Bürgerlicher Wandel und Konsum

Untersuchungen über die europäische Gesellschaft des 18. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Entstehung einer Konsumgesellschaft.


Seminararbeit, 2006

20 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der Bürger

3 Der Konsum

4 Die Repräsentation des Bürgers

5 Der gute Geschmack

6 Annäherung der Klassen am Beispiel des Kulturkonsum

7 Theoretische Ansätze bezüglich des Konsums

8 Nachwort

9 Quellen- und Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das Zeitalter der Aufklärung kann als Geburtsstunde einer Konsumgesellschaft betrachtet werden.[1] Breite Bevölkerungsschichten neigten von nun an dazu, eine Vielzahl von Gütern und Dienstleistungen zu konsumieren. Mit diesem Konsum ging eine Persönlichkeitsveränderung der bürgerlichen Schichten einher. Man lernte es zu schätzen seine Augen zu entzücken, legte Wert auf guten Geschmack und wurde sich seiner Gesundheit und gesundheitsfördernder Güter bewusst.[2]

Oft diente der Konsum beispielsweise von Bekleidung oder der Partizipation an kulturellen Angeboten dazu, durch den Prestigewert die Identität der Bürger nach Außen hin zu bilden.[3]

Ebenfalls kennzeichnend für das 18. Jahrhundert ist ein sozialer und ökonomischer Wandel, sowie ein Wandel im Bewusstsein vieler Bürger.[4]

Diese Arbeit soll unter anderem Aufschluss darüber geben, wieso die Bürger des 18. Jahrhunderts vermehrt zu Konsumenten wurden. Dabei soll auch die gesellschaftliche Sozialstruktur erläutert und in Zusammenhang mit den neuen Konsumgewohnheiten gebracht werden. Es soll klar gemacht werden, welche gesellschaftlichen Ansprüche an die Bürger gestellt wurden und in wie fern die Konsumenten versuchten, sich durch den Konsum eine Identität zu bilden und dadurch ihren gesellschaftlichen Status zu verändern. Auch konkrete Auswirkungen des Konsums auf das Leben der Bürger sowie eventuelle Probleme, die durch den gesellschaftlichen Konsumzwang entstanden, sollen verdeutlicht werden. Hierzu werde ich auch exemplarisch auf einige Konsumbereiche wie dem der Textilindustrie, der Kultur und der Literatur eingehen.

Um den Zusammenhang zwischen einem Wandel des Bürgertums und seinen Konsumgewohnheiten zu analysieren, erscheint es mir hilfreich, die Forschungsergebnisse der Sozial- und Mentalitätsgeschichte des Bürgertums im 18. Jahrhundert mit den Ergebnissen der Konsumforscher in Verbindung zu bringen. Auch spezielle Forschungszweige wie die Geschichte des Theaters um 1800 können Klarheit bringen und sollen deshalb mit einfließen.

In Hinsicht auf die Erforschung des Konsums sind die aussagekräftigsten Quellen laut Konsumforscher Jhon Brewer Kriminalakten, Geschäftsakten, Akten über Warensteuern und Warenzölle sowie Nachlassinventare.[5] Bürgerliche Adressbücher, die mittels EDV erschlossen werden können, seien, so Lothar Gall, neben einer Vielzahl anderer Quellen, besonders hilfreich bei der Erforschung der sozialen und beruflichen Zusammensetzung der Bürger im Zeitalter der Aufklärung.[6] Nicht zuletzt im Bezug auf den entstehenden Kulturkonsum der Bürger muss auch die Literaturwissenschaft berücksichtigt werden.[7] Sie gibt unter anderem Aufschluss über die Wirkungsabsicht der Inhalte von Literatur und Theateraufführungen. Diese steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Selbstverständnis des seit dem 18. Jahrhundert zunehmend bürgerlichen Publikums.[8] Wichtige Quellen für die Erforschung des Theaters finden sich des Weiteren beispielsweise in Hausarchiven regierender Familien sowie in staatlichen Archiven.[9]

Nun zu den von mir verwendeten Quellen.

Adolph Knigges Werk „Über den Umgang mit Menschen 1/3“ von 1792 ist ein Anstandsbuch seiner Zeit. Es veranschaulicht Ansprüche und Erwartungen an den Bürger in Hinsicht auf seine Kleidung, sein Verhalten in der Gesellschaft, seine Gestik und Mimik etc. Außer dem enthält es brauchbare Gesellschaftsanalysen des Autors.

„Anthropologie in pragmatischer Hinsicht“ von Immanuel Kant wurde 1789 publiziert. Das Werk enthält zahlreiche Beiträge über Kants Verständnis verschiedener Bereiche des Lebens. Hilfreich ist dies, da Immanuel Kant ein wichtiger Philosoph der Aufklärung war und sein eigenes Verständnis wohl auch von breiten Gesellschaftsschichten übernommen wurde. Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass es Kant besonders gut verstand, die Menschen seiner Zeit zu analysieren und zu beschreiben.

