremdbild der Bevölkerung von Psychologen (vermutetes Fremdbild) und das tatsächliche Bild, das sich Nicht-Psychologen von Psychologen machen (Fremdbild). Die Auswertung der von 96 Psychologen und 202 Nicht-Psychologen ausgefüllten Fragebögen ergab Folgendes:

- Bei 22 von 32 Items fiel das Selbstbild besser aus als das Fremdbild. Nur die Items „Psychologie ist ein Modestudium“ und „Die Beiträge von Psychologen und Psychologinnen in Fernsehsendungen sind wissenschaftlich fundiert“ zeigen im Fremdbild eine positivere Beurteilung als im Selbstbild.
- Beim Vergleich des tatsächlichen mit dem vermuteten Fremdbild zeigt sich bei 28 Items, dass das tatsächliche Fremdbild deutlich positiver ist als das vermutete. Lediglich die Items „Die Beiträge von Psychologen und Psychologinnen in Fernsehsendungen sind wissenschaftlich fundiert“ und „Psychologen und Psychologinnen haben im Fernsehen nur wenig Hilfreiches anzubieten“ zeigen eine Beurteilung der Nicht-Psychologen, die negativer ausfällt als von den Psychologen erwartet.
- Der Vergleich zwischen Selbstbild und vermutetem Fremdbild zeigt bei 27 Items eine Selbsteinschätzung der Psychologen, die deutlich positiver ausfällt als das vermutete Fremdbild. Damit glauben die Psychologen zwar an eine negative Bewertung durch andere, sind aber gleichzeitig von der eigenen Kompetenz überzeugt. Eine Ausnahme hiervon stellen wiederum die Items bezüglich der Qualität psychologischer Beiträge im Fernsehen dar, bei denen die Psychologen eine bessere Einschätzung durch andere vermuten, als dies tatsächlich der Fall ist.

Nach dieser Studie ist also die Befürchtung der Psychologen, von der Öffentlichkeit als sehr negativ eingeschätzt zu werden, insgesamt unbegründet. Die Autorinnen nennen als wichtigsten Zielfaktor für eine Imagekorrektur die Überwindung der Kluft zwischen Selbsteinschätzung und vermuteter Fremdeinschätzung.

Eine repräsentative Meinungsumfrage in Basel „zum Bild des Psychologen in der Bevölkerung“ mit 412 Teilnehmern von Perrig-Chiello und Perrig (1992) kommt zu folgenden Ergebnissen:

- Ca. ein Drittel der Befragten hat schon einmal psychologische Hilfe in Anspruch genommen. Hierbei machten 61 % sehr gute und gute Erfahrungen im Kontakt mit Psychologen, 21 % mittelmäßige und bei 14 % fielen die Erfahrungen negativ aus.
- 61 % der Befragten sind der Ansicht, man würde sich schämen, wenn man die Inanspruchnahme psychologischer Hilfe vor anderen zugibt.
- Die gesellschaftliche Bedeutung der Psychologie wird von 86 % der Befragten anerkannt, und 43 % haben sehr großes Interesse an diesem Fach.
- Bezüglich des Berufs-Image rangieren die Psychologen im Mittelfeld, hinter Ärzten und Lehrern, aber vor Polizisten und Bankangestellten.
- Das Arbeitsfeld des Psychologen sehen 29 % der Befragten vorwiegend im betriebspsychologischen Bereich. Ähnliche Prozentwerte ergeben sich für die Klinische Psychologie (27 %) und Schule bzw. Erziehungs- und Berufsberatung (26 %).

Die Autoren fassen zusammen, dass der Ruf der Psychologie und ihrer Vertreter in der Bevölkerung recht gut ist und hohe Erwartungen in die Psychologie gesetzt werden. Dennoch bestehe in der Bevölkerung noch Informationsbedarf. Folgerichtig fordern die Autoren abschließend von Psychologen, die eigene – auch berufspolitische – Identität zu klären und sowohl Präsenz als auch Informationsbemühungen gegenüber der Bevölkerung zu steigern.

