Haren (Ems) wird zu Maczków - Zentrum für polnische Displaced Persons


Seminararbeit, 2004

20 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kriegsende in Haren (Ems)

3. Kriegsgefangene im Emsland

4. Errichtung einer ‚polnischen Enklave‛ im Emsland

5. Die Ausweisung der Harener Bürger

6. Maczków als polnisches Zentrum in Nordwestdeutschland
6.1. Verwaltung und Kirche
6.2. Das Schulwesen in Maczków

7. Die Auflösung der Stadt Maczków

8. Schlusswort

9. Quellen-/Literaturverzeichnis
Archivalien

Literatur

1. Einleitung

Vertreibungen standen bei Ende des Zweiten Weltkrieges auf der Tagesordnung. Es ist allgemein bekannt, dass Millionen von Deutschen die Ostgebiete unter katastrophalen Umständen verlassen mussten. Weniger bekannt ist dagegen eine ungewöhnliche Episode, bei der ebenso die Bewohner einer deutschen Stadt ihre Heimat verlassen mussten, um Wohnraum für Polen freizugeben. Diese Polen waren zum größten Teil zuvor unter dem Naziregime selbst ihrer Heimat als Strafarbeiter oder Kriegsgefangene entrissen worden. Das Erstaunliche ist, dass die zu räumende Stadt im äußersten Westen Deutschlands, im Emsland lag, also sehr weit von Polen entfernt. Trotzdem, oder gerade deswegen gab es dort für wenige Jahre, vom Frühjahr 1945 bis ins Jahr 1948 eine Art polnischer Enklave, dessen Zentrum die Kleinstadt Haren (Ems) unter dem Namen Maczków bildete.

Dieses Thema ist in umfangreicheren Arbeiten bislang nur von zwei Historikern aufgegriffen worden. Auf deutscher Seite von Andreas Lembeck[1] und auf polnischer Seite von Jan Rydel[2]. Dieser hat eine wesentlich umfassendere und auch objektivere Abhandlung geschaffen.

In dieser Arbeit soll das Schicksal der Stadt Haren, beziehungsweise der Stadt Maczków und ihrer sowohl deutschen als auch polnischen Einwohnern dargestellt werden. Vor allem soll aber deutlich werden, welche Umstände zu dieser eigenartigen Fußnote der Geschichte geführt haben.

2. Kriegsende in Haren (Ems)

Am 5. Mai 1945 kapitulierten die deutschen Truppen in Nordwestdeutschland. In Haren, das den Krieg die längste Zeit unbeschadet überstanden hatte[3], war der Krieg schon einige Wochen vorher beendet. Eine Harenerin beschreibt die damaligen Ereignisse in ihrem Tagebuch.[4] Anfang April konnte man von Haren aus nachts britische Leuchtkugeln sehen, während Militärkolonnen durch die Stadt zogen, bis dahin scheinbar ein eher ungewohnter Anblick. Tiefflieger schossen im Harener Hafen Schiffe in Brand, so dass die aus Bedarfsgütern bestehende Ladung verbliebener Schiffe an die Bevölkerung verteilt wurde. Pioniertrupps begannen erste Brücken zu sprengen, während die Harener Bürger befürchteten, dass ihre Stadt zum Kampfschauplatz würde, wie es in der Nachbarstadt Meppen bereits der Fall war. Gerüchte aller Art verunsicherten die Bevölkerung. Am 7. April wurden einige Häuser in Brand geschossen und einen Tag später wurde schließlich die Emsbrücke von den Deutschen gesprengt und die Bevölkerung aufgefordert, die Stadt zu verlassen. Die Kanadier beschossen den Ort mit ihrer Artillerie und aus verschiedenen Richtungen erklang der Lärm von Schießereien. Mittags wurden die ersten weißen Fahnen aus den Fenstern gehängt. Eine Kindergartenschwester machte den Bombardements schließlich ein Ende, indem sie auf die unter Beschuss stehende Kirchturmkuppel kletterte und eine weiße Fahne schwenkte. Der Bruder des örtlichen Pfarrers, ein Deutschamerikaner sprach daraufhin mit den Kanadiern, die dadurch endgültig den Beschuss einstellen ließen und einen Tag später, am 9. April mit ihren Panzern in die Stadt einzogen.[5]

