Das Mädchenbild in Emmy von Rhodens "Der Trotzkopf" und Christine Nöstlingers "Gretchen Sackmeier"

Vergleichende Betrachtung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

16 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition und geschichtliche Einordnung des Mädchenbuches

3. Inhaltsangabe der beiden Werke

4. Analyse der beiden Werke
4.1.Vergleichende Betrachtung der Protagonistinnen Ilse und Gretchen: Charakter und Familiensituation
4.2. Ilses und Gretchens Wirkung auf Männer/ Vergleichende Darstellung des Frauen- und Männerbildes

5. Auswertung: Welche Schlüsse können aus den Beobachtungen gezogen werden?

6. Versuch einer Deutung: Der Reiz des Mädchenbuches und die Scheu der Jungen vor dieser Gattung

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Ich verfasse diese Hausarbeit im Rahmen des Seminars „Der Teenie-Roman als moralische Anstalt - Moral und Weltanschauung bei klassischen und modernen Kinderbüchern“, in dessen Verlauf viele ältere aber auch modernere Adoleszenzromane im Zentrum des Interesses standen und kritisch untersucht wurden. Im Laufe der Zeit tauchte auch immer wieder der Begriff „Mädchenbuch“ in unterschiedlichen Kontexten auf. Es wurde der Frage nachgegangen, was das Spezielle an Mädchenbüchern ist, warum sie nach wie vor so beliebt sind und aus welchen Gründen Jungen in der Regel Mädchenbücher kategorisch ablehnen, während Mädchen mit großer Begeisterung auch „Jungenbücher“ lesen. All diese Fragen werden auch Teil der vorliegenden Hausarbeit sein, wobei der Schwerpunkt auf der vergleichenden Darstellung von zwei ausgewählten Mädchenbüchern liegen wird: Emmy von Rhodens Der Trotzkopf als Prototyp der „Backfischliteratur“ und Christine Nöstlingers Gretchen Sackmeier als moderne Mädchenbucherscheinung. Diese beiden Werke sollen unter verschiedenen Gesichtspunkten analysiert werden: Wer sind die Hauptfiguren und welche Entwicklung machen sie durch? In welchen familiären Bedingungen wachsen sie auf und wie wird ihre Wirkung auf das andere Geschlecht beschrieben? Wo liegen Gemeinsamkeiten und wo sind deutliche Unterschiede erkennbar? Bevor ich jedoch all diesen Fragen nachgehen werde, soll zunächst der Begriff des Mädchenbuches geklärt werden sowie eine kurze Übersicht der geschichtlichen Entwicklung des Mädchenbuches erfolgen, denn nur vor diesem Hintergrund kann eine angemessene Analyse der beiden Bücher erfolgen.

2. Definition und geschichtliche Einordnung des Mädchenbuches

Eine eindeutige Definition des Mädchenbuch-Begriffes zu leisten ist keine leichte Aufgabe, denn in der Sekundärliteratur gibt es keine klar festgelegte Position, die typische allgemeingültige Charakteristika des Mädchenbuches aufzeigt. Zwar ist die Schnittmenge relativ groß, so dass nahezu jeder eine gewisse Vorstellung vom Mädchenbuchbegriff hat, aber im Einzelnen gibt es gewisse Unterschiede, die eine klare Definition erschweren. Fest steht: Es reicht nicht aus, Mädchenbücher allein über die Leseerwartungen bzw. Lesemotive der Mädchen zu bestimmen, weil dadurch der Bereich der Jungen- oder Abenteuerliteratur ebenfalls mit einbezogen werden müsste. Im Allgemeinen kann man jedoch sagen, dass Mädchenbücher sich mit speziell weiblichen Bedürfnissen befassen, fast immer Mädchen als Hauptfiguren haben und das jeweils gültige Idealbild von Mädchen zur jeweiligen Zeit verkörpern. Der Leserin wird ein Spiegel vorgehalten und die wünschenswerten und traditionellen Leitvorstellungen aufgezeigt (vgl. Dahrendorf 1970, S. 51).

