Perikles und die attische Demokratie


Hausarbeit (Hauptseminar), 1999

30 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I Prolog

II Quellen

III Perikles
III.I Zur Biographie
III.II Siedlungs- und Kolonialpolitik
III.III Das staatliche Bauprogramm

IV Zur Darstellung von Perikles
IV.I Thukydides
IV.II Plutarch

V Die attische Komödie
V.I Kratinos
V.I.I Dionysalexandros
V.I.II Nemesis
V.I.III Zusammenfassende Betrachtung zum Werk von Kratinos
V.II Historische und historiographische Bedeutung der attischen Komödie

VI Epilog

VII Quellen- und Literaturverzeichnis

Nie aber, seit ich mich selbst wasche, tat

Vom Staub so weh mein Auge mir, wie heut

Am Morgen, wo das souveräne Volk

Versammlung hat, so leer den Platz zu sehn.

Sie plaudern auf dem Markt, und auf und ab

Spazierend fliehn sie das Markierungsseil.

...

Ich , in der Volksversammlung stets der erste,

Ich nehme Platz in meiner Einsamkeit

Dann seufz ich, gähne, strecke, lüfte mich

Sinniere, schreibe, kratz im Haare mich, schau

Ins Feld hinaus und bet um Frieden, fluche

Der Stadt und denke: wär ich nur daheim.

Aristophanes, Die Acharner 17 ff.

I Prolog

Mit den Griechen und der Demokratie ist das so eine Sache. Sie lieben es, den ganzen Tag über Politik zu reden, zur Wahl jedoch müssen sie per Gesetz und unter Androhung hoher Strafen gezwungen werden. Lese ich das Klagelied des Aristophanes, so scheint mir, daß diese Zurückhaltung bei der Wahrnehmung demokratischer Rechte Tradition hat. Immerhin können die Griechen des V. Jahrhunderts für sich verbuchen, die Demokratie erfunden zu haben. Aufgrund der insgesamt recht spärlichen bzw. einseitigen Quellen ist es nicht ganz einfach, diese attische Demokratie einzuschätzen und zu beurteilen. Das soll auch nicht das Thema dieser Arbeit sein. Es geht zentral um die Figur des Perikles. Dieser Perikles aber repräsentiert, zumindest in den Eckdaten seiner Regierungszeit, den Höhepunkt dieser Epoche. Wer er tatsächlich war, möchte ich herausfinden. Um seine Rolle richtig einschätzen zu können, ist es meiner Ansicht nach notwendig, sich mit den politischen Möglichkeiten, die er hatte, zu beschäftigen. Ein weiterer wichtiger Punkt soll die innerathenische Kritik an ihm sein, d.h. ich möchte mich auf die Suche nach einer Opposition begeben, die nach unserem Verständnis von Demokratie ein elementarer Bestandteil derselben ist. Durch Plutarch wissen wir, daß die Kritik an Perikles nach der Verbannung des Thukydides Melesiou hauptsächlich auf der Komödienbühne stattfand. Häme und Spott bis hin zur Beleidigung konzentrierten sich auf die Person des ausgesprochen humorlosen Perikles - ein sicheres Zeichen, daß er tatsächlich die herausragende Persönlichkeit des öffentlichen Lebens war. Obwohl die Stücke der zeitgenössischen Dichtung bis auf wenige Ausnahmen verloren sind, soll ihnen deshalb Platz eingeräumt werden.

Neben der Biographie möchte ich vor allem das Bauprogramm betrachten, das wie kein anderes Projekt der damaligen Zeit im Kreuzfeuer der Kritik stand. Schließlich ist es das Bauprogramm in Athen, das die Figur des Perikles nach über zweitausend Jahren wieder in das Bewußtsein einer breiten Öffentlichkeit brachte. Auf der Akropolis in Athen erlebt der Besucher auch heute noch das Flair, die handwerkliche Kunst und die Schönheit einer Zeit, die als der Zenit der klassischen Antike gilt. Wie kaum eine andere prägte die klassische Epoche die europäische Entwicklung. Ihre Errungenschaften, technische wie philosophische, bilden das Fundament europäischer Hochkultur.

