"In the German tongue..."

Sylvia Plaths Gedicht "Daddy" in der Übersetzung von Erich Fried


Seminararbeit, 2006

18 Seiten, Note: sehr gut (1,00)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Bibliografisches und textexterne Merkmale

3. Daddy vs. Papi – Erich Frieds Übersetzung
3.1. Aufbau
3.1.1. Syntax
3.1.2. Interpunktion
3.1.3. Rhythmus
3.1.4. Zusammenfassung
3.2. Lexik
3.2.1. Erweiterungen / Veränderungen / Hinzufügungen
3.2.2. Slang-Ausdrücke
3.3. Deutsche Sprache und Nationalsozialismus
3.3.1. „And the language obscene“ – Deutsche Wörter im Original
3.3.2. Nationalsozialistisches Spracharchiv
3.3.3. Der Diskurs über den Nationalsozialismus

4. Resümee

5. Bibliografie
5.1. Primärliteratur
5.2. Sekundärliteratur
5.3. Weitere Quellen

1. Einleitung

Erich Fried hat nicht nur als Dichter und Essayist gearbeitet, sein Werk umfasst auch zahlreiche Übersetzungen. Diese gelten durchwegs als gelungen[1], seine Übertragung von Dylan Thomas‘ Under Milk Wood brachte ihm den Ruf ein „schwer Übersetzbares übersetzen zu können.“[2]

Vor allem die ersten Übersetzungen sind Produkte finanzieller Notwendigkeit. Andere Werke übersetzte er aus eigenem Interesse und weil er sie für unterschätzt und im deutschen Sprachraum zu wenig bekannt hielt – so auch Sylvia Plaths Gedichtband Ariel.[3] Damit dessen Publikation ermöglicht würde, hatte Fried „fast zehn Jahre lang Unseld bekniet.“[4]

Frieds Tätigkeit als Übersetzer hat also auch entscheidend dazu beigetragen, dass manche Autoren überhaupt im deutschen Sprachraum rezipiert wurden.

Im Folgenden soll nun auf eines der Gedichte aus Ariel näher eingegangen werden: Daddy[5] soll untersucht und mit Frieds Übersetzung verglichen werden.

Besonderes Augenmerk soll dabei auf die problematische Verwendung von Begriffen aus dem nationalsozialistischen Spracharchiv, im Original und in der deutschen Entsprechung, gelegt werden.[6] Des Weiteren soll untersucht werden, ob Erich Fried eine Strategie bei dieser Übersetzung angewandt hat, oder ob tatsächlich zutrifft, was er zu Daddy anmerkt:

„Dieses Gedicht ist meines Erachtens unübersetzbar. Der deutsche Text ist nur der Versuch, einen ungefähren Eindruck zu vermitteln.“[7]

2. Bibliografisches und textexterne Merkmale

Ariel wurde 1965 posthum veröffentlicht, wobei der Herausgeber, Sylvia Plaths Ehemann Ted Hughes, Veränderungen an dem von der Autorin hinterlassenen Manuskript vornahm: Er veränderte die Reihenfolge der Gedichte, nahm einige hinaus und fügte andere hinzu. Gegenüber der ersten in Großbritannien erschienenen Ausgabe veränderte Hughes auch die erste US-amerikanische Edition von 1966. Erst 2004 wurde unter dem Titel Ariel – The restored edition die originale Zusammenstellung publiziert.[8]

Erich Fried kannte also nur Hughes‘ Ausgabe. Seine Übersetzung, erstmals 1974 erschienen, folgt der britischen. Das Gedicht Daddy ist auch im ursprünglichen Manuskript enthalten und die Reihung der ihm unmittelbar vorausgehenden und folgenden Gedichte wurde nicht verändert. Allerdings hatte Sylvia Plath Daddy weitaus später im Band vorgesehen: In ihrem Manuskript ist es das 34., in der Ausgabe von Hughes und in der Übersetzung ist es das 22. von jeweils 40 Gedichten.[9]

Die deutsche Ausgabe weist, abgesehen von den Anmerkungen Frieds, die natürlich im Original nicht enthalten sind, keine Paratexte auf. Außerdem ist der im Suhrkamp-Verlag erschienene Band zweisprachig: Neben der Übersetzung sind auch Plaths Originaltexte abgedruckt.[10]

3. Daddy vs. Papi – Erich Frieds Übersetzung

3.1. Aufbau

Daddy besteht aus 16 Strophen à fünf Zeilen. Erich Fried behält diese Struktur bei. Teilweise schließen die Verse mit einem Endreim, auch das behält der Übersetzer bei.

