Das Genussystem in den Nordgermanischen Sprachen


Seminararbeit, 2006

23 Seiten, Note: 2,0

Katrin Sakowski (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1 Definition: Genus - das grammatikalische Geschlecht
2.2 Genus in den altgermanischen Sprachen
2.3 Genus in den modernen skandinavischen Sprachen
2.3.1 Isländisch
2.3.2 Färöisch
2.3.3 Norwegisch
2.3.4 Schwedisch
2.3.5 Dänisch
2.4 Genusveränderung und ihre Ursachen allgemein
2.5 Sprachkontakte und Genusentwicklung konkret in den skandinavischen Sprachen
2.5.1 Isländisch
2.5.2 Färöisch
2.5.3 Norwegisch
2.5.4 Schwedisch
2.5.5 Dänisch

3. Schluss

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Was genau ist Genus eigentlich? Wie wird es gebildet? Wie sah das Genus ursprünglich im Indogermanischen und im Altnordischen aus – und wie in den modernen nordgermanischen Sprachen? Diesen Fragen werde ich auf den Grund gehen. Ich werde versuchen zu klären, wie und warum sich das Genus allgemein verändert und welche Ursachen in den einzelnen Sprachen die jeweiligen Veränderungen hervorgerufen haben.

2. Hauptteil

2.1 Definition: Genus - das grammatikalische Geschlecht

Genus ist eine morphologische Kategorie des Substantivs. Sprachen, die den Zusammenhang von Wörtern dadurch anzeigen, dass diese Wörter formal in Zusammenhang gebracht werden (Kongruenz), können Substantive in Klassen einteilen, die als Genera bezeichnet werden. Artikel, Adjektive und Pronomen, die sich auf das Substantiv beziehen, müssen dann so flektiert werden, dass sie zum Genus des Substantivs passen (Genuskongruenz). Unterschiede zwischen den Genera werden durch die verschiedenen Wortformen und durch Unterschiede in der Kongruenz ausgedrückt. Genus gewährleistet somit den Zusammenhang der Substantive mit den zughörigen Adjektiven, Artikeln und Pronomina.[1]

Es gibt drei Arten von Genussystemen: rein semantische Systeme, die Wörter abhängig von ihrer Bedeutung in Klassen einteilen, rein formale Systeme, die Wörter abhängig von ihren phonologischen oder morphologischen Merkmalen in Klassen einteilen und Systeme, „[...] in denen das grammatische Geschlecht in der Regel weder formal noch semantisch bedingt ist. In moderner Terminologie gehört Genus hier zum Lexikon.“[2]

Das Genus als grammatikalisches Geschlecht muß nicht zwingend mit dem natürlichen Geschlecht des Wortes (Sexus) in Verbindung stehen. Häufig unterscheidet es ich von diesem.

Die Anzahl der Genera in den verschiedenen Genussystemen variiert.

2.2 Genus in den altgermanischen Sprachen

Ursprünglich kannten die Indoeuropäischen Sprachen drei Genera der Substantive (Maskulinum, Femininum, Neutrum), die auch an den zugehörigen Artikeln[3], Adjektiven, Pronomina und Zahlwörtern sichtbar waren (Kongruenz). Im Gemeinskandinavischen bestimmte man das Genus häufig aufgrund der Zugehörigkeit des Wortstammes zu bestimmten Flexionsgruppen, denen die jeweiligen Genera zugeordnet waren[4], d.h. das Genus der Substantive wurden sowohl äußerlich (syntaktisch durch Kongruenz mit Artikeln, Adjektiven, Pronomina und Numeralien), als auch innerlich (Identifizierung mit Hilfe von Flexionsmustern) markiert. Dies geschah jedoch nicht konsequent. Die Genuszugehörigkeit schwankte häufig. Die drei Genera dienten ursprünglich der Unterscheidung von männlich-weiblich und belebt - unbelebt in einer kleinen Gruppe von Substantiven, wurden aber sonst zum größten Teil arbiträr den Substantiven zugewiesen.

Über das Urnordische bis hin zum Altnordischen wurden diese drei Genera mit allen zughörigen Genusmerkmalen beibehalten. So gab es „Im Altwestnordischen, im Runenschwedischen und im Runendänischen [...] drei Genera, die alle Genusmerkmale aufwiesen, und zwar die Kongruenz der Substantive mit Pronomina [...], mit Zahlwörtern [...] und mit Adjektiven [...]. Die Genusunterschiede waren auch für die verschiedenen Formen des suffigierten Artikels [...] charakteristisch. Die Unterschiede galten auch für den Plural des Nomens [...]. Es gab ebenfalls Unterschiede zwischen den Genera in der Deklination der Substantive und Adjektive [...]“[5], wobei die Unterschiede zwischen den Genera in der Deklination der Substantive jedoch nicht konsequent waren. So wurden teilweise die gleichen Endungen bei Maskulina und Neutra oder bei Maskulina und Feminina verwendet.[6]

2.3 Genus in den modernen skandinavischen Sprachen

Alle modernen skandinavischen Sprachen gehören dem lexikalisch bedingten

Genussystem an. Das ursprüngliche altgermanische Dreigenerasystem hat sich in den

jeweiligen Sprachen und zugehörigen Dialekten verändert.

