Teufelsgestalten bei Marlowe, Goethe und Lewis


Examensarbeit, 2002

70 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Über das Thema, die Methode und die Intention dieser Arbeit

2. Das Teufelsverständnis im Wandel der Zeit
2.1. Der Einzug des Teufels in das jüdisch-christliche Weltbild
2.1.1. Der Verkläger des Menschen im Alten Testament
2.1.2. Der Herrscher der Dämonen und Widersacher Gottes im Neuen Testament
2.2. Die Erweiterung des Teufelsbildes bis zu seiner endgültigen Ausgestaltung im Mittelalter
2.2.1. Der Teufel im Verständnis der frühen Kirchenväter
2.2.2. Die Umwandlung des hellen Morgensterns in den pferdefüßigen Teufel
2.3. Die Umkehr zum allmählichen Abschied vom mittelalterlichen Teufelsbild
2.3.1. Der Versuch des Protestantismus in der Renaissance, das Teufelsbild zu versachlichen
2.3.2. Die Hinterfragung von Himmel und Hölle im Zuge der Aufklärung
2.3.3. Die endgültige Abschaffung des Teufels in der Moderne

3. Das Wirken der Teufelsfiguren bei Marlowe, Goethe und Lewis
3.1. Die Werke in kurzen Zusammenfassungen
3.1.1. MarlowesDoctor Faustus
3.1.2. GoethesFaust
3.1.3. Lewis’Screwtape Letters
3.2. Die unterschiedlichen Strategien der Teufelsgestalten
3.2.1. Warum die Faustdramen getrennt von den Screwtape Letterserarbeitet werden
3.2.2. Der Teufelspakt bei Marlowe und Goethe
3.2.2.1. Ausgangslage
3.2.2.2. Bundschluss
3.2.2.3. Der Verlauf des Bundesverhältnisses
3.2.2.4. Die endgültige Einlösung des Vertrags
3.2.3. Der versteckte Versucher in Lewis'Screwtape Letters
3.2.3.1. Ausgangslage
3.2.3.2. Die Bemühungen Screwtapes und Wormwoods, die Seele des Opfers zu gewinnen
3.2.3.3. Der Tod und seine Folgen
3.3. Die vertikalen und horizontalen Beziehungen der Teufelsfiguren
3.3.1. Das Verhältnis der Teufelsfiguren zu Gott
3.3.2. Die Teufelsfiguren im Umgang mit den Menschen
3.3.3. Das Selbstkonzept der Teufelsfiguren und ihre Position
3.4. Realität und Gestalt der Hölle

4. Der unmittelbare Werkhintergrund
4.1. Die Stellung des Werks innerhalb der Biographie und Schaffensgeschichte
4.1.1. Christopher Marlowe undDoctor Faustus
4.1.2. DerFaustim Leben und literarischen Schaffen Goethes
4.1.3. C. S. Lewis und dieScrewtape Letters
4.2. Die Bedeutung der Religion im Leben der Autoren
4.2.1. Christopher Marlowe unter dem Einfluss der Spaltung des westlichen Christentums
4.2.2. Goethes umfangreiche Beschäftigung mit den religiösen Strömungen seiner Zeit
4.2.3. Der lange Weg des C. S. Lewis zum christlichen Glauben
4.3. Literarische und historische Hintergründe
4.3.1. Das Buch Hiob und GoethesFaust
4.3.2. Der zweite Weltkrieg und Lewis’Screwtape Letters
4.4. Die Intentionen der Teufelsgeschichten

5. Zusammenfassung der Ergebnisse und

abschließende Bemerkungen

Literaturverzeichnis

Abschlusserklärung

1. Über das Thema, die Methode und die Intention dieser Arbeit

Die Figur des Teufels hat eine Vielzahl von Autoren der verschiedenen literarischen Gattungen in den letzten Jahrhunderten wie kaum eine andere inspiriert. Die älteste im europäischen Kulturkreis weithin bekannte Teufelsgeschichte ist im alttestamentlichen Buch Hiob überliefert. Das Motiv der Versuchung des Menschen durch den Teufel hat bis in die heutige Zeit nichts von seiner literarischen Faszination verloren, wobei das Thema im Laufe der Ze it immer wieder variiert wurde. Auch die drei für diese Hausarbeit ausgewählten Autoren haben sich mit diesem Thema eingehend in ihren Werken auseinandergesetzt. Johann Wolfgang von Goethe (mit seinem zweiteiligen Drama Faust) und Christopher Marlowe (mit Doctor Faustus) haben sich der Faustsage angenommen, während C. S. Lewis mit den Screwtape Letters in diesem Themenbereich keinem literarischen Vorbild explizit folgt. Um eine möglichst genaue Analyse vornehmen zu können und sich nicht in Nebenschauplätzen zu verlieren, werden die Teufelsfiguren in anderen Werken dieser Autoren nicht erwähnt. Die hier ausgewählten Werke stellen unzweifelhaft die deutlichste Auseinandersetzung der Autoren mit der Teufelsthematik dar; dabei darf natürlich nicht vergessen werden, dass diese Thematik bei aller Wichtigkeit nicht immer im Mittelpunkt der Werke stand.

