Die Darstellung der Weimarer Republik und ihrer Gesellschaft im Familienroman „Die Geschwister Oppermann“ von Lion Feuchtwanger

Geschichtsroman oder Zeitdokument?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

29 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Darstellung der Weimarer Republik und ihrer Gesellschaft in Feuchtwangers Familienroman
2.1 Historische Grundlagen (Zusammenbruch der Weimarer Republik, Aufkommen des Nationalsozialismus)
2.2 Die Gestaltung politisch-gesellschaftlicher Sujets im Roman
2.2.1 Repräsentanten des „unpolitischen“ Bürgertums
2.2.2 Repräsentanten der „unpolitischen“ bürgerlichen Intelligenz
2.2.3 Repräsentanten des „unpolitischen“ Kleinbürgertums
2.2.4 Politisch motivierte Gegner des Nationalsozialismus
2.3 „Die Geschwister Oppermann“ als Absage an das Modell des Familienromans zur literarischen Darstellung von Geschichte

3. Ausblick

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„It´s nearly like Feuchtwanger“, diese Aussage galt und gilt auch z. T. heute noch in der angelsächsischen Literaturszene als das höchste Lob, welches einem Schriftsteller bzw. einer Schriftstellerin zuteil werden kann. Die Aussage spielt in erster Linie auf die „gute Lesbarkeit“ und die „leichte Verständlichkeit“ der Werke Feuchtwangers an.

Bis zu seinem Tod am 21. Dezember 1958 veröffentlichte Lion Feuchtwanger „siebzehn Romane, mehr als zwanzig Dramen [und] Erzählungen, über dreihundert Essays, Gedichte, Rezensionen [und] Zeitungsartikel“[1]. Besonders seine historischen Romane „Die hässliche Herzögin“, „Erfolg“ oder „Jud Süß“ gehörten „um 1930 zu den größten deutschen Bucherfolgen“[2]. Schon im ersten Jahr der NS-Herrschaft wurden seine Bücher verboten. Des „undeutschen Geistes“[3] bezichtigt, wurden sie ebenso wie die Werke vieler anderer Autoren am 10. Mai 1933 öffentlich verbrannt. Feuchtwanger wurde von Joseph Goebbels sogar zum „ärgsten Feind des deutschen Volkes [ernannt], dessen Bücher Giftstoff seien“[4]. Im August des Jahres 1933 wurde er schließlich vom Nazi-Regime ausgebürgert. Diese Aktionen gegen seine Person und seine Werke erlebte Feuchtwanger in Sanary-sur-mer, einem kleinen Fischerdorf in Südfrankreich, welches während der Herrschaft der Nationalsozialisten vielen vom Regime verfolgten Schriftstellern (neben Lion Feuchtwanger z. B. auch Thomas Mann, Arnold Zweig, Berthold Brecht u. a.)[5] als Wohnsitz diente.

Dort begann er im April 1933 mit den Arbeiten an seinem ersten Prosawerk im Exil: „Die Geschwister Oppermann“. Zunächst war der Stoff nicht für einen Roman gedacht, sondern als Drehbuch für einen antifaschistischen Film im Auftrag der britischen Regierung von Feuchtwanger entworfen. Nachdem die Briten ihren politischen Kurs gegenüber den neuen Machthabern in Deutschland änderten und auf Verständigungspolitik setzten, zerschlug sich das Projekt. Doch Feuchtwanger entschied sich den Stoff nicht fallen zu lassen, sondern das Drehbuch zu einem Roman umzuarbeiten. War er vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten vor allem als Autor historischer Romane bekannt geworden, so wählte Feuchtwanger für „Die Geschwister Oppermann“ als geschichtlichen Hintergrund die Ereignisse in Deutschland zwischen November 1932 und Sommer 1933.[6] Er befasste sich also mit der unmittelbaren Wirklichkeit des Zusammenbruchs der Weimarer Republik und der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Der Roman erzählt die Geschichte des Niedergangs einer altberlinisch-jüdischen Familie, welche den aufkommenden Nationalsozialismus anfangs nicht ernst nimmt und mit fortschreitender Zeit erkennen muss, dass für sie ein Verweilen in Deutschland unmöglich und lebensbedrohlich ist.