3.1.1. Syntax

Daddy ist in vollständigen Sätzen unterschiedlicher Länge geschrieben: Manche bilden nur einen, andere ziehen sich über mehrere Verse, teilweise bestehen ganze Strophen aus nur einem Satz. Besonders charakteristisch für Plath ist, Sätze bzw. andere syntaktische Einheiten über zwei Strophen zu ziehen, so dass der erste Teil den letzten Vers der ersten Strophe bildet und der zweite den ersten der folgenden. Dadurch entsteht eine sowohl syntaktische als auch semantische Verbindung zwischen den beiden Strophen:

„You stand at the blackboard, daddy,

In the picture I have of you,

A cleft in your chin instead of your foot

But no less a devil for that, no not

Any less the black man who

Bit my pretty red heart in two.

I was ten when they buried you.“ (51-57)

Hier erstreckt sich der Relativsatz über beide Strophen, außerdem sind die Verse durch den Reim „who“ - „two“ phonetisch verbunden. Erich Fried übersetzt diese Stelle so:

„Gespalten nur dein Kinn, nicht dein Huf.

Doch deshalb nicht minder ein Teufel; nein,

Nur ein Teufel, mit Stiefeln beschuht.

Du Schwarzer Mann trankst mein Herzensblut.

Man begrub dich, da war ich zehn.“ (53-57)

In der Übersetzung bleibt der Strophen-übergreifende Satz also nicht erhalten, Fried macht daraus zwei Sätze.[11]

Auch an anderen Stellen wendet Plath diese Technik an:

„I made a model of you,

A man in black with a Meinkampf look

And a love of the rack and the screw.“ (64-66)

Hier übernimmt Fried die Technik sehr wohl, verändert aber auch den Satz:

„Ich mach ein Modell, das bist du,

Ein Mann in Schwarz mit Meinkampf gesicht,

Der die Folter liebt und das Blut.“ (64-66)[12]

An einer anderen Stelle übersetzt Fried einen Satz Strophen-übergreifend, obwohl es im Original nicht so ist:

„Ich stand vor dir angewurzelt im Grund:

Mir klebte die Zunge im Mund

In einer Stacheldrahtfalle voll Blut.“ (24-26)

Bei Plath heißt es:

„I never could talk to you.

The tongue stuck in my jaw.

It stuck in a barb wire snare.“ (24-26)

3.1.2. Interpunktion

Auffällig ist, dass sich die Interpunktion des übersetzten Textes gegenüber dem Original stark unterscheidet: Einerseits finden sich in der Übersetzung mehr Satzzeichen – wohl ein Resultat der deutschen Orthografie –, andererseits tauscht Fried manche Satzzeichen gegen andere aus. Vor allem fügt er Doppelpunkte und Gedankenstriche ein. Plath selbst verwendet einige Male Gedankenstriche, doch keine Doppelpunkte.

Ein Beispiel, an dem besonders deutlich wird, wie sehr sich die Bedeutung verändern kann, wenn ein Satzzeichen durch ein anderes ersetzt wird, ist der Austausch von Gedankenstrich und Ausrufezeichen: Plaths „Panzer-man, Panzer-man, O You –“ (45), das durch die, durch den Gedankenstrich evozierte, Pause, wohl eher Verzweiflung, als Wut ausdrückt, wird bei Fried zu „Panzer mann, Panzer mann, Tunichtgut!“ (45).

Das Rufzeichen – und der Ausdruck „Tunichtgut“ –vermitteln einen aufgebrachten Ausruf und also einen andere Bedeutung.

3.1.3. Rhythmus

Fried bemüht sich den Rhythmus des Originals beizubehalten. Da die deutsche Sprache „länger“ ist, kann das, - soll der Inhalt, die Worte, möglichst treu übersetzt werden, - nicht immer eingehalten werden: Oft sind einzelne Verse der Übersetzung länger als in Plaths Text, wodurch sich der Inhalt allerdings nicht verändert. Nur einmal gibt es eine Hinzufügung Frieds, die der Beibehaltung des Rhythmus der Übersetzung dient. Plath schreibt:

„Bit my pretty red heart in two.

I was ten when they buried you.

At twenty I tried to die

And get back, back, back to you.“ (56-59)

Fried übersetzt:

„Du Schwarzer Mann trankst mein Herzensblut.

