Die Anwendung von Austrittsbefragungen in der deutschen Wirtschaft

Eine Befragung der Unternehmen des DAX 100


Diplomarbeit, 2004

80 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis:

1 Einführung
1.1 Die Ausgangssituation
1.2 Das Problem der Fluktuation
1.3 Die Ziele der Studie
1.4 Die Vorgehensweise

2 Grundlagen
2.1 Begriffe und Definitionen
2.2 Die Ziele und Funktionen der Austrittsbefragung
2.3 Die Durchführung einer Austrittsbefragung
2.3.1 Das standardisierte Austrittsinterview nach Hilb
2.3.2 Das kombinierte Verfahren von Mayrthaler
2.3.3 Der Abgangsfragebogen von Andreas und Hoppe
2.4 Die Schwierigkeit die wahren Austrittsgründe zu erfassen
2.5 Der aktuelle Forschungsstand

3 Das Forschungsdesign
3.1 Die Methodik
3.2 Der Fragebogen
3.2.1 Der Aufbau
3.2.2 Die einzelnen Fragen und Antwortmöglichkeiten
3.2.3 Die formale Gestaltung
3.3 Die Auswahl der untersuchten Unternehmen - Der DAX 100
3.4 Die Durchführung
3.5 Die Methodik der Auswertung

4 Die Ergebnisse der Studie
4.1 Der Rücklauf
4.2 Die demografische Zusammensetzung der Unternehmen
4.3 Die Anwendung der Austrittsbefragung
4.4 Die Gründe für und gegen die Durchführung der Austrittsbefragung
4.5 Die Art und Weise der Durchführung der Austrittsbefragung
4.6 Die Auswertung der durchgeführten Austrittsbefragungen
4.7 Die Umsetzung der Ergebnisse der Austrittsbefragung
4.8 Die Anmerkungen und Anregungen der Unternehmen
4.9 Die Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Anhangsverzeichnis:

Verzeichnis der Abbildungen im Anhang:

Abbildungsverzeichnis:

Abb. 1: Der Rücklauf (gesamt) im zeitlichen Ablauf

Abb. 2: Verteilung der Gründungsjahre

Abb. 3: Verteilung der Branchen

Abb. 4: Verteilung der Mitarbeiterzahlen

Abb. 5: Werden in Ihrem Unternehmen Austrittsbefragungen durchgeführt?

Abb. 6: Häufigkeitsverteilung der Durchführungsgründe

Abb. 7: Häufigkeitsverteilung der Durchführungsart

Abb. 8: Einführung der Austrittsbefragung

Abb. 9: Mit welchen Mitarbeitern werden Austrittsbefragungen durchgeführt?

Abb. 10: In welchen Fällen und wie oft werden Austrittsinterviews durchgeführt?

Abb. 11: Wann wird in Ihrem Unternehmen in der Regel die Austrittsbefragung durchgeführt?

Abb. 12: Wer führt in Ihrem Unternehmen in der Regel die Austrittsbefragung durch?

Abb. 13: Gibt es in Ihrem Unternehmen für die Austrittsbefragung einen Gesprächsleitfaden oder Standardfragebogen?

Abb. 14: Werden die Ergebnisse der Austrittsbefragungen festgehalten?

Abb. 15: Werden die durchgeführten Austrittsbefragungen ausgewertet?

Abb. 16: Wer wertet in Ihrem Unternehmen in der Regel die Austrittsbefragungen aus?

Abb. 17: Kommt es in Ihrem Unternehmen infolge der Erkenntnisse der Austrittsbefragungen zu Veränderungen?

Abb. 18: Überblick zu genannten Veränderungen durch die Austrittsbefragung

Abb. 19: Überblick zu Anmerkungen und Anregungen der Unternehmen

1 Einführung

1.1 Die Ausgangssituation

Im Jahr 2004 bleibt die wirtschaftliche Lage in Deutschland weiter angespannt. Von vielen Arbeitnehmern 1 und Arbeitgebern wird sie als bedrohlich empfunden. Zwei Indizien für die schlechte wirtschaftliche Lage sind zum Beispiel die hohe Arbeitslosenzahl von derzeit 4,641 Millionen 2 Menschen (vgl. Statistisches Bundesamt 2004b) und das mäßig wachsende Bruttoinlandsprodukt von 1,2% 3 (vgl. Statistisches Bundesamt 2004a).

Der Wettbewerb der Anbieter um die Gunst der Kunden bleibt umkämpft. Nur die Unternehmen, die schlanke Kostenstrukturen aufweisen können, werden langfristig gesehen am Markt überleben können. So ist jedes Unternehmen permanent gefordert, seine Kostenstruktur zu überarbeiten und zu verbessern.

Da ein Großteil der Kosten durch den Produktionsfaktor Arbeit entstehen, liegt ein besonderer Augenmerk auf diesem Bereich. Personalpolitische Schwachstellen müssen möglichst schnell erkannt und beseitigt werden. Zum Aufspüren von Schwachstellen werden zumeist Feedback-Methoden eingesetzt. „Eine wichtige Informationsquelle bildet dabei das Austrittsinterview, ein in der Theorie noch wenig erforschtes und in der Praxis oft nur unsystematisch angewandtes Feedback-Instrument“ schreibt Hilb (2002, S.183).

Mit dieser Diplomarbeit soll ein kleiner Beitrag geleistet werden, um die Diskussion rund um das Thema der Austrittsbefragung weiter voran zu treiben.