Außerdem ist der Roman auch als kritische Auseinandersetzung mit Feuchtwangers eigener Situation, mit der Aufgabe eines Schriftstellers im Exil, zu lesen. Es sollte gezeigt werden, dass auch „andere, nicht-faschistische“ Deutsche“[7] existierten, welches sich (im Exil) Gedanken über die „richtige“ Form des Widerstandes machten.

Somit können zwei Themenbereiche des Romans festgestellt werden: Er befasst sich mit „der Geschichte der Vertreibung und Auseinandersprengung der Familie Oppermann durch den Antisemitismus [sowie] mit der Thematik der Selbsttäuschungen [...], denen das Bildungsbürgertum, insbesondere das deutsch-jüdische, in den Jahren 1932 und 1933 erlag“[8]. Kritisiert wird bis heute am häufigsten, dass „[d]as Motiv des Rassenwahns [...] zu sehr im Mittelpunkt der Fabel [steht], als daß das Geschehen ein Panorama der deutschen Vorgänge sein könnte“[9]. Ebenso häufig wird die Beschränkung der Darstellung auf die soziale Schicht des Bürgertums als Schwachpunkt herausgestellt und angemerkt, dass der Roman nur „den Angriff des Kleinbürgers auf die großbürgerlichen Positionen im jüdischen Bereich“ darstellt, andere Gesellschaftsschichten jedoch nicht oder nur am Rande eine Rolle spielen, so dass „zu einer gesellschaftlichen Repräsentanz [...] wesentliche Elemente“ fehlen.[10] Zu zeigen, dass der Roman trotzdem, oder vielleicht sogar gerade aufgrund der Konzentration auf verschiedene Teilschichten des Bürgertums dem heutigen Leser einen Einblick in die Lebensumstände der Jahre 1932 und 1933 gibt, ist Ziel dieser Arbeit. Hierbei soll von vornherein deutlich herausgestellt werden, dass es nicht die Absicht Feuchtwangers war, eine umfangreiche Faschismusanalyse in den Roman zu integrieren. Dieses war auch sicherlich zur Entstehungszeit der „Geschwister Oppermann“ noch gar nicht möglich, da Feuchtwanger den Roman von April bis September des Jahres 1933 verfasste, die erzählte Zeit – wie oben bereits erwähnt – die Monate zwischen November 1932 und Sommer 1933 darstellt. Vielmehr war es Feuchtwangers „Intention, Zeugnis abzulegen von der neuen Situation in Deutschland“[11].

Bevor auf die Gestaltung politisch-gesellschaftlicher Sujets im Roman eingegangen werden soll, ist es notwendig, die historischen Grundlagen etwas näher zu beleuchten. Im ersten Schritt sollen also die „historischen Tatsachen“ zusammengefasst und erläutert werden, im zweiten Schritt geht es dann um die Darstellung einzelner gesellschaftlicher Schichten der Endphase der Weimarer Republik und deren fiktive Repräsentanten im Roman. Abschließend wird noch kurz der Bogen zur Textsorte des Romans gespannt, da Feuchtwanger sein gesellschaftskritisches Bild der Alltagswirklichkeit im Dritten Reich zwar anhand des Modells eines Familienromans entwirft, gleichzeitig aber aufzeigt, dass er als literarische Darstellungsform von Geschichte mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten nicht mehr geeignet ist.

2. Die Darstellung der Weimarer Republik und ihrer Gesellschaft in Feuchtwangers Familienroman

2.1 Historische Grundlagen (Zusammenbruch der Weimarer Republik, Aufkommen des Nationalsozialismus)

Die Romanhandlung setzt mit dem 50. Geburtstag von Gustav Oppermann am 16. November 1932 ein.[12] Der Autor entwickelt das fiktive Romangeschehen anhand einer Kette von historischen Ereignissen, welche zum Zusammenbruch der Weimarer Republik und zur Machtübernahme der Nationalsozialisten geführt haben. Da die Romanhandlung im Sommer 1933 endet, bezieht das Buch sich auch auf die ersten Monate der Etablierung der NS-Herrschaft, die vorwiegend durch Ereignisse mit antisemitischem Hintergrund dargestellt wird.

Um die Handlung besser in den geschichtlichen Kontext einordnen zu können, erachte ich es für sinnvoll einen Überblick über die dem Roman zugrunde liegenden historischen Ereignisse zu geben.