II Quellen

Der Zeitgenosse Herodot erwähnt Perikles nur in einem Nebensatz in Zusammenhang mit seiner Geburtslegende. Die Beziehung der Beiden ist unklar. Thukydides ist der einzige zeitgenössische Historiker, der Perikles einer ausführlichen Würdigung für wert hält. In der Pentekontaetie taucht Perikles allerdings nur drei mal auf und auch das nur in Zusammenhang mit militärischen Aktionen. Erst im Winter 432/1 kommt er das erste mal zu Wort, im Sommer 430 entzieht er es ihm schon wieder. [Kriegsrede (Winter 432/1) - Ressourcen (Sommer 431) - Grabrede auf die attischen Gefallenen (Winter 431) - Trostrede (Sommer 430)] Thukydides zeichnet das Bild einer faszinierenden Persönlichkeit mit Weitblick (keine Ausweitung des Machtbereichs, keine selbst gewählten Gefahren) redegewandt, politisch integer und selbstlos. Perikles verkörpert für Thukydides rückblickend[1] das vergangene machtvolle Athen. Wäre er nicht früh genug gestorben, hätte er wohl nicht zum Heroen des Autoren werden können, zumal Thukydides Familie (die Philaiden) mit den Alkmeoniden verfeindet war. Zu Lebzeiten Perikles widmeten sich seiner Person v.a. Komödiendichter. Dabei galt Perikles als ausgesprochen humorlos. Das ging soweit, daß er zeitweise ein Zensurgesetz erließ, das es verbot Personen des öffentlichen Lebens zu verspotten. Dieses Gesetz war allerdings so unpopulär, daß es schnell wieder zurückgenommen wurde. Die Dichter gingen aber auch nicht gerade sanft mit ihm um. Kratines bezeichnete ihn als zwiebelköpfigen Zeus und warf ihm politische Unfähigkeit vor. Aristophanes und Kratinos bezeichneten Aspasia[2] als Hetäre und verglichen sie mit Hera. Hermippos warf ihm Feigheit vor, Telekleides bezeichnet ihn als Frauenheld, andere warfen ihm Kriegstreiberei, Abhängigkeit von schlechten Beratern, Zögerlichkeit beim Bau der langen Mauern und willkürliche Machtausübung vor. Man bezeichnete den Kreis um Perikles gar als neue Peisistratiden. (Fragmente bei Plutarch; Aristophanes bestätigt in seinem späteren Werk das negative Bild der Komödiendichter.)

Im IV. Jahrhundert wird Perikles kaum mehr erwähnt. Allerdings hörte Platon im Gorgias andere "... oft behaupten, Perikles habe die Athener träge, feige, geschwätzig, habsüchtig gemacht, indem er sie zuerst zu Söldnern machte..." und wußte "... ganz genau... daß Perikles zuerst zwar in Ansehen stand und die Athener kein schimpfliches Urteil über ihn aussprachen, als sie noch schlechter waren, nachdem sie aber durch ihn gut und edel geworden waren, haben sie ihn gegen sein Lebensende des Unterschleifs beschuldigt und hätten ihn beinahe am Leben gestraft, offenbar weil sie ihn für nichtswürdig hielten."[3]

Im Werk Aristoteles wird er gelegentlich erwähnt. Ephoros aus Kyme wirft ihm Unterschlagung und Kriegstreiberei vor. Selbst die Atthidographen sehen ihn in einem ungünstigen Licht. Lediglich Isokrates anerkennt Perikles, seine Weisheit, Mäßigung, Einsicht und seine Gerechtigkeit.