Die Auswahl der drei Autoren geschah unter Berücksichtigung der Verknüpfungen zwischen den Werken: Goethe lernte Christopher Marlowes Drama zwar erst gegen Ende seiner Arbeiten am Faust kennen, greift aber auf den selben Grundstoff, die Volkssage von Dr. Johann Faust, zurück. Auf den ersten Blick scheint der Text von Lewis daneben ein wenig deplaziert, doch sei hier darauf verwiesen, dass Lewis in seiner Funktion als Literaturwissenschaftler die beiden anderen Texte bekannt waren. Hinzu kommt, dass die Texte drei verschiedenen kulturellen Epochen entstammen, die zwar zeitlich weit voneinander entfernt sind, aber durchaus miteinander in Beziehung stehen: die Renaissance bereitet der Aufklärung den Weg, die zu Zeiten Goethes ihren Weg nach Deutschland gefunden hat. Lewis schrieb die Screwtape Letters vor dem Hintergrund der Moderne, die die Aufklärung sowohl verinnerlicht als auch zum Teil überwunden hat. Auf jeden Fall ässt sich eine kontinuierliche Veränderung des Weltbildes in der Zeitspanne vom späten 16. bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts feststellen. Es stellt sich daher die Frage, in welchem Ausmaß diese Veränderung in der Wahrnehmung des Teufels und seiner literarischen Ausgestaltung Niederschlag gefunden hat.

In der Auswahl der Textvariante habe ich mich bei Christopher Marlowes Doctor Faustus für den A-Text aus dem Jahr 1604 entschieden, weil dieser der ursprünglichen Version Marlowes am weitesten entspricht; eine noch zeitnähere Version ist leider nicht erhalten. Die späteren Versionen tragen eindeutig die Handschrift der späteren Bearbeiter und weichen dementsprechend vom Original ab. Bezüglich des Goetheschen Faust werde ich mich vor allem auf den ersten Teil der Tragödie beziehen, da hier die Figur Mephistos am stärksten entwickelt wird. Aus dem zweiten Teil sind vor allem die Schlussszenen interessant, weil sie Antworten auf die Fragen nach der Stellung Mephistos und nach seinem Selbstverständnis anbieten, die die Aussagen des ersten Teils nicht nur bestätigen, sondern auch ergänzen.

Um den Umgang der hier ausgewählten Autoren mit der Figur des Teufels zu verdeutlichen, wird zuerst kurz die historische Entwicklung des Teufelsbildes von seinen Anfängen im Alten Testament über den Verlauf der mitteleuropäischen Kultur- und Kirchengeschichte bis in die heutige Zeit nachgezeichnet. Dabei geht es nicht darum, die verschiedenen Teufelskonzepte in bezug auf ihre Wahrscheinlichkeit zu bewerten, auch wenn uns einige von ihnen fremd und tief abergläubisch erscheinen; statt dessen soll auf diese Weise der historische und gesellschaftliche Hintergrund illustriert werden, vor dem die Werke der drei Autoren entstanden. Im Anschluss daran werden die ausgewählten Texte einer eingehenden Betrachtung unterzogen, um den Rückgriff auf die tradierten Teufelsvorstellungen ebenso wie ihre Variation herauszuarbeiten. Hierzu wird, soweit dies verfügbar ist, Material zur Gottesbeziehung der Autoren herangezogen. Es wird dabei versucht, auf eigene Aussagen der Autoren zu rekurrieren, da diese als glaubwürdiger zu bewerten sind als die Wertungen anderer. Zum näheren Hintergrund gehören ebenso literarische Vorlagen und historische Besonderheiten, die das jeweilige Werk beeinflussen. Es wird sich die Frage stellen, ob die Autoren in ihren Werken ein individuelles, alternatives Teufelsbild transportieren, oder ob sie darin das allgemein akzeptierte Bild ihres Umfeldes abgebildet haben. Zum Abschluss wird die Frage zu klären sein, welche Intentionen die drei Autoren mit der Verwendung teuflischer Figuren in ihren Werken verfolgen.

2. Die Teufelsfigur im Wandel der Zeit

2.1. Der Einzug des Teufels in das jüdisch-christliche Weltbild

Das Verständnis von der Person und Rolle des Teufels hat innerhalb des biblischen Kanons ebenso eine tiefgreifende Veränderung erfahren wie auch in der weiteren Geschichte des Christentums. Dieser Wandel soll im Folgenden genauer anhand der Teufelsgeschichte im Alten und Neuen Testament nachgezeichnet werden.

2.1.1. Der Verkläger des Menschen im Alten Testament

In den meisten frühen Schriften des Alten Testaments wird der Teufel als unbedeutende Nebenfigur dargestellt, wenn er überhaupt erwähnt wird. Zu dieser Zeit wurde ein strikter Monotheismus im Volk Israel proklamiert und gelebt, so dass es in diesem Glaubenskonstrukt keinen Platz für eine zweite, widergöttliche Kraft gab. Statt dessen wurde der Gott der Israeliten als Urheber sowohl alles Guten als auch alles Schlechten angesehen, da nur ihm allein Schöpfungskraft zugeschrieben wurde. Katastrophen und Krankheiten wurden als Strafen Gottes angesehen, die vom Engel des Herrn vollstreckt werden. Die einzige Stelle im Alten Testament, wo der Teufel explizit und mit Namen genannt auftritt und wirkt, ist das Buch Hiob. Dort wird der Teufel mit dem Namen „Satan“ vorgestellt, was aus dem Hebräischen übersetzt „Ankläger“ bedeutet und damit seine Funktion beschreibt. Auch wenn er mit Gott eine Diskussion führt und ihm einige Rechte abtrotzt, handelt er nicht gegen den Willen Gottes, sondern erfüllt Gottes Auftrag, Hiob zu prüfen. Er ist Person im Rang eines Engels unter Gott, womit sich diese Konstellation deutlich von einem dualistischen Weltbild abhebt, wie es schon im antiken Persien vorherrschte, wo sich ein guter und ein böser Gott gleichwertig gegenüber standen. Satans Macht ist hier dagegen deutlich eingeschränkt, da er voll und ganz von der Genehmigung Gottes abhängt. Ebenso ist klar, dass er selbst nur Geschöpf und somit Gott untergeordnet ist. Der Aufbau und Verlauf der Szene im Himmel (Hiob 1 und 2) lässt auf einen legitimen Platz Satans im Hofstaat Gottes schließen, denn seine Berechtigung, an dieser Versammlung teilzunehmen, wird nicht in Frage gestellt. Diese Beschreibung des Teufels wird unterstützt durch die Vision des Propheten Sacharja, denn auch hier übernimmt er die Funktion des Anklägers:

Und er ließ mich sehen den Hohepriester Jeschua, wie er vor dem Engel des Herrn stand, und der Satan stand zu seiner Rechten, um ihn zu verklagen1.

