Wachstumseffekte von Entwicklungshilfe


Diplomarbeit, 2007

84 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Entwicklungshilfe: kurzer Abriss

3 Empirische Betrachtung: Entwicklungshilfe und Wachstum
3.1 Entwicklungshilfe und Wachstum: Ausgewählte empirische Studien
3.2 Entwicklungshilfe und Investitionen: Ausgewählte empirische Studien
3.3 Zentrale Aussagen der Empirie

4 Theoretische Betrachtung: Wachstumswirkung eines Entwicklungshilfetransfers
4.1 Modelltheoretischer Rahmen
4.2 Wirkung einer permanenten Transferzahlung
4.3 Wirkung einer temporären Transferzahlung
4.4 Wirkung bei elastischem Arbeitsangebot
4.5 Zentrale Aussagen der Theorie

5 Modellkritische Betrachtung: Wachstumshemmende Faktoren
5.1 Verschwendung von Entwicklungshilferessourcen
5.2 Geringe private Investitionstätigkeit
5.3 Starker Verschleiß von öffentlichem und privatem Kapital
5.4 Zentrale Aussagen der modellkritischen Betrachtung

6 Schlussfolgerung

Anhang

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb.1: Entwicklung der ODA-Zuflüsse zwischen 1960 und 2006

Abb.2: Aufteilung der ODA nach Einkommensgruppen (2005)

Abb.3: Regionale Verteilung der ODA (2005)

Abb.4: ODA-Beiträge ausgewählter Mitgliedsländer des DAC (2005)

Abb.5: Rechtssicherheit und Faktorakkumulation

Tabellenverzeichnis

Tab.1: Wirkung der Entwicklungshilfe auf das Wachstum

Tab.2: Wirkung der Entwicklungshilfe auf die Investitionen

Tab.3: Korruption in ausgewählten Entwicklungsländern

1 Einleitung

Im Herbst 2000 verabschiedeten 189 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen auf der bis dahin größten Zusammenkunft von Staats- und Regierungschefs die Milleniums-Entwicklungsziele (Millennium Development Goals, MDG). An erster Stelle der MDG steht die Halbierung der extremen Armut bis zum Jahr 2015 (Sachs 2005). Um dieses Ziel zu erreichen wird vielfach eine Aufstockung der geleisteten Entwicklungshilfezahlungen gefordert. Dies wird unter anderem damit begründet, dass die Grundvoraussetzung für eine dauerhafte Reduktion der Armut das langfristige und nachhaltige Wachstum der Entwicklungsländer ist und Entwicklungshilfe dazu beitragen soll, das Wachstum dieser Länder zu fördern. Die bisher gezahlten Gelder reichten nach den Befürwortern dieser Aufstockung jedoch nicht aus, um das zu finanzieren, was Entwicklungsländer für ein nachhaltiges Wachstum am nötigsten brauchen: Investitionen in physisches Kapital wie den Ausbau von Verkehrswegen, Brücken, Wasser- und Elektrizitätsversorgung und in humanes Kapital wie Bildung und Gesundheit. Im Zusammenhang mit der Diskussion über eine Erhöhung der internationalen Kapitalhilfe macht es Sinn, zu überprüfen, ob und inwieweit Ent-wicklungshilfe dazu beitragen kann, das Wachstum der Empfängerländer zu fördern. Ziel dieser Arbeit ist es deshalb, die Wachstumseffekte von Entwicklungshilfe zu analysieren.

Zunächst erfolgt ein kurzer Abriss zum Thema „Entwicklungshilfe“, der unter anderem einen geschichtlichen Rückblick sowie notwendige Definitionen beinhaltet. Daran anschließend gibt das dritte Kapitel einen Überblick über ausgewählte empirische Studien, die sich sowohl mit dem Zusammenhang zwischen Ent-wicklungshilfe und Wachstum, als auch mit der Wirkung von Entwicklungshilfe auf die für den Wachstumsprozess notwendigen Investitionen in den Empfängerländern beschäftigt haben. Im vierten Teil wird anhand eines ausgewählten Wachstums-modells die Wirkung eines Entwicklungshilfetransfers aus theoretischer Sicht beleuchtet. Abschließend erfolgt im fünften Kapitel eine kritische Betrachtung des zuvor dargestellten Modells. Dabei werden unterschiedliche Faktoren angesprochen, welche die wachstumsfördernde Wirkung von Entwicklungshilfe beeinträchtigen können und in dem Modell nicht berücksichtigt werden.