Auch später findet Perikles wenig Beachtung. Pompeius Trogus weis wenig über ihn zu berichten, auch Diodor erinnert sich des Perikles nur in Zusammenhang der erfolgreichen Bestechung des Spartanerkönigs und als Anstifter des peloponnesischen Krieges. Cornelius Nepos ignoriert ihn ganz. Erst Plutarch widmet sich seiner. Dessen Biographie ist allerdings mit dem Manko behaftet, daß seine Informationen sämtlich aus zweiter Hand sind und er sich im Gegensatz zu seinen anderen Biographien, auf keinen Vorgänger stützen konnte. Auffällig gelingt es ihm, auch im Gegensatz zu allen seinen anderen Biographien, nicht, all die ungünstigen Beschreibungen, die Vorwürfe früherer Autoren gegen Perikles zu entkräften und ein durchweg positives Bild seines Helden zu zeichnen.

III Perikles

III.I Zur Biographie

In Anbetracht der Bedeutung der Persönlichkeit, wissen wir erstaunlich wenig Konkretes über die Biographie Perikles. Das fängt schon mit dem Geburtsjahr an. Durch eine Inschrift, die ihn 472 als Chorege nennt, besitzen wir einen Terminus ante quem. Dieses Amt setzt Volljährigkeit voraus, er wurde also nicht später als 490 geboren. Alles andere ist Spekulation. Mehr wissen wir über seine Familie. Er war der Sohn des Xanthippos und der Agariste. Agariste entstammte dem Alkmeonidengeschlecht - ein Umstand der Perikles noch zum Nachteil gereichen sollte. Der Mord an den Anhängern des Kylon auf heiligem Boden, die Blutschuld seines Vorfahren[4] aus dem 7. Jahrhundert, lastete immer noch auf diesem Geschlecht. Seinem Vater dagegen gebührte der Ruhm die Perserkriege beendet zu haben. Er hatte die Reste der persischen Flotte bei Samos zerstört und eroberte Sestos am Hellespont. Noch 484 war er als einer der Gegenspieler des Themistokles exiliert worden. Nach der Amnestie von 480 zurückgekehrt, löste er schon 479/8 den Sieger von Salamis im Amte des Strategen ab. Undank ist des Helden Lohn. Die Athener hatten schon immer eine recht eigenwillige Art, mit ihren fähigsten Strategen umzugehen. Themistokles ist ein frühes Beispiel dafür. Später wurde er dann auch noch Opfer des von ihm gegen andere sonst so erfolgreich angewendeten Ostrakismos und mußte sich nach einer darauf folgenden Verurteilung wegen Hochverrats nach Persien flüchten, wo er seine letzten Jahre als Lehensmann des Perserkönigs in Magnesia verbrachte.

Doch zurück zu Perikles: Die nächste verläßliche Information zu seiner Biographie ist die bereits angesprochene Inschrift. Sie scheint mit einiger Sicherheit tatsächlich den hier Porträtierten zu meinen. Nach dieser Inschrift war er 472 Chorege, d.h. eine Art Mäzen, für „die Perser“ des Aischylos. Weitere Informationen fehlen. Erst knapp zehn Jahre später, nach dem Thasosfeldzug, taucht er in der Rolle des Anklägers gegen Kimon wieder aus der Versenkung auf. Was in der Zwischenzeit geschah – wir wissen es nicht. Zwar finden sich bei Plutarch einige Bemerkungen, deren Wert ist aber umstritten. In Zusammenhang mit dem Antrag auf Rückberufung Kimons aus der Verbannung, auf den sich Perikles nach Aussage Plutarchs nur einließ, nachdem durch die Vermittlung von Elpinike ein Vergleich zwischen den Rivalen geschlossen wurde, bemerkt Plutarch zu diesem Prozeß rückblickend, daß schon damals auf Bitten jener Elpinike, der Schwester Kimons, sich Perikles sehr zurückhielt „.. und ... so, als er wegging, der Sache Kimons von allen Anklägern am wenigsten Abbruch getan“[5] hatte. Leider erläutert er die Beziehung der Beiden nicht näher. Immerhin war sie keine ganz unumstrittene Persönlichkeit des öffentlichen Lebens[6].