Die Weimarer Republik lässt sich nach einer gängigen Gliederung der Geschichtswissenschaft in drei Phasen einteilen.[13] Die erste umfasst die Jahre von der Entstehung 1918/1919 bis zum Ende des Jahres 1923. Diese Zeit war vor allem durch ständige Krisen und Existenzbedrohungen des noch nicht stabilen demokratischen Systems geprägt. „Immer wieder drohte das Gefüge des jungen Staates durch bürgerkriegsähnliche Aufstände der linken und Putschversuche der rechten Gegner der Demokratie auseinanderzubrechen.“[14] Als der Konfliktpunkt schlechthin gilt der am 28. Juni 1919 unterzeichnete Friedensvertrag von Versailles, welcher vor allem durch den sog. „Kriegsschuld-Artikel“, in dem Deutschland die alleinige Schuld am ersten Weltkrieg anerkennen und die Verantwortung für alle entstandenen Schäden übernehmen sollte, die Republik immer wieder bedrohte. Die Revision des Versailler Vertrages und der damit verbundenen Reparationszahlungen an die Siegermächte, deren Gesamtsumme im Jahre 1921 auf „132 Milliarden Goldmark, zahlbar in 30 Jahren“[15], festgelegt wurde, bestimmte die deutsche Außenpolitik von nun an. So musste in den folgenden Jahren oft um erträgliche Zahlungsbedingungen oder auch um Zahlungsaufschub verhandelt werden, was dazu führte, dass vor allem die rechten Parteien den Versailler Vertrag als „Verknechtung von Generationen“[16] titulierten. Auch die späteren Vereinbarungen verbesserter Zahlungsbedingungen im Dawesplan (1924) und im Youngplan (1929) änderten nichts an der strikten Ablehnung und brachten kaum die erhoffte innerpolitische Ruhe. Erst nach der Konferenz von Lausanne im Sommer 1932 wurden die Reparationsforderungen komplett eingestellt.

Die zweite Phase der Weimarer Republik, die als Zeit der relativen Stabilisierung der Republik in die Geschichte einging, begann Ende des Jahres 1923 mit dem Abbruch des „Ruhrkampfes“ und einer Währungsreform. Der „Ruhrkampf“ war durch die Besetzung des Ruhrgebietes durch französische und belgische Truppen entstanden. Diese hatte die französische Regierung veranlasst, nachdem Deutschland bei den Reparationszahlungen in Rückstand geraten war. Die Reichsregierung rief die Bevölkerung des besetzten Gebietes zum passiven Widerstand auf und unterstützte diese durch „Geldzahlungen und Sachleistungen in Milliardenhöhe“[17]. Dieses erschöpfte die finanzielle Leistungsfähigkeit der Republik nun völlig und die schon zuvor einsetzende Inflation erreichte im November 1923 ihren Höhepunkt. Erst die noch im selben Monat nach Abbruch des „Ruhrkampfes“ von Reichskanzler Gustav Stresemann eingeleitete Währungsreform konnte die Talfahrt der deutschen Mark stoppen. Nun folgte eine Zeit der „relativen innenpolitischen Windstille mit wirtschaftlichem Aufschwung und kultureller Blüte“[18]. Am 26. April 1925 wurde der ehemalige kaiserliche Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten gewählt, nachdem sein Vorgänger Friedrich Ebert gestorben war. Hindenburg hat sich zwar stets bemüht sein Amt im Sinne der Verfassung auszuüben, machte jedoch auch nie einen Hehl daraus, dass er ein Anhänger der Monarchie geblieben war. Er sollte für das Schicksal der Weimarer Republik noch eine entscheidende Rolle spielen.