1.2 Das Problem der Fluktuation

Die anhaltend kritische Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt lässt nicht unmit- telbar vermuten, dass es für viele Unternehmen problematisch ist, neue pas- sende hoch qualifizierte Arbeitskräfte einzustellen und über viele Jahre hinweg zu binden (vgl. Groothuis 2000, S.190ff.). Da es weit über 4 Millionen Arbeitslo- se (vgl. Statistisches Bundesamt 2004b) gibt, sollte der Pool von ausgebildeten Arbeitskräften doch ausreichend groß sein. Der Studie von Kienbaum 2001 zu- folge ist der Pool allerdings nicht ausreichend. Das entscheidende Ergebnis der Studie ist die Feststellung, dass es den Unternehmen oftmals nicht gelingt, nachdem sie „High Potentials“4 eingestellt haben, diese auch langfristig zu bin- den (vgl. Kienbaum Consultants International GmbH 2001, S.3ff.).

Aber gerade diese Mitarbeiter machen den Erfolg eines Unternehmens aus. Frühzeitiges Ausscheiden dieser Arbeitskräfte sorgt innerhalb des Unternehmens für hohe Kosten. Neben Belastungen durch die direkte Personalsuche fallen auch Kosten durch „die verloren gegangene Produktivität in der Kündigungs- und Einarbeitungszeit“ an (Kobi 1999, S.72).

Die Wettbewerbsfähigkeit am Markt kann nur beibehalten werden, wenn diese Kosten so klein wie möglich gehalten werden. Der immer schärfer werdende Wettbewerbsdruck, beispielsweise durch die EU-Osterweiterung am 1. Mai 2004, zwingt jedes Unternehmen eine permanente Verbesserung der eigenen Kostenstruktur anzustreben und alle möglichen Potenziale auszuschöpfen.

Die hiermit im Zusammenhang stehenden Diskussionen um die Phänomene Fehlzeiten und Fluktuation 5 sind schon seit geraumer Zeit im Blickpunkt der Personalverantwortlichen. Da die Organisationsstrukturen unter dem nationalen und globalen Wettbewerbsdruck immer schlanker werden und der Beitrag jedes einzelnen Mitarbeiters immer bedeutsamer wird, stellen Kosten, verursacht durch Fluktuation und Fehlzeit, eine kaum mehr tragbare Belastung für Unter- nehmen dar. Hieraus entsteht die Notwendigkeit nach personalpolitischen Instrumentarien zu suchen, die diese kontraproduktiven Schwachstellen aufdecken und beseitigen.

Ein wichtiges Instrumentarium dafür ist die Austrittsbefragung.

1.3 Die Ziele der Studie

Das Ziel dieser Studie ist die Beantwortung der Frage: Wie sieht die Praxis der Austrittsbefragung aus? Da es bisher nur wenige Diskussionen und kaum empi- rische Arbeiten zum Thema gibt, soll diese Studie einen weiteren Einblick in die empirische Umsetzung der Lehre vom Einsatz der Austrittsbefragung schaffen.

Anhand einer Befragung der DAX 100 Unternehmen 6 , stellvertretend für die deutsche Wirtschaft, sollen folgende forschungsleitenden Fragen beantwortet werden.

Zunächst einmal soll die Frage geklärt werden, inwieweit der Einsatz des Instruments Austrittsbefragung überhaupt in der deutschen Wirtschaft, speziell in den Unternehmen des DAX 100, Anwendung findet.

Eng damit verbunden ist die Frage nach dem „Warum“. Die Studie soll Einblick geben, welche Gründe von den Unternehmen zum Einsatz bzw. zur Ablehnung der Austrittsbefragung angegeben werden.

Der dritte Aspekt nach dem Ob und Warum ist das „Wie“. Da es unterschiedli- che Methoden und Ansätze für die Durchführung der Austrittsbefragung gibt, soll auch eine Aussage zur Art und Weise der praktischen Durchführung getrof- fen werden.

Die Durchführung der Befragung allein bringt in der Anwendung dem Unter- nehmen aber noch keinen kostentechnischen Vorteil. Nur durch Auswertung und Analyse der Ergebnisse der Austrittsbefragungen können Ansätze zur Ver- besserung innerhalb des Unternehmens entstehen. Die vierte forschungsleiten- de Frage soll beantworten, wie die Auswertung der durchgeführten Austrittsbe- fragungen aussieht.

Schlussendlich bleibt die Frage nach den konkreten Veränderungen. Nur wenn es infolge der Durchführung und Auswertung der Austrittsbefragung auch zu konkreten Maßnahmen im Unternehmen kommt, bringt die Anwendung des personalpolitischen Instrumentariums auch Erfolg.

Alles in allem hat die Studie mittels der Befragung der DAX 100 Unternehmen zum Ziel, einen Überblick über die empirische Anwendung der Austrittsbefra- gung zu geben und konkret die Fragen nach dem Ob, Wie, Warum, Art und Weise der Durchführung und den daraus resultierenden Veränderungen zu be- antworten.

1.4 Die Vorgehensweise

Bei der Beschreibung des Vorgehens muss zwischen der rein empirischen Durchführung der Studie und der wissenschaftlichen Abfolge innerhalb dieser Arbeit unterschieden werden.

Zunächst einmal wird das empirische Vorgehen des Forschungsprojektes näher erläutert, bevor weiter unten auf die weiteren Teile der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit eingegangen wird.

Für das empirische Vorgehen bei der Planung und dem Ablauf einer deskripti- ven Befragung gibt es in der Literatur im Verlauf der Jahre mehrere Ansätze, die zumeist idealtypisch die einzelnen Phasen einer Untersuchung zu beschrei- ben versuchen. Diese Lehren gleichen sich dabei im Großen und Ganzen in vielen Zügen.

Alemann (1977) zum Beispiel teilte den „typische[n] Ablauf eines Forschungs- projekts“ in vier einzelne Phasen ein, „Definitionsphase“, „Erhebungsphase“, „Analysephase“ und „Disseminationsphase“ (ebd., S.58). Innerhalb einer jeden Phase untergliederte Alemann das Vorgehen bei der Durchführung eines For- schungsprojektes dann noch einmal in viele weitere einzelne Schritte (vgl. ebd., S.144).