2 Entwicklungshilfe: kurzer Abriss

Die Anfänge der internationalen Entwicklungshilfe liegen in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Damals sollte der im Jahr 1947 von den USA verkündete Marshallplan den Wiederaufbau Europas vorantreiben. Da sich der Marshallplan als erfolgreich erwies und zu einer Phase der Industrialisierung und einem verstärkten Wachstum der europäischen Staaten während der 1940er und 1950er Jahre führte, bestand die Überzeugung, diesen Plan auch auf Entwicklungsländer übertragen zu können (McGillivray et al. 2006). Zunächst kamen die Hilfeleistungen jedoch haupt-sächlich den in die Unabhängigkeit entlassenen Kolonien zu Gute. Darüber hinaus fand eine internationale Koordination nicht statt, bis Anfang der 1960er Jahre mit Gründung der OECD die Vergabe von Entwicklungshilfe auf internationaler Ebene besser koordiniert und untereinander abgestimmt wurde (Lachmann 1999).

Zu dieser Zeit wurde angenommen, dass Entwicklungsländer unterentwickelt waren, weil sie aufgrund eines zu geringen Investitionsniveaus unter Kapitalmangel litten und somit nur eine geringe Produktivität und ein geringes Wachstum aufwiesen (Lachmann 1999). Das geringe Investitionsniveau wurde wiederum auf zu geringe Ersparnisse in den Ländern zurückgeführt. Es wurde davon ausgegangen, dass die internationale Finanzhilfe dazu beitragen könne, die heimischen Ersparnisse und dadurch die für den Wachstumsprozess notwendigen Investitionen zu erhöhen und somit zu einer Beschleunigung der Kapitalakkumulation beizutragen. Dies würde letztendlich zu einem höheren und nachhaltigem Wachstum führen und so eine Anhebung des Lebensstandards der Bevölkerung in den Entwicklungsländern er-möglichen. Diesbezüglich wurde angenommen, dass ein ausreichend hohes Wachs-tum zu einem „Durchsickern“ des Wohlstandes in rückständige Regionen und Sektoren und in tiefere soziale Schichten bewirken würde und somit auch der arme Teil der Bevölkerung davon profitieren würde (Trickle-Down-Effekt). Mit der Zeit würde sich das Wachstum der Empfängerländer zudem selber tragen, wodurch die Hilfezahlungen schließlich nicht mehr notwendig wären. Die Idee war demnach, durch Entwicklungshilfe den Wachstumsprozess in den unterentwickelten Ländern zu stimulieren („Hilfe zur Selbsthilfe“). Bald stellte sich jedoch heraus, dass sich die Stimulation des Entwicklungsprozesses in den Empfängerländern weitaus schwie-riger gestaltete, als man zu Beginn glaubte. Der erwartete Trickle-Down-Effekt blieb aus und ein Großteil der Bevölkerung in den Entwicklungsländern konnte nicht besser gestellt werden, da der durch Entwicklungshilfe hervorgerufene Wachstums-schub hauptsächlich den oberen Schichten zu Gute kam. Aufgrund dessen wurde das ursprüngliche Ziel, das Wirtschaftswachstum der Empfängerländer voranzutreiben in den 1970er Jahren erweitert und ab dieser Zeit der Verteilungsproblematik mehr Beachtung geschenkt, bis in den 1990er Jahren die „Armutsbekämpfung“ zum obersten Ziel der internationalen Entwicklungshilfe ernannt wurde. Obwohl die Forcierung des Wachstums heute nicht mehr an erster Stelle der internationalen Entwicklungszusammenarbeit steht, ist das Wachstum der Entwicklungsländer nach wie vor eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung, um den Lebens-standard der Bevölkerung in diesen Ländern zu erhöhen und die weltweite Armut zu reduzieren (Pro-Poor Growth) (Lachmann 1999).

