(Bild-) Journalismus - Ein systemtheoretischer Diskurs


Seminararbeit, 2003

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Das System `Journalismus´ und die Militarisierbarkeit der Medien

Betrachtet man die Informationsgesellschaft in Bezug auf ihre hergestellten Wirklichkeitskonstruktionen, so lässt sich beobachten, dass die individuelle Vorstellung von Krisen in besonderer Weise durch Medien beeinflusst wird. Medien transportieren keine Information, sondern konstruieren nach ihren eigenen Regeln Modelle der Wirklichkeit. „Diese Mediale Wirklichkeit wird durch Medienangebote verkörpert, die Anlässe zur sozialen wie individuellen Wirklichkeitskonstruktion liefern.“[1]

Medien sind dennoch von großer Relevanz, da sie die Auswahl und damit die Bewertung von Informationen bestimmen und Medienangebote bereithalten, die schwer oder oftmals überhaupt nicht von den Rezipienten zu überprüfen und mit ihren eigenen Erfahrungen abzugleichen sind.

Im folgenden ist darzustellen, inwieweit das System `Journalismus´ Ereignisse als Krisen wahrnimmt, nach welchen Regeln es die wahrgenommenen Krisen als Nachrichten selektiert und konstruiert und wie die Darstellung von Krisen in den Medien auf der Seite der Rezipienten aufgenommen wird.

Krisen, Konflikte und Kriege gehören zu den Ereignistypen, über die in den deutschen und auch in ausländischen Auslandsberichterstattungen, überdurchschnittlich oft berichtet wird. Die Aufmerksamkeit der deutschen Medien richtet sich nicht gleichmäßig auf alle Staaten, sondern beschränkt sich auf die Gebiete, in denen längerfristige Krisen existieren. Ob Ereignisse als Krisen empfunden werden, hängt wesentlich von journalismusinternen Faktoren ab. „Neben ökonomischen, organisatorischen und technologischen Imperativen des Journalismus (vgl. Weischenberg 1992) wird die Selektion von Nachrichten, nach den Befunden der empirischen Kommunikationsforschung, von rund 20 „Nachrichtenwerten“ beeinflusst (vgl. Schulz 1989:16), die Journalisten Ereignissen zuschreiben, die als Nachricht selektiert werden.“[2] Daneben existierten eine Reihe anderer Faktoren, wie der Grad der Betroffenheit, die Anschlussmöglichkeit an berichtete Ereignisse im Inland, der Grad der kulturellen, politischen, und ökonomischen Distanz, des weiteren die Möglichkeit das aktuelle Kriegsgeschehen zu personalisieren. Im Zeitalter der Bildmedien stellt die ausreichende Möglichkeit der Visualisierung ein weiteres entscheidendes Kriterium dar.

Betrachtet man diese Faktoren, so stellt sich der Journalismus als selbstreferenzielles System dar.

Doch gibt es in jedem Krieg die Auseinandersetzung darüber, inwieweit die Inhalte der Medien auch ein Produkt der Informationspolitik des Militärs ist. Aus empirischer Perspektive lässt sich dem Journalismus durchaus eine Selbstreferenz zuschreiben, indem er sich als System selbst organisiert. Das System „folgt prinzipiell seinen eigenen Aufmerksamkeits-, Selektions- und Präsentationsregeln: Journalistische Entscheidungen beziehen sich auf journalistische Entscheidungen.“[3] Der einzelne Journalist muss also um über Ereignisse berichten zu können, drei Entscheidungen treffen. Zunächst welche Ereignisse beschrieben werden, dann welche Eigenheiten des Ereignisses beschrieben werden und zuletzt, wie die Beschreibungen beschreiben sollen. Aus dieser seriellen Abfolge ergeben sich Routinehandlungen, die sich mit der Zeit in journalistische und redaktionelle Entscheidungsprogramme verselbstständigen. Die daraus entstehende Autonomie des journalistischen Systems, ist jedoch kein Garant für den Schutz vor der Einflussnahme „systemfremder“ Interessen.

In einer modernen Gesellschaft sind alle sozialen Systeme, das Militär mit eingeschlossen, von der Vermittlung durch Medien abhängig. Sie nutzen das Medium, um ihre Interessen sozial erfolgreich zu vertreten. Politiker und Militärs versuchen die Medien für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, indem sie den Medien bestimmte Wirklichkeitsmodelle als Erklärungsmuster für Handlungen unterbreiten und damit selbst operational versuchen ihre Leitmuster zu vermarkten. Die eigenen Interessen werden in eine journalistische Sprache übersetzt, um sie der Masse verständlich und plausibel zu machen und damit zu legitimieren.