Insgesamt zeigen die zitierten Studien, dass ein Großteil der Bevölkerung nicht über persönliche Erfahrungen im Kontakt zu Psychologen verfügt. Wenn ein solcher Kontakt besteht, wirkt er sich in den meisten Fällen jedoch deutlich positiv auf das Image der Psychologen aus. Bei Personen ohne Psychologen-Kontakt ist das Bild, das sie von dieser Berufsgruppe haben, in nahezu allen Aspekten negativer als bei Personen mit Psychologen-Kontakt. Die Abgrenzung des Psychologenberufes von benachbarten Berufsfeldern gelingt den Befragten allgemein nur vage bzw. unzureichend. Trotz der Tatsache, dass den Psychologen überwiegend fundierte Kompetenzen und Fähigkeiten – gerade im klinischen Bereich – zugestanden werden, ist insgesamt die Scheu der Bevölkerung, bei eigenen Problemen einen Psychologen um Rat zu fragen, groß. Ebenso zeigt sich eine gewisse Scham, die Inanspruchnahme psychologischer Hilfe vor anderen zuzugeben.

3 Das Genre Talkshow als Affektfernsehen

3.1 Charakteristika und Definition des Genres

Es gibt in der deutschsprachigen Literatur recht heterogene Beschreibungen bzw. Definitionen des Genres Talkshow (Semeria, 1999). Hinzu kommt, dass es auch verschiedene Subgenres gibt, die jeweils zum Teil unterschiedliche Merkmale aufweisen.

Eine erste – noch recht allgemeine – Definition der Talkshow nennen von Barloewen und Brandenberg (1975), die drei konstitutive Faktoren des Genres ausmachen: (a) Die Sendung hat Seriencharakter, (b) der Gastgeber ist die zentrale Figur und (c) das Gespräch in der Talkshow ist nicht sach-, sondern personenbezogen.

Nach Bente und Fromm (1997) werden die Talkshows allgemein dem sogenannten Affektfernsehen zugerechnet, das sie durch die folgenden vier zentralen Merkmale charakterisieren: (a) Personalisierung, (b) Authentizität, (c) Intimisierung und (d) Emotionalisierung. Personalisierung entsteht dadurch, dass die Darstellung ausschließlich um das Schicksal der unmittelbar betroffenen Einzelperson zentriert ist. Allgemeines tritt hinter Individuellem zurück und der Moderator schafft ein Klima der (scheinbaren) Vertrautheit und Verlässlichkeit. Authentizität wird erreicht, indem die Geschichten der nicht prominenten Personen entweder erzählt oder vor der Kamera nachgespielt werden, wobei der vorgetäuschte Live-Charakter der Sendung genau diese Authentizität unterstreicht. Intimisierung ist dadurch gegeben, dass sehr private persönliche Belange und Aspekte zwischenmenschlicher Beziehungen öffentlich verhandelt werden. Zur Emotionalisierung schließlich trägt bei, dass Gefühlen und Affekten der Gäste und emotionalen Aspekten der Erzählungen mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als Mitteilungen auf der sachlichen Ebene. Teilweise werden die Talkgäste in besonders bewegten Momenten auch in Großaufnahme gezeigt.

Fromm (1999) benennt zudem noch den alltagsnahen, persönlichen Kommunikationsstil, in dem die Gespräche geführt werden. Dadurch, dass die Zuschauer direkt angesprochen werden, der Gesprächspartner grundsätzlich geduzt wird und die Unterhaltung einen eher emotionalen Charakter hat, wird Vertrautheit suggeriert. Damit enthalten diese Gespräche (Pseudo-)Beziehungsangebote und Nähestrukturen. Eine Zunahme der Gefühlsbetonung im Fernsehen allgemein konstatiert auch Winterhoff-Spurk (2005), für den dieses Medium eher die Gefühle und Affekte als den Intellekt der Rezipienten anspricht.

Für Plake (2004) inszenieren Talkshows lebensweltliche Gespräche unter Showbedingungen und produzieren so eine Eigenwirklichkeit, da alles – vom Gesprächsinhalt bis zu den Emotionen – einem festgelegten Kalkül folgt und damit künstlich ist.

Fley (1997) postuliert als Definition der Talkshow eine Konzeption primär zweckfreier Gespräche, die zur selben Zeit am selben Ort stattfinden und mit gleichmäßiger Häufigkeit auftreten, wobei es zumindest für eine Gesprächsseite keine Restriktionen bezüglich ihrer Aussagen gibt.