Der Begriff „Entwicklungshilfe“ bezieht sich in dieser Arbeit ausschließlich auf die Official Development Assistance (ODA), d.h. die öffentliche Entwicklungshilfe. Nach dem Entwicklungshilfeausschuss der OECD, dem Development Assistance Committee (DAC), umfasst die ODA alle vornehmlich finanziellen Ressourcen-transfers, die Entwicklungsländern im Rahmen der Vergabe öffentlicher Mittel durch staatliche und internationale Institutionen zukommen und deren vorrangiges Ziel die Förderung des Wachstums und die wirtschaftliche Entwicklung der Empfängerländer ist. Die finanziellen Hilfeleistungen werden entweder als Schenkungen oder als Darlehen zu vergünstigten Bedingungen gewährt, wobei Darlehen im Vergleich zu kommerziellen Transaktionen ein Zuschusselement (grant element) von mindestens 25 % aufweisen müssen. Die Definition des DAC schließt finanzielle Hilfeleistungen von privaten Organisationen wie Stiftungen, Wohltätigkeitsorganisationen oder Kirchen aus (DAC 2007a).[1]

Abb.1 zeigt die Entwicklung der nominalen und realen ODA-Zuflüsse zwischen 1960 und 2006 (DAC 2007b, 2007c). Aus der Abbildung ist ersichtlich, dass das Volumen der ODA von den Anfängen der internationalen Entwicklungshilfe in den 1960er Jahren bis Anfang der 1990er Jahre nahezu kontinuierlich anstieg, jedoch bei Be-trachtung der preisbereinigten Beträge während der 1980er Jahre vorübergehend einen leichten Rückgang verzeichnete. Kurz nach Beendigung des Kalten Krieges erreichten die öffentlichen Hilfezahlungen 1992 mit 68 Mrd. US$ zunächst ihren Höhepunkt und fielen ab diesem Zeitpunkt bis zum Jahr 1997 auf 55 Mrd. US$. Unter Berücksichtigung der preisbereinigten Zuflüsse, welche die eigentliche Kauf-kraft der Finanzhilfe widerspiegeln und dadurch letztendlich entscheidend sind, erfolgte der Einbruch erst 1995. Ende der 1990er Jahre nahmen die nominalen ODA-Zuflüsse im Zuge einer verstärkten Unterstützung der nach dem Kalten Krieg neu entstandenen Demokratien, sowie der Forderung nach einem höheren Schuldenerlass für Entwicklungsländer wieder zu (Lachmann 2004). Ausgelöst durch die Anschläge vom 11. September 2001 erfolgte sowohl nominal als auch real erneut ein starker Anstieg (Lachmann 2004). In 2006 gingen die ODA-Zuflüsse im Vergleich zum Vorjahr wieder leicht zurück und betrugen zu diesem Zeitpunkt 104 Mrd. US$. Preisbereinigt stieg das Volumen der ODA jedoch weiterhin an.

Abb. 1 : Entwicklung der ODA-Zuflüsse zwischen 1960 und 2006

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: DAC (2007b), DAC (2007c).

Derzeit erhalten weltweit 152 Länder und Territorien öffentliche Entwicklungshilfe (DAC 2007d).[2] Das DAC unterteilt diese Länder in 4 Einkommensgruppen, wobei das Pro-Kopf-Bruttonationaleinkommen als Maßstab dient. Abb.2 veranschaulicht die Aufteilung der öffentlichen Entwicklungshilfe auf diese Einkommensgruppen für das Jahr 2005 (DAC 2006a). Von den insgesamt 152 Ländern erhielten die 50 ärmsten und strukturschwächsten Entwicklungsländer, die so genannten Least Developed Countries (LDC), rund 22 % der gesamten ODA. Neben den 50 LDC bekamen 17 weitere Low Income Countries (LIC), d.h. Länder mit einem Pro-Kopf-Einkommen von weniger als 825 US$ einen Anteil von 16 %. Weiterhin hatten 49 Lower Middle Income Countries (LMIC), d.h. Länder mit einem Pro-Kopf-Einkommen zwischen 826 und 3.255 US$ Anspruch auf die öffentliche Entwicklungshilfe und erhielten im Jahr 2004 mit 39 % den größten Anteil. Schließlich gingen 3 % der ODA an 36 Upper Middle Income Countries (UMIC), die ein Pro-Kopf-Einkommen zwischen 3.256 und 10.065 US$ erwirtschaften.

Abb. 2 : Aufteilung der ODA nach Einkommensgruppen (2005)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: DAC (2006a).