Ein vom Auftrag Gottes abweichendes Handeln wird erst in einem viel späteren Buch des Alten Testaments, in der 1. Chronik beschrieben: „Und der Satan stellte sich gegen Israel und reizte David, dass er Israel zählen ließe“2. Hier wird die Funktion des Satans als Verführer des Menschen eingeführt, die dann im Buch der Weisheit (auch „Weisheit Salomos“) um die des Verderbers erweitert wird: „Doch durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt, und ihn erfahren alle, die ihm angehören“3. Zu beachten ist hier, dass das Buch der Weisheit im letzten vorchristlichen Jahrhundert im Exil verfasst wurde, also einige Jahrhunderte nach dem Buch Hiob. In dieser Zeit hat sich eine Umwertung des Gottes- und Teufelsbildes ergeben: im Verlauf einer Verklärung des Gottesbildes wurde Gott nun ausschließlich als Urheber alles Guten aufgefasst, so dass nach Grübels Einschätzung die Figur eines Gegenspielers aufgebaut wurde, dem das Übel der Welt angelastet werden kann: „Vor allem die Essener... pflegte die Vorstellung eines bösen Engelheeres unter der Leitung Belials“4. Nigg dagegen geht weniger von veränderlichen menschlichen Konstrukten aus, als vielmehr davon, dass im Lauf der Jahrhunderte die Einsicht in das Wesen Gottes zugenommen hat5.

2.1.2. Der Herrscher der Dämonen und Widersacher Gottes im Neuen Testament

Im Neuen Testament werden die im Alten Testament angedeuteten Rollen des Satans näher ausgeführt. Seinen persönlichen Auftritt hat der Satan hier bei der Versuchung Jesu in der Wüste, die in den synoptischen Evangelien in verschiedener Ausführlichkeit beschrieben wird: Markus erwähnt nur die Tatsache der Versuchung, während Matthäus und Lukas ihren Verlauf fast gleichlautend schildern. Die voneinander abweichende Reihenfolge der Versuchungen lässt sich mit den verschiedenen theologischen Ausrichtungen der beiden Autoren erklären: für Matthäus war das Angebot der Weltherrschaft die Klimax, während für Lukas die Bewegung von der Wüste nach Jerusalem als Steigerung empfunden wurde. Die Aussage der beiden Schilderungen bleibt jedoch gleich: In Satans Absicht liegt es, Jesus von seinem göttlichen Auftrag der Befreiung von Sünde und Tod abzubringen. Dies versucht er insgesamt drei Mal: mit der Verwandlung der Steine in Brot, dem Tempelsturz und der Weltherrschaft im Tausch gegen die Anbetung Satans. Allen drei ist gemeinsam, dass das Vertrauen auf die Hilfe Gottes durch selbstgeschaffene Lösungen ersetzt werden soll. Jesus widersteht diesen Versuchungen, indem er den Avancen des Teufels mit den jeweils einschlägigen Bibelstellen aus dem 5. Buch Mose entgegentritt: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“6, „Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen“7 und „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen“8. Am Ende muss der Teufel für „eine Zeitlang“9 von Jesus weichen.

In seinem weiteren Wirken begegnet Jesus nicht dem Teufel selbst, sondern verschiedenen Dämonen, die er austreibt. Die Pharisäer beäugen sein Handeln sehr kritisch und bezichtigen ihn des Bundes mit dem Teufel: „Er treibt die bösen Geister nicht anders aus als durch Beelzebub, ihren Obersten“10. In dieser Äußerung zeigt sich erstmals eine Verbindung zwischen dem Teufel und den Dämonen, die im Alten Testament noch nicht erwähnt wurde. Jesus wehrt sich mit dem Hinweis auf den Heiligen Geist, der in ihm wirkt, gegen diese Vorwürfe. Er widerspricht ihnen jedoch nicht in bezug auf die Stellung Beelzebubs als höchstem Dämon.

Zusätzlich wird der Name Satans bei zwei weiteren Gelegenheiten in den Evangelien gebraucht: bei der Zurechtweisung des Petrus durch Jesus und beim Verrat des Judas. Letztere Begebenheit wird bei Lukas („Es fuhr aber der Satan in Judas“11 ) und bei Johannes („als schon der Teufel dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot, ins Herz gegeben hatte, ihn zu verraten“12 ) dem Teufel zugeschrieben. Vor dem Hintergrund des Heilsplans Gottes mit dem Menschen, in dem Jesus zur Vergebung der Sünden gekreuzigt wird, wird Satan hier wieder, dieses Mal allerdings unfreiwillig, zum Diener Gottes. Interessant ist hier auch, dass Jesus den Teufel gewähren lässt, während er ihm bei der Zurechtweisung des Petrus deutlich Einhalt gebietet: „Geh weg von mir, Satan! Du bist mir ein Ärgernis; denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist“13. Diese harsche Äußerung wird durch Petrus’ Ablehnung des Leidens Jesu provoziert. Nicht der Mensch Petrus ist hier das Gegenüber, das Jesus hier anspricht - schließlich ist er es, der später von Jesus den Auftrag erhält, seine „Schafe zu weiden“14 - sondern der Geist, der in dieser Situation durch ihn spricht. Dabei handelt es sich nicht um genuin teuflische, sondern menschliche Gedanken, wie Jesus dies ja auch konstatiert. Auch hier lässt sich also eine Erweiterung im Verständnis des Einflussbereichs des Teufels feststellen: er hat nicht nur Kontrolle über das Teuflische, das Gott direkt entgegen steht, sondern manipuliert auch die menschlichen Gedanken, sobald sie Gottes Gedanken zuwider laufen.