Wie bereits erwähnt, kann das Genre Talkshow in verschiedene Klassen eingeteilt werden. So benennen Steinbrecher und Weiske (1992) folgende Subgenres:

- Der Promi-Talk ist die traditionellste Form der Talkshow und dreht sich vorwiegend um das an der Person orientierte Gespräch mit prominenten Gästen.
- Der Themen-Talk stellt ein bestimmtes, oft aktuelles Thema in den Mittelpunkt. Hier werden die – meist prominenten – Gäste vor allem ihrer Kompetenz wegen in die Sendung eingeladen.
- Der Portrait-Talk beschäftigt sich mit nur einem Gast und kann sowohl unterhaltenden als auch informativen Charakter haben.
- Beim Konfro-Talk geht es um emotional aufgeladene Streitgespräche zwischen – prominenten oder nicht prominenten – Gästen, die ein kontroverses Thema behandeln.

Winterhoff-Spurk (1999) fügt noch das Subgenre Problem-Talkshow hinzu, bei dem intime Probleme nicht prominenter Gäste unter Einbeziehung des Studiopublikums verhandelt werden.

Semeria (1999) übernimmt den amerikanischen Begriff Daytime Talkshow für Talksendungen im Tagesprogramm und zählt folgende konstitutive Merkmale speziell dieses Subgenres auf, wobei er sich stark an einer Definition von Mikos (1998b) orientiert: Der Moderator (oder Host) präsentiert die Sendung, in der das medial inszenierte Gespräch im Mittelpunkt steht. Die Talkshows können sowohl einen bekennenden als auch einen konfrontativen Gesprächscharakter aufweisen. In der Daytime Talkshow wird jeweils nur ein Thema behandelt, zu dem sich die meist nicht prominenten Gäste und gegebenenfalls auch eingeladene Experten äußern. Eine Beteiligung des Studiopublikums durch Wortbeiträge oder Fragen ist möglich und häufig auch erwünscht. Die Sendungen werden in standardisierter Produktionsweise aufgezeichnet und auf einem festen Sendeplatz mehrmals wöchentlich am Vor- oder Nachmittag ausgestrahlt. Die aufgelisteten Merkmale sind allen Daytime Talkshows gemeinsam und definieren ihre Zugehörigkeit zu diesem Genre. Trepte (2002) folgt in ihren Ausführungen dieser Aufzählung weitgehend, ergänzt sie jedoch noch um den Aspekt, dass in Talkshows keine Sachverhalte, sondern personenbezogene Themen behandelt werden.

Hoffmann (1998) dagegen definiert Daytime Talkshows recht knapp als Talksendungen, die werktags mindestens viermal in der Woche ausgestrahlt werden.

Bei Schilcher (1996) findet sich in ihrer ebenfalls sehr allgemeinen Definition noch der Hinweis auf den Sendetermin der Daytime Talkshows, den sie als für Deutschland ungewohnt früh bezeichnet.

Es ist schwierig, eine Definition der Daytime Talkshow zu finden, die alle oben genannten Aspekte berücksichtigt. Insgesamt genügt wohl die bereits erwähnte Definition von Trepte (2002) diesem Anspruch noch am ehesten, da sie alle relevanten Kriterien einschließt und dennoch nicht zu ausführlich formuliert ist. Hierin finden sich folgende Elemente einer Daytime Talkshow:

- Moderator als zentraler Akteur,
- unprominente Gäste, die ihre Geschichte erzählen; manchmal sind auch Experten oder Prominente anwesend,
- Gespräch als wesentlicher Faktor,
- Ort des Geschehens ist ein Studio,
- es geht um personen- und nicht um sachbezogene Themen,
- Einbeziehung des Studiopublikums,
- standardisierte Produktionsweise,
- festgelegter Sendeplatz und damit Seriencharakter der Show.

Semeria (1999) verweist darauf, dass in den Daytime Talkshows zudem eine sogenannte Selbstreferentialität in verschiedenen Erscheinungsformen vorzufinden ist. Dies bedeutet, die Hosts der Sendungen verweisen auf ihre eigene Show oder das Genre Daytime Talkshow allgemein. In der Variante Binnenreferenz geht es um einen Bezug der Show oder des Moderators zu sich selbst. Dies kann zum Beispiel der Hinweis sein, dass ein aktueller Fall bereits in einer früheren Sendung behandelt wurde und nun weitergeführt wird. In der Variante der Außenreferenz wird die mögliche Wirkung der Ansprache eines breiten Publikums dargestellt. Es wird etwa betont, durch die Sendung bestehe die Chance, eine Anstellung zu finden, da potentielle Arbeitgeber auf den Gast aufmerksam werden könnten. Die Talkshows weisen auch auf ihre Bedeutung als moderne „Partneragenturen“ hin, die den Kontakt vermitteln, wenn ein Zuschauer einen Gast näher kennen lernen möchte und sich zu diesem Zweck an die Redaktion wendet. Man kann an diesen Punkten eine Art Selbstrechtfertigung der Sendungen erkennen, die dem Zuschauer auf diese Weise ihre Existenzberechtigung deutlich machen.