Etwas ausdifferenzierter und mit anderen Begriffen versehen, untergliedert Scholl 2003 ähnlich wie Alemann (1977, S.58) den Forschungsprozess. Statt der vier Phasen teilt Scholl den Ablauf der Untersuchung in fünf Schritte, „Defi- nition des Forschungsproblems“, „Konzeption der Methode und Datenerhe- bung“, „Datenaufbereitung“, „Datenauswertung“ und „Daten- und Ergebnispräsentation“ (Scholl 2003, S.175ff.).

Dieser Einteilung folgend wurde das empirische Vorgehen bei der vorliegenden Studie ebenfalls in fünf Schritte eingeteilt.

Schritt eins bildet die Definition des Forschungsproblems. Sie ist der Beginn einer jeden Untersuchung. Im Bezug auf die wissenschaftliche Untersuchung von Daten mittels eines Fragebogens schreiben Noelle-Neumann/Petersen (2000) treffend: „Am Beginn einer Erhebung steht nicht die Formulierung des Fragebogens. Am Anfang steht die Aufzeichnung der Untersuchungsaufgaben, der Untersuchungsziele, der Programmfragen“ (ebd., S.93).

Logisch anknüpfend an die Definition des Forschungsproblems folgt mit der Konzeption der Methode und Datenerhebung der zweite Schritt. Nachdem die Methode und das konkrete Verfahren für die Datenerhebung bestimmt wurden, folgt die Entwicklung eines Instrumentes. In diesem Fall ist das Instrument der Fragebogen. Neben der Bestimmung des Untersuchungsumfanges schließt der zweite Schritt im Forschungsprozess auch Pretests und die Durchführung der Hauptuntersuchung mit ein.

Mit dem dritten Schritt schließt sich die Datenaufbereitung an. Dazu werden die gegebenen Antworten zusammengetragen und in ein statistisches Auswertungsprogramm eingegeben.

Nachdem die Daten in digitaler Form vorliegen, schließt sich im vierten Schritt die Datenauswertung an. In der heutigen Zeit übernehmen diese Aufgabe zumeist spezielle Computerprogramme (vgl. Scholl 2003, S.178).

Der fünfte und letzte Schritt des Forschungsprozesses ist die Daten- und Ergebnispräsentation. Mit Hilfe von Tabellen, Grafiken u. a. werden die Ergebnisse der Untersuchung inhaltlich interpretiert und präsentiert.

Neben diesen fünf Schritten des empirischen Teils der Arbeit, gibt es weitere Bestandteile. Im zweiten Kapitel wird zunächst auf die theoretischen Grundlagen eingegangen. Neben grundlegenden Definitionen werden die Ziele und Funktionen der Austrittsbefragungen dargestellt.

Im weiteren Verlauf wird das standardisierte Austrittsinterview nach Hilb (2002, S.184ff.) und die Verfahren von Mayrthaler (1987, S.71ff.) und Andreas/Hoppe (1982, S.190ff.) vorgestellt. In diesem Zusammenhang wird im Anschluss ver- deutlicht, warum es so schwierig ist, die korrekten Austrittsgründe zu erfassen. Den Abschluss des zweiten Kapitels bildet ein Überblick über den momentanen Forschungsstand und der bisherigen durchgeführten Studien zu diesem Thema.

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem Forschungsdesign. Bestandteile sind die Methodik, die Entwicklung des Fragebogen und der damit verbundenen Fragen, die Auswahl der untersuchten Unternehmen, der Durchführung der Pretests und der Hauptuntersuchung, und zu guter letzt die Methodik der Auswertung der beantworteten Fragebögen.

Die Ergebnisse der Fragebögen sind Bestandteil des vierten Kapitels. Nach der Auswertung der Rücklaufquote folgt, unterteilt in die fünf Bereiche der for- schungsleitenden Fragen, die Auswertung der beantworteten Fragebögen.

Ein Fazit in Kapitel 5 über die Anwendung der Austrittsbefragung in der deutschen Wirtschaft, speziell in den Unternehmen des DAX 100 bildet den Schlusspunkt der vorliegenden Arbeit.

2 Grundlagen

2.1 Begriffe und Definitionen

Der bisher bei Autoren wohl am häufigsten genutzte Begriff ist das „Austrittsinterview“7 . Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass vor allem Hilb (1977, S.307) diese Bezeichnung nutzt und er einer der wohl wichtigsten Wegbereiter der Austrittsbefragung ist.

Hilb (1977) selbst definierte diesen Begriff folgendermaßen: „Unter einem Aus- trittsinterview verstehen wir ein planmäßiges und systematisches Vorgehen der Personalabteilung mit dem Ziel, alle ausscheidenden Organisationsmitglieder durch eine Reihe gezielter Fragen zu veranlassen, - möglichst objektive Infor- mationen über die Austrittsgründe und die Stärken und Schwächen der Firma und des Arbeitsplatzes abzugeben (Diagnostikfunktion) sowie - möglichst sinn- volle Verbesserungen vorzuschlagen (Therapiefunktion)“ (ebd.; Layout geän- dert).

Anknüpfend an diese Definition wird an dieser Stelle, da es bis dato in der Lite- ratur noch keinen Begriff gibt, der die sowohl schriftliche als auch mündliche Form der Befragung von Ausscheidenden in einem umfasst, die neue Bezeich- nung Austrittsbefragung eingeführt. Sie soll das Wesen der sowohl schriftlichen als auch mündlichen Befragung des Ausscheidens vereinen und damit über die Definition von Hilb zum Austrittsinterview noch etwas weiter hinausgehen.

Unter Austrittsbefragungen werden im Folgenden die planmäßigen und systematischen Maßnahmen verstanden, die, entweder in schriftlicher oder mündlicher Durchführungsform, zum einen das Ziel der Erfassung der Austrittsgründe haben und zum anderen in diesem Zusammenhang Vorschläge zu möglichen Verbesserungen innerhalb des Unternehmens hervorbringen sollen.