Es kam von Beginn an zu kleineren Plünderungen sowohl seitens der Kanadier als auch der Polen, die zunächst zur Aufgabe hatten, eine Behelfsbrücke über die Ems zu errichten, was sie bereits am 13. April erledigt hatten.[6] In einem Tagebucheintrag wird berichtet, wie einige Polen unter Waffeneinsatz Dinge entwendeten, die für ihre Schwestern in einem naheliegenden ‚Russenlager‛ sein sollten, womit sehr wahrscheinlich ein Straflager für polnische Frauen gemeint war, die am Warschauer Aufstand beteiligt waren, welches einige Kilometer nördlich von Haren lag und dessen Insassinnen am 12. April vom 2. Polnischen Panzerregiment befreit wurden.[7]

Schon jetzt mussten teilweise Häuser für polnische Soldaten geräumt werden, wodurch die Polen deutlich schlechter im Ansehen der Einwohner Harens standen als die Kanadier oder Briten („Wir hoffen alle, dass diese Polen bald abziehen und dann die Besatzung kommt“[8] ), was insbesondere für untere Dienstgrade der polnischen Armee galt.

Später musste die ganze Stadt für sogenannte ‚Zivilpolen‛ geräumt werden. Zunächst soll aber die Lage der befreiten polnischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter geschildert werden.

3. Kriegsgefangene im Emsland

Die Alliierten betrachteten als Displaced Persons - kurz DPs - Personen, die sich durch Kriegseinwirkung außerhalb der Grenzen ihres Staates befanden und ihrem Wunsch heimzukehren, nicht aus eigener Kraft nachgehen konnten. Offiziell galt diese Definition nur für Zivilpersonen, also nicht für Kriegsgefangene. Letztendlich fiel aber auch ehemaligen Kriegsgefangenen (ex-Prisoners of War, kurz PWX) und außerdem freiwillig nach Deutschland gekommenen Osteuropäern die gleiche Behandlung zu, so dass hier auf eine spezifische Unterscheidung verzichtet werden soll. Deutsche Flüchtlinge dagegen befanden sich innerhalb ihres eigenen Landes und hatten somit einen anderen Status.[9]

Das Gebiet des heutigen Emslandes wurde unter Regie der britischen Besatzungsmacht zu polnischem Besatzungsgebiet, welches insgesamt weit über die Grenzen des Emslandes hinaus reichte und zeitweise ein Gebiet umfasste, das im Süden nördlich von Rheine begann und im Norden bis zur Nordsee reichte, im Osten über Cloppenburg und Bramsche hinausging und sich im Westen die Grenze mit den Niederlanden teilte.[10]

In diesem Gebiet hielten sich bei Kriegsende etwa 43.000 DPs auf. Hiervon waren 30.000 Polen, von denen einige erst wegen des Wissens um die polnischen Besatzungseinheiten in diese Region aufbrachen. Die nichtpolnischen DPs waren in erster Linie Sowjetbürger und Italiener (je etwa 5.000 Personen) und Jugoslawen (knapp 2.000 Personen), deren Repatriierung sehr schnell erfolgte, so dass Polen die überwältigende Mehrheit der DPs bildeten. Rydel spricht von einer „Polonisierung der DPs“.[11]