Fromm (1999) konstatiert, dass die Talkshows ein scheinbares Beziehungsangebot enthalten, da sie beim Zuschauer den Eindruck von Nähe und Beteiligtsein erzeugen.

Der Abspann oder die Schlusssequenz einer Sendung werden vom Moderator für eine Zusammenfassung dessen genutzt, was in der Show besprochen wurde. Zumindest wird darauf verwiesen, was Absicht und erwünschtes Ergebnis hätten sein sollen. Hier wird dann meist recht billiger Trost gespendet und der moralische Zeigefinger erhoben (Semeria, 1999).

Nach Stach (2006) bieten die Talkshows nur noch ein minimalistisches Informationsangebot. Es kommt vor allem auf die Produktion von Sensation an, indem starke Gefühlszustände und Erregungskurven erzeugt werden. Dadurch, dass in den Sendungen keine Prominenten auftreten, sondern die Talkgäste ganz „normale“ Menschen sind, ändert sich auch die Rolle der Zuschauer. Sie konsumieren nicht mehr nur die Sendung, sondern haben grundsätzlich auch die Möglichkeit, diese aktiv selber zu gestalten. Wenn sie das Bedürfnis haben, können die Rezipienten als Gäste teilnehmen und sich dadurch im Fernsehen selbst darstellen. So werden sie gleichsam auch zu Produzenten solcher Formate. Gerade die Daytime Talkshow ist hierfür prädestiniert, weil fortlaufend neue Gäste benötigt werden.

Für die Sender sind die täglichen Talkshows eine gute Einnahmequelle (z.B. durch Werbeeinnahmen) bei vergleichsweise geringem finanziellen Aufwand in der Herstellung. So erwähnt Schilcher (1996) für die damals gesendete Talkshow „Arabella“ Produktionskosten einer Sendung von 50.000 bis 70.000 DM, für „Ilona Christen“ (ebenfalls damals im Programm) von ca. 75.000 DM. Heute liegen die Kosten für die Produktion einer Sendung bei ca. 25.000 Euro (Stach, 2006). Sokolowsky (1996) bemerkt ironisch, dass letztendlich nur das Testbild geringere Kosten verursachen würde.

In den deutschen Daytime Talkshows werden allgemein vor allem vier Themenbereiche behandelt (Trepte et al., in Druck): (a) Beziehungen / Partnerschaft, (b) Charakter / Lebensart, (c) Körper / Schönheit / Mode und (d) Familie. Mehrere Inhaltsanalysen (Bente & Fromm, 1997; Grimm, 2001; Paus-Haase, Hasebrink, Mattusch, Keuneke & Krotz, 1999; Semeria, 1999) belegen, dass Beziehungen / Partnerschaft das vorrangige Thema ist und in ca. 25 % aller Talksendungen behandelt wird. Die Themenfelder Charakter / Lebensart und Körper / Schönheit / Mode sind Gegenstand von ca. 10 bis 13 % der Sendungen (Grimm, 2001; Semeria, 1999). Die Kategorie Familie wird in 8 bis 18 % der Sendungen thematisiert (Trepte et al., in Druck). Bezüglich der genannten vier Themenbereiche unterscheidet Semeria (1999) zwischen den Themenkategorien „Beziehungen / Partnerschaft“ und „Familie“ einerseits und den Kategorien „Charakter / Lebensart“ und „Körper / Schönheit / Mode“ andererseits. Die erstgenannten Themenbereiche beinhalten dem Autor zufolge ein Konfliktpotential in einem Beziehungsgefüge. Hier sind also mehrere Personen in das zur Sprache kommende Problem involviert. Bei den letztgenannten Themenbereichen dagegen steht der Selbstdar-stellungscharakter des Gastauftrittes im Vordergrund, da ausschließlich die Belange des jeweiligen Talkgastes zur Sprache kommen.