2.2 Die Ziele und Funktionen der Austrittsbefragung

Erste Ziele und Funktionen der Austrittsbefragung wurden bereits in der Definition von Hilb 8 genannt. Daran anknüpfend werden in diesem Kapitel weitere Aufgaben beschrieben.

Die Austrittsbefragung - ein Instrumentarium der Personalabteilung - ist die aktive Reaktion seitens des Unternehmens auf das Ausscheiden eines Mitarbeiters. Informationen, die lang im Verborgenen geblieben sind, sollen nun am Ende der Mitarbeit eines Angestellten ans Licht gebracht werden. Seitens des Unternehmens wird so hauptsächlich versucht, den Grund und die Motivation für die Trennung zu erforschen (vgl. z.B. Klötzl 1994, S.16; Hilb 1977, S.307; Pullig 1986, S.22). Die Erkenntnisse aus den Befragungen sollen dann als Grundlage für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen dienen.

Weitere Gründe für die Durchführung einer Austrittsbefragung sind die Hoffnung auf die Angabe von Verbesserungsvorschlägen seitens des Mitarbeiters (vgl. z.B. Klötzl 1994, S.16; Hilb 1977, S.307), die Beratung des ehemaligen Ange- stellten in Bezug auf den weiteren Berufsweg (vgl. Klötzl 1994, S.16) und die Imagepflege bzw. Personalbetreuung (vgl. Pullig/Oelschläger 1990, S.310). Dabei wird im Verlauf einer Austrittsbefragung nicht selten auch versucht, den ausscheidenden Mitarbeiter umzustimmen und zurückzuholen (vgl. ebd.).

Ein anderer Grund, der die Durchführung eines abschließenden Gespräches veranlasst, ist für Pullig (1986) administrativer und rechtlicher Natur. So kann es vereinzelt auch notwendig sein, am Ende des Arbeitsverhältnisses zum Beispiel noch die Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung oder die Wahrung von Betriebsgeheimnissen zu klären (vgl. ebd., S.22).

Es gibt für die Durchführung einer Austrittsbefragung aber nicht nur Gründe seitens des Unternehmens. Auch für den ausscheidenden Mitarbeiter kann ein letztes Gespräch wichtig sein, insbesondere dann, wenn es zum Beispiel endlich zur Klärung von kritischen Situationen kommt und bzw. oder das Bestehen des weiteren Kontaktes erwünscht ist (vgl. Klötzl 1994, S.16).

Alles in allem bleibt die Feststellung der Austrittsgründe des Ausscheidenden aber der wichtigste Bestandteil der Austrittsbefragung.

Über den Einsatz der Austrittsbefragung bezüglich der einzelnen Arten der Be- triebsabgänge gibt es in der Literatur unterschiedliche Meinungen. So empfiehlt zum Beispiel Metze (1960) den Einsatz der Austrittsbefragung nur bei den „ech- ten Austritte[n]“ vorzunehmen (ebd., S.507). Unter dieser Bezeichnung fasst er alle Beendigungen des Arbeitsverhältnisses zusammen, die durch den Arbeit- geber oder Arbeitnehmer veranlasst werden. Metze (1960) geht davon aus, dass alle anderen Austritte, z.B. durch mangelnde Gesundheit, Pensionierung, Übergang zur Selbstständigkeit oder auch Beendigung des Lehrverhältnisses nicht von der Betriebsleitung beeinflusst werden können und daher kaum Er- kenntnisse geben können (vgl. ebd.).

Hilb (1977) nimmt in seiner Definition keine Trennung vor. Für ihn sollte die Austrittsbefragung bei allen ausscheidenden Mitarbeitern durchgeführt werden (vgl. ebd., S.307).

Andreas/Hoppe (1982, S.190f.) und Klötzl (1994, S.16) beschränken dagegen die Durchführung der Austrittsbefragung auf die Gruppe der Mitarbeiter die selbst kündigen. Mit der Zeit hat demzufolge ein Wechsel stattgefunden. Bezo- gen Metze und Hilb zusätzlich noch die Gruppe der Mitarbeiter die gekündigt werden mit ein, beschränken Andreas/Hoppe und Klötzl sich einige Jahre spä- ter nur noch auf die Gruppe der Mitarbeiter die von selbst kündigen.

2.3 Die Durchführung einer Austrittsbefragung

Im folgenden Kapitel werden Ansätze der Durchführung der Austrittsbefragung vorgestellt. Der Klassiker ist das „Standardisierte Austrittsinterview“ nach Hilb (2002, S.184ff.). Neben dem Ansatz von Hilb werden auch die Verfahren von Mayrthaler (1987, S.71ff.) und Andreas/Hoppe vorgestellt (1982, S.190ff.).

2.3.1 Das standardisierte Austrittsinterview nach Hilb

Das standardisierte Austrittsinterview nach Hilb (2002) beinhaltet drei charakteristische Merkmale: „- die einheitliche Interviewsituation - die Imagekarten als Hilfsmittel der Gesprächsführung und - die Profilmethode zur Ergebnisdarstellung und Erfolgskontrolle“ (ebd., S.185).

Das erste Charakteristikum des standardisierten Austrittsinterviews, die einheit- liche Interviewsituation, bezieht sich auf das formale Merkmal der Austrittsbe- fragung - die statistische Auswertbarkeit der gegebenen Antworten. Um alle gegebenen Antworten am Ende vergleichen zu können, sind gleiche Voraus- setzungen und Rahmenbedingungen für alle Befragten notwendig (vgl. ebd., S.184).