2 Der Bürger

Zunächst will ich hier kurz erläutern, was unter dem Begriff „Bürger“ und einem „Wandel des Bürgertums“ zu verstehen ist. Dies erscheint mir wichtig, da es auch Bedeutung für den Konsum der Bürger hat. Vor allem ist es aufschlussreich, wenn es um die Hintergründe für die Beantwortung der Frage geht, warum der Bürger zum Konsumenten wurde.

Grob formuliert, versteh man unter einem „Bürgertum“ die Gesellschaftsschicht zwischen Adel und Bauernstand.[10] Genau genommen lag die bürgerliche Schicht der ständischen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts zwischen dem Adel und dem Klerus als oberstem Stand und der bäuerlichen Bevölkerung sowie den Kriegern, die zum untersten Stand gezählt wurden. Um offiziell ein Bürger zu werden, hatte man ein geregeltes, existenzsicherndes Einkommen nachzuweisen und bekam dann in der Regel das städtische Bürgerrecht zugesprochen.[11] Nach dem Aufklärer und Philosophen Kant seien wesentliche Merkmale eines Bürgers seiner Zeit, dass er wirtschaftlich und materiell unabhängig sei und über ein eigenes Haus verfüge.[12]

Vereint waren die Bürger durch ihr Bürgerbewusstsein und ihre gemeinsame Rechtsstellung, dennoch gab es auch innerhalb des Bürgertums eine Hierarchie, abhängig von Besitz, Leistung, Beruf und Bildung.[13] Verschiedene bürgerliche Schichten waren beispielsweise die Beamtenschaft, das Bildungsbürgertum oder die Handel treibenden Bürger. Diese können begrifflich wiederum in mittleres, Groß- oder Kleinbürgertum unterteilt werden.[14]

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts herrschte in Deutschland das geburtsständische Prinzip vor, das heißt, dass der Stand, der Beruf und die soziale Stellung, in die man hinein geboren wurde für einen selbst verbindlich war und somit die Ausgangslage wie auch den weiteren Lebensweg vorbestimmten. Eine Ausnahme fand sich lediglich im Stand der Geistlichen, da hier tatsächlich reelle Aufstiegschancen gegeben waren.[15]

Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts vollzog sich dann ein enormer Wandel[16], eine dynamische Bewegung. Das Bürgertum forderte Emanzipation im Sinne von Autonomie, geistiger und moralischer Selbstständigkeit und der Überwindung des geburtsständischen Prinzips. Ein Mensch sollte nicht mehr an Hand von Besitz und Einkommen, sondern allenfalls nach Bildung und Leistung beurteilt werden. Die Philosophen der Aufklärung forderten einen materiell und geistig selbstständigen sowie aufgeklärten Bürger. Am Ende des 18. Jahrhunderts war ein solch modernes Bürgertum zwar bei weitem noch nicht erreicht,[17] dennoch gab es dann einige sehr starke bürgerliche Gruppen und zunehmend soziale Mobilität in Hinsicht auf berufliche und soziale Aufstiegschancen.[18]

Als wesentlichen Faktor für einen bürgerlichen Wandel neben der geistigen Bewegung sehe ich den Siebenjährigen Krieg von 1756- 1763 sowie seine Folgen an! Vielerorts zerstörte Landstriche und zerrüttete Finanzverhältnisse, die der Krieg nach sich zog, führten dazu, dass der Adel zunehmend ärmer wurde. Breite bürgerliche Schichten wie Kaufleute oder Handwerker, die beispielsweise als Armeelieferanten oder Rüstungsproduzenten fungierten, wurden dahingegen reich wie nie zuvor. Dies führte dazu, dass eine Bereitschaft zu großen Ausgaben nicht mehr nur eine Exklusivität des Adels blieb, sondern sich nun auf weite bürgerliche Kreise ausweitete. Ein bestimmtes Ausgabenverhalten hatte bisher die Selbstwahrnehmung des Adels geprägt und sollte von nun an auch das Selbstverständnis der Bürger beeinflussen und teilweise radikal verändern.[19] Diese Verschiebung des Kapitals auch auf die bürgerlichen Klassen führte zu der Entstehung einer Gesellschaft, die weitgehend von Konsum geprägt war.