In seinem ersten Brief vergleicht Petrus den Teufel mit einem brüllenden Löwen: „denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge“15. Auffallend ist hier auch die Bezeichnung als „euer Widersacher“. Damit steht er weiterhin in der Hierarchie deutlich unter Gott, dabei ausgestattet mit der Macht, menschliches Leben zu vernichten. Dass die von ihm ausgehende Bedrohung darüber hinaus Auswirkungen auf das Handeln Gottes hat, zeigt sich im ersten Johannesbrief. Der Verfasser bezieht hier das Kommen und Wirken Jesu eindeutig auf den Kampf Gottes gegen den Satan:

Wer Sünde tut, der ist vom Teufel; denn der Teufel sündigt von Anfang an. Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre16.

Der Teufel wird demnach verstanden als Ursprung der Sünde, als Vater aller Sünder; gleichzeitig werden hier die Menschen in zwei Gruppen, in die Kinder Gottes und die Kinder Satans unterteilt: „Daran wird offenbar, welche die Kinder Gottes und welche die Kinder des Teufels sind“17. Eine deutliche Verschiebung bezüglich des Urhebers der Versuchung drückt Jakobus in seinem Brief an die zwölf Stämme aus:

Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand18.

Statt dessen macht er die eigenen Begierden des Menschen als Verursacher der Sünde aus.

Den logischen Höhepunkt der Entwicklung des biblischen Teufelsbildes bildet das letzte Buch des Neuen Testaments, die Offenbarung des Johannes. Hier wird ein Endzeit-Szenario gezeichnet, in dem Gott durch den Erzengel Michael mit dem Teufel um den Sieg in einer entscheidenden Schlacht um die Macht in der Welt ringt. Dem Teufel kommt hier die Stellung des höchsten Widersachers Gottes zu, wie sie in dieser Form sonst nicht gefunden wird. Im Mittelpunkt steht bei dieser Vision allerdings der endgültige Sieg Gottes über den Teufel, dessen Niederlage vorherbestimmt ist. Auch behält Gott die Kontrolle über ihn, indem er ihn aus seiner Gefangenschaft für eine Zeit freilässt. Das Leiden, das der Teufel neben der Verführung vieler Menschen über die Welt bringt, wird von Gott ausdrücklich zugelassen. In diesem Punkt geht die Aussage der Apokalypse mit der im Buch Hiob geäußerten Einschätzung konform. Im Zusammenhang mit dem Leiden ist es auch interessant, dass in Kapitel 15 die sieben Engel erwähnt werden, die im Auftrag Gottes die sieben Plagen über die Erde bringen19. Darüber hinaus wird in der Offenbarung des Johannes durch die Bezeichnung des Teufels als „die alte Schlange“ eine Brücke zum ersten Buch der Bibel, der Genesis, geschlagen:

Und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt20.

Dies unterstreicht das Verständnis des Teufels als ursprünglicher Urheber alles Bösen, welches im Alten Testament noch nicht in dieser Form dargestellt wurde. Zu diesem Zeitpunkt bleibt die Frage offen, wie er als Geschöpf Gottes, der seine Schöpfung selbst als „sehr gut“ beurteilt, böse sein kann; ebenso bleibt die Frage nach der Ursünde des Teufels, dem Grund für seinen Abfall von Gott, weiterhin im Dunkeln.

2.2. Die Erweiterung des Teufelsbildes bis zu seiner endgültigen Ausgestaltung im Mittelalter

2.2.1. Der Teufel im Verständnis der frühen Kirchenväter

Bezüglich des Charakters des Teufels und seiner Stellung gegenüber Gott folgten die Patriarchen dem neutestamentlichen Bild; er ist „ein abtrünniger Engel, der, seiner Wichtigkeit bewusst, doch über keine selbstständige Macht verfügt“21. Statt dies weiter im Detail zu thematisieren, beschäftigten sie sich mit den Fragen, die in den Schriften des biblischen Kanons weithin unbeantwortet blieben, wobei sie sich in ihren Untersuchungen dann auch auf solche Bibelstellen stützten, die zuvor nicht auf den Teufel hin gedeutet wurden. Ein Beispiel findet sich in Jesaja 14, das in der Lutherbibel als „Triumphlied über den Sturz des Weltherrschers“ überschrieben ist:

Wie bist du vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern! Wie wurdest du zu Boden geschlagen, der du alle Völker niederschlugst! Du aber gedachtest in deinem Herzen: ‚Ich will in den Himmel steigen und meinen Thron über die Sterne Gottes erhöhen’22.

In Verbindung mit diesem Zitat wird die Frage nach dem Ursprung des Falls des Satans beantwortet, indem auf den mutmaßlichen Hochmut Satans verwiesen wird, der sich über Gott erheben wollte und darob von Gott gestraft wurde. Dieser Schilderung folgend hat sich ein ursprünglich guter Charakter durch den Hochmut in einen bösen gewandelt. Allerdings ist die Frage nach dem Ursprung des Bösen auch hier immer noch nicht hinreichend beantwortet, worauf Gerald Messadié in seinem Buch Teufel, Satan, Luzifer mit Nachdruck hinweist, denn die Argumentation befindet sich seines Erachtens weiterhin in einem Dilemma: wenn das Böse vom Teufel Besitz ergriffen hat, muss es vor ihm existiert haben. Dies aber führt zu dem Schluss, dass das Böse von Gott erschaffen worden ist, was aber angesichts des in der christlichen Dogmatik postulierten Bildes vom vollständig gütigen Gott unmöglich wäre23. Ein davon abweichender Erklärungsansatz einiger anderer Kirchenväter für die Ursünde des Teufels, die seinen Sturz provozierte, besteht in der Wollust des Teufels und der Dämonen, die sie zum sexuellen Verkehr mit Menschen verleitete. Auch hier fehlt allerdings eine Erklärung für die Entstehung dieser Neigung. Im Zusammenhang mit diesem Modell entsteht eine erste äußerliche Beschreibung der Dämonen, die sie in ihrem Aussehen zwischen Engeln und Menschen positioniert24 ; im zweiten Jahrhundert n. Chr. wirft Origenes das Bild des schwarzen Teufels erstmals auf, ebenso wie die Möglichkeit der endgültigen Errettung des Teufels am Ende der Zeiten, auf die später noch im Zusammenhang mit der Religion Goethes eingegangen werden wird. Nigg dagegen verschiebt die Erfindung des schwarzen Teufels ins Mittelalter:

Man weiß nicht einmal, welcher Künstler dieses hässliche Teufelsbild erstmals geschaffen hat. [...] Der schwarze Teufel ist ein Produkt der mittelalterlichen Volksphantasie.25

2.2.2. Die Umwandlung des hellen Morgensterns in den pferdefüßigen Teufel

Mit diesen erstmaligen Versuchen, nicht nur das Wesen, sondern auch das Aussehen des Teufels zu beschreiben, wurde eine dauernde Erweiterung des Teufelsbildes eingeleitet: neben seiner bei Origenes begründeten schwarzen Farbe werden dem ehemals körperlosen Geist immer neue Attribute zugeschrieben, von denen der Schwanz, die Hörner und der beißende Schwefelgeruch Jahrhunderte in den Vorstellungen der Menschen überdauert haben. Die tierischen Merkmale des Teufels weisen auf Anleihen bei heidnischen Götterbildern, die oftmals als Tiere dargestellt wurden, hin. Im Schwefelgeruch spiegelt sich darüber hinaus eine weitere Funktion des Teufels, die in dieser Form neu ist: aus dem gefallenen Engel, der zur Strafe für seinen Hochmut gegenüber Gott in den feurigen Pfuhl geworfen wird, ist der Herr über die Hölle geworden. Der Teufel ist damit Vollstrecker göttlicher Strafe, da die Hölle als Ort der Strafe für unbußfertige Sünder verstanden wird. Gefördert wurde die umfangreiche Beachtung des Teufels durch die Erwartung des Endes des in der Offenbarung des Johannes genannten tausendjährigen Reiches Christi im Jahre 1000 n. Chr.26

Sowohl die sakrale als auch die weltliche Kunst des Mittelalters adaptierte diese erweiterte Vorstellung und konkretisierte sie: der Teufel wurde zu einem Mischwesen, das sowohl menschliche als auch tierische Züge aufwies. Diese Darstellungen erweckten die Volksphantasie dergestalt, dass diese Gestalt Gegenstand von Volkssagen und -erzählungen wurde. Bei seinem Bestreben, menschliche Seelen zu gewinnen, ging der Teufel in diesen Geschichten Pakte mit Menschen ein, was entweder in der Verdammnis des jeweiligen Menschen oder in der Überlistung des Teufels endete. Das Thema des Teufelsbundes verblieb dabei nicht im Bereich der Literatur, sondern rückte auch in den Blick des alltäglichen mittelalterlichen Lebens. Neben der Verfolgung von Ketzern, denen vorgeworfen wurde, Irrlehren über den Glauben zu verbreiten, etablierte sich der Hexenwahn des späten Mittelalters. Vor allem Frauen wurden verdächtigt, Zauberei zu betreiben und dabei einen Pakt mit dem Teufel eingegangen zu sein. In abstrusen Hexenprozessen, die sich in ihrem Vorgehen auf den Malleus maleficarum (Hexenhammer) beriefen, wurden unter Zuhilfenahme menschenverachtender Folter Geständnisse erpresst, die jedem menschlichen Verstand zuwiderlaufen. Hunderttausende fanden in dieser Zeit den Tod auf dem Scheiterhaufen.

2.3. Die Umkehr zum allmählichen Abschied vom mittelalterlichen Teufelsbild

2.3.1. Der Versuch des Protestantismus in der Renaissance, das Teufelsbild zu versachlichen

Die Renaissance stellt eine Schnittstelle zwischen dem Mittelalter und der Moderne dar; einige Vorstellungen des Mittelalters überdauern bis zu ihrer endgültigen Widerlegung, moderne humanistische Ideen haben sich noch nicht vollständig durchgesetzt. Symptomatisch für dieses Dilemma ist auch die Situation der christlichen Kirche, die sich der Herausforderung der Reformation ausgesetzt sah. In England war die Situation durch die Abspaltung der anglikanischen Kirche von Rom durch König Heinrich VIII. im Jahr 1530 noch unübersichtlicher als auf dem europäischen Festland, weil die neue Kirche in ihrer theologischen Ausrichtung eher vorreformatorisch geprägt war.27 Trotz der implizierten Bemühungen, den christlichen Glauben auf ein rationaleres Niveau zu heben, was sich unter anderem in der Verbreitung der Bibel in der deutschen Volkssprache im Zusammenhang mit dem Buchdruck ausdrückte, beförderte die Reformation ein dezidiertes Teufelsbild. Zwar wurde die Selbstverantwortung des Menschen für seine Sünde stärker betont als vorher, doch wurde zugleich die Rolle des Teufels als Feind und Verderber des Menschen mehr in den Mittelpunkt gestellt. Die Vorstellung von einem reinigenden Fegefeuer wurde im Protestantismus zugunsten einer klaren Zweiteilung zwischen Himmel und Hölle verworfen. Vor allem die Ablehnung des spätmittelalterlichen Ablasshandels, der eine Verkürzung des Aufenthalts im Fegefeuer gegen eine Spende versprach, begründete diese klare Position. Bei allen theologischen Differenzen waren sich die Reformatoren einig, dass der Mensch durch den Glauben allein (‚sola fide’) von Gott vor der ewigen Hölle gerettet werden kann; der Glaube selbst sei dabei eine Gnadengabe Gottes und könne weder erlernt noch durch gute Taten ersetzt werden. Im Calvinismus ergibt sic h daraus die Prädestinationslehre, die Auffassung, dass es Menschen gibt, die von vorneherein zur Hölle verdammt sind, und andere, deren Errettung ebenso gewiss ist. In diesem Konzept erlangt der Teufel als Herr der Hölle eine zentrale Bedeutung. Ihm steht der von der Bevormundung durch die große Kirche befreite Mensch schutzlos ausgeliefert gegenüber, weil seine einzige Rettung der Glaube an Jesus Christus ist. Ward weist in seinem Vorwort zum Doctor Faustus28 darauf hin, dass der Aberglaube bezüglich Hexen und Magie in dieser Zeit seine Blüte erlebte, was zum einen auf ein Erbe des mittelalterlichen Weltbildes zurückzuführen ist, zum anderen aber auch teilweise als Auswirkung der neuen Theologie gewertet werden darf.

