Sexualmoral und Sexualerziehung in Vergangenheit und Gegenwart

Zu den Grundlagen der Sexualpädagogik


Sammelband, 2008

130 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Freikörperkultur und Nackterziehung

Globalisierung, Postmoderne und Orientierungsprobleme der Sexualpädagogik

Abweichendes Verhalten aus Sicht der Sexualwissenschaft

Zum Verhältnis von Sexualverhalten,sexuellen Funktionsstörungen und Persönlichkeitstypus

Ethische und moralische Aspekte der Sexualpädagogik in der pluralistischen Gesellschaft

Veränderte Kindheit – Konsequenzen für die Sexualpädagogik

Einleitung

Sexuelle Aufklärung im heutigen Sinn war noch vor gut 300 Jahren gänzlich unbekannt. Im Altertum und Mittelalter betrachtete man Sexualität als festen Bestandteil des Lebens und nicht als einen besonderen, problematischen Komplex, der besondere Aufmerksamkeit verdient hätte. Sexuelles Wissen wurde ganz selbstverständlich wie jedes andere Wissen erworben. Kinder lebten nicht in einer eigenen, geschützten Welt, sondern nahmen an fast allen Arbeits- und Freizeitaktivitäten der Erwachsenen teil (Vgl. HAEBERLE 1985 ; vgl. USSEL 1970)

Da die Mehrheit der Bevölkerung vor dem Zeitalter der Industrialisierung auf dem Lande lebte, hatten die Kinder genügend Gelegenheit, Tieren bei der Paarung zuzusehen. Auch war es keineswegs ungewöhnlich, dass Mensch und Tier unter einem Dach lebten. Weder in Ober- noch in Unterschichten gab es eine ausgesprochene Privatsphäre, und es herrschte wenig Schamhaftigkeit und Verlegenheit in bezug auf die natürlichen Körperfunktionen. Familien badeten und schliefen gewöhnlich unbekleidet gemeinsam. Brautwerbung und Schwangerschaft wurden offen diskutiert, Geburten fanden zu Hause statt. Sexuelle Dinge blieben für niemanden ein Geheimnis, und man hielt Jungen und Mädchen mit Beginn der Pubertät für heiratsfähig.

Selbst zu Beginn der Neuzeit, als die städtische Mittelschicht begann, wichtige Informationen in gedruckter Form zu verbreiten, wurde Sexualität noch nicht als Thema für sich behandelt. In Lehrbüchern für Kinder, wie beispielsweise den „Colloquia Familiara“ des ERASMUS VON ROTTERDAM (1522), wurde Sexualität offen und einfach als fester Bestandteil des täglichen Lebens behandelt, dem man nicht mehr und nicht weniger Bedeutung zumaß als allen anderen Dingen von allgemeinem Interesse.

Im Laufe der folgenden Jahrhunderte entwickelten die Menschen jedoch eine völlig andere Einstellung.

Kindheit und später auch Jugendalter wurden als besondere, „unschuldige“ Lebensphasen definiert, in denen es galt, die jungen Menschen vor den Versuchungen der Erwachsenenwelt zu schützen. Eine zunehmende Prüderie interpretierte alles Sexuelle als schmutzig und gefährlich. Masturbation wurde zum allgemeinen Problem und zu einer ernsthaften Gefahr für die Gesundheit erklärt. Jos van USSEL ( 1970) hat eindrucksvoll die Methoden der Anti-Masturbations-Kampagnen im 18. und 19. Jahrhundert beschrieben.

Sexualität war zu einem mysteriösen und zutiefst verwirrenden Gegenstand geworden.

Es herrschte die Auffassung , dass Sexualität gefährlich sei und Kinder unschuldige Wesen, die vor dieser Gefahr unter allen Umständen bewahrt werden müssten. Eine Einstellung war, den „natürlichen“ Zustand „heiliger Unschuld“, in den ein Kind angeblich geboren wird, möglichst lange zu erhalten.

Jegliche Informationen auf dem sexuellen Gebiet sollten Kindern und Jugendlichen auf keinen Fall zugänglich sein und jede Neugier im Keim erstickt werden , indem man das Thema als schmutzig und ekelerregend darstellte. Sexuelle Unwissenheit war (bei Kindern) gleichbedeutend mit Reinheit.

Eine andere Ansicht war, dass man den Gefahren nur durch frühzeitige „sexuelle

Aufklärung“ begegnen könne. Nach dieser Auffassung war sexuelle Unwissenheit gefährlicher als sexuelles Wissen , da es zu schädlichen Missverständnissen und Phantasien führen könne.

Entsprechend dieser allgemeinen Auffassung wurde an einigen für die damalige Zeit „progressiven“ Schulen erstmals „Aufklärungsunterricht“ gegeben. Das Ziel war, einen Sinn für Sittsamkeit und eine „gesunde Scheu“ vor sexuellen Dingen zu vermitteln. Die Methode der Sexualerziehung bestand im Fernhalten und Ablenken von der Sexualität und in der Abschreckung. So wurden die anatomischen Unterschiede zwischen Mann und Frau im Leichenschauhaus demonstriert. Zusätzlich wurden Schüler in Krankenhäuser und Siechenheime geführt, um ihnen Syphilitiker und Wahnsinnige als Opfer der Masturbation vorzuführen.