Insgesamt ist festzuhalten, dass das Spektrum des Formates Talkshow eindeutig um private bzw. intime Themen zentriert ist (Plake, 2004). Hierdurch und durch die Art ihrer medialen Inszenierung – etwa Gesprächsstil, Kameraführung oder die Simulation einer Live-Ausstrahlung – beinhalten die Talkshows alle Charakteristika des Affektfernsehens.

3.2 Die historische Entwicklung der Talkshow im deutschen Fernsehen

Als Prototyp der Talkshow im deutschen Fernsehen gilt die am 4. März 1973 erstmals nur im WDR ausgestrahlte Sendung „Je später der Abend“, die von Dietmar Schönherr moderiert wurde. Das Datum der bundesweiten Premiere dieser Talkshow war der 31.12.1973 (zum Folgenden Semeria, 1999; Steinbrecher & Weiske, 1992; Weiß, 1999). Zu diesem Zeitpunkt war das Fernsehen in Deutschland noch überwiegend öffentlich-rechtlicher Art, was hinsichtlich des in dieser Struktur verankerten Bildungsauftrages vielleicht auch ein Grund war, nicht früher ein Talkprogramm zu etablieren, das ja nicht der Bildung, sondern der Unterhaltung dient. Die deutschen Programmchefs berieten zwar bereits in den sechziger Jahren über die Etablierung eines Talkprogramms, befanden das Publikum aber als nicht reif für dieses Konzept (Steinbrecher & Weiske, 1992). Als es dann schließlich 1973 zu einer Einführung des Genres kam, versuchte man, das amerikanische Unterhaltungskonzept für den deutschen Markt zu übernehmen. Dass das deutsche Publikum mit dem Begriff Talkshow zunächst etwas anderes als eine Gesprächssendung verband, belegen die Zuschauerbriefe, die nach der Premiere von „Je später der Abend“ bei der Redaktion eintrafen und bekundeten, dass die erwarteten Showelemente – Tanz, Gesang, etc. – vermisst wurden (von Barloewen & Brandenberg, 1975).

1976 wurden in „III nach neun“ und „Kölner Treff“ erstmals auch einige nicht prominente Gäste in die Sendungen eingeladen. Dieses Konzept stieß auf so große Resonanz bei den Zuschauern, dass die „herkömmliche“ Talkshow „Je später der Abend“ verdrängt und schließlich eingestellt wurde (Steinbrecher & Weiske, 1992). Die anderen deutschen Sendungen, deren Moderatoren damals noch Talkmaster genannt wurden, setzten ganz auf prominente Gäste (Foltin, 1994). Eine Zuschauerbeteiligung fand in keiner der Talkshows statt, die in den siebziger Jahren im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurden (Semeria, 1999). Die „Daytime“ war zu diesem Zeitpunkt in Deutschland als Markt und Programmplatz noch unbedeutend. Da es aufgrund des fehlenden Mutes der deutschen Talkshow-Macher keinen nennenswerten qualitativen Sprung für das Genre gab (Steinbrecher & Weiske, 1992), war der erste Talkshowboom schon 1978 vorbei und das Genre stagnierte bis zur Einführung des privaten Fernsehens.

Anfang der neunziger Jahre gab es einen zweiten Talkshowboom, da die Anzahl der Kanäle und damit die Konkurrenz um die Einschaltquoten gewachsen war. So wurde auch das Nachmittagsprogramm attraktiver, was die Ausstrahlung von täglichen Talkshows möglich machte. Die Daytime Talkshow gehört seit 1992 zum deutschen Fernsehprogramm (Plake, 2004) und wurde im September eben dieses Jahres durch Hans Meiser mit seiner gleichnamigen Sendung im Privatfernsehen eingeführt. Zunächst waren diese Sendungen überwiegend „confrontainment Talkshows“ (wie etwa „Explosiv – Der heisse Stuhl“, RTL). Es wurden in dieser Zeit auch erstmals Talkshows, die sich speziell an Frauen als Zielgruppe richteten, ausgestrahlt („Frauenstammtisch“, 3Sat oder „Herrmann – Die Talkshow für Sie“, Sat1). Sie spiegelten den Themenkatalog der etablierten Frauenzeitschriften wider und behandelten vorwiegend Probleme, die sich um Erziehung, Partnerschaft, Haushalt und Beruf drehten (Foltin, 1994).