In einem großen Teil der Mädchenbücher werden die Protagonistinnen unter dem Aspekt der Entwicklung vom Mädchen zur Frau dargestellt, immer mit der Intention, der Leserin ein Stück „Lebenshilfe“ zu gewähren und sie auf dem Weg zum Erwachsenwerden zu begleiten (vgl. Dahrendorf 1970, S. 59).

Die eigentlichen Wurzeln des Mädchenbuches liegen in der Zeit der Aufklärung des 18. Jahrhunderts, einer Zeit, die geprägt war von der Vorstellung, dass die Welt gestaltbar und der Mensch an sich erziehbar und erziehungsbedürftig sei. Vor diesem Hintergrund sind auch die erzählerisch eingekleideten Morallehren des 18. Jahrhunderts zu verstehen, in denen durch inhaltlich abschreckende Beispiele sündhaften Handels unentwegt moralisierend eingegriffen wurde. Diese frühen Erzählungen waren noch nicht von einer künstlerischen Gestaltungsabsicht geprägt, sondern konzentrierten sich nur auf die Wirkung, einen pädagogisch-belehrenden Beitrag zu leisten, z. B. Campes 1789 erschienenes Werk Väterlicher Rat an meine Tochter (vgl. Dahrendorf 1970, S. 30).

Erst im späten 19. Jahrhundert kam es schließlich zur Herausbildung der Backfischliteratur, dessen Prototyp Emmy von Rhodens Der Trotzkopf (1885) verkörpert. Vordergründig bei dieser Gattung war nicht mehr der erhobene Zeigefinger, sondern die Unterhaltsamkeit des Buches. Das Motiv der Erziehung wurde häufig nur deshalb mit einbezogen, um der Unterhaltsamkeit den Anschein von Bedeutung und ein moralisches Alibi zu verschaffen (vgl. Dahrendorf 1970, S.36). Backfischliteratur war hauptsächlich auf den Konsum der standesbewussten „höheren Töchter“ zugeschnitten, die, abgesehen vom Unterhaltungsaspekt, auch gesellschaftliche Sitte vermittelt bekommen sollten. Aber auch bei den weniger gut situierten bürgerlichen Töchtern erfreute sich diese Gattung großer Beliebtheit. Im Unterschied zu früherer Mädchenliteratur wurde der Protagonistin nämlich eine größere Liberalität zugestanden, was gerade an Emmy von Rhodens Der Trotzkopf (1885) sehr deutlich wird. Die Hauptperson Ilse verhält sich zu Beginn des Buches in einer höchst „unweiblichen“ Art und Weise und verkörpert in keiner Form das vorherrschende Idealbild der Frau. Dennoch wird sie als sehr sympathisch dargestellt - im Gegensatz zur früheren Mädchenliteratur, wo eine Protagonistin mit derartigen Eigenschaften erst gar nicht denkbar gewesen wäre (vgl Grenz 1997, S. 116). Sicherlich muss betont werden, dass diese Bücher auch keine Aufforderung zur Rebellion darstellten, denn trotz der größeren Freiheiten der Hauptfigur blieb stets das Anliegen, die „richtigen“ Normen zu vermitteln. Die Phase des unangepassten Benehmens wurde nur deswegen hingenommen, da sie eine „Durchgangsstation“ zur Rolle der heiratsfähigen Dame darstellte, deren gesittetes Benehmen stets durch gutgestellte Ehepartner belohnt wurde (vgl. Dahrendorf 1970, S.37).