Die Durchführung der Austrittsinterviews sieht Hilb für den letzten Arbeitstag vor. Dabei ist zu beachten, dass die Befragung immer erst nach Übergabe der Arbeitszeugnisse, ohne jegliche Störungen und auf freiwilliger Basis erfolgen sollte. Die Durchführung in entspannter Atmosphäre sollte am besten immer derselbe Interviewer in möglichst immer dem gleichen neutralen Raum vorneh- men. Als Interviewer sieht Hilb einen Mitarbeiter der Personalabteilung vor (ebd. S.185; so auch z.B. Metze 1960, S.508; Pullig 1986, S.22). Gegenüber den di- rekten Vorgesetzten weisen sie mehr Objektivität auf und haben mehr Erfah- rung mit der Durchführung von Interviews (vgl. z.B. Sherwood 1983, S.744; Pul- lig 1986, S.22).

Durch diese Vereinheitlichung der Interviewsituation und der Standardisierung der Fragen sowie Antwortmöglichkeiten soll die Art der Befragung ein Maximum an Validität (Gültigkeit) und Reliabilität (Zuverlässigkeit) hervorbringen (vgl. Hilb 2002, S.185).

Das zweite Charakteristikum des standardisierten Austrittsinterviews sind die Imagekarten als Hilfsmittel der Gesprächsführung. Im Verlaufe des Interviews erhält der Ausscheidende 22 willkürlich nummerierte Karten. 9 Diese Karten werden vor jedem Interview gemischt, so dass bei jedem Austrittsinterview die Karten in einer unterschiedlichen Reihenfolge vorliegen. Die Beeinflussung der einzelnen Karten untereinander soll auf diesem Wege vermieden werden. Inhalt der Karten sind Faktoren zum Arbeitsplatz und zum Unternehmen selbst. Alle Karten enthalten Faktoren, die für die Wahrnehmung der Arbeitszufriedenheit eine Rolle spielen. Folgende Faktoren sind Beispiele der Imagekarten: gesi- cherte Beschäftigung, guter Verdienst, gute Sozialleistungen, guter Name der Firma in der Öffentlichkeit oder auch gerechte Arbeitsauslastung. Es sind aller- dings nicht alle Karten für jedes Unternehmen gleich. So werden bestimmte Faktoren individuell ans Unternehmen angepasst. „Je nach Landeskultur, Bran- che, Personalkategorie (z.B. Außendienst, Produktion), Hierarchieebene, Un- ternehmensgröße müssen z.T. unterschiedliche Faktoren gewählt werden“ (ebd., S.186).

Nachdem zu Beginn des Gespräches zum Beispiel sehr allgemein über beson- dere Vorfälle in der Zeit der Anstellung des Ausscheidenden gesprochen wird, legt der Interviewer im Verlauf des Gespräches dem Befragten nacheinander alle 22 Karten vor. Der Interviewte soll nun alle Faktoren in die drei vorgegebe- nen Kategorien aufteilen, das heißt, was aus der Sicht des Ausscheidenden „verwirklicht (+)“, „teilweise verwirklicht (=)“ und „nicht verwirklicht (-)“ wurde (vgl. ebd.).

Im Anschluss an diese Aufteilung bespricht der Interviewer mit dem Ausschei- denden alle Karten noch einmal im Einzelnen. Zuerst werden die (-)-Karten be- sprochen, bevor die (=)-Karten und (+)-Karten als letztes dann folgen. Während des Gespräches über die einzelnen Faktoren sollte der Interviewer immer wie- der nach möglichen Ursachen und Verbesserungsvorschlägen fragen (vgl. ebd., S.187).

Hilb (2002) geht davon aus, dass das Beurteilen und Abwägen während des „Kartenspiels“ den Interviewten reizt und den Verlauf kurzweilig erscheinen lässt. Als weitere Vorteile gibt Hilb an, dass man nicht nur „spontanere Antworten und innerhalb kurzer Zeit relativ viele Feedback-Informationen erhält, sondern unter anderem auch […] die Objektivität der Aussagen zum Teil überprüfen kann“ (ebd.). Grobe Informationsverfälschungen sollen auf diese Weise leicht identifiziert werden können.

Das dritte und letzte Charakteristikum des standardisierten Austrittsinterviews nach Hilb (2002) ist die Profilmethode zur Ergebnisdarstellung und Erfolgskon- trolle. Nach Hilb kann mit Hilfe dieser Profilmethode „am Ende jedes Jahres das Gesamtergebnis aus allen Einzelinterviews präsentiert werden“ (ebd., S.188). Die Nummerierung der 22 jedes Mal neu gemischten Karten, erleichtert dabei die Auswertung (vgl. ebd.).

Auf der einen Seite liefert dieses vergleichbare Ergebnis den Personalverant- wortlichen wertvolle Erkenntnisse für die Formulierung weiterer Ziele in der Per- sonalabteilung, auf der anderen Seite zeigt das Jahresendergebnis der Ge- schäftsleitung die gegenwärtig wahrgenommenen Stärken und Schwächen im Unternehmen auf (vgl. ebd.).

Im Ergebnis sollte dieses vergleichende Endresultat aller Austrittsbefragungen nach Hilb als Grundlage für eine Diskussion und nicht als „therapeutisches Rezept“ verstanden werden (ebd.). Der „diagnostizierende Personalverantwortliche“ sollte sich dabei in der Beraterrolle sehen und die jeweiligen Entscheidungen den verantwortlichen Führungskräften selbst überlassen (ebd.).

In der erweiterten Version des standardisierten Austrittsinterviews nach Hilb wird der Ausscheidende zusätzlich zur Zufriedenheit, nach der Wichtigkeit der einzelnen Faktoren befragt (vgl. ebd., S.190).

Mit Hilfe andersfarbiger Karten wird zusätzlich zur wahrgenommenen Zufrie- denheit damit auch die Wichtigkeit der einzelnen am Arbeitsplatz relevanten Faktoren gemessen. In der Auswertung wird nach Hilb dann ein „Zufrieden- heits- und Wichtigkeitsprofil“ sowie ein daraus resultierendes „Defizitprofil“ er- stellt, an dem weitere interessante Erkenntnisse abgelesen werden können (ebd.).