2.3.1 Isländisch

Unter den nordgermanischen Sprachen ist Isländisch diejenige Sprache, in der die meisten morphologischen Merkmale ihrer ursprünglichen Abstammung erhalten geblieben sind. Sie steht unter den heutigen skandinavischen Sprachen dem Altnordischen in Struktur und Wortschatz am nächsten. Isländisch ist eine sehr einheitliche Sprache. Es gibt nur minimale lautliche Abweichungen zwischen einigen geographischen Gebieten und keine sich stärker unterscheidenden Dialekte. Das Isländische benutzt ein „Dreigenerasystem [karlkyn – entspricht Maskulinum, kvenkyn – entspricht Femininum, hvorugkyn – entspricht Neutrum] mit drei unterschiedlichen Artikeln [ hinn, hin, hið oder suffigiert -inn, -in, -ið ] und einer vollständigen Kongruenz zwischen Adjektiv und Substantiv“[7] (Bsp. stórur skapur, stór bud, stórt hus), wobei der Unterschied zwischen Formen des suffigierten Artikels bei Maskulina und Feminina teilweise nicht mehr vorhanden ist.[8] Bei den Pronomina werden ebenfalls drei Genera unterschieden, z.B. in der 3. Person Singular (hann hun það) und in der dritten Person Plural (þeir þær þau) der Personalpronomen oder der 1. Person Singular der Possessivpronomen (billin minn, stofan mín, landið mitt). Numeralien unterscheiden nur in den Kardinalzahlen eins bis vier und bei der Ordnungszahl 2. drei Genera (Bsp. Kardinalzahl vier – fjórir fjórar fjögur, Ordnungszahl 2. – annar önnur annað). In den Ordnungszahlen 1.,3.,4. und 5. fallen die Feminin – und Neutrumformen zusammen (Bsp. 5. – Maskulinum: fimmti, Femininum und Neutrum: fimmta).

2.3.2 Färöisch

Der grammatische Bau des Färöischen stimmt mit dem des Isländischen nahezu überein und steht damit ebenfalls dem Altnordischen sehr nah. Die Substantive kennen drei Geschlechter(kallkyn – entspricht Mask., kvennkyn – enspricht Fem., hvørkiskyn – entspricht Neutr.). Artikel (suffigierter Artikel: Maskulinum und Femininum Nom. Sg. - in, im Neutrum Nom.Sg. –ið; außerdem wird auch der freistehende Artikel tann tann tað in Attributivgefügen gebraucht[9] ), Pronomina (3.Person Singular hann hon tað und 3. Person Plural (teir tær tey) der Personalpronomen) und Adjektive stimmen mit dem Substantiv, das sie modifizieren, im Genus überein (Bsp. tann góða bókin, eitt gott barn). „Von den Numeralien werden ein ‘ein‘ [Mask./Fem. ein, Neutr. eitt ] und tveir ’zwei‘ [und ’drei‘ tríggjir tríggjar try] nach den Genera flektiert.“[10] Eine Besonderheit des Färöischen besteht darin, daß das Zahlwort ‚eins‘ Pluralformen bildet, die ebenfalls nach den drei Genera flektieren: einir einar eini.

2.3.3 Norwegisch

In Norwegen existieren zwei staatlich offiziell anerkannte Schriftnormen: Nynorsk und Bokmål.

Nynorsk verwendet die drei Genera Maskulinum (hankjønn), Femininum (hokjønn) und Neutrum (inkjekjønn) bei Substantiven, Artikeln (unbestimmter Artikel ein ei eit; der bestimmte Artikel wird suffigiert Sg.: - en -a -et; Pl. -ane -ene –a/-o) und Pronomina (Bsp. Personalpronomen – nur in der 3.Person Singular, nicht im Plural: han hon den/det; 1.Person Singular Possessivpronomen – im Plural ebenfalls nur eine Form: sykkelen min, boka mi, huset mitt; Plural: epla mine). In der unbestimmten Form Plural der Substantive enden Maskulina und Feminina häufig gleich (dagar, flaskar; aber Neutra: hus). Adjektive werden an ihre zugehörigen Substantive angeglichen, die Endungen für Maskulina und Feminina sind dabei gleich (Mask./Fem. ein ny gut, ei ny jente; Neutr. eit nytt hus). Außer dem Zahlwort ‚eins‘, das auch als unbestimmter Artikel dient, werden keine Numeralien nach den verschiedenen Genera flektiert.