Die vielen Ausländer entstammten zu einem großen Teil der Gefangenschaft in den Emslandlagern. Diese „größte nationalsozialistische Haftanstalt der Vorkriegszeit“[12], die aus 15 Lagern bestand, wovon ab Kriegsbeginn acht als Kriegsgefangenenlager dienten[13], befand sich deshalb im entlegenen Emsland, weil sich hier die von den Nationalsozialisten gewünschten Bedingungen für den Strafvollzug ergaben. Man suchte ein abgelegenes, gut zu überwachendes Gebiet, dass gute Beschäftigungsmöglichkeiten für Häftlinge bot, die im moorigen Emsland aus Kultivierungsarbeiten bestehen sollten. Mit der Aussicht, wirtschaftlich eine größere Rolle zu spielen, wurde den Einheimischen durch die regionale Presse die Schaffung der Gefangenlager schmackhaft gemacht. Aus „Muffrika“ sollte die „Gemüsekammer“ des Deutschen Reiches werden.[14]

Aus diesem Grund stießen vor Kriegsausbruch die Pläne der Reichsregierung, auch Kriegsgefangene ins Emsland zu bringen auf Zustimmung des zuständigen Osnabrücker Regierungspräsidenten, um die mittlerweile träge fortschreitenden Kultivierungsmaßnahmen wieder zu beschleunigen.[15]

Zusätzlich war eine große Masse von Zwangsarbeitern bei einzelnen ‚Arbeitgebern‛ einzeln oder in kleinen Gruppen untergebracht.[16]

Bei Kriegsende im Emsland sahen sich die Alliierten nun dementsprechend mit einer großen Masse von DPs in dieser Region konfrontiert.

[...]


[1] Andreas Lembeck: Befreit, aber nicht in Freiheit. Displaced Persons im Emsland 1945-1950. Bremen 1997 (DIZ-Schriften, Bd. 10).

[2] Jan Rydel: Die polnische Besatzung im Emsland 1945-1948. Aus dem Polnischen von Isabel Röskau-Rydel. Osnabrück 2003.

[3] Vgl. Enno Meyer: Dreizehn Tage deutscher Geschichte in Niedersachsen 1932-1955. Leer 1976 (Schriftenreihe der niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung), S. 74.

[4] Auszüge aus dem Tagebuch von Micke Cromme, geb. Wessels. Kopie aus dem Archiv des Heimat- und Verkehrsvereins Haren e.V. Akte Ausstellung 8.2. – 10.3.95. Von Maczków in die Welt.

[5] Enno Meyer gibt einen entsprechenden Ablauf der Handlungen an, datiert diese aber jeweils vier Tage später. Vgl. Meyer, S. 74.

[6] Tagebucheintrag vom 13. April 1945. Da das angegebene Datum des Brückenbaus in etwa mit den Angaben von Jan Rydel übereinstimmt („Die Arbeiten dauerten bis zum frühen Morgen des 14. April“), gehe ich von der Zuverlässigkeit der Datumsangaben und von einem Irrtum Enno Meyers aus. Vgl. Rydel, S. 59.

[7] Vgl. Lembeck, S. 27.

[8] Tagebucheintrag vom 15. April 1945

[9] Vgl. Lembeck, S. 31f.

[10] Vgl. Rydel, S. 105 u. S. 398 (Karte).

[11] Ebd., S. 168.

[12] Elke Suhr u. Werner Boldt: Lager im Emsland 1933-1945. Geschichte und Gedenken. Oldenburg 1985, S. 35.

[13] Vgl. ebd., S. 28.

[14] Vgl. ebd., S. 35f.

[15] Vgl. Lembeck, S. 28.

[16] Vgl. Rydel, S. 71.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Haren (Ems) wird zu Maczków - Zentrum für polnische Displaced Persons
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Note
1
Autor
Jahr
2004
Seiten
20
Katalognummer
V87259
ISBN (eBook)
9783638016803
ISBN (Buch)
9783638918619
Dateigröße
434 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Haren, Maczków, Zentrum, Displaced, Persons
Arbeit zitieren
Matthias Rouwen (Autor:in), 2004, Haren (Ems) wird zu Maczków - Zentrum für polnische Displaced Persons , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87259

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