Es folgen noch zehn geheimnisvolle Jahre im Leben des Perikles. Seit dem Jahre 462 lief das Programm zur „totalen Demokratisierung“ der athenischen Polis, bzw. zu dem was die Athener darunter verstanden. Nach der Ermordung Ephialtes im Jahre 461 vermuten einige Historiker Perikles an der Spitze der demokratischen Bewegung. Es fehlt allerdings der Beleg. Erst im Jahr 455/4 wird Perikles das erste mal als Stratege genannt. Mit seinem Namen verbindet sich eine erfolgreiche Expedition gegen Sikyon auf dem nördlichen Peloponnes. Erst das Jahr 451 bringt den „Durchbruch“ für Perikles. In diesem Jahr bringt er ein Gesetz ein, wonach nur der ein Athener ist, dessen beide Eltern athenisches Bürgerrecht besitzen. Dieses Gesetz kam den materiellen Interessen des Demos stark entgegen und war scheinbar so populär, daß es Perikles eine Führungsrolle im attischen Demos einbringt. Dabei verwundert der Zeitpunkt, hatte der Demos im Krieg doch starke Verluste an Menschen hinnehmen müssen.

Noch 451/50 kehrte Kimon aus der Verbannung zurück. Ein fünfjähriger Frieden mit Sparta wurde vereinbart. Das eröffnete Freiräume für den Krieg gegen Persien. 450 (449) fand die Schlacht bei Salamis statt. Sie endete mit einem Doppelsieg des griechischen Aufgebots, kostete aber Kimon das Leben. Im darauffolgenden Jahr wurde der Kalliasfrieden geschlossen[7], die Ägäis wird zum griechisches Binnenmeer. Das Ende des Krieges gegen Persien dürfte den innenpolitischen Druck in Athen verschärft haben. Dazu kam, daß die Zahlungsmoral der Bündner sich deutlich verschlechtert zu haben scheint, jetzt wo eine unmittelbare Bedrohung nicht mehr existierte. Es fehlte eine neue Aufgabe, die die Griechen vereinte und Athen die Möglichkeit gab, den innenpolitischen Druck zu entschärfen und zu kanalisieren. Ein panhellenischer Kongreß wurde angeregt, scheiterte jedoch am Widerstand Spartas. Nicht nur das – Sparta fiel in Mittelgriechenland ein und vertrieb die mit Athen verbündeten Phoker aus Delphi. Nach dem Abzug der Spartaner konnte Perikles die Vormachtstellung der Phoker zwar restituieren, aber 447 ging nach dem vergeblichen Versuch des Tolmides, Chaironeia und Orchomenos zurückzuerobern, Mittelgriechenland endgültig verloren. 446 spitzte sich die Lage noch zu, als sich Megara und Euboia erhoben und ein spartanisches Heer in Attika einfiel. Vermutlich durch Bestechung konnte Perikles den Spartanerkönig Pleistonax zum Abzug bewegen und sich so genug Luft verschaffen, um Euboia in den Seebund zurückzuführen. Megara aber schloß sich dem Peloponnesischen Bund an und war endgültig für Athen verloren. Die Zeit war reif für einen politischen Kurswechsel. 446/45 vereinbarten Athen und Sparta einen dreißigjährigen Frieden. Plutarch bemerkte an dieser Stelle: „... aus der Hand des Perikles (flossen) Jahr für Jahr 10 Talente nach Sparta, mit denen er die Obrigkeit gewonnen und so den Krieg vermieden haben soll. Er wollte aber mit dem Geld nicht den Frieden erkaufen, sondern die Zeit, um ungestört rüsten und den Krieg dann um so nachdrücklicher führen zu können.“[8] Tatsächlich darf daran gezweifelt werden, daß Perikles an einen permanenten Frieden mit Sparta geglaubt hat, stellte er doch nur ein Jahr später den Antrag, die Befestigungsanlagen auszubauen.