Abb.3 veranschaulicht die regionale Verteilung der öffentlichen Entwicklungshilfe für das Jahr 2005 (DAC 2006a). Die Länder Afrikas südlich der Sahara erhielten mit 27,3 % den vergleichsweise größten Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe. Des Weiteren flossen 22 % der ODA an Länder im Mittleren Osten und in Nordafrika. Länder in Süd- und Zentralasien erhielten insgesamt 10 % der Entwicklungshilfe. Auf die Region Ozeanien und andere asiatischen Staaten entfielen 13,3 % und auf Entwicklungsländer in Lateinamerika und der Karibik 8,4 % der gesamten ODA. Schließlich kamen 3,2 % der öffentlichen Entwicklungshilfe europäischen Staaten zu.

Abb. 3 : Regionale Verteilung der ODA (2005)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: DAC (2006a).

Hauptempfängerland der öffentlichen Entwicklungshilfe war in 2005 der Irak, der von insgesamt 106 Mrd. US$ circa 21,4 Mrd. US$ und damit rund 20 % der ge-samten ODA erhielt. Diese Summe ist allerdings beispiellos in der Geschichte der Entwicklungshilfe. Für große Empfängerländer eher typische Beträge erhielten hin-gegen andere Hauptempfänger wie Nigeria (6 Mrd. US$), Indonesien (2,2 Mrd. US$), Afghanistan (2,1 Mrd. US$), China (1,7 Mrd. US$) und der Sudan (1,5 Mrd. US$) (DAC 2006b). Unter Berücksichtigung der Pro-Kopf-Beträge lagen in 2005 die Demokratische Republik Kongo (362 US$ Pro-Kopf), das Westjordanland und der Gazastreifen (304 US$), Nicaragua (144 US$), Bosnien und Herzegowina sowie Serbien und Montenegro (jeweils 140 US$) und Jordanien (114 US$) an der Spitze der ODA-Empfängerländer (Weltbank 2006).[3]

Die Finanzierung der öffentlichen Entwicklungshilfe erfolgt beinahe vollständig durch die derzeit 22 Mitgliedesländer des DAC (Lachmann 1999).[4] Den größten Beitrag zu den insgesamt 106 Mrd. US$ im Jahr 2005 leisteten die USA mit 27,7 Mrd. US$ (DAC 2007e). Weitere Hauptgeberländer waren Japan mit 13,1 Mrd. US$, Großbritannien mit einem ODA-Beitrag von 10,8 Mrd. US$, Deutschland mit 10,2 Mrd. US$ und Frankreich mit einem ODA-Beitrag von 10 Mrd. US$. Bei Be-trachtung der Beiträge der DAC-Mitgliedsländer als prozentualen Anteil an deren Bruttonationaleinkommen (BNE) ergibt sich allerdings ein anderes Bild, wie Abb.4 verdeutlicht. Die USA belegten mit einem ODA Beitrag von 0,22 % des BNE den vorletzten Platz in der Liste der 22 DAC-Mitglieder. Mit diesem Beitrag lagen die Vereinigten Staaten, ebenso wie Japan mit 0,28 % und Deutschland mit 0,36 %, nicht nur unter dem durchschnittlichen Geberbeitrag von 0,47 %, sondern waren zudem weit von dem 1970 in einem UNO-Beschluss vereinbarten Beitrag von 0,7 % entfernt.[5] Aber auch Frankreich und Großbritannien erreichten mit jeweils 0,47 % den Zielwert von 0,7 % nicht. Insgesamt leisteten von den 22 DAC-Mitgliedsländern nur fünf Länder einen ODA-Beitrag, der dem geforderten Beitragssatz entsprach bzw. darüber lag. Als großzügigste Geberländer erwiesen sich Luxemburg mit einem Beitrag von 0,86 % des BNE, sowie Norwegen und Schweden mit den prozentual höchsten Beiträgen von jeweils 0,94 %.

Die geringen prozentualen Beiträge einiger Geberländer im Jahr 2005 sind keine Ausnahme. Das festgelegte Ziel, 0,7 % des BNE für die öffentliche Entwicklungs-hilfe aufzuwenden, wird vielfach nicht erreicht und wurde insbesondere von den Hauptgeberländern USA, Japan, Großbritannien, Deutschland und Frankreich seit dem UNO-Beschluss im Jahr 1970 bis heute von keinem dieser Länder ein einziges Mal erfüllt.