Die Endphase der Weimarer Republik, begann dann schließlich im Jahre 1929. Im Februar des Jahres trat in Paris eine Sachverständigenkonferenz unter dem Vorsitz des Finanzmanagers Owen D. Young zusammen um „das Problem der deutschen Reparationen neu zu regeln, da sich herausgestellt hatte, daß die im Dawesplan festgelegten Jahreszahlungen von der deutschen Wirtschaft nicht aufgebracht werden konnten“[19]. Am Ende dieser Zusammenkunft stand, dass die jährlichen Zahlungen sich nun zwar bis 1988 erstrecken sollten, Frankreich aber sich gleichzeitig verpflichtete, das Rheinland fünf Jahre vor dem ursprünglichen Termin zu räumen. In Deutschland rief die lange Dauer der Zahlungsverpflichtung über Generationen Enttäuschung und Empörung hervor. Während die Reichsregierung und der amtierende Außenminister Stresemann sich für die Annahme des Planes durch den Reichstag einsetzten, nutzten die Nationalsozialisten die Diskussion für „[d]en ersten massiven Angriff auf das sich gerade festigende System der Republik“[20]. Hitler wusste die gegen die Reichsregierung aufkommende negative Stimmung geschickt für seine Belange einzusetzen. So vereinigte sich die radikale Rechte am 9. Juli 1929 zu einer Allianz gegen die Annahme des Youngplanes. Im Bündnis mit dem Stahlhelm (Bund der Frontsoldaten) und der DNVP (Deutschnationale Volkspartei) unter dem Vorsitz von Alfred Hugenberg, einem „ehrgeizige[n], [...] skrupellose[n] Mann von dreiundsechzig Jahren, der [...] ein weitverschachteltes Presseimperium aufgebaut hatte“ und außerdem als Vertrauensmann der Schwerindustrie über erhebliches Kapital verfügte, welches er für seine politischen Ziele einsetzte, rief die NSDAP zu einem Volksbegehren gegen die Unterzeichnung des Youngplanes auf.[21] In dem im Dezember stattfindenden Volksentscheid forderte das Bündnis sogar Zuchthausstrafen für die Unterzeichner des Youngplanes. Obwohl der Volksentscheid gegen den Youngplan scheiterte, hatte die Teilnahme der NSDAP dieser enorme Publizität im nationalen Lager verschafft. Des weiteren konnte Hitler durch das Bündnis mit Hugenberg zahlreiche Verbindungen zur Wirtschaft herstellen, die mit der Politik des Außenministers Stresemann nicht mehr einverstanden war, und Dank der Unterstützung durch die vielfältigen Publikationsmittel des Hugenberg-Konzerns auch im öffentlich-politischen Leben der Weimarer Republik mehr Menschen erreichen. Erster Ausdruck der steigenden Popularität der Nationalsozialisten waren die Ergebnisse der Reichtagswahlen vom 14. September 1930. Die NSDAP steigerte ihr Ergebnis um fast 800 Prozent gegenüber den letzten Reichstagswahlen des Jahres 1928 und erhielt von Wählern aus allen sozialen Schichten über 18,3 % der Stimmen.[22] Anstatt von 12 Sitzen im Reichstag konnte die Partei nun 107 Abgeordnete entsenden.[23] Von entscheidender Bedeutung für den starken Zulauf der Nationalsozialisten war die gesteigerte Propagandaarbeit der Partei, die Hitler nach dem Scheitern des Bündnisses mit Hugenberg auf eigene Faust fortsetzte, um „innerhalb bestimmter gesellschaftlicher Gruppen Fuß zu fassen und insbesondere Teile der Angestelltenschaft sowie der bäuerlichen Bevölkerung zu gewinnen“[24]. Weiterhin kam Hitler die einsetzende Weltwirtschaftskrise, die im Oktober 1929 zum Zusammenbruch der New Yorker Börse führte und in Deutschland besonders verheerende soziale und industrielle Auswirkungen hatte, zugute. So zogen die Amerikaner kurzfristige Kredite, auf denen im wesentlichen der wirtschaftliche Aufbau beruht hatte, aus Deutschland ab, was eine große Anzahl von Firmenzusammenbrüchen mit sich brachte. „Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland stieg sprunghaft an, von September 1929 bis September 1931 von 1,6 Millionen auf 4,3 Millionen. (Anfang 1933 wurden schon 6 Millionen überschritten).