443 gelang Perikles sein wohl wichtigster innenpolitischer Coup. Durch einen Ostrakismos wurde Thukydides, Sohn des Melias, aus Athen verbannt und Perikles wurde alleiniger Leiter des Staates als Vertrauensmann und gewählter Stratege. Denn „... es war dem Namen nach eine Volksherrschaft, in Wirklichkeit eine Herrschaft des Ersten Mannes.“[9] Plutarch berichtet: „Damit hatte der Bürgerzwist sein Ende gefunden und die Stadt war zu Ruhe und Eintracht zurückgekehrt. Jetzt aber nahm Perikles Athen samt allem, was zum Staat der Athener gehörte, in seine Hände: ... Allein von diesem Augenblick an war er nicht mehr derselbe, ... und zog die Saiten an zu einem aristokratischen und königlichen Regiment.“[10] Es begann scheinbar ein „perikleisches Zeitalter“ in Athen. Plutarch berichtet dazu: „... vierzig Jahre lang behauptete er sich unter Männern wie Ephialtes, Leokrates, Myronides, Kimon, Tolmides und Thukydides an der Spitze des Staates, und nach des letzteren Sturz und Verbannung blieb er als Stratege fünfzehn Jahre hindurch ununterbrochen im Besitz höchster Macht und Gewalt, obwohl dieses Amt sonst jährlich wechselte.“[11] Das ist eine klare Aussage, auch wenn ich die Jahresangaben nicht in Stein meißeln würde. Es deutet alles darauf hin, daß Perikles nach der Verbannung Thukydides Melesiou in eine exponierte Machtposition rückte. Die dreißiger Jahre in Athen scheinen unter dem Eindruck seiner überragenden Stellung innerhalb der Polis gestanden zu haben. Diesen Schluß legen jedenfalls alle Quellen zu Perikles nahe, sogar die Komödien, die sich in aller Regel nicht durch besondere Freundlichkeit ihm gegenüber auszeichnen. Eine Frage aber beantworten die Quellen nicht: Wie kam es zu dieser Machtkonzentration? Strategen gab es immerhin zehn. Selbst wenn sie nicht über so große rhetorische Fähigkeiten wie Perikles verfügten, oder nicht so populär im Demos waren wie er, verfügten sie theoretisch über dieselben Machtmittel und waren, Einigkeit vorausgesetzt, doch in einer stärkeren Person als er. Daß diese Position nicht unangefochten war, darf vermutet werden. Die Prozesse gegen seine Freunde und Vertrauten, sogar gegen Aspasia seine zweite Ehefrau, bezeugen es. Allerdings war seine Person selbst niemals Ziel dieser Attacken, zumindest nicht direkt. Daß letztlich er damit gemeint war, scheint klar.