2.3.2 Das kombinierte Verfahren von Mayrthaler

Im Unterschied zu Hilb, dessen Verfahren auf einer rein verbalen Durchführung der Austrittsbefragung beruht, kombiniert Mayrthaler (1987) die mündliche mit der schriftlichen Befragung. Das Austrittsinterview unterteilt er in drei Teile. Im ersten Abschnitt, der Eingangsphase, soll der Interviewer 10 „neben der Erfas- sung allgemein üblicher Angaben zur Person, den Befragten über den Zweck des Gesprächs […] unterrichten“ (ebd., S.71). Mit Hilfe der Schaffung einer an- genehmen Gesprächsatmosphäre und der individuellen Anpassung an den Be- fragten sieht Mayrthaler vor, den Ausscheidenden noch in der ersten Phase bezüglich der Austrittsgründe zu befragen (vgl. ebd., S.73).

In der zweiten Phase legt der Interviewer dem Befragten einen Erhebungsbo- gen vor, mit der Bitte, darin ohne längeres Nachdenken, in Bezug auf 21 vorge- gebene Faktoren, die Erwartungen an die bisherige und an die zukünftige Stelle einzutragen. Die 21 vorgegebenen Faktoren beziehen sich, ähnlich wie die 22 Karten bei Hilb 11 , unmittelbar auf die wahrgenommenen Gegebenheiten am Arbeitsplatz. Die Bemerkungen und Reaktionen vom Befragten während des Ausfüllens sollten vom Gesprächsführer notiert werden, um sie eventuell später noch einmal aufzugreifen. Aufgrund der Standardisierung und einfachen Durch- führung lässt sich die Befragung im Anschluss schnell auswerten und darstel- len. Die durch die Verknüpfung und Aufsummierung entstehende Darstellung bildet die Grundlage der dritten und letzten Phase, der Diskussionsphase (vgl. ebd.).

Mit Hilfe der Vergleichsskala bespricht der Interviewer am Ende mit dem Befragten nun noch einmal alle gemachten Angaben. Eine Protokollierung der „gemachten Angaben dient einer zusätzlichen Ausdifferenzierung der Information aus Teil II“ (ebd., S.74).

Zusammenfassend betrachtet versucht Mayrthaler mit seinem kombinierten Verfahren, die Vorteile der voll- und teilstandardisierten Befragung zu vereinen. Mit Hilfe des klar vorgegebenen Fragebogens, dem schriftlichen Befragungsteil und dem nur zum Teil strukturierten Interview gelingt es auf der einen Seite, vergleichbare Daten zu generieren und auf der anderen Seite, individuell auf den Ausscheidenden einzugehen.

2.3.3 Der Abgangsfragebogen von Andreas und Hoppe

Andreas und Hoppe entwickelten 1982 in einem Unternehmen der Konsumgü- terindustrie im Zuge der Fluktuation einen Abgangsfragebogen. Dieser war um- stritten, wurde aber aufgrund der einfachen, systematischen und zeitsparenden Handhabung dennoch eingeführt. Die anfänglichen Bedenken gegenüber dem Instrument Abgangsfragebogen legten sich schon nach kurzer Zeit. „Die Rück- laufquote liegt bei über 90%: Teilweise bitten die Mitarbeiter sogar darum, die Antworten in einem persönlichen Gespräch zu erweitern oder näher zu erläu- tern“ (ebd., S.190).

Zusammen mit seiner Kündigungsbestätigung erhält der Ausscheidende den vierseitig klar gegliederten Fragebogen (vgl. ebd.). Inhalt des Deckblattes ist eine kurze Erklärung zum Sinn und Zweck der Durchführung und „die Versiche- rung, dass dem Mitarbeiter aus seinen vertraulichen Antworten keinerlei Nachteile entstehen“ (ebd.).

Auf der ersten Innenseite folgen nach der Abfrage der Personalien zwei Fragen zu den entscheidenden Austrittsgründen. Die erste zu den persönlichen, die zweite zu den betrieblichen Gründen. Im Anschluss, beginnend auf der ersten Innenseite, soll der Ausfüllende die Konditionen des Unternehmens bewerten. Diese Konditionen umfassen die äußeren und sozialen Arbeitsbedingungen, die Aufstiegsmöglichkeiten, die Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung sowie die Sozialleistungen. Daran anknüpfend folgen auf Seite drei und vier Fragen zur ausgeführten Tätigkeit, zur Einstellung dem Unternehmen gegenüber, zum Zeitpunkt der Austrittsentscheidung und der möglichen Rückkehr des Arbeit- nehmers (vgl. ebd., S.190ff.).

Die Reaktionen der Befragten, so schreiben Andreas und Hoppe, seien durchgehend positiv. So bedanken sich Mitarbeiter dafür, dass ihnen die Möglichkeit gegeben wird, Kritik üben zu können. Andreas und Hoppe gehen davon aus, dass mögliche Sperren beim Befragten durch die gefundene Form und inhaltliche Gestaltung beseitigt wurden (vgl. ebd.).

2.4 Die Schwierigkeit die wahren Austrittsgründe zu erfassen

Das wohl größte Problem der Austrittsbefragung ist die Schwierigkeit, die wahren Austrittsgründe zu erfassen. Inwieweit ist der Ausscheidende überhaupt bereit, über seine Entscheidung zu sprechen? Welche wahren Gründe gibt es für die Kündigung, welche Gründe werden nur vorgeschoben?