“[25] Joachim C. Fest merkt in seiner Hitler-Biographie an, dass die ökonomischen und sozialen Begleitumstände der Weltwirtschaftskrise beispielsweise in England sowie in den Vereinigten Staaten kaum weniger einschneidend waren als in Deutschland, sie dort die Bevölkerung allerdings nicht in „jene umfassende Bewusstseinskrise“ stürzten, wie dieses hierzulande der Fall war.[26] „Müde der ewigen Bedrängnisse, in ihrer seelischen Widerstandskraft noch von Krieg, Niederlage und Inflation zermürbt, überdrüssig auch der demokratischen Schönrederei mit ihren fortwährenden Appellen an Vernunft und Nüchternheit, ergaben die Menschen sich nun ihren Affekten.“[27] Das Gefühl gänzlicher Entmutigung und Sinnlosigkeit überlagerte alles. Hitler wusste auch diese Situation erneut zu seinen Gunsten zu nutzen. Durch seine „eindeutige“ politische Linie und sein selbstsicheres Auftreten konnte er den in „fast allen politischen Lagern schlagartig bemerkbar werdenden Hang zur Flucht in die Opposition“ in seiner Partei auffangen. Als am 27. März 1930 nach einem Streit über die Beitragserhöhung der Arbeitslosenversicherung das Kabinett unter Hermann Müller zurücktrat, war der Übergang zu den verfassungsrechtlich problematischen „Präsidialkabinetten“ eingeleitet. So wurde Heinrich Brüning (Zentrum) von Hindenburg zum Kanzler ernannt und mit der Bildung einer Minderheitenregierung beauftragt, deren Machtbasis aus dem Recht des Reichspräsidenten zum Erlass von Notverordnungen und zur Auflösung des Reichstags bestand. Brünings Politik der folgenden zwei Jahre war vor allem durch extreme Sparmaßnahmen gekennzeichnet, die zwar in der Außenpolitik Erfolge erzielen, die hohe Arbeitslosigkeit im eigenen Land jedoch nicht verringern konnten. Um das politisch-gesellschaftliche Kräfteverhältnis noch mehr nach rechts zu verschieben, schlossen sich die NSDAP, die DNVP, der Stahlhelm sowie weitere republikfeindliche Verbände am 11. Oktober 1931 zur „Harzburger Front“ zusammen.[28] Während Hitler sich bei den Wahlen zum Reichspräsidenten im April des Jahres 1932 seinem Konkurrenten Paul von Hindenburg noch geschlagen geben musste, so gelang den Nationalsozialisten bei den Reichtagswahlen am 31. Juli desselben Jahres der große Triumph. Über 37 Prozent aller Stimmen erhielt die NSDAP, die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) als zweitstärkste Partei kam auf 14 Prozent. Die Wähler hatten den „bürgerlichen“ Parteien und der parlamentarischen Demokratie auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise eine klare Absage erteilt. Nun beanspruchte Hitler die ganze Regierungsverantwortung für sich und wollte Reichskanzler werden. Doch Hindenburg scheut sich aus Angst vor einem „offenen Umsturz der bestehenden politischen Verhältnisse, ein Risiko, das mit Hitler und seiner plebejischen Massenbewegung untrennbar verknüpft schien“[29]. Deshalb bot er Hitler nur den Posten des Vizekanzlers an, den dieser jedoch ablehnte. Vielmehr war es Hindenburgs Ziel Hitler unter Kontrolle zu halten und sich seine Bewegung bestmöglich zu Nutzen zu machen. Die konservativ-reaktionären Kreise um den hochbetagten Reichspräsidenten Hindenburg „wollten die Demokratie allmählich austrocknen“[30] und die Nationalsozialisten sollten ihnen dabei solange wie nötig dienen. Auch wenn die NSDAP bei den Reichstagswahlen eine rückgängige Wählerschaft (Rückgang um 4,3 Prozent) zu verzeichnen hatte, so trugen diese Wahlen doch entscheidend dazu bei, dass Hindenburg Hitler am 30. Januar 1933 schließlich doch zum Reichskanzler ernannte („Machtergreifung“). Während die SPD bei den Reichstagswahlen nämlich nur „blamable 20,4 %“ erreicht, kann die KPD 16,9 % auf sich vereinen.[31] Die „Angst vor der roten Gefahr“ und die Forderung von zahlreichen ihm nahestehenden konservativen Interessenverbänden wie Großagrarier, Großindustrie und Hochfinanz bewegen Hindenburg dazu, den Führer der NSDAP das Amt des Reichskanzlers zu übergeben. Die „Machtergreifung“ besiegelte das Ende der Weimarer Republik.