Abb. 4 : ODA-Beiträge ausgewählter Mitgliedsländer des DAC (2005)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: DAC (2007e).

Die öffentliche Entwicklungshilfe wird entweder in Form von bilateralen oder multilateralen Abkommen vergeben (Lachmann 1999). Die bilaterale Vergabe erfolgt direkt von einem Geberland zu dem jeweiligen Empfängerland, wobei die Finanz-hilfe den Entwicklungsländern häufig nicht durch die Regierung des Geberstaates, sondern durch Trägerorganisationen wie z.B. der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Deutschland zukommt. Von multilateraler Entwicklungshilfe ist die Rede, wenn die Beiträge mehrerer Geberländer von internationalen Entwicklungshilfe-organisationen gesammelt und von diesen an die Empfängerländer weitergeleitet werden. Die Vergabe der Entwicklungshilfe wird durch die Vertreter der Mitgliedsländer in den Aufsichtsorganen der multilateralen Organisationen bestimmt (Lachmann 1999). Wichtige internationale Organisationen sind die Weltbank, der Internationale Währungsfonds (IMF), die Institutionen der Vereinten Nationen (z.B. UNICEF, UNDP) sowie die regionalen Entwicklungsbanken (z.B. African Development Bank, Asian Development Bank) (Lachmann 1999). Ein Großteil der öffentlichen Entwicklungshilfe wird in Form von bilateralen Abkommen vergeben, wobei im Jahr 2005 von 77 % ausgegangen wurde (DAC 2007f).[6]

Die öffentliche Kapitalhilfe kann auch danach unterschieden werden, ob die zur Verfügung gestellten Mittel „gebunden“ oder „ungebunden“ sind (Lachmann 1999). Entwicklungshilfe kann insofern gebunden sein, dass die gewährten Kredite für den Kauf von Waren aus dem Geberland verwendet werden müssen oder mit den verfügbaren Gelder nur bestimmte Güter und Dienstleistungen beschafft werden können. Der Anteil der in diesem Sinne gebundenen Hilfe lag 2005 bei rund 32 % (DAC 2005). Des Weiteren kann die Bindung auch darin bestehen, dass die Finanz-hilfe in bestimmte Investitionsprojekte oder Programme fließen muss (Lachmann 1999). So waren z.B. 2003 rund 3/4 der öffentlichen Entwicklungshilfe entweder vollständig oder teilweise an Projekte zum Ausbau der öffentlichen Infrastruktur in den Empfängerländern gebunden (Weltbank 2004).

Nachdem nun notwendige Begriffsdefinitionen geklärt wurden und ein kurzer Überblick sowohl über die Vergabe der Entwicklungshilfe, als auch über deren Ausgestaltung gegeben wurde, werden sich die folgenden zwei Kapitel der Be-antwortung der zentralen Frage dieser Arbeit widmen: Kann mit Hilfe eines Entwicklungshilfetransfers das Wachstum von Entwicklungsländern maßgeblich positiv beeinflusst werden und Entwicklungshilfe somit dazu beitragen, die Grundvoraussetzung für eine Reduktion der weltweiten Armut zu schaffen, oder nicht?

3 Empirische Betrachtung: Entwicklungshilfe und Wachstum

Die Frage, ob Entwicklungshilfe das Wachstum der Empfängerländer stimulieren kann, beschäftigt Ökonomen und Politiker schon seit Jahrzehnten. Die Zahl der empirischen Beiträge zu dieser Thematik ist gewaltig. Im Folgenden soll ein Überblick über die Studien der so genannten Aid&Growth -Literatur gegeben werden. Zunächst werden einige ausgewählte Studien betrachtet, die sich mit dem direkten Zusammenhang zwischen Entwicklungshilfe und Wachstum beschäftigt haben. Daran anschließend erfolgt ein Blick auf jene Studien, in welchen der Einfluss von Entwicklungshilfe auf die für den Wachstumsprozess notwendigen Investitionen untersucht wurde. Aufgrund der enormen Anzahl der existierenden Studien be-schränkt sich dieser Überblick auf die meist zitierten und politisch einflussreichsten Studien der letzten Jahre.[7]