Kurzum, der eigentliche Zweck des gesamten Unternehmens war nicht so sehr, die Jugend über sexuelle Dinge aufzuklären, als sie vor Versuchungen zu warnen.

Mit der Französischen Revolution von 1789 wurde die Forderung nach sexueller Erziehung für Jungen und Mädchen gestellt. Leider schwächte sich der sexualrevolutionäre Impuls schnell wieder ab. Das Thema „Sexualität“ verschwand wieder aus den Lehrplänen, kaum dass es richtig eingeführt worden war.

Nicht nur in Frankreich, sondern überall in Europa wurde das Bürgertum immer mächtiger und zunehmend konservativer. Mit dem Aufstieg der Mittelschichten in Europa und Nordamerika wurde die Verbreitung sexuellen Wissens zunehmend eingeschränkt.

Dies führte soweit, dass es zu extremer Zensur auf dem gesamten Gebiet der Information über Sexualität kam. Es gab überhaupt keine Erwähnung sexueller Aspekte in Lexika, Sachbüchern, Bibeln, Kinderbüchern, Märchenbüchern usw. und auch im täglichen Leben mussten die geringsten Anspielungen auf dieses Thema in jeglicher Hinsicht vermieden werden. Es wird auch von der „Verschwörung des Schweigens“ gesprochen.

Unwissenheit und Heuchelei breiteten sich aus, und viele schwer erkämpften bürgerlichen Freiheiten gingen rasch wieder verloren. Diese zunehmende Prüderie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war eine internationale Erscheinung ungekannten Ausmaßes. In England bringt man diese Entwicklung mit der Regierungszeit der Königin Viktoria in Verbindung, woher der Begriff des Viktorianischen Zeitalters rührt.

Die Kirche mit ihrem Sündenbegriff und ihrer Leibfeindlichkeit spielte und spielt bis in die Gegenwart eine große Rolle bei der Unterdrückung der Sexualität.

Sämtliche Ursachen dieser historischen Entwicklung wurden jedoch nie völlig geklärt. Sie sind aber großenteils im direkten Zusammenhang mit der allgemeinen Industrialisierung zu sehen. Verwissenschaftlichung und Technisierung, Verstädterung, Industrialisierung und der voranschreitende Kapitalismus verlangten einen Menschentypus, der diesen neuen Entwicklungen besser angepasst war als der mittelalterliche Mensch. Die veränderten Umweltbedingungen erzwangen von den Menschen eine neue Art und Weise des Umgangs mit sich selbst, mit anderen Menschen, mit der Erziehung, der sachlichen Umwelt und den großen Lebensfragen (Vgl. KENTLER 1975, S. 33).

Industrialisierung bedeutet, dass eine Gesellschaft sich durch den Arbeitseinsatz ihrer Mitglieder aus Armut und Naturabhängigkeit herausarbeitet. In der Aufbauphase sind daher Verzichtsbereitschaft, Selbstbeherrschung und aufopferungsvoller Arbeitseifer notwendige Tugenden. Das Mittel, um diese zu erreichen, war die sexualfeindliche Erziehung. Durch sie lernten die Menschen, ein so drängendes und immer aktuelles Bedürfnis wie die Sexualität unwichtig zu nehmen und seine Befriedigung für längere Zeit aufzuschieben.

Aus dem sinnenfreudigen, sexualbejahenden Menschen wurde der asketische, prüde, leistungsbesessene Mensch der frühen Neuzeit.

Diese anspruchslose, genügsame Einstellung zum Leben zog einen extrem sparsamen Umgang mit den sexuellen Kräften, Konsumverzicht und die Unterwerfung unter ein strenges Leistungsprinzip nach sich.

Die Frage, welcher materielle Nutzen für den Menschen persönlich dabei herausspringen würde, blieb völlig außer acht.

Es wurde nicht mehr gearbeitet, um zu leben, sondern gelebt, um zu arbeiten.

Da die meisten Menschen den Forderungen dieser sexualfeindlichen Erziehung nicht gerecht werden konnten, entstand eine „doppelte Moral“: In der Öffentlichkeit werden moralische Grundsätze vertreten, im Geheimen aber die Triebbedürfnisse ausgelebt ( Z.B. Pornographie, Prostitution ).

Diese Epoche der extremen Sexualunterdrückung hatte fatalste Folgen für körperliche und seelische Gesundheit. Viele Kinder und Jugendliche wurden grausamen und überflüssigen „Behandlungen“ unterworfen, um sie zum Gehorsam zu formen und ihren Eigenwillen zu brechen (Vgl. SCHATZMANN 1974). Ein besonderer Kampf galt der Masturbation der Kinder und Jugendlichen (Vgl. USSEL 1975, vgl. PILGRIM 1975 ).

