Drohverlustrückstellungen nach Steuerrecht, HGB, IFRS und US-GAAP


Hausarbeit, 2006

28 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Prinzipien, Ziele und Adressaten der Bilanzierungsstandards

3. Ansatzkriterien für Drohverluste zur Bilanzierung dem Grunde nach
3.1 Die Ansatzkriterien für Drohverlustrückstellungen nach HGB
3.2 Die Ansatzkriterien für Drohverlustrückstellungen nach IFRS
3.3 Die Ansatzkriterien für Drohverlustrückstellungen nach US-GAAP
3.4 Die Ansatzkriterien für Drohverlustrückstellungen nach EStG

4. Bewertungskriterien für Drohverluste zur Bilanzierung der Höhe nach
4.1 Die Bewertungskriterien für Drohverlustrückstellungen nach HGB
4.2 Die Bewertungskriterien für Drohverlustrückstellungen (Provisions) nach IFRS Fürden vorangestellten Praxisfall bedeutet das konkret:
4.3 Die Bewertungskriterien für Drohverlustrückstellungen (Accrued Liabilities) nach US-GAAP

5. Schlussbetrachtungen

Rechtssprechungsverzeichnis

Internetverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Rückstellungen sind in ihren Ausprägungen sehr einflussreiche Bilanzierungs­instrumente. Durch sie können nachträgliche Ausgaben vollständig erfasst, gebuchte Erträge nachträglich richtig gestellt oder ungewisse Verbindlichkeiten, bspw. für drohende Verluste, wirksam passiviert werden.[1] Diese Arbeit hat das Ziel, insbesondere die Vorschriften der Bilanzierung von Rückstellungen drohender Verluste (nachfolgend auch Drohverlustrückstellungen genannt) nach Handelsrecht des HGB und den etablierten internationalen Bilanzierungsstandards IFRS/IAS und US-GAAP zu vergleichen. Dieser Vergleich gelingt nur bei ähnlicher Struktur der Bilanzierungsregeln. Als ermittelte Schnittmenge der drei Bilanzverfahren, lassen sich die Ansatzkriterien ( die sog. Bilanzierung dem Grunde nach), welche die Passivierung von Verlusten zunächst begründen müssen, und die darauf abgestellten Bewertungskriterien ( welche die Bilanzierung einer Rückstellung der Höhe nach beschränken) gegenüberstellen.

Die wichtigsten Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden dadurch transparent dargestellt und zeigen die Ermessensspielräume auf, welche für Unternehmen im Sinne der Bilanzpolitik von Bedeutung sein könnten. Zur besseren Veranschaulichung werden jeweils auch die rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Aspekte, aus Unternehmersicht, an einem Praxisfall exemplarisch untersucht. Zugunsten der Übersichtlichkeit des anstehenden Vergleiches, erfolgt die Behandlung einer Rückstellung für drohende Verluste nach deutschem Steuerrecht separat.

Praxisfall Ausgangssituation:

Deutschland, 27. Dezember 2006. Ein Containerschiffbauer, die Deutsche Werft Kiel GmbH, wurde im August 2006 von der englischen Reederei T-Time AG zum Bau eines Frachters beauftragt.

Es wurde dafür ein Kaufpreis von 2 Mio. EUR vereinbart. Die Werft hat bereits mit den Planungen und dem Bau des Schiffsrumpfes begonnen. Der Ankauf der dafür notwendigen Rohstoffe, insbesondere Stahl, erfolgt aufgrund beschränkter Kapazitäten (Liquidität, Lagerflächen) je nach Baufortschritt. Dieses Absatzgeschäft, in Ausprägung einer langfristigen Auftragsfertigung, wird am Bilanzstichtag, dem 31.12.2006, noch nicht vollständig abgewickelt sein. Der Stapellauf, und somit die vollständige Übergabe des Frachters an den Auftraggeber, wird auf den 01. Dezember 2007 datiert. Da der Reeder für dieses Schiff bereits Transportaufträge für die nächsten zwei Jahre angenommen hat, besteht er auf eine Vertragsstrafe in Höhe von 750.000 EUR bei Nichtlieferung oder Rücktritt der Deutschen Werft Kiel GmbH. Eine einseitige Kündigung des Auftrages wurde vertraglich ausgeschlossen. Eine Absicherung des Geschäftes besteht für keinen der beiden Partner.

Durch eine unvorhersehbar hohe weltweite Nachfrage nach Stahl, stieg im November 2006 der Preis für diesen Rohstoff rapide an. Der Schiffsbauer hatte bei Vertragsunterzeichnung zwar Reserven einkalkuliert, aber bei so erheblichem Anschaffungskostenanstieg, von welchem nach eigener Einschätzung (am Bilanzstichtag) kein Ende abzusehen ist, müsste die Werft den Frachter mit hoher Sicherheit nur durch Akzeptanz eines Verlustes von schätzungsweise 1 Mio. EUR zum vereinbarten Abnahmepreis verkaufen. Er sichert dem Reeder allerdings den Bau verbindlich zu, da ein Imageverlust der Werft noch größeren Schaden zuführen würde.