Dem Militär fällt es nicht schwer die journalistische Aufmerksamkeit auf sich zu richten. Zum einen weil Krisen und Konflikte überdurchschnittlich relevant sind und zum anderen, weil die militärische Zensur die Informationen über das Kriegsgeschehen zu einem knappen Gut macht. Für das Militär hängt der Erfolg davon ab, das möglichst wenig Informationen auf dem Markt sind. Je weniger Quellen bestehen, desto größer scheint der Grad der Authentizität ihrer eigenen Informationen zu sein. So hat das Militär gelernt, sich die Macht der Medien zu eigen zu machen.

Der Vietnamkrieg, der als erster „Fernsehkrieg“ in die Geschichte einging, räumte den Journalisten und Journalistinnen eine relativ unzensierte Berichterstattung ein. Die Folge war am Ende, dass der Misserfolg des amerikanischen Militärs nicht nur als scheitern desselben, sondern auch als Versagen der amerikanischen Informationspolitik bewertet wurde. Im zweiten Golfkrieg wurde die militärisch-politische Informationssteuerung perfektioniert, indem in Pressekonferenzen nur ausgewählten Journalisten der Zugang zu Informationsmaterial gewährt wurde und das Filmmaterial erst nach sorgfältiger Zensur die Weltöffentlichkeit erreichte. „Kriege finden seitdem, ohne (journalistische) Zeugen statt, die Medien werden als strategische Waffe zur Desinformation des Kriegsgegners (und der eigenen Bevölkerung) instrumentalisiert.“[4] Diese These bleibt auch während des dritten Golfkrieges bestehen, indem so genannte „Embedded Journalist“ die Einheiten des amerikanischen Militärs von Anfang an begleiteten.

Im historischen Überblick lässt sich unschwer erkennen, dass die Medien mit dem Krieg schon seit der Antike in einem wechselseitigen Verhältnis stehen. Dominikowski spricht von einer Synergie und unterscheidet die technologische, ökonomische, politische und individuelle Militarisierbarkeit von Medien.[5]

Technologische Entwicklungsschübe der Medien kamen im wesentlichen durch Kriege zustande, indem stets die neuesten Medientechnologien zum Einsatz gebracht wurden. „Die Entwicklung der Medientechnologie ist von ihrer Kriegsgeschichte geprägt und zu einem wesentlichen Teil nach militärischen Anforderungen ausgerichtet“[6], behauptet Dominikowski.

Medien ziehen einen wirtschaftlichen Nutzen aus einem Krieg, da er ein mediales Großereignis darstellt und sich auflagensteigernd vermarkten lässt. „Das ökonomische Interesse der Medienunternehmen an einer möglichst breiten, mit allen verfügbaren Medien und der größtmöglichen Aktualität betriebenen Verwertung des Kriegsereignisses trifft zusammen mit dem Interesse des Militärs an professioneller Meinungsführung durch die Medien.“[7]

Medien werden in Kriegszeiten von politischer Seite instrumentalisiert. Das entspricht oftmals nicht den Ansprüchen einer unabhängig und sachlich objektiven Berichterstattung. Medien verlieren dann „häufig die kritische Distanz und bewerten ihre nationale Aufgabe höher als ihren öffentlichen Auftrag.“[8]

Den KriegsberichterstatterInnen stehen am Ort des Geschehens vor der Aufgabe, distanziert und politisch reflektierend zu recherchieren. Indem sie einer militärischen Zensur unterliegen ist der Grad ihrer individuellen Einflussnahme jedoch erheblich eingeschränkt.

Damit, so argumentiert Dominikowski, lassen sich Medien als strukturell militarisierbar bezeichnen.

[...]


[1] Martin Löffelholz, Krisenkommunikation. In: Krieg als Medienergeignis, Grundlagen und Perspektiven der Krisenkommunikation. Hrsg. Martin Löffelholz. Opladen. 1993. 13.

[2] ebd. 19.

[3] ebd. 21.

[4] Thomas Dominikowski, `Massen`medien und `Massen`krieg. In: Krieg als Medienereignis. Hrsg. Martin Löffelholz. Opladen. 1993. 34f.

[5] Vgl. ebd. 47f.

[6] ebd. 47.

[7] ebd. 48.

[8] ebd. 48.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
(Bild-) Journalismus - Ein systemtheoretischer Diskurs
Hochschule
Bauhaus-Universität Weimar  (Institut für Medienkulturwissenschaft)
Veranstaltung
Medien und Politik
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
14
Katalognummer
V86976
ISBN (eBook)
9783638027663
ISBN (Buch)
9783640319749
Dateigröße
402 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Journalismus, Diskurs, Medien, Politik
Arbeit zitieren
Simon Siepermann (Autor:in), 2003, (Bild-) Journalismus - Ein systemtheoretischer Diskurs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86976

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