Diese Methoden erscheinen uns heute wie Horrorszenarien, aus welchem Grunde ich sie nicht näher ausführen möchte.

Oft kam es allein durch die der unterdrückenden Sexualerziehung entstammenden Schuldgefühle zu seelischem Leiden und ernsthaften Erkrankungen bis hin zu Selbstmorden.

Angst vor Sexualität bestimmte das ganze Leben.

Frank WEDEKINDs Drama „Frühlingserwachen“ (1891) gibt uns noch heute einen erschütternden Einblick in die damalige repressive Atmosphäre.

Die sexuelle Unwissenheit forderte im Laufe der Jahre einen schrecklichen Preis von der Gesellschaft durch eine Vielzahl unglücklicher Ehen, unerwünschter Kinder und frustrierter Lebensläufe. Niemand wird je das ganze Ausmaß menschlichen Elends, das dadurch verursacht wurde, ermessen können. Am Ende des 19. Jahrhunderts wurden jedoch bestimmte Aspekte dieses Elends so deutlich, dass sie nicht mehr übersehen werden konnten. Immer mehr Menschen wurden nervös, depressiv oder sogar körperlich krank infolge ihrer sexuellen Probleme, und jede Behandlung war erfolglos, solange diese Probleme verleugnet blieben.

Ärzte wie FREUD, BLOCH, und HIRSCHFELD, die solchen Patienten zu helfen versuchten, kamen deshalb zu der Überzeugung, dass das Schweigen gebrochen werden müsse und Reformen einzuleiten seien.

So begannen sie, zunächst ihre Kollegen, später ein größeres Publikum von Erwachsenen über Sexualität zu informieren.

Als die Ängste der Erwachsenen schließlich überwunden waren, konnte man auch Jugendliche und Kinder wieder in die Diskussion einbeziehen.

Hierdurch wurde der Weg für eine neue und umfassende Reform der Sexualerziehung und –moral ermöglicht.

Literatur.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

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Freikörperkultur und Nackterziehung

Die Ursprünge der Freikörperkulturbewegung

Die Freikörperkultur-Bewegung entstand im deutschsprachigen Raum vor mehr als 100 Jahren. Sie entstand nicht als isoliertes Einzelphänomen, sondern im Kontext der Lebensreformbewegung. Die damalige Lebensreformbewegung strebte eine Erneuerung der gesamten Lebensführung auf den Gebieten der Ernährung ( Vegetarismus ), der Kleidung, der Wohnung, der Gesundheits- und Körperpflege ( Ablehnung von Alkohol-, Rauschmittel- und Tabakkonsum ) an. In Anlehnung an naturheilkundliche ( z.B. Pfarrer Kneipp ) und naturphilosophische Konzepte ( z.B. ROUSSEAU ) wird der nackte Körper als natürlichster Ausdruck der Körperlichkeit wiederentdeckt und dem unbekleideten Baden in Licht, Luft und Sonne eine gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben.

Die Verfechter der vor dem Ersten Weltkrieg als Nacktkultur bezeichneten Freikörperkultur werten Nacktheit zur sittlichen und „natürlichen“ Lebensweise auf. Damit kehren sie die Vorwürfe der Anhänger des prüden Puritanismus, sich gegen Sittlichkeit und Moral zu versündigen, auf provokative Weise ins Offensive um. Nacktheit wird als Mittel der Befreiung von einer prüden, Verklemmungen und Neurosen erzeugenden Zwangsmoral einer krankhaften Gesellschaft propagiert. Nacktkultur versteht sich als ein gesellschaftspolitisches und kulturreformerisches Konzept, das Gesellschaftsveränderung durch Lebensreform von der Basis der Subjekte aus anstrebt. Bestandteile der Nacktkultur als Weltanschauung sind die freiwillige Selbstverpflichtung zu einer naturgemäßen Lebensweise mittels Vegetarismus, Rauschmittel- und Genussmittel-Abstinenz, Bescheidenheit in Kleidung und Lebensführung, Betonung von künstlerischer und kunsthandwerklicher Aktivität, von Dichtkunst, Musik und Tanz, aber auch Wanderungen, Bewegung und Turnen.

Die Nacktkulturbewegung nimmt die Einflüsse der Jugendbewegung und des Wandervogels auf. Allerdings finden sich auf dem Hintergrund der Rezeption der Lehre Charles DARWINs und des Sozialdarwinismus in der Nacktkulturbewegung auch eugenische und rassenhygienische Zielvorstellungen zur „Formung eines gesunden Volkskörpers“, die später zur Zeit der nationalsozialistischen Terrorherrschaft zu unmenschlichen Konsequenzen wie zur Euthanasie Behinderter, zu Kriegsverbrechen und zum Holocaust an den Juden führte ( Vgl. MÖHRING 2004).