Man begrub dich, da war ich zehn. – Doch nie ruht

Der Teufel: Mit Zwanzig sucht ich den Tod,

Zurückkehren wollt ich in deine Hut;“ (56-59)

[...]


[1] Vgl.: Klaus Reichert: Die Herausforderung des Fremden. Erich Fried als Übersetzer. In: Text + Kritik. Zeitschrift für Literatur. 2. revidierte Auflage. München: Edition Text + Kritik September 1997 (Nr. 91, Fried)

[2] Ingrid Schramm: Die Nachlassbibliothek Erich Frieds mit Schwerpunkt auf seiner Shakespeare-Sammlung. Hausarbeit im Rahmen der Grundausbildung für das wissenschaftliche Bibliotheks-, Dokumentations- und Informationswesen für die Informationsgruppe A. Wien 1994 S 25

[3] Sylvia Plath: Ariel. Ed. by Ted Hughes. London: Faber and Faber 1965 (Originalausgabe)

bzw.: Dies.: Ariel. The restored edition. A facsimile of Plath‘s manuscript, reinstating her original selection and arrangement. London: Faber and Faber 2004

[4] Erich Fried & Wolfgang Görtschacher: Vermittler zwischen den Literaturen. Erich Fried als poet-translator. Ein Gespräch. In: ‘All right, what‘s left‘. Historische und kritische Positionen im Andenken an Erich Fried. Texte zum Erich Fried Symposium 2001. Hrsg. v. Ursula Seeler, Heinz Lunzer, Walter Hinderer. Wien: Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur 2001 (Zirkular, Sondernummer 58) S 37-48; hier: S 41

Anm.: Gemeint ist der Leiter des SuhrkampVerlages Siegfried Unseld.

[5] Sylvia Plaths: Daddy. In: Dies.: Ariel. The restored edition. A facsimile of Plath‘s manuscript, reinstating her original selection and arrangement. London: Faber and Faber 2004 S 73-75

[6] Obwohl diesem Aspekt in der folgenden Arbeit besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden soll, wird nicht näher darauf eingegangen, dass das Gedicht deshalb besonders umstritten ist. Dieser Umstand ist für die Untersuchung der Übersetzung nicht von vordergründiger Bedeutung.

[7] Erich Fried: Anmerkungen des Übersetzers. In: Sylvia Plath: Ariel. Gedichte deutsch und englisch. Übersetzt von Erich Fried. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1974, S 176

[8] Diese Angaben, siehe Frieda Hughes: Foreword. In: Sylvia Plaths: Ariel. The restored edition. A facsimile of Plath‘s manuscript, reinstating her original selection and arrangement. London: Faber and Faber 2004 S IX-XVII

Hier finden sich auch genaue Inhaltsverzeichnisse der verschiedenen Ausgaben

[9] Es wird argumentiert, dass Hughes diese Änderungen vornahm, da Ariel u. a. Plaths „Abrechnung“ mit ihm darstellte und durch die neue Reihung und das Weglassen bzw. Hineinnehmen ein besseres Licht auf ihn fiele. Vgl. dazu: The poetry of Sylvia Plaths. Ed. by Claire Brennan. New York: Columbia University Press 1999 (Columbia Critical Guides)

Eine relativierende Sicht vertritt Frieda Hughes in ihrem Vorwort zur restored edition.

[10] Sylvia Plath: Papi. In: Ariel. Gedichte deutsch und englisch. Übersetzt von Erich Fried. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1974 S 106-111(Ü: 107, 109, 111)

[11] Zu den lexikalischen Veränderungen dieser Stelle, siehe Fußnote 20.

[12] An einer Stelle übersetzt Fried – im Sinne dieser Technik – besonders treu: „My Polack friend [Absatz] Says there are a dozen or two.“ (20f) wird zu „Meine polackischen Freunde [Absatz] Sagen, es gibt ein zwei Dutzend, und“ (20f)

Weshalb Fried hier durch Plural ersetzt ist allerdings nicht ersichtlich, die Silbenzahl legt es nicht unbedingt nahe. Siehe auch 3.3.2.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
"In the German tongue..."
Untertitel
Sylvia Plaths Gedicht "Daddy" in der Übersetzung von Erich Fried
Hochschule
Universität Wien
Note
sehr gut (1,00)
Autor
Jahr
2006
Seiten
18
Katalognummer
V87180
ISBN (eBook)
9783638013826
Dateigröße
390 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
German
Arbeit zitieren
Anna Lindner (Autor:in), 2006, "In the German tongue...", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87180

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