2.3.2. Die Hinterfragung von Himmel und Hölle im Zuge der Aufklärung

Der große Denker der Aufklärung in Deutschland, Immanuel Kant, definierte diese Bewegung in seinem berühmten Ausspruch wie folgt: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“29. Diese „selbstverschuldete Unmündigkeit“ wurde unter anderem der starken Bindung des mittelalterlichen Menschen an die Religion zugeschrieben. Dementsprechend stand in dieser Zeit der christliche Glaube selbst zur Disposition, wobei vor allem die Vorstellung von Himmel und Hölle im Mittelpunkt der Kritik stand, da sowohl das Versprechen eines ewigen Himmels als Belohnung eines frommen Lebens als auch die Alternative der ewigen Hölle nun als Druckmittel der herrschenden Kirche und der Feudalherren zur Unterdrückung der Massen aufgefasst wurde. An die Stelle dieser Fremdbestimmung sollte die eigenverantwortliche Entscheidung des Individuums für das Gute anhand des sittlichen Gesetzes treten. Diese Haltung bedeutet eine Abkehr von kirchlichen Autoritäten, nicht von Gott.30 Allerdings beschränkte sich die kritische Auseinandersetzung mit Autoritäten nicht nur auf den Bereich des Glaubens: jegliche höhere Macht wurde grundsätzlich hinterfragt und in Zweifel gezogen. Die blutige Französische Revolution stellt eine konsequente Fortführung dieser Hinterfragung - allerdings unter Umgehung jeglichen sittlichen Gesetzes - dar.

Die Literatur der Aufklärung war vor allem geprägt von einer Rückwendung zur Antike, insbesondere zur Kultur des antiken Griechenland. Eine starke Faszination ging vor allem von der griechischen Mythologie aus, die in der deutschen Literatur vordringlich im Sturm und Drang verstärkt als literarische Vorlage genutzt wurde, wie dies auch bei Goethe unter anderem in seinen Hymnen „Ganymed“ (1774) und „Prometheus“ (1775) beobachtet werden kann. Das variantenreiche Zusammenspiel von mehreren, dem Angesicht des Menschen nachgebildeten, Göttern mit Halbgöttern und Menschen regte die Phantasie der Literaten an, die sich vor allem mit der Stellung des Menschen im Weltgebilde auseinander setzten. Der Teufel als Widersacher hat in diesem Entwurf keinen Platz, sind es doch die Götter, die hier Freund und Feind des Menschen zugleich sind. Sehr deutlich wandte sich die Aufklärung gegen jede Art des Aberglaubens. Das Ziel war nun, alles zu erforschen und die letzten Fragen des Lebens zu beantworten. Der Hexenwahn hatte ein Ende gefunden, und für den Glauben an einen pferdefüßigen Verderber war damit auch kein Platz mehr.

2.3.3. Der endgültige Abschied vom Teufel in der Moderne

Während es sich bei der Aufklärung in ihrem Ursprung vor allem um eine Bewegung des Bürgertums handelte, die den Teufelsglauben im gemeinen Volk nicht vollständig zu eliminieren vermochte, hat der Teufel im 20. Jahrhundert jegliche Relevanz im Volksglauben verloren, auch wenn er seinen Platz in der kirchlichen, vor allem der römisch-katholischen, Lehre bis heute beibehalten hat. Überraschend ist in diesem Zusammenhang, dass laut einer kürzlich veröffentlichten Studie 23% der Befragten an die Existenz eines Teufels glauben31. Hierbei bleibt aber zu bedenken, dass dieses Teufelsbild sehr diffus ist und mit dem der Bibel und dem der vorangegangenen Epochen nichts mehr zu tun hat. Im kulturellen Kontext tritt der Teufel - oftmals in Verbindung mit einem Engel - nur noch als Witzfigur auf. Aus dem ernsthaften gesellschaftlichen Diskurs ist der Teufel dagegen nahezu vollständig verschwunden. Nigg weist in seinem Buch Der Teufel und seine Knechte darauf hin, dass die Auseinandersetzung mit dem Teufel vor allem eine mit seinem Zerrbild darstellte:

Der moderne Mensch hat es sich viel zu leicht gemacht; er hat wegen den allzu volkstümlichen Teufelsbildern das wirkliche Problem mit einer Handbewegung auf die Seite geschoben32.