Künstler und Lebensreformer DIEFENBACH und FIDUS

Im Rückblick auf die Entstehung der FKK-Bewegung wird der Maler und Naturapostel Karl Wilhelm DIEFENBACH (1851-1913) an erster Stelle genannt. DIEFENBACH wurde 1851 in Hessen-Nassau als Sohn eines Kunstmalers geboren. Durch ein Stipendium konnte er an der Akademie für schöne Künste in München studieren. Eine Krankheit war Anlass, seine Lebensweise zu ändern. Er wurde Vegetarier und zog in einen Steinbruch im Isartal. In Höllriegelsgereuth entstanden Bilder wie „Du sollst nicht töten!“, „Frage an die Sterne“ oder „Unschuld“.

Er hatte drei Kinder, Helios, Stella und Lucidus, die er in freier Natur nackt umherlaufen ließ und in seinen Bildern malte, eine skandalöse Provokation in der damaligen puritanischen Zeit. Auf Betreiben gegnerischer Kreise wurden ihm die Kinder von staatlicher Seite wegen sittlicher Gefährdung weggenommen. 1888 entstand der berühmte 68 Meter lange Schatten-Fries mit 34 Tafeln „ Per aspera ad astra“ ( „ Durch den Staub zu den Sternen“ ), den sein Schüler Hugo HÖPPENER ( Künstlername: FIDUS ) nach DIEFENBACHs Anleitungen realisierte. Dieser Fries ist das bekannteste Werk DIEFENBACHs.

DIEFENBACH feierte Erfolge als Künstler in Wien. Seine Kinder durften nunmehr wieder bei den Eltern wohnen. Er lebte unter anderem am Gardasee, in Ägypten und 13 Jahre auf Capri, wo er 1913 starb. Seine Urne wurde in Rom beigesetzt ( Vgl. PFITZNER 1964).

Der DIEFENBACH- Schüler Hugo HÖPPENER ( 1868-1948 ) nannte sich FIDUS, der Getreue. Er wurde 1868 in Lübeck geboren und studierte an der Kunstakademie in München, wo er DIEFENBACH und den Theosophen HÜBBE-SCHLEIDEN kennen lernte. FIDUS übernahm die naturgemäße Lebensweise von DIEFENBACH und theosophische Gedanken von HÜBBE-SCHLEIDEN. Bekannt wurde FIDUS vor allem durch seine zahlreichen Buchillustrationen, Vignetten und Exlibris, im Jugendstil gezeichnet. Unter den von FIDUS geschaffenen Gemälden und Zeichnungen finden sich zahlreiche Darstellungen des nackten menschlichen Körpers. Sein Bild „ Lichtgebet “ galt als ein Aufbruchzeichen der Freikörperkultur-Bewegung, die sich damals auch Lichtbewegung nannte.

Die Bezeichnung Lichtfreunde geht historisch gesehen auf Anhänger HEGELs zurück, die Zweifel an der Göttlichkeit Christi anmeldeten, den sie zwar als großen weisen Menschheitslehrer, aber eben nur als Menschen ansahen (Vgl. REICHENBACH-ILLING, F.W.: Die historischen Lichtfreunde, In: Der Sonnenmensch-Helios. Linz. Heft 46, 7. Jahrgang, 1956, S. 2 ).

Durch den Leib-Seele-Dualismus des Christentums und den Puritanismus des Viktorianischen Zeitalters galt Nacktheit des menschlichen Körpers als sündhaft. Die bildende Kunst und die Naturismusbewegung bildeten einen Gegensatz zur Prüderie der christlichen Kirchen, indem die Schönheit und Ästhetik des nackten menschlichen Körpers bejaht wurden.

Unter den Gemälden von FIDUS finden sich zahlreiche Darstellungen des nackten Körpers: „Frühlingsodem“, „Sonnenwanderer“, „Die Erde“, „Erwachender Morgen“ oder „Tröstender Schoß“. Obwohl sich im Werk FIDUS leider auch gewisse völkische Tendenzen finden, haben die Nationalsozialisten seine Bilder abgelehnt und sein öffentliches Wirken gedrosselt. Der Künstler FIDUS starb mit 80 Jahren in Woltersdorf östlich von Berlin.

Nacktkultur, Lebensreform und Körperkult

Ein weiterer Pionier der Naturismusbewegung in Deutschland war Dr. Heinrich PUDOR (1865 – 1943). PUDOR studierte in Leipzig und Heidelberg Musik, Philosophie, Kunstgeschichte und Archäologie. Als Cellist musizierte er unter anderem als Berufsmusiker in Leipzig, Glasgow und Petersburg. PUDOR war außerdem Maler und ein vielseitiger Schriftsteller mit Publikationen über Musik, Kunstästhetik, Religion und Lebensreform. 1890 trat er in den „Dresdner Wochenblätter“ erstmalig für Nacktturnen ein und verwendete den Begriff „Nacktkultur“.