Für Hilb (2002) zum Beispiel besteht bei der Austrittsbefragung „immer die Ge- fahr, dass das ausscheidende Organisationsmitglied - einerseits diese Gele- genheit zum emotionalen Abreagieren benutzt, - andererseits beim Versuch, seine Entscheidungen zu >>rationalisieren<< andere als die tatsächlich aus- schlaggebenden Austrittsgründe angibt“ (ebd., S.184; Layout geändert). Er geht davon aus, dass eine Antwortverfälschung vor allem dann zu erwarten ist, „- wenn der Austretende die Verhältnisse im Unternehmen zu wenig kennt - wenn der Austretende vermutet, seine Aussagen könnten gegen ihn ausgelegt wer- den […] - wenn der Austretende intellektuell überfordert wird oder - wenn der Austretende zu delikaten Problemen Stellung nehmen muss“ (ebd.; Layout geändert). Ähnliche Probleme sehen auch andere Autoren (vgl. z.B. Metze 1960, S.508f.; Pullig 1986, S.25; Kobi 1999, S.76).

Für die Lösung des Wahrheitsproblems lassen sich in der Literatur unterschiedliche Ansätze finden.

Metze (1960) zum einen rät, die Austrittsbefragung an einem neutralen Ort „in Form eines freundlichen Gesprächs zwischen Arbeitnehmer und Personalleiter bzw. Personalsachbearbeiter durchzuführen“ (ebd., S.508). Er geht davon aus, dass in einer annähernd privaten Atmosphäre der Ausscheidende eher bereit sein wird, die wahren Gründe zu nennen, als in einem Gespräch mit dem Vorgesetzten (vgl. ebd., S.508f.).

Einen ähnlichen Ansatz rät Pullig (1986). Er schlägt vor, die Austrittsbefragung in einer standardisierten Form anonym nach dem Ausscheiden von einem ex- ternen Berater durchführen zu lassen. Der Interviewte sollte dabei von der Wichtigkeit seiner Informationen überzeugt werden. Um die gemachten Anga- ben vom Ausscheidenden besser einordnen zu können, empfiehlt Pullig zuletzt, ebenfalls mit den Vorgesetzten und den Kollegen des Ausgeschiedenen zu sprechen (vgl. ebd., S.25).

Eine etwas andere Herangehensweise schlägt Kobi (1999) vor. Er hält es für hilfreich „die Begründungen mit der von Senge12 vorgeschlagenen Methode der Warum-Fragen zu hinterfragen und zu vertiefen. Wenn die Warum-Frage min- destens fünfmal gestellt wird, kommen häufig die echten Gründe zum Vor- schein“ (ebd. 1999, S.76f.). Zu bedenken ist bei dieser Methode aber, dass sich der Befragte durch mehrmaliges Nachfragen immer mehr in die Ecke getrieben fühlen kann und dann völlig abblockt. Es bedarf demnach immer eines gewis- sen Fingerspitzengefühls des Interviewers. Ein weiterer Nachteil ist, dass diese Methode nur bei individuellen Gesprächen funktioniert. Bei standardisierten Fragebögen etwa kann dieses Verfahren nicht eingesetzt werden.

Eines scheint in jedem Falle sicher, selbst wenn man auch das beste Verfahren und gegebenenfalls auch den besten Interviewer nutzt, wird man wohl nie zu 100% die wahren Austrittsgründe erfahren. Dies sollte man bei der Auswertung der gemachten Angaben beachten.

2.5 Der aktuelle Forschungsstand

In Bezug auf die empirische Untersuchung des Einsatzes der Austrittsbefragung in Unternehmen lassen sich in der deutschen Literatur bisher nur zwei Arbeiten finden. Das ist zum einen der 1986 erschienene Aufsatz: „Das Abgangs-(Austritts-) Interview als Instrument der Personalführung“ von Karl-Klaus Pullig und zum anderen der 1990 herausgegebene Aufsatz: „Was nützen Austrittsinterviews?“ von Pullig/Oelschläger.

Im ersten Aufsatz schildert Pullig (1986), neben Vorschlägen zur Durchführung und Auswertung der Austrittsbefragung, die Ergebnisse einer amerikanischen Studie. Aus einer Stichprobe von 18 Unternehmen setzten damals lediglich zwölf die Austrittsbefragung ein. Von diesen zwölf führten insgesamt acht struk- turierte Interviews durch. Drei von ihnen ließen zu Beginn einen Fragebogen ausfüllen. Im anschließenden Gespräch wurde bei diesen drei Unternehmen dann nur noch auf die offen gebliebenen Fragen eingegangen (ebd., S.23).

Von den zwölf Unternehmen, die angaben die Austrittsbefragung einzusetzen, gaben lediglich acht Unternehmen an, die Ergebnisse der Befragung auch aus- zuwerten. Zwei weitere machten mit den erhobenen Daten gar nichts. Pullig geht davon aus, dass die Austrittsbefragung in diesen Fällen nur als Geste ge- genüber dem Ausscheidenden verstanden wurde. Im Umgang mit den Protokol- len und Ergebnissen der Auswertung verfuhren die zwölf Unternehmen unter- schiedlich. Einige beließen die Protokolle und Ergebnisse in der Personalabtei- lung, andere übersandten eine Protokollkopie dem ehemaligen Vorgesetzten. Zu vierteljährlichen bzw. jährlichen Berichten wurden die Ergebnisse genau von der Hälfte zusammengefasst. Von den acht Unternehmen, die die durchgeführ- ten Befragungen auch auswerteten, ergaben sich in sieben von ihnen auch konkrete Veränderungen. Maßnahmen die daraus resultierten, gingen von „Ge- haltssystemüberprüfungen bis hin zu Versetzungen von Vorgesetzten, die mit ihren Mitarbeitern nicht effizient arbeiten konnten“ (ebd., S.25).

Im zweiten Aufsatz zur empirischen Durchführung der Austrittsbefragung schil- dern Pullig und Oelschläger (1990) die Ergebnisse einer 35 größere deutsche Unternehmen umfassenden Telefonumfrage. Pulligs und Oelschlägers Ziel der Umfrage ist es Aussagen zur empirischen Anwendung der Austrittsbefragung und zur Einschätzung des Nutzens des Austrittsinterviews aus der Sicht der Personalverantwortlichen machen zu können. Ausgewählt wurde die Stichprobe von 35 Unternehmen aus einem Pool von Unternehmen, die in einer früheren Untersuchung angaben, Austrittsinterviews durchzuführen (vgl. ebd., S.310).