Bokmål kennt ebenfalls die drei Geschlechter (hankjønn, hunkjønn, intetkjønn), benutzt aber mitunter, ähnlich einer Mundart in Bergen, nur zwei (Utrum, in dem Maskulina und Feminina zusammenfallen und Neutrum) bei Substantiven, Artikeln (unbestimmter Artikel en ei/en et; der bestimmte Artikel wird ebenfalls suffigiert -en -en/-a –et; Für den suffigierten bestimmten Artikel Plural existiert nur eine Form -ene) und Pronomina ( Bsp. 3.Person Sg. Personalpronomen han hun den/det, auch hier existiert nur eine Pluralform de; 1.Person Singular Possesivpronomen min min/mi mitt – im Plural ebenfalls nur eine Form mine). Die Endungen der an die Substantive angeglichenen Adjektive entsprechen in ihrer Formenbildung dem Nynorsk (Mask./Fem. en ny gutt, en/ei ny jente; Neutr. et nytt hus). Unter den Numeralien wird wie im Nynorsk nur die Zahl ’eins’ flektiert, die ebenfalls als unbestimmter Artikel genutzt wird (en en/ei et).

Beide modernen Sprachnormen haben alle drei Genera, aber nicht alle Genusmerkmale bewahrt. Die Unterschiede in der Adjektivkongruenz zwischen Maskulina und Feminina sind bereits verschwunden.[11] Abgesehen vom Bergenser Dialekt lassen sich in allen anderen norwegischen Dialekten ebenfalls drei Genera feststellen. In einigen norwegischen Mundarten läßt sich „[...] eine klare Tendenz beobachten, die Pluralbildung mit den Genera in Übereinstimmung zu bringen und damit das Genussystem zu festigen. Das Genussystem bekommt hier ein zusätzliches Merkmal, das in den altskandinavischen Sprachen fehlte, und zwar den Unterschied in der Pluralbildung.”[12] Im Gegensatz zu den zwei offiziellen Sprachnormen, in denen maskuline und feminine Substantive im Plural dieselben Endungen verwenden, lassen sich in diesen Mundarten unterschiedliche Pluralendungen für alle drei Genera ausmachen. „[...] vgl. m. gu:t – gu:t ø, f. kæ ring – k æringo; n. hu:s – hu:s in Vågå [...]”[13].

[...]


[1] Vgl. Kusmenko, Jurij: Sprachkontakte und Sprachveränderungen in der süddänisch-nordfriesisch-niederdeutschen Kontaktzone. In: Baumgartner, W.; Fix, H. (Hrsg.): Arbeiten zur Skandinavistik. XII. Wien 1996, S.72

[2] Ebd.

[3] Anm.: Die altgermanischen Sprachen kannten noch keinen bestimmten Artikel

[4] Vgl. Stein, Torsten: Genusutvecklingen i svenska i jämförelse med andra germanska språk; In: : Kusmenko, J.; Lange, S. (Hrsg.): Nordisk språkhistoria (= Kleine Schriften des Nordeuropa-Instituts; 7). Berlin 1996, S..29

[5] Kusmenko, Jurij: Entwicklung des Genussystems in den skandinavischen Sprachen, In: Paul, F. (Hrsg.): Arbeiten zur Skandinavistik. XIII. Arbeitstagung der deutschsprachigen Skandinavistik. 29. Juli-3. August 1997 in Lysebu (Oslo). Frankfurt/Main 2000 S.469-470

[6] Vgl. Ebd.

[7] Kusmenko, J.: Entwicklung des Genussystems in den skandinavischen Sprachen, S.472, Einfügung durch die Verfasserin

[8] Vgl. Ebd., S.474

[9] Vgl. Hutterer, Claus Jürgen: Die germanischen Sprachen. Ihre Geschichte in Grundzügen; 4., erg. Aufl.; Wiesbaden 1999, S.161

[10] Ebd., Einfügung durch die Verfasserin

[11] Vgl. Kusmenko, Juri: Entwicklung des Genussystems in den skandinavischen Sprachen, S.469

[12] Ebd., S.474

[13] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Das Genussystem in den Nordgermanischen Sprachen
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V86824
ISBN (eBook)
9783638021968
Dateigröße
414 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Genussystem, Nordgermanischen, Sprachen
Arbeit zitieren
Katrin Sakowski (Autor:in), 2006, Das Genussystem in den Nordgermanischen Sprachen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86824

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