PUDORs Intentionen umfassten auch den Vegetarismus und die Kleidungsreform. 1893 schrieb er in seinem Buch „ Nackende Menschen“ : „ Wir wollen es nicht leugnen: ein nackender Mensch ist für die Menschen u n s e r e r Zeit eine Geschmacklosigkeit und wirkt wie ein Schlag ins Gesicht – so unnatürlich sind wir geworden.“ ( PUDOR, H.: Nackende Menschen, Leipzig 1893, S. 17).

In der wilhelminischen Kaiserzeit herrschte eine Prüderie, die den Frauen knöchellange Röcke und hochgeschlossene Kleider, typisch als Wespentaillen-Mode, selbst in der warmen Sommerzeit vorschrieb. Die Verfechter der Nacktmoral wollten den Menschen aus dem engen Korsett gesellschaftlicher Zwänge befreien und überhöhten die Nacktheit zum reinen Lichtkleid.

Nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs erfährt die Naturismusbewegung unter dem Namen „Freikörperkultur“ einen großen Aufschwung. Mehr und mehr Sonnenfreunde praktizieren unbekleidetes Baden und Leben als undogmatische, ideologiefreie Freizeitbewegung. Die Freikörperkultur wird zu einer Massenbewegung, die zum Ende der Weimarer Republik vor der Machtergreifung der Nazis mehr als 100.000 organisierte aktive Mitglieder in zahlreichen Vereinen umfasst.

Die Ziele der Freikörperkultur werden in Büchern, Magazinen, in Lichtbildern und Filmen publiziert. In Zeitschriften wie „Die neue Zeit“, „Lachendes Leben“ , „Kraft und Schönheit“ , „Der Lichtfreund“ oder „Die Schönheit“ wird für den von Kleidern befreiten Lebensstil geworben. So vielgestaltig das politische Spektrum in der Weimarer Republik ist, so facettenreich spiegelt es sich in den naturistischen Vereinen und Richtungen wider. Es entstehen touristische Angebote, die auch nicht in Vereinen organisierten Anhängern der Freikörperkultur Möglichkeiten für Urlaubsaufenthalte bieten.

Eine Studie von MÖHRING ( 2004) zur Körperbildung in der deutschen Nacktkultur zwischen 1890 und 1930 zeigt die Entstehung moderner Körperkonzepte und Körperbilder auf, die das Ziel des durchtrainierten, schlanken und sonnengebräunten Körpers anstrebten. Nacktheit stellte ideologisch gesehen ein zentrales Mittel dar, die Natürlichkeit des Körpers rückzugewinnen. Ästhetisches Ideal der damaligen Zeit war die Statue des Antiken Griechenlandes.

Durch Körperhygiene und Gymnastik sollte der Körper Gesundheit und Schönheit erlangen. Lust stand keineswegs im Vordergrund, sondern Disziplin, Selbstbeherrschung und Körperkontrolle wurden angestrebt. Bis in die Zwanziger Jahren hinein diente die in der Nacktkultur praktizierte individuelle Körperertüchtigung in männlichen, meist bürgerlich dominierten Freikörperkulturvereinen vielfach nationalistischen Zielen.

MÖHRING zeigt kritisch auf, dass eine wichtige Strömung der Freikörperkulturbewegung auf den rassenhygienischen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts basierte, die in den Nationalsozialismus mündeten. MÖHRING arbeitet ideologiekritisch die Vorstellungen auf, wie aus dem turnerisch durchtrainierten, perfekt ausgebildeten Individualkörper der National- oder Volkskörper werden sollte. Im zweiten Teil der Dissertation untersucht MÖHRING die Rollen WINCKELMANNs und NIETZSCHEs für die ideologische Legitimation der Nacktkultur.

Es würde jedoch eine grobe und unzulässige Vereinfachung darstellen, die Freikörperkulturbewegung ausschließlich auf ihr sozialdarwinistisches Erbe zu reduzieren. Außer den paramilitärisch-faschistoiden Elementen gab es auch liberale, kunstbewegte, lebensreformerische, anarchistische und undogmatische Richtungen und eine weit verbreitete, stark ausgeprägte proletarische Freikörperkulturbewegung.

Nacktgymnastik und Körperkulturschulen nach Adolf Koch

GEORGIEFF ( 2005) hat die erste umfassende Darstellung der zahlenmäßig am weitesten verbreiteten proletarischen Freikörperkulturbewegung vorgelegt. Er zeigt auf, wie die Nacktheit in der proletarischen Bewegung einen ambivalenten Charakter annimmt. Die naturalistische Utopie strebte zwar die Befreiung des Körpers aus viktorianischer Unterdrückung, christlicher Sündhaftigkeit und kapitalistischer Ausbeutung als Arbeitsmaschinerie an, gleichzeitig erschien Nacktheit in der Öffentlichkeit nur tolerierbar, wenn jeder hedonistische Aspekt und jeder Zusammenhang mit Erotik und Sexualität strikt geleugnet wurde. Die sich bereits in den 20er und 30er Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts andeutende Postmodernität der proletarischen Freikörperkulturbewegung als der bedeutendsten Richtung des deutschen Naturismus mündet in den 80er und 90er Jahren dann in die postmoderne Anonymität der neuen FKK-Bewegung, bei denen die früheren ganzheitlichen oder ideologisch gefärbten Ideale keine Rolle mehr spielen.