Der Schiffsbauer bilanzierte bisher nach den handelsrechtlichen Vorschriften, möchte sein Unternehmen aber langfristig als Aktiengesellschaft kapitalmarktorientiert ausbauen und somit europäische oder amerikanische Investoren überzeugen. Er muss sich daher fragen: Hat ein dafür erforderlicher Wechsel[2] auf internationale Rechnungslegungsstandards wie IFRS/IAS oder US-GAAP entscheidende Auswirkungen für den Ansatz und die Bewertung seines drohenden Verlustes?

2. Prinzipien, Ziele und Adressaten der Bilanzierungsstandards

In nachfolgender Tabelle sind die zugrunde liegenden Prinzipien, Ziele und wichtigsten Adressaten der jeweiligen Rechnungslegungen gegenübergestellt. Sie erklären bereits im Ansatz die unterschiedliche Handhabung und Bedeutung des Bilanzierungsinstruments der Rückstellungen.

Tabelle 1: Übersicht Bilanzierungsgrundlagen für Rückstellungen (nach eigenen Angaben)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3. Ansatzkriterien für Drohverluste zur Bilanzierung dem Grunde nach

3.1 Die Ansatzkriterien für Drohverlustrückstellungen nach HGB

Handelsrechtlich maßgeblich sind die Vorschriften gem. § 249 Abs. 1 S.1. Demnach sind Rückstellungen, für ungewisse Verbindlichkeiten wie drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden (Ansatzpflicht). Die Passivierung eines drohenden Verlustes ist gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB nach dem Vorsichts- und Imparitätsprinzip[3] geboten. Das bedeutet für den möglichen Wertansatz in der Bilanz bei Vermögensteilen stets den niedrigeren Wert (das sog. Niederstwertprinzip) bzw. bei den Schulden, also auch Rückstellungen für drohende Verluste, stets mit dem höheren Wert (sog. Höchstwertprinzip).[4] Diese Ungleichbehandlung von Vermögen und Schulden dient in erster Linie der Funktion des Gläubigerschutzes[5]. Die hinreichenden Bedingungen des (a) schwebenden Geschäftes aus dem (b) ein Verlust wahrscheinlich droht[6] , müssen gegeben sein, damit eine entsprechende Rückstellung dafür gebildet werden darf bzw. muss.

Schwebende Geschäfte[7] sind vor allem auf gegenseitigen Leistungsaustausch gerichtete Verträge (sog. Verpflichtungsgeschäfte), welche zwar schon Rechtswirkungen erzeugen, aber hinsichtlich der vereinbarten Sach- oder Dienstleistungspflicht - abgesehen von unwesentlichen Nebenpflichten - noch nicht vollständig erfüllt sind.[8] Grundsätzlich folgt aus dem Realisationsprinzip, dass schwebende Geschäfte nicht zu bilanzieren sind, solange keine der beiden Parteien ihrer Verpflichtung nachgekommen ist (es gilt die widerlegbare Vermutung der wertmäßigen Ausgeglichenheit des Geschäftes).[9] Dieses Prinzip setzt allerdings aus, sobald der Ausgleich von Leistung und Gegenleistung nachweislich nicht mehr gegeben ist, d.h. der Wert der Leistungsverpflichtung des Bilanzierenden den Wert der Gegenleistung übersteigt (sog. Verpflichtung­süberschuss).[10] Das Imparitätsprinzip ist in diesem Fall vorrangig. Demnach ist aus dem Grundsatz der Vorsicht, für den wahrscheinlich drohenden Verlust des Unternehmens eine entsprechende Rückstellung zu bilden. Zivilrechtliche Nichtigkeit der Vertragsverhältnisse (etwa durch Nichteinhaltung der nach § 125 BGB vorgeschriebenen Form) oder ein bewusstes Herbeiführen des Verlustgeschäftes sind für den Ansatz der Drohverlustrückstellung unerheblich.

Begrifflich ist weiterhin zu klären, ab wann - unter dem Aspekt der Wahrscheinlichkeit - dem Unternehmen ein Verlust droht. Im HGB sind dafür keine genauen Angaben ersichtlich. Der Bundesfinanzhof bezog dazu in seinem Urteil vom 11.02.1998 BStBl., Teil II, S. 660 Stellung und betonte dabei insbesondere die Objektivität des Bilanzierenden bei der Bildung der Erwartung eines Verlustes.[11] Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die Wahrscheinlichkeit bei Drohverlustrückstellungen eine untergeordnete Rolle spielt, denn in der Mehrzahl der Fälle sind, nach Ansicht des BFH, sowohl der Verlust wie auch die Inanspruchnahme gewiss.[12] Vielmehr müssen konkrete objektive Anhaltspunkte vorliegen, die bei normaler Abwicklung des Geschäftes und vernünftiger kaufmännischer Beurteilung einen Verlust erwarten lassen.[13] Als vage einzustufende Sachverhalte, dürfen aus Gründen der Objektivierung nicht passiviert werden.