Im Jahre 441 unternahmen die Athener auf Drängen Perikles‘[12] eine recht gewagte Expedition. Im Krieg Milets gegen Samos um den Besitz Prienes hatten die Samier ein Übergewicht erlangt. Athen hatte interveniert und den Samiern befohlen, den Krieg zu beenden und sich in diesem Streitfall dem Urteil Athens zu unterwerfen. Samos lehnte ab. Das hatte zur Folge, daß ein athenisches Aufgebot einen politischen Umsturz auf Samos durchsetzte und diesen durch Geiseln dauerhaft zu etablieren suchte. Dieses Unterfangen schlug fehl und es gab eine langwierige militärische Auseinandersetzung (von beiden Seiten mit äußerster Grausamkeit geführt), die die Athener letztlich für sich entscheiden konnten. Plutarch berichtet, daß das ganze Unternehmen nur und ausdrücklich auf Drängen von Perikles stattfand. Wenn dem so wäre, war dieses Manöver nicht nur unter militärischen Aspekten riskant, (Thukydides zufolge war die samische Flotte der athenischen fast ebenbürtig[13]) es war auch innenpolitisch gefährlich. Laut Plutarch mußte Perikles sich hinterher den Vorwurf gefallen [KB1]lassen, diesen Krieg seiner Gattin zuliebe angezettelt zu haben. Die stammte aus Milet und hatte sich für ihre einstige Heimatstadt eingesetzt. Wenn Plutarchs Ausführungen den Tatsachen entsprechen, müßte sich Perikles seiner Position zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich sicher gewesen sein. Ein Mißerfolg hätte definitiv die Stimmung in Athen zu seinen Ungunsten verändert. Der Erfolg mag zwar Perikles Stellung untermauert haben, aber seiner Gattin zuliebe ein solches Unternehmen zu riskieren, ist schon mehr als abwegig. Und innenpolitisch brauchte er diesen Krieg nicht, wenn er schon die alleinige Führung innehatte. Somit liegt die Vermutung nahe, daß nicht Perikles derjenige war, der die Entscheidung zugunsten der Milesier traf, sondern die Volksversammlung. Daß der Vorschlag von Perikles kam, ist zu vermuten. Daß sich aber der attische Demos auf so ein Unternehmen wegen der Intervention einer Aspasia einläßt, halte ich für ausgeschlossen. Denn gerade seine Gattin war, den Komödiendichtern sei Dank, nicht besonders populär in Athen. Es gab sicherlich gewichtigere Gründe Samos anzugreifen. Schließlich war Samos, Symmachos der ersten Stunde, einer von nur noch drei Verbündeten[14], der keine Phoroi entrichtete, sondern noch Schiffe entsenden durfte. Geld brauchte Athen aber wesentlich dringender als Schiffe. Somit scheint mir Plutarchs Darstellung hier nicht den tatsächlichen Sachverhalt zu schildern, sondern einer anderen Intention zu folgen.

[...]


[1] Die Würdigung Perikles wurde nach Kriegsende geschrieben (10 Jahre nach der Sizilienexpedition II,65)

[2] Aspasia war seine zweite Ehefrau. Sie kam nicht aus Athen und war anscheinend sehr redegewandt und pflegte dies bei Symposien und ähnlichen Gelegenheiten unter Beweis zu stellen. Dadurch machte sie sich einige Feinde.

[3] Platon Gorgias 515e - 516a

[4] Megakles; der Vorfall ereignete sich 636 oder 632

[5] Plut. 10

[6] zur Beziehung Kimon – Elpinike auch Plutarch: Kimon; Cornelius Nepos Cimon

[7] Thukydides verschweigt ihn. Ob ein richtiger Vertrag aufgesetzt wurde oder ob es sich nur um eine Absprache handelte ist umstritten. Ein Hinweis, Kallias sei nach seiner Rückkehr aus Persien der Prozeß gemacht worden von den enttäuschten Athenern ist nicht von der Hand zu weisen. (vgl. Der kleine Pauly.)

[8] Plut. Per. 23

[9] Thuk. 2,65

[10] Plut. Per. 14

[11] Plut. Per. 16

[12] Plut. Per. 24

[13] Thuk. 8,76, vgl. auch Thuk. 1,115-117

[14] Chios und Lesbos

[KB1] Ausdruck paßt nicht umformatieren!

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Perikles und die attische Demokratie
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Alte Geschichte)
Veranstaltung
Der Peloponnesische Krieg
Note
2
Autor
Jahr
1999
Seiten
30
Katalognummer
V8696
ISBN (eBook)
9783638156035
Dateigröße
733 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Perikles, Athen, Sparta, Peloponnesischer Krieg, Antike, Griechenland, Hellas, Demokratie, Komödie, Aristophanes, Kratinos, attische Komödie
Arbeit zitieren
Kristian Büsch (Autor:in), 1999, Perikles und die attische Demokratie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8696

Kommentare

  • Gast am 31.8.2006

    vorteilr.

    bin der meinung die attiche demokratie kann als ein in Ansätzen betrachtenes, Modell der DirektDemokratie gesehen werden.

Blick ins Buch
Titel: Perikles und die attische Demokratie



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