GEORGIEFF zitiert den Pädagogen Adolf KOCH: „ Der Körper soll Mittel zum Wiederaufstieg sein, (...) sonst endet jeder neue Versuch einer Revolution mit einer Niederlage, weil Menschen nicht reif sind, Staatsform Inhalt zu geben.“

Einen Skandal verursachte der Lehrer Dr. Adolf KOCH 1923/1924, als er Mädchen und Jungen einer Berliner Schulklasse mit Erlaubnis und im Beisein der Eltern zusammen nackt Gymnastik betreiben ließ. KOCH erinnerte an die ursprüngliche Bedeutung des griechischen Wortes „gymnos“, und das heißt „nackt“.

In zahlreichen Zeitungen und in der Berliner Stadtversammlung wurde sein Nacktunterricht als unsittlich, verwerflich und jüdisch-kulturverderberisch abgeprangert. Die Freikörperkultur entstehe nicht aus einem deutschen Geiste, sondern diese Zeichen des moralischen Verfalls seien Zeichen der jüdischen Zersetzung des arischen Volkstums.

Dennoch ging Adolf KOCH aus zahlreichen Strafgerichtsprozessen unbeschadet hervor und gründete später 13 Körperkulturschulen in ganz Deutschland. Sein humanitäres und politisches Engagement galt den in Armut auf dicht gedrängtestem Raum lebenden Arbeiterkindern und –jugendlichen. Rachitis und Tuberkulose waren damals unter Arbeitern weit verbreitet. KOCH verband seine Heil- und Ausgleichsgymnastik mit ärztlicher Betreuung.

Außer der körperlichen Gesundung intendierte KOCH die Weckung eines proletarischen Selbstbewusstseins über den Stolz auf den eigenen Körper. Die koedukative Nackterziehung sollte zur gegenseitigen Achtung der Geschlechter voreinander führen. KOCH empfahl die Betrachtung des eigenen nackten Körpers vor dem Spiegel, tägliche Waschungen nicht nur von Gesicht und Händen, sondern auch der Füße und der Genitalien.

Einer der Lehrsätze KOCHs lautete: „ Es gibt keine hässlichen Menschen. In der Bewegung ist jeder Mensch schön.“

Magnus HIRSCHFELD (1926) gehörte zu einer Gruppe von Gutachtern, die den rhythmischen Körperübungen unbekleideter Knaben und Mädchen an einer Berliner Volksschule unter der Leitung des Lehrers Adolf KOCH beiwohnte. In seinem Gutachten schrieb er:

„ Herr Lehrer Adolf Koch, dessen Bestrebungen für eine Harmonie zwischen Geistes-, Körper- und Seelenbildung uns seit längerer Zeit bekannt sind, gab uns Ärzten Gelegenheit, einer der von ihm veranstalteten Übungen beizuwohnen. Wir gewannen den Eindruck und die Überzeugung, dass diese Übungen nicht nur von hoher ethischer Gesinnung des Herrn Koch Zeugnis ablegten, sondern von sämtlichen Anwesenden auch entsprechend aufgefasst wurden.

Die Vorurteile dem Nackten gegenüber, die ja im Grunde nur Nachurteile sind, schwanden sofort angesichts der Unbefangenheit, Natürlichkeit und dem Ernst, der sich in den Übungen kundtat. Man hatte das unbedingte Gefühl, dass der nackte Mensch das Naturgebilde in höherer, reinerer Form darstellt.

Von irgendeiner Lüsternheit war bei den ganzen Übungen auch nicht die geringste Spur vorhanden, geschweige denn, dass das Scham- und Sittlichkeitsgefühl eines rein denkenden Menschen in irgendeiner Weise verletzt wurde. Jeder der Anwesenden fühlte sich, wie eine Befragung ergab, gehoben und keineswegs sinnlich berührt, auch nicht diejenigen, die vor dem Beginn der Vorführung etwas skeptisch waren. Auch der Umstand, dass bereits bei einigen Mädchen Zeichen der Reife bemerkbar waren, beeinträchtigte nicht dieses Urteil...“ ( HIRSCHFELD 1926, S. 35 f.)

Diese in ihrem Tenor gegen die bürgerliche Gesellschaft gerichtete proletarische Nackt-Körper-Kultur-Bewegung von Adolf KOCH wurde 1933 von den Nationalsozialisten verboten, ebenso wie sämtliche anderen Freikörperkultur-Vereinigungen.

Das Lichtschulheim Lüneburger Land von Martin FRÄNZEL

Das Lichtschulheim Lüneburger Land wurde 1927 von dem Studienrat und Anhänger der Freikörperkultur Dr. Martin FRÄNZEL gegründet . Zwar hatten in der damaligen Zeit die reformpädagogischen Landerziehungsheime, Schulgemeinden und Schulfarmen Hochkonjunktur, dennoch bildete diese höhere Schule für Knaben und Mädchen eine Besonderheit, insofern sie die Freikörperkultur in die pädagogische Konzeption integriert.