[...]


[1] Thalheim, Peter: Lion Feuchtwanger. Die Geschwister Oppermann. München: Oldenbourg 1994. (Oldenbourg-Interpretationen; Bd. 68.). S. 10.

[2] Mayer, Hans: Lion Feuchtwanger oder Die Folgen des Exils. In: Neue Rundschau 76 (1965). H. 1. S. 122.

[3] Skierka, Volker: Lion Feuchtwanger. Eine Biographie. Berlin: Quadriga-Verlag 1984. S. 143.

[4] Skierka (1984). S. 144.

[5] Vgl.: Schiller, Dieter (Hrsg.): Exil in Frankreich. Frankfurt a. M.: Röderberg-Verlag 1981. S. 156.

[6] Vgl.: Sternburg, Wilhelm von: Lion Feuchtwanger. Ein deutsches Schriftstellerleben. Königstein: Athenäum 1984. S. 261.

[7] Schneider, Sigrid: Die letzten Jahre der Republik. Literarischer Rückblick aus dem Exil bei Lion Feuchtwanger und Oskar Maria Graf. In: Müller-Funk, Wolfgang (Hrsg.): Jahrmarkt der Gerechtigkeit. Studien zu Lion Feuchtwangers zeitgeschichtlichem Werk. Tübingen: Stauffenburg-Verlag 1987. S. 108 f..

[8] Thalheim (1994). S. 32.

[9] Walter, Hans-Albert: Das Bild Deutschlands im Exilroman. In: Neue Rundschau 77 (1966). H. 3. S. 439.

[10] Vgl.: Walter (1966). S. 439 f..

[11] Müller- Funk, Wolfgang: Literatur als geschichtliches Argument. Zur ästhetischen Konzeption und Geschichtsverarbeitung in Lion Feuchtwangers Romantrilogie „Der Wartesaal“. Frankfurt a. M.: Lang 1981. S. 212.

[12] Vgl.: Feuchtwanger, Lion: Die Geschwister Oppermann. Roman. Berlin: Aufbau-Verlag 2003. S. 7.

[13] Vgl. hierzu: http://www.teachsam.de/geschichte/ges_deu_weimar_18-33/wie_1_1.htm

[14] Müller, Helmut M.: Schlaglichter der deutschen Geschichte. Bonn: o.V. 1986. S. 226 f.

[15] Müller (1986). S. 239.

[16] Müller (1986). S. 239.

[17] Müller (1986). S. 242.

[18] http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/index.html

[19] Müller (1986). S. 249.

[20] Fest, Joachim C.: Hitler. Eine Biographie. Berlin: Propyläen 2002. S. 367.

[21] Vgl.: Fest (2002). S. 369.

[22] Vgl.: Hoffmeister, Reinhart: Das Fragezeichen bleibt groß. „Die Geschwister Oppermann“ als ein historischer Roman aus der Zeit der Mitmacher. In: Feuchtwanger, Lion: Die Geschwister Oppermann. Roman. München und Wien: o. V. 1960. S. 368.

[23] Vgl.: Thalheim (1994). S. 17.

[24] Fest (2002). S. 376.

[25] Müller (1986). S. 251.

[26] Vgl.: Fest (2002). S. 378.

[27] Fest (2002). S. 378.

[28] Vgl.: Sim, Dong-Sun: Antifaschistische Literatur deutscher Schriftsteller in der inneren Emigration und des Exils. Aachen: Mainz Verlag 1994. S. 17.

[29] Müller-Funk (1981). S. 209.

[30] Müller-Funk (1981). S. 209.

[31] Vgl.: Hoffmeister (1960). S. 369.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Die Darstellung der Weimarer Republik und ihrer Gesellschaft im Familienroman „Die Geschwister Oppermann“ von Lion Feuchtwanger
Untertitel
Geschichtsroman oder Zeitdokument?
Hochschule
Universität Münster  (Institut für Deutsche Philologie II)
Veranstaltung
Geschichte – Erzählung und Inszenierung
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
29
Katalognummer
V86890
ISBN (eBook)
9783638019293
ISBN (Buch)
9783638920261
Dateigröße
565 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Darstellung, Weimarer, Republik, Gesellschaft, Familienroman, Geschwister, Oppermann“, Lion, Feuchtwanger, Geschichte, Erzählung, Inszenierung
Arbeit zitieren
Sebastian Janzen (Autor:in), 2005, Die Darstellung der Weimarer Republik und ihrer Gesellschaft im Familienroman „Die Geschwister Oppermann“ von Lion Feuchtwanger, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86890

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