Auf mehreren Ebenen weist die Studie interessante Erkenntnisse auf. Ein Ergebnis, bezogen auf die angegebenen Ziele zur Durchführung der Austrittsinterviews, ist die Feststellung, dass knapp ein Drittel das Instrument Austrittsgespräch als etwas Selbstverständliches ansieht. Für diese Unternehmen gehört es zum guten Ton, den Ausscheidenden noch einmal einzubinden und sich von ihm im Guten zu trennen (vgl. ebd.).

Ein weiteres Ergebnis ist, dass nur 55% der befragten Unternehmen mit allen Mitarbeitern, die gekündigt haben, ein Austrittsinterview durchführen. Die restli- chen Unternehmen führen eine Austrittsbefragung nur bei bestimmten Mitarbei- tergruppen durch, zum Beispiel bei Angestellten der höheren Hierarchieebene (vgl. ebd., S.310f.).

In Bezug auf die Frage nach der Einschätzung des Wahrheitsgehaltes waren 40% der Unternehmen der Meinung, dass über 80% der angegebenen Austrittsgründe wahre Informationen erhalten. Lediglich 11% hatten explizit Zweifel an den gemachten Aussagen der Ausscheidenden. Weitere 37% der befragten Unternehmen gaben an, dass der Wahrheitsgehalt eng mit der Gesprächsatmosphäre korreliert. Umso unverkrampfter die Gesprächssituation und umso persönlicher der Kontakt zum Ausscheidenden sei, desto höher ist der Wahrheitsgehalt der Aussagen (vgl. ebd., S.311).

Im Ergebnis ihrer Studie stellen Pullig und Oelschläger fest, dass das Austritts- interview in der Praxis eher nur ein Ritual mit wenig konkreten Auswirkungen ist. Ein Problem, dass die Autoren bei den Unternehmen sehen, ist die Offenle- gung der wahren Austrittsgründe, ein anderes die Anwendung der Ergebnisse der Austrittsbefragung (vgl. ebd., S.313). Im Resultat scheint für Pullig und Oelschläger die Austrittsbefragung „eher ein nützliches Werkzeug im Hand- werkskasten der >>Personalbetreuung<< oder der >>Imagepflege<< zu sein, als

ein Instrument zur Schwachstellenanalyse“ (ebd.).

[...]


1 Zur besseren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit auf die Unterscheidung der Gender verzichtet. Bezeichnungen stehen sowohl für das männliche als auch für das weibliche Geschlecht.

2 Absolute Anzahl der Arbeitslosen für Februar 2004, der Wert wurde nicht bereinigt.

3 Veränderung des BIP im Quartal IV 2003 gegenüber Quartal IV 2002.

4 Der Begriff High Potential wird in der Literatur unterschiedlich definiert. In der vorliegenden Studie werden unter „High Potentials“ Nachwuchskräfte verstanden, die neben Fachwissen vor allem über Problemlösungs- und sozialer Kompetenz sowie überdurchschnittliches Entwicklungspotenzial verfügen.

5 „Wechsel eines Arbeitnehmers von einem Unternehmen zu einem anderen“ (Gabler Wirtschaftslexikon 2000, S.1117).

6 Abb. A im Anhang 1 zeigt eine Übersicht der DAX 100 Unternehmen.

7 Synonym für den Begriff „Austrittsinterview“ (z.B. Hilb 1977; Mayrthaler 1987; Kobi 1999, S.76ff.) werden in der Literatur die Bezeichnungen „Abgangsinterview“ (z.B. Metze 1960; Scholz 2000, S.548ff.), „Ausgangsgespräch“ (z.B. Bickmann/Schad 1995, S.154), „Austrittsgespräch“ (z.B. Klötzl 1994; Näpflin/Vogel/Walter 2002) oder auch „Abgangsfragebogen“ (z.B. Andreas/Hoppe 1982) genutzt.

8 Siehe Kapitel 2.1.

9 Ein Vergleich des „Standardisierten Austrittsinterviews“ nach Hilb von 1977 und 2002 zeigt, dass die Anzahl der Karten im Verlaufe der Jahre geändert wurde. In der ersten Fassung des Standardisierten Austrittsinterviews umfasste die Befragung nur 19 Karten. In der Fassung von 2002 wurde gegenüber der Fassung von 1977 eine Karte auf zwei aufgeteilt, des Weiteren sind zwei Karten zusätzlich hinzugekommen.

10 Mayrthaler empfiehlt als Interviewer den Einsatz von Mitarbeitern der Personalabteilung.

11 Vgl. Kapitel 2.3.1.

12 Senge, P. M. (1996): Die fünfte Disziplin - Kunst und Praxis der lernenden Organisation, 3. Aufl., Stuttgart.

Ende der Leseprobe aus 80 Seiten

Details

Titel
Die Anwendung von Austrittsbefragungen in der deutschen Wirtschaft
Untertitel
Eine Befragung der Unternehmen des DAX 100
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Fachbereich Wirtschaftswissenschaft)
Veranstaltung
Personalwirtschaft
Note
2,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
80
Katalognummer
V87211
ISBN (eBook)
9783638067218
ISBN (Buch)
9783638953900
Dateigröße
2455 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Es ist eine empirische Arbeit gewesen in der die DAX 100 Unternehmen an einer Umfrage zum Austrittsinterview teilnahmen. Dieses Thema war bis zu diesem Zeitpunkt noch sehr wenig erforscht und wurde demnach mit sehr viel Mühe erarbeitet.
Schlagworte
Anwendung, Austrittsbefragungen, Wirtschaft, Personalwirtschaft
Arbeit zitieren
André Löscher (Autor:in), 2004, Die Anwendung von Austrittsbefragungen in der deutschen Wirtschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87211

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