FRÄNZEL war Herausgeber der Zeitschrift „Thüringer Jugend“. Auf Wanderfahrten hatte er bereits mehrfach das Dorf Glüsingen bei Betzendorf in der Lüneburger Heide besucht. FRÄNZEL war in ganz Deutschland auf der Suche nach einem geeigneten Ort, um eine Schule auf dem Lande zu gründen, in der er seine reformpädagogischen Ideen realisieren wollte. In Thüringen hatte er eine Volkshochschule geleitet und an Landschulheimen unterrichtet.

Im Jahre 1927 erwarb FRÄNZEL ein Anwesen in Glüsingen und gründete das Lichtschulheim. Neben der aufzubauenden Schule wurde ein vegetarisches Ferienheim betrieben, insbesondere während der Großen Sommerferien.

Ziele des Lichtschulheimes waren unter anderem die folgenden:

-Ständiger Aufenthalt in gesundheitsfördernder Wald- und Heideluft, was damals für Großstadtkinder erholsam war und mit den Zielen der Landerziehungsheimbewegung zusammen zu denken ist.

-Organische Verbindung von Leben und Unterricht, ein pädagogisches Ziel, das der praxisfernen, kopflastigen Zwangs- und Paukschule eine Absage erteilt.

-Freundschaftlich-kameradschaftliches Verhältnis von Lehrern und Schülern, eine Zielvorstellung, die in der Jugendbewegung unter dem Slogan „ Jugend erzieht Jugend“ propagiert wurde und die NOHL als pädagogischen Bezug bezeichnete.

-Zusammensetzung der Schülerschaft aus allen Teilen Deutschlands, ein Ziel, das der Verständigung der Regionen verpflichtet war und mit dem Ziel des Internationalismus zusammen gesehen werden kann.

-Anregung durch weitgereiste Besucher aus dem In- und Ausland und Reisen ins benachbarte Ausland, ein Ziel, das die internationale, weltoffene und tolerante Konzeption der Schule unterstreicht.

-Reichliche Gelegenheit zur Kunstausübung, zur Werkarbeit und zum Gartenbau, ein Ziel, das dem Anspruch auf Ganzheitlichkeit, PESTALOZZIs Lernen mit „Kopf, Herz und Hand“, in der Reformpädagogischen Bewegung entspricht.

-Unabhängigkeit von politischen Tagesströmungen bei gleichzeitiger reger Anteilnahme an den Ereignissen und Fragen der Gegenwart, ein Ziel, das der pädagogischen Autonomie, der Vorstellung einer pädagogischen Provinz, eines pädagogischen Schonraums entspricht.

-Abkehr von Zwang und Strafe: „ Leistungen sind nur von einem schaffensfrohen Kind zu erwarten. Pflicht, Not, Zwang, Lohn und Strafe mögen allenfalls bei Erwachsenen fruchten. Schaffensfreude setzt Lebensfreude und Gesundheit voraus...“

-Wohldurchdachte gesunde Lebensweise, fleischlose Reformdiät, vegetarische Kost, ein Ziel, das sich einerseits auf medizinisch-naturheilkundliche Begründungszusammenhänge, andererseits auf ethisch-moralische Prinzipien des Tierschutzgedankens gründet.

-Methodische Gewöhnung an Hitze und Kälte, besonders durch häufiges Nackt-Sein bei Gymnastik, Morgenlauf, Sport und Spiel im Sinne der Freikörperkultur.

-„ In sonst gesundem seelischen Klima ist Nacktsein nach unseren langjährigen Erfahrungen wie nach immer mehr sich durchsetzender allgemeiner Ansicht ein nicht zu unterschätzender Erziehungsfaktor.“

- Schaffung einer Jugend, für die die Sexualität natürlich, aber nicht Hauptinteresse ist, ein Ziel, das der damals weit verbreiteten Sexualreform-Bewegung nach Magnus HIRSCHFELD und Wilhelm REICH entspricht.

-Stolz auf den eigenen Körper und Freude an den wohltrainierten und sonnengebräunten Körpern der Mitschüler und Mitschülerinnen, ein Ziel, das einer körperbejahenden und leibfreundlichen Einstellung entspricht, der Förderung der menschlichen Würde, des Selbstwertgefühls und der individuellen Autonomie.

-Enthaltung von Reiz- und Rauschstoffen wie Drogen, Alkohol, Tabak, Kaffee und Süßigkeiten, einem Ziel, das Gesundheit und körperliche Widerstandsfähigkeit fördert.

Ein beträchtlicher Teil des Lehrstoffes wurde außerhalb des eigentlichen Schulunterrichtes in der freien Natur, auf Streifzüge, Fahrradtouren, Ausflügen und Reisen, an Leseabenden, bei Festlichkeiten und Morgenfeiern auf spielerische Art vermittelt. In der schulfreien Zeit wurde den Kindern viel Freiheit gelassen, damit sie lernen, die Zeit selber einzuteilen.