Im Tagebuch eines Grafen aus Berlin findet sich hierzu ein interessanter Ausschnitt aus dem Jahr 1761:

„Dieser Krieg wirft […] alle bisherigen Verhältnisse über den Haufen. Handwerker und Kaufleute werden reich, während der Adel zugrunde geht. Bei den Kaufleuten herrscht jetzt ein außerordentlicher Reichtum und Luxus. […], während wir uns immer mehr einschränken müssen. Alle schönen Häuser des Adels werden an Kaufleute verkauft […] Die Juden haben sich mit Hilfe der Münze der Reichtümer des Landes bemächtigt und haben eben auch noch die Erlaubnis erhalten, Rittergüter zu kaufen. Kurz, es droht eine allgemeine Umwälzung alles bisher Bestehenden.“[20]

3 Der Konsum

Im späten 17. Jahrhundert entstand der Konsum einer breiten Bevölkerungsschicht in Europa von Gütern und Dienstleistungen, die nicht lebensnotwendig waren. Diese Produkte können jedoch größtenteils nicht als Luxuswaren gesehen werden, da sie nicht nur einer geringen Elite zugänglich waren. Während des 18. Jahrhunderts nahm die Konsumgewohnheit noch verstärkt zu.

[...]


[1] McKendrick, Neil: Die Ursprünge der Konsumgesellschaft. Luxus, Neid und soziale Nachahmung in der englischen Literatur des 18. Jahrhunderts, in: , Hannes; Kaelble, Hartmut; Kocka, Jürgen ( Hrsg.): Europäische Konsumgeschichte. Zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte des Konsums ( 18. bis 20. Jahrhundert), Frankfurt/ Main New York 1997, S. 75.

[2] Brewer, Jhon; Plumb, J.H.; McKendrick, Neil: The Birth of a Consumer Society. The Commerzialisation of Eighteenth- century England, London Melbourne Sydney Aukland Johannesburg 1983, S. 2.

[3] North, Michael: Genuss und Glück des Lebens. Kulturkonsum im Zeitalter der Aufklärung, Köln 2003, S. 2- 4.

[4] Vierhaus, Rudolf: Der Aufstieg des Bürgertums vom späten 18. Jahrhundert bis 1848/49, in: Kocka, Jürgen (Hrsg.): Bürger und Bürgerlichkeit im 19. Jahrhundert, Göttingen 1987, S. 65.

[5] Brewer, Jhon: Was können wir aus der Geschichte der frühen Neuzeit für die moderne Konsumgeschichte lernen?, in: Siegrist, Hannes; Kaelble, Hartmut; Kocka, Jürgen ( Hrsg.): Europäische Konsumgeschichte. Zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte des Konsums ( 18. bis 20. Jahrhundert), Frankfurt/ Main New York 1997, S. 61- 62.

[6] Gall, Lothar: Stadt und Bürgertum im Übergang von der traditionellen zur modernen Welt, in: Historische Zeitschrift. Beihefte Bd. 16 (1993), S. 5.

[7] Daniel, Ute: Hoftheater. Zur Geschichte des Theaters und der Höfe im 18. und 19. Jahrhundert, Stuttgart 1995, S. 447.

[8] Daniel, Ute: Hoftheater, S. 143- 152.

[9] Daniel, Ute: Hoftheater, S. 448.

[10] Gall, Lothar: „…ich wünschte ein Bürger zu sein“. Zum Selbstverständnis des deutschen Bürgertums im 19. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift Bd. 245 (1987), S. 605- 606.

[11] Gall, Lothar: Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. Formprinzipien und Gestalt, in: Gall, Lothar (Hrsg.): Von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft, München 1993, S. 5- 10.

[12] Gall, Lothar: „…ich wünschte ein Bürger zu sein“, S. 606- 607.

[13] Gall, Lothar: Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts, S. 9- 15.

[14] Vierhaus, Rudolf: Der Aufstieg des Bürgertums vom späten 18. Jahrhundert bis 1848/49, S. 64- 65.

[15] Gall, Lothar: Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts, S. 3- 11.

[16] Vierhaus, Rudolf: Der Aufstieg des Bürgertums vom späten 18. Jahrhundert bis 1848/49, S. 65.

[17] Vierhaus, Rudolf: Der Aufstieg des Bürgertums vom späten 18. Jahrhundert bis 1848/49, S. 67.

[18] Gall, Lothar: Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts, S. 14- 15.

[19] Daniel, Ute: Hoftheater, S. 116- 117.

[20] Zit. nach : Daniel, Ute: Hoftheater, S. 117.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Bürgerlicher Wandel und Konsum
Untertitel
Untersuchungen über die europäische Gesellschaft des 18. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Entstehung einer Konsumgesellschaft.
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Historikum)
Veranstaltung
Dr. Thomas Nutz: Deutschland im Zeitalter der Aufklärung
Note
1
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V87265
ISBN (eBook)
9783638016858
ISBN (Buch)
9783638935623
Dateigröße
443 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bürgerlicher, Wandel, Konsum, Thomas, Nutz, Deutschland, Zeitalter, Aufklärung
Arbeit zitieren
Philip Grabowski (Autor:in), 2006, Bürgerlicher Wandel und Konsum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87265

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