Für den vorangestellten Praxisfall bedeutet das konkret:

Beide Unternehmer haben sich vertraglich auf den Bau des Frachters geeinigt und fühlen sich an diesen Vertrag gebunden (Vertragsunterzeichnung, Beginn der Planungen und Bau des Rumpfes durch die Deutsche Werft Kiel GmbH). Da der Reeder noch nicht gezahlt hat und die Werft den Frachter noch fertig bauen muss (Hauptleistungen), befindet sich das gegenseitige Verpflichtungsgeschäft im Schwebezustand. (+)

Die Preise für Stahl stiegen sehr stark an. Da bereits im Jahr 2004 eine solche Stahlpreissteigerung den Markt erschütterte, muss die Werft bei vorsichtiger Bilanzierung von einem Verlust ausgehen, da noch viel Stahl für die Herstellung zu höheren Marktpreisen zu beschaffen sind. Die Beurteilung dessen, ob bei dieser Auftragsfertigung ein Verlust, in Folge der gestiegenen Stahlpreise für den Werftbesitzer droht, liegt in seinem kaufmännischen Ermessen. Die für den Bau des Frachters kalkulierten Herstellungskosten und den noch anfallenden Aufwendungen für Rohstoffe schätzt es daher höher ein, als die im Dezember 2007 gegenüberstehenden Erlöse (Verpflichtungsüberschuss). (+)

Ergebnis: Ansatzpflicht als Drohverlustrückstellung nach HGB, da unter den Aspekten des schwebenden Geschäftes und der Eintrittswahrscheinlichkeit des Verlustes ausreichende objektive Anhaltspunkte vorliegen.

[...]


[1] Vgl. Falterbaum, H. / Beckmann, H. (1996), S. 748.

[2] „…für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2005 beginnen, stellen Gesellschaften, die dem Recht eines Mitgliedsstaates unterliegen, ihre konsolidierten Abschlüsse nach den internationalen Standards auf…,…wenn ihre Wertpapiere in einem beliebigen Mitgliedsland zum Handel in einem geregelten Markt…zugelassen sind“. , Vgl. Art. 4 der Verordnung Nr. 1606/2002/EG. Nach h. M. anerkannt gelten die internationalen Standards nach IFRS/IAS und die etablierten amerikanischen Standards nach US-GAAP.

[3] In dieser Vorschrift heißt es: „Es ist vorsichtig zu bewerten, namentlich sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen…“.

[4] Vgl. Ölschläger, C. / Lodwitz, I. (1991), S. 128, Vgl. Coenenberg, A. (2001), S.65.

[5] „…Schutz der Bilanzierungsadressaten vor zu günstiger Darstellung, Ausschüttungssperre für unrealisierte Gewinne, Minderung des Gewinnausweises durch Berücksichtigung drohender Verluste…“, Vgl. Ölschläger, C. / Lodwitz, I. (1991), S. 131.

[6] Die Ermittlung des wertmäßigen Verlustes ist Gegenstand der Bilanzierung der Höhe nach und wird im Kapitel 4.1 für das HGB näher betrachtet. Für die Bilanzierung dem Grunde nach reicht die Annahme, dass ein Verlust ermittelbar ist.

[7] Der Begriff Geschäft wird unter Berufung auf das Vorsichtsprinzip allgemein weit ausgelegt: Darunter werden nicht nur auf einen einmaligen Leistungsaustausch gerichtete Verhältnisse gezählt, sondern auch Dauerschuldverhältnisse, wie Gebrauchsüberlassungsverträge (bspw. Miet-, Pacht-, oder Leih-Verträge) und Sukzessivlieferverträge (bspw. mit Wasser- und Energieversorgern).,Vgl. Rothoeft, D. (2004), S. 156.

[8] Vgl. Federmann, R. (2003), S.13.

[9] Vgl. Rothoeft, D. (2004), S. 155.

[10] Vgl. Lenz, H. (2005), PDF S.19 (siehe Internetverzeichnis), Vgl. Meyer, C. (2003), S. 16.

[11] Vgl. BFH vom 11.02.1998, BStBl. II, S. 660.

[12] Vgl. BFH vom 26.05.1993, BStBl. II, S. 860.

[13] Vgl. Schildbach, T. (2000), S121.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Drohverlustrückstellungen nach Steuerrecht, HGB, IFRS und US-GAAP
Hochschule
Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
28
Katalognummer
V87258
ISBN (eBook)
9783638016797
ISBN (Buch)
9783638918602
Dateigröße
466 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Drohverlustrückstellungen, Steuerrecht, IFRS, US-GAAP
Arbeit zitieren
Diplom-Kaufmann Manuel Kerstan (Autor:in), 2006, Drohverlustrückstellungen nach Steuerrecht, HGB, IFRS und US-GAAP, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87258

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