Körperliche Strafen wurden strikt abgelehnt, ja Strafen überhaupt wurden weitgehend angeschafft. Darüber hinaus wurde kaum noch gescholten oder kommandiert. Mit den älteren Schülern bildete sich ein sachliches und vernünftiges Verhältnis zwischen den Generationen. Es wurde überhaupt weniger moralisiert, nicht soviel über Gut und Böse geredet, wie es im religiös indoktrinierten Schulunterricht meist geschah.

Das Lichtschulheim Lüneburger Heide arbeitete nach den für die Deutsche Oberschule aufgestellten Richtlinien. Grundschulpflichtige besuchten die nahe gelegene Dorfschule, genossen aber außerhalb des Schulunterrichts alle Vorteile des Heimes. Da die Schülerzahl verhältnismäßig gering war, etwa 14 Schülerinnen und Schüler, konnte auch Sonderwünschen Rechnung getragen werden und durch eine spezielle Differenzierung jedes Kind optimal gefördert werden.

Das Interesse an einer so reformpädagogischen Modellschule, einschließlich praktizierter Freikörperkultur koedukativ für Jungen und Mädchen, erregte nicht nur in Deutschland und Europa Aufsehen. Interessenten kamen aus Nord-, Süd- und Mittelamerika, ja selbst aus China reisten Besucher an und berichteten darüber in Publikationen.

Für einige Zeit besuchte ein junger Engländer, Glynn Faithful, das Lichtschulheim. Dessen Vater Professor Faithful, leitete in Großbritannien eine ganz ähnliche Schule, die Priory Gate School in Suffolk.

In den Sommerferien 1933 wurde das Lichtschulheim Lüneburger Land von der NSDAP geschlossen. FRÄNZEL erlangte die Genehmigung des Hausunterrichts für seine eigenen Kinder und den Sohn einer Mitarbeiterin.

Nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes gab es von pädagogischer Seite Anregungen, das Lichtschulheim wieder zu eröffnen. Aber die wirtschaftliche Notsituation der Nachkriegszeit, die immer umfangreicheren Gesetze und Verordnungen sowie die prüde restaurative Atmosphäre der Adenauer-Ära in Westdeutschland ließen die Neugründung einer derartig bahnbrechenden Schule nicht zu.

Freikörperkultur in der Zeit des Nationalsozialismus

Nach Beginn der nationalsozialistischen Terrorherrschaft wird die Freikörperkulturbewegung per Erlass verboten. In aller Härte werden die am weitesten verbreiteten proletarischen Freikörperkultur-Vereine von dem Verbot der Nazis getroffen, während die meisten bürgerlichen FKK-Vereine den Weg der Anpassung durch freiwillige Gleichschaltung mit der Nazi-Ideologie wählen.

Sogenannte Nicht-Arier und politische Gegner der Nationalsozialisten werden aus den bürgerlichen naturistischen Vereinen ausgeschlossen. Diese Vereine schließen sich im „Kampfring für völkische Freikörperkultur“ zusammen, der ab 1934 den Namen „ Bund für Leibeszucht“ trägt. Im Anschluss an die nationalsozialistische Ideologie betont der Bund für Leibeszucht die Zielvorstellung einer „Hebung der rassischen, gesundheitlichen und sittlichen Volkskraft“ und schreibt historisch gesehen die eugenischen Tendenzen der Nacktkulturbewegung fort.

Im Zuge der zunehmenden Aufmerksamkeit der Nazis für die Körperertüchtigung des Volkes als paramilitärische Förderung der Kampfkraft und Wehrertüchtigung für geplante Eroberungskriege wird die Freikörperkultur von staatlichen und parteiamtlichen Stellen anerkannt und gefördert. Der Bund für Leibeszucht wird sogar durch die SS und Himmler unterstützt.

Alle lebensreformerischen und gesellschaftspolitischen Reformbestrebungen der ursprünglichen Nacktkultur- und Freikörperkulturbewegung werden brutal unterdrückt. Damit ging die Freikörperkulturbewegung allem Befreienden aus ihren Anfangszeiten verlustig. Sie wurde von den Nationalsozialisten für deren menschenverachtende Ziele instrumentalisiert.

[...]

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Details

Titel
Sexualmoral und Sexualerziehung in Vergangenheit und Gegenwart
Untertitel
Zu den Grundlagen der Sexualpädagogik
Autor
Jahr
2008
Seiten
130
Katalognummer
V87256
ISBN (eBook)
9783638010979
ISBN (Buch)
9783638915601
Dateigröße
845 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sexualmoral, Sexualerziehung, Vergangenheit, Gegenwart
Arbeit zitieren
Professor Dr. phil. Karl-Heinz Ignatz Kerscher (Autor:in), 2008, Sexualmoral und Sexualerziehung in Vergangenheit und Gegenwart, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87256

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