Mit der Abschaffung dieses unglaubwürdigen Bildes ging eine Verleugnung des Phänomens Teufel selbst einher, die sich entweder in einer neuen Terminologie - man spricht nicht mehr vom Teufel, sondern lieber vom Übel oder Bösen - oder in der Annnahme, dass das Böse nicht zum Wesen des Menschen gehört, sondern pathologisch ist, widerspiegelt. Entsprechend wird versucht, das im Menschen beobachtete Böse ausschließlich auf seine negativen Erfahrungen in seiner Erziehung und Sozialisation zurückführen. Damit findet ein impliziter Abschied von der menschlichen Selbstverantwortung statt. Diese Entwicklung verkehrt die Bemühungen der Aufklärung in ihr Gegenteil, war es doch ihr Ziel, den Menschen aus seinen Abhängigkeiten zu befreien. Geändert hat sich dagegen nur die Identität des Sündenbocks für das Böse im Menschen: es ist nicht mehr der Teufel, der den Menschen verdirbt, sondern seine Umwelt.

3. Das Wirken der Teufelsfiguren bei Marlowe, Goethe und Lewis

Nachdem die historische und gesellschaftliche Rolle des Teufels im vorangegangenen Kapitel eingehend untersucht wurde, soll nun die Rolle des Teufels in den ausgewählten Werken genauer unter die Lupe genommen werden. Es wird zu klären sein, ob und wie sich die Autoren des zu ihrer Zeit anerkannten Teufelsbildes bedienten und auf welche Weise sie dies ggf. variieren. Hierbei soll zuerst der Textbefund im Mittelpunkt stehen, bevor anschließend versucht wird, die Variationen herauszustellen und zu bewerten.

3.1. Die Werke in kurzen Zusammenfassungen

3.1.1. Marlowes Doctor Faustus

Christopher Marlowes erstmalige dramatische Umsetzung des Volksbuchs vom Doktor Johann Faust entstand zwischen 1588 und 1592 und hält sich inhaltlich weitgehend an seine literarische Vorlage. Faust hat sich mit den klassischen universitären Disziplinen auseinandergesetzt, ohne in seinen Erkenntnissen einen tieferen Sinn entdeckt zu haben. Neben dem Sinn sucht er vor allem den Ruhm des großen Gelehrten. Abhilfe verspricht er sich von der Magie, in die er sich von den beiden Zauberern Valdes und Cornelius einführen lässt. Nach der Beschwörung des Teufels begegnet ihm Mephisto, dem er einen Pakt vorschlägt: Mephisto wird zu seinem jederzeit verfügbaren Diener und verleiht Faust darüber hinaus Zauberkräfte; im Gegenzug überschreibt Faust ihm nach Ablauf von 24 Jahren seine Seele. Der Pakt wird unter einigen Schwierigkeiten geschlossen - Fausts Blut gerinnt und verhindert damit fast seine Unterschrift -, und Mephisto beginnt sein Wirken an Faust. Dies beinhaltet neben der versprochenen Magie die aktive Abkehr von Gott. Zum einen Teil treibt Faust selbst diese Abkehr voran, indem er Gott abschwört, zum anderen bestärkt ihn Mephisto durch seine Aktionen wie etwa den Streich, der dem Papst gespielt wird. Die drohende Rückkehr Fausts zu Gott wird mit dem Hinweis auf den Vertrag und mit Hilfe Luzifers verhindert. Luzifer macht Faust auch mit den sieben Todsünden bekannt.

Fausts endgültiges Verderben wird davon jedoch ebenso wenig hervorgerufen wie von seinen anderen Taten: sowohl die Beschaffung von Trauben für die Herzogin von Vanholt als auch die Demonstration seiner Zauberkunst am Hof des Kaisers sind eher in die Kategorie der harm- und fruchtlosen Späße einzuordnen. Ebenso gilt dies für die Episode mit dem Rosstäuscher, der Fausts Pferd kauft, das sich bei der Berührung mit Wasser in einen Strohballen verwandelt. Ausschlag gebend für die endgültige Verdammnis Fausts ist seine Unfähigkeit zur Buße und Umkehr. Er ergibt sich in sein Schicksal, als er vor dem vereinbarten Zeitpunkt seinem Schüler Wagner all seinen Besitz überschreibt und sich von seinen anderen Schülern verabschiedet. Genau nach Ablauf der vereinbarten Frist stirbt Faust, und Mephisto holt sich seine Seele.33

3.1.2. Goethes Faust

Goethes Drama Faust umfasst zwei Teile, die in einem Abstand von 25 Jahren veröffentlicht wurden: der erste Teil erschien erstmals in seiner endgültigen Fassung 1808, der zweite ein Jahr nach Goethes Tod 1833. Goethe lehnt sich ebenso wie Marlowe an die Volkssage des Universalgelehrten Faust an. Zu Beginn des Dramas stellt Goethe die Geschichte allerdings in einen neuen Zusammenhang, indem er zuerst Gott und Mephisto im Prolog im Himmel auftreten und eine Wette um das Seelenheil Fausts abschließen lässt. Faust ist also von Anfang an Spielball höherer Mächte. Bei seinem ersten Auftritt drückt er seine Verzweiflung über die Unzulänglichkeit der klassischen wissenschaftlichen Disziplinen aus, was ihn - anders als bei Marlowe - beinahe zum Suizid veranlasst. Beim Osterspaziergang begegnet er einem schwarzen Pudel, der sich in Fausts Studierstube in Mephisto verwandelt und mit ihm später einen Pakt vereinbart. Mephisto bietet ihm an, seinen Forscherdrang so weit zu befriedigen, dass Faust sich am Ende selbstgefällig zurücklehnt. Nach einer derben, aber vor allem heiteren Episode in Auerbachs Keller bereitet Mephisto die für seinen Plan entscheidendere Gretchengeschichte vor: mit Hilfe eines Zaubertranks gibt er Faust seine Jugend zurück. Bei seiner Rückkehr aus der Hexenküche begegnet Faust Gretchen und verliebt sich sofort in sie. Sein Werben wird schließlich dank Mephistos tatkräftiger Hilfe erhört, und damit nimmt das Drama der jungen Frau seinen Lauf: bei einem Duell vor Gretchens Fenster ersticht Faust ihren Bruder und flieht. Diesem dramatischen Vorfall folgt das Intermezzo der Walpurgisnacht auf dem Blocksberg, die Mephisto im Kreis seiner Gefolgschaft - der Hexen - zeigt. Faust bleibt diese Welt fremd, und als er bei seiner Rückkehr erfährt, dass Gretchen unter der Anklage des Kindermordes im Gefängnis sitzt, macht er sich Vorwürfe, weil er sie im Stich gelassen hat. Gretchen ist inzwischen dem Wahnsinn verfallen, wird aber schließlich von Gott errettet. Der erste Teil des Dramas endet damit, dass Mephisto Faust lebendig mit sich nimmt.