In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre erlebte das Genre Daytime Talkshow weiter starken Zuwachs, was auch das Interesse der Forscher auf diesem Gebiet steigerte. So beschäftigten diese sich mit speziellen Fragestellungen wie Themen und Präsentation der Daytime Talkshows (Bente & Fromm, 1997; Mikos, 1998a), ihrer Funktion als Ratgeber (Schilcher, 1996) oder den Motiven der Talkgäste (Hoffmann, 1998). Schließlich gab es 1997 im deutschen Fernsehen ca. siebzig Talkshow-Sendungen, von denen 1999 zwölf täglich ausgestrahlt wurden. Diese „Blütezeit“ der Daytime Talkshow hielt bis zum Jahre 2001 an. In den Folgejahren (ab Januar 2002) wurden dann einige Sendungen aufgrund mangelnder Quote wieder eingestellt. Ihren Platz nahmen zum Teil Gerichts-, Quiz- und Clip-Shows ein. Dennoch waren im Jahre 2002 noch acht tägliche Talkshows im Programm (Stach, 2006).

Heute ist die Zahl der Daytime Talkshows auf aktuell drei zurückgegangen: „Die Oliver Geissen Show“ (RTL), „Vera am Mittag“ und „Britt - Der Talk um Eins“ (beide Sat.1), wobei „Vera am Mittag“ nicht mehr produziert wird - die nun ausgestrahlten Sendungen sind Wiederholungen aus dem Jahr 2005. „Zwei bei Kallwass“ (Sat.1), wenngleich als Beziehungstalkshow ausgewiesen und werktäglich gesendet, wird bei dieser Aufzählung nicht berücksichtigt, da drei typische Merkmale einer Daytime Talkshow (s.o.) gänzlich fehlen: 1. Eine Zuschauerpartizipation findet nicht statt. Das Studiopublikum wird weder befragt, noch hat es die Möglichkeit, eigenaktiv durch Wortmeldungen Meinungen zu äußern. 2. Es gibt keine Anmoderation bzw. Begrüßung – nicht zu Beginn der Sendung und auch nicht nach Werbeunterbrechungen. Die Moderatorin wendet sich nicht an die Fernsehzuschauer. Ein 3. Punkt ist die fehlende Selbstreferentialität. Es wird weder auf die eigene Sendung noch auf Talkshows allgemein verwiesen.

Der starke Rückgang der Daytime Talkshows im deutschen Fernsehen spricht dafür, dass ihr Höhepunkt überschritten ist (Stach, 2006). So zeigen auch die Einschaltquoten der drei noch heute im Programm befindlichen Talkshows, dass aktuell weniger Zuschauer Interesse an diesen Sendungen haben als noch vor einigen Jahren. Während Anfang des Jahres 2001 noch durchschnittlich 1,27 Millionen Zuschauer ab 14 Jahren die „Oliver Geissen Show“, 0,98 Millionen „Britt – Der Talk um Eins“ und 0,9 Millionen „Vera am Mittag“ eingeschaltet haben (Trepte, 2002), waren es aktuell im Zeitraum 28.08.07 bis 07.09.2007 nur noch durchschnittlich 0,59 Millionen („Oliver Geissen Show“), 0,41 Millionen („Britt – Der Talk um Eins“) und 0,17 Millionen („Vera am Mittag“) Zuschauer (Videotextangabe der Sender, die sich auf GfK-Daten berufen).

3.3 Wer möchte warum in einer Talkshow zu Gast sein?

Welche Motive bewegen die Gäste einer Talksendung, private Belange vor einem Millionenpublikum zu offenbaren?

Fromm, Jochlik und Muckel (1997), die 40 Teilnehmer von Talk- und Beziehungsshows hierzu befragten, finden gleich acht verschiedene Motivtypen:

1. Der „Fernsehstar“ erhofft sich durch seinen Auftritt ein großes Maß an Aufmerksamkeit, das ihm im realen Leben so nicht zuteil würde. Er entspricht wohl am ehesten dem gängigen Bild des „Exhibitionisten“. Dieser Beweggrund zeigte sich in der Studie jedoch nur bei einem Viertel der befragten Personen.
2. Der „Patient“ strebt auf der einen Seite eine Überwindung persönlicher Ängste an, die mit einem öffentlichen Auftritt und der Offenlegung psychischer Probleme verbunden sind. Auf der anderen Seite stellt die Sendung für ihn eine Möglichkeit dar, von Fachleuten Informationen und Beratung zu bekommen, zu denen er im Alltag mangels Beziehungen oder finanzieller Möglichkeiten keinen Kontakt hat.
3. Der „Kontaktanbahner/Verehrer“ nutzt das Medium Talkshow, um konkrete Personen zu kontaktieren und mit diesen eine Beziehungsdefinition auszuhandeln. Hierbei kann es sowohl um partnerschaftliche als auch um freundschaftliche oder familiäre Konstellationen gehen. Manchmal besteht darüber hinaus die Hoffnung, bei Fernsehzuschauern Interesse an der eigenen Person zu wecken.
4. Der „Ideologe“ nutzt das Fernsehen als Sprachrohr für persönliche Botschaften in bezug auf Lebensführung, partnerschaftliche Themen oder religiöse Aspekte. Er möchte den Zuschauern als Vorbild dienen und ihnen unangenehme Erfahrungen ersparen.
5. Der „Propagandist“ wittert durch seinen Auftritt ein lukratives Geschäft. Er betrachtet die Zuschauer als potentielle Kunden, bei denen er für seine geschäftlichen Interessen wirbt. Zu erwähnen ist hier auch die Aufwandsentschädigung, die den Talkgästen gezahlt wird und die für diesen Motivtypen ebenfalls einen Anreiz darstellen kann.
6. Der „Anwalt in eigener Sache“ ist in einem Konflikt mit dem Gesetzgeber, für den er sich als nicht verantwortlich erachtet. Das Fernsehen dient als Lobby, die Schuld weiterzureichen. Durch Bekanntmachung des Problems wird eine Änderung der gesetzlichen Lage erhofft.
7. Der „Rächer“ möchte seine Position in einem Konflikt mit einer ihm ehemals nahestehenden Person verdeutlichen, die sich unter Umständen einem klärenden Gespräch entzieht. Er ist hier „Herr der Lage“ und zwingt die Gegenseite, seinen Rechtfertigungen und eventuell auch abwertenden Bemerkungen zuzuhören.
8. Der „Zaungast“ ist neugierig auf das Medium Fernsehen und möchte die Produktionsumstände und/oder den Moderator der Sendung kennen lernen. Hierbei nimmt er jedoch eher eine distanzierte Beobachterrolle ein und grenzt sich so vom Fernsehstar ab, dessen Ziel es ist, im Mittelpunkt des Geschehens zu sein.

Die Autoren weisen darauf hin, dass sowohl in bezug auf die Anzahl als auch auf die Intensität der gefundenen Motive erhebliche individuelle Unterschiede bestehen. Die Motivtypen können also einzeln oder in vielfältiger Kombination auftreten.

Von anderen Autoren wird das öffentliche Bekenntnis in einer Talkshow als Äquivalent zur Beichte gesehen. So schreibt etwa Mehl (1996, 4. Umschlagseite): „Le petit écran est devenu un grand confessionnal public. […] Désormais, les secrets d’alcôve se racontent face à la camera […]“. Der Bildschirm ersetzt also den Beichtstuhl, und so erzählt man mittlerweile Schlafzimmergeheimnisse vor der Kamera. Krause (1999) verweist auf die Ähnlichkeit der Talkshowbekenntnisse mit den Praktiken religiöser Erweckungsbewegungen, bei denen es üblich ist, intime Probleme öffentlich auszubreiten und anschließend geläutert wieder in den Kreis der Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Dies geschieht meist unter der Regie eines definierten und ermächtigten Gruppenleiters. Die Vorgehensweise in den Talkshows ähnelt dem beschriebenen Ablauf sehr. Hierbei werden der Moderator und auch das Publikum als Institutionen betrachtet, die Absolution erteilen können und sollen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 130 Seiten

Details

Titel
Psychologen in der Talkshow
Untertitel
Eine inhaltsanalytische Betrachtung
Hochschule
Universität des Saarlandes
Note
2,2
Autor
Jahr
2007
Seiten
130
Katalognummer
V87333
ISBN (eBook)
9783638033749
ISBN (Buch)
9783638931274
Dateigröße
1481 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Psychologen, Talkshow, Medienpsychologie, Oliver Geissen, Fernsehen, Kommunikation, Sprache, Stil, Beratung, Therapie, Coaching
Arbeit zitieren
Diplom-Psychologin Irene Peters (Autor:in), 2007, Psychologen in der Talkshow , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87333

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