Seit etwa Mitte der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts ist jedoch ein deutlicher Wandel erkennbar. Ausgelöst durch die Studenten- und Frauenbewegung und die veränderten gesellschaftlichen Anforderungen entwickelte sich der Anspruch auf Selbstverwirklichung der Frau und die Infragestellung der weiblichen Rollenerziehung zu einem zentralen Thema zeitgenössischer Mädchenliteratur (vgl. Grenz 1997, S.241). Die Themen sind insgesamt aufklärerischer und offener für Tabus geworden: Sexualität, Drogen, Konflikte mit den Eltern, Trennung vom Freund, all diese Aspekte werden nun offen angesprochen. Im Gegensatz zur Backfischliteratur, wo die Mädchen behutsam mit dem Idealbild der Frau vertraut gemacht werden sollten, wollen Mädchenbücher von heute die Leserinnen selbstbewusster und kritischer gegenüber dem traditionellen Frauenbild machen. Auffällig ist trotzdem, dass viele dieser Bücher unter dem Anschein einer oberflächlichen Modernisierung das alte Trotzkopf-Modell beibehalten und lediglich in eine neue Umgebung transportieren. Man kann von einer „Verpackung des Alten im neuen Gewand“ sprechen (Grenz 1997, S.243f.), denn nach wie vor liegt vielen Büchern die erzählerische Strategie einer scheinbaren Rebellion zugrunde, die Entwicklung vom „aus der Rolle fallenden“ Mädchen, das schließlich auf Umwegen zu sich selbst findet. Zu nennen wäre hier z. B. Cillys Geschichte von Gitta von Cetto (1983), in der die temperamentvolle, sprunghafte und unkonventionelle Hauptfigur, die aus zerrütteten Familienverhältnissen stammt, schließlich durch das Zusammentreffen mit dem Studenten Tommy zu einer heilen Welt familiärer Geborgenheit findet (vgl. Grenz 1997, S. 244f.)

Zwar werden im Unterschied zur Backfischliteratur jetzt progressivere Wertvorstellungen vermittelt, die nur von Teilen der Gesellschaft anerkannt sind, dennoch handelt es sich überwiegend um Geschichten, die einen gelungenen oder misslungenen Selbstfindungsprozess beschreiben und somit in die Kategorie „Literatur als Lebenshilfe“ eingeordnet werden können (vgl. Grenz 1997, S.259).

3. Inhaltsangabe der beiden Werke

Um Wiederholungen zu vermeiden werde ich die Inhaltsangabe im Folgenden nur sehr kurz halten, da ich später bei der genaueren Analyse Aspekte des Textes detaillierter aufgreifen und beschreiben werde, so dass die Handlungslinie dann erkennbar wird.

In Emmy von Rhodens Der Trotzkopf (1885) geht es um die 15-jährige Ilse, die sehr unbeschwert auf einem ländlichen Gutshof bei ihrem Vater aufwächst. Sie wird anfangs als spontan, unbekümmert und eigenwillig beschrieben. Sie tollt herum wie ein Junge, tut das wozu sie Lust hat und lässt ihren Gefühlen freien Lauf. Durch die Erziehung in einem Pensionat entwickelt sie sich aber schließlich zu einer jungen Dame, die den Vorstellungen der Gesellschaft entspricht.

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Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Das Mädchenbild in Emmy von Rhodens "Der Trotzkopf" und Christine Nöstlingers "Gretchen Sackmeier"
Untertitel
Vergleichende Betrachtung
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Veranstaltung
Der Teenie-Roman als moralische Anstalt – Moral und Weltanschauung bei klassischen und modernen Kinderbüchern
Note
1.0
Autor
Jahr
2005
Seiten
16
Katalognummer
V87032
ISBN (eBook)
9783638010566
ISBN (Buch)
9783638915359
Dateigröße
491 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vergleichende, Betrachtung, Mädchenbildes, Emmy, Rhodens, Trotzkopf, Christine, Nöstlingers, Gretchen, Sackmeier, Teenie-Roman, Anstalt, Moral, Weltanschauung, Kinderbüchern
Arbeit zitieren
Alexandra Stoichita (Autor:in), 2005, Das Mädchenbild in Emmy von Rhodens "Der Trotzkopf" und Christine Nöstlingers "Gretchen Sackmeier", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87032

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