Der zweite Teil des Faust schließt inhaltlich an den ersten an, wobei nicht klar ist, wie viel Zeit inzwischen vergangen ist. Mephisto dient inzwischen als Hofnarr am Hof des Kaisers, wobei er sich nicht allein auf diese Rolle beschränkt, sondern zusammen mit Faust die Hofgesellschaft an Karneval mit Zauberei unterhält. Von Fausts Zauberkünsten begeistert bittet der Kaiser Faust um ein weiteres Kunststück: er soll Helena und Paris aus dem Hades an seinen Hof holen. Mit der Hilfe von Mephistos Ratschlägen gelingt Faust dies schließlich, der sich danach unglücklich in Helena verliebt. Aufgrund der desolaten finanziellen Lage des Kaisers schlägt Mephisto die Einführung des Papiergeldes vor, die die Probleme des Kaisers zunächst beseitigt. Der anfängliche Segen des Papiergeldes verwandelt sich letztendlich in einen Fluch, da es zu großer Verschwendung führt. Ein Gegenkaiser erhebt sich daraufhin zum Kampf gegen den gegenwärtigen Kaiser. Faust und Mephisto verhelfen ihrem Herrn mit einer Kriegslist zum Sieg, und zum Dank gibt der Kaiser Faust ein Grundstück am Meer als Lehen. Mephisto reißt dort die Geschäfte Fausts an sich und verdingt sich ohne Fausts Wissen als Pirat. Derweil zieht Faust eine bittere Bilanz seines Lebens, weil er niemals etwas Dauerhaftes geschaffen hat, sondern von einem Vergnügen zum anderen geeilt ist. Zum Schluss ergreift Mephisto die Gelegenheit, Faust in die Grube zu locken, um ihn zu töten und seine Seele zu erlangen. Die Chöre der Engel allerdings vereiteln seinen Plan, indem sie Mephisto Fausts Seele entreißen. So steht Mephisto am Ende als der Betrogene da, denn er hat den Kampf gegen Gott um die Seele eines Menschen verloren.

3.1.3. The Screwtape Letters

Lewis’ 1942 erstmals in Buchform erschienener Briefroman The Screwtape Letters erzählt die Entwicklungsgeschichte eines jungen Mannes von seiner Bekehrung bis zu seinem Tod durch einen Fliegerangriff im Zweiten Weltkrieg aus der Sicht des hohen höllischen Beamten Screwtape. Dieser wirkt als Mentor des „Juniorversuchers“ Wormwood, der sich um die Seele des jungen Mannes bemüht. Entsprechend seinem Blickwinkel ist Screwtapes Terminologie umgedreht: Satan ist "Our Father Below“, "Our Father’s House“ ist die Hölle und Gott ist "The Enemy“. In seinen 31 Briefen beantwortet er die Fragen seines Neffen und Schützlings; dabei lobt und kritisiert Screwtape Wormwoods Vorgehen und schlägt Alternativen für seine Handlungen vor. Die Grundlage seiner Ratschläge bildet seine tiefere Einsicht in das Wesen des Menschen, wobei er sich vor allem mit seinen Schwächen auskennt.

[...]


1 Sach 3,1.

2 1. Chr 21,1.

3 Weish 2,24.

4 Grübel, S. 37.

5 Vgl. Nigg: Teufel.

6 5. Mos. 8,3.

7 5. Mos. 6,13.

8 5. Mos. 6,16.

9 Lk 4,13.

10 Mt 12,24.

11 Lk 22,3.

12 Joh 13,2.

13 Mt 16,23.

14 Joh 21,16.

15 1. Petr 5,8.

16 1. Joh 3,8.

17 1. Joh 3,10.

18 Jak 1,13.

19 Offb. 15,6ff.

20 Offb 12,9; parallel dazu Offb 20,2.

21 Nigg: Teufel, S. 75.

22 Jes. 14,12f.

23 Vgl. Massadié: Teufel, S. 327.

24 Messadié: Teufel, S. 329.

25 Nigg: Teufel, S. 75/76.

26 Vgl. Grübel: Hierarchie, S. 101.

27 Vgl. Rivers: Classical Ideas.

28 Ward: Doctor Faustus, S. 49/50.

29 Kant: Aufklärung, S. 1.

30 Vgl. Kant: Kritik.

31 Schwabenthan, 2002.

32 Nigg: Teufel, S. 17.

33 Screwtape, S. 89.

Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Teufelsgestalten bei Marlowe, Goethe und Lewis
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für deutsche Sprache und Literatur)
Veranstaltung
1. Staatsexamen für Lehramt an Schulen in der Sekundarstufe II
Note
2,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
70
Katalognummer
V8692
ISBN (eBook)
9783638155991
Dateigröße
553 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
C. S. Lewis, Johann Wolfgang Goethe, Christopher Marlowe, Teufel, Hiob, Screwtape, Faust, Gott, Gottesbild
Arbeit zitieren
Jochen Kathöfer (Autor:in), 2002, Teufelsgestalten bei Marlowe, Goethe und Lewis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8692

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