3.1 Entwicklungshilfe und Wachstum: Ausgewählte empirische Studien

Bedingte Wirksamkeit. Die in den letzten Jahren wohl am häufigsten zitierte und politisch einflussreichste Studie im Bereich der Aid&Growth -Literatur ist jene von Burnside und Dollar (1997). Diese untersuchten den Einfluss von politischen Faktoren auf die Wachstumswirksamkeit von Entwicklungshilfe und schätzten dabei ein neoklassisches Wachstumsmodell mit einer Stichprobe von 56 Entwicklungs-ländern (40 LDC, 16 MIC) und Daten für den Zeitraum von 1970 bis 1993. Burnside und Dollar (1997) kamen zu dem Ergebnis, dass sich Entwicklungshilfe nur signifikant positiv auf das Wachstum solcher Länder auswirkt, die „gut“ regiert werden (good governance).[8] Dies sind nach Burnside und Dollar (1997) Länder, die sich durch gute institutionelle Rahmenbedingungen (z.B. Rechtssicherheit, kompetente und korruptionsfreie Verwaltung) auszeichnen und eine wachstums-fördernde Wirtschaftspolitik, insbesondere ein geringes Budgetdefizit (Fiskalpolitik), eine niedrige Inflation (Geldpolitik) und einer „nach außen“ orientierten Politik (Handelspolitik) verfolgen. In Länder mit „schlechter“ Regierungsführung hat Entwicklungshilfe nach Burnside und Dollar (1997) hingegen keinen statistisch signifikanten Einfluss auf das Wachstum. Die Autoren führen dies zum einen auf eine ineffiziente Verwendung der verfügbaren Mittel durch korrupte und wenig kompetente Regierungsbeamte zurück. Zum anderen wirken sich schlechte insti-tutionelle Rahmenbedingungen wie z.B. eine geringe Rechtssicherheit negativ auf die für den Wachstumsprozess notwendige private Investitionstätigkeit aus, da dadurch sowohl inländische als auch ausländische Unternehmen abgeschreckt werden. Zusammen mit einer schlechten Wirtschaftspolitik führt dies nach Burnside und Dollar (1997) zu einer starken Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Stimulation des Wachstumsprozesses durch Entwicklungshilfe. Die Autoren schätzen jedoch, dass in „gut“ regierten Ländern Entwicklungshilfe in Höhe von einem Prozentpunkt des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in der Vergangenheit im Durchschnitt zu einem Anstieg der Pro-Kopf-Wachstumsrate des BIP zwischen 0,19 und 0,68 % geführt hat.[9]

Auch Svensson (1999) glaubt, dass politische Faktoren die Wirksamkeit von Entwicklungshilfe entscheidend beeinflussen können. Er konnte für eine Stichprobe von 58 Entwicklungsländern und einem Betrachtungszeitraum von 1970 und 1989 einen hoch signifikanten, positiven Einfluss der ODA auf das langfristige Pro-Kopf- Wachstum des BIP in demokratisch regierten Staaten feststellen. Dieses Ergebnis begründet Svensson (1999) damit, dass sich die Regierungen in demokratischen Ländern durch das Vorhandensein von politischen und zivilen Rechten wie Meinungs-, Presse-, Organisations- oder Versammlungsfreiheit, aber auch durch politische Parteien und gewählte Repräsentanten einer stärkeren Kontrolle der Bevölkerung unterziehen müssen, was die Verwendung der zur Verfügung gestellten Gelder betrifft. Dadurch wird ein effizienter Einsatz der Finanzhilfe stärker gewähr-leistet, als in weniger demokratischen Staaten. Svensson (1999) schätzt, dass in einem demokratischen Umfeld eine Erhöhung der Entwicklungshilfezahlungen um einen Prozentpunkt des BIP zu einem Anstieg des Wirtschaftswachstums zwischen 0,17 und 0,3 % beigetragen hat.

In einer weiteren Studie kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass die Wirk-samkeit der Entwicklungshilfe von geografischen Faktoren abhängig ist. So kann die Kapitalhilfe nach Dalgaard et al. (2004) zwar generell signifikant positive Wachs-tumswirkungen hervorrufen, allerdings nicht in Ländern in tropischen Gebieten. Sie schätzten in ihrer Studie ein Wachstumsmodell mit einer Stichprobe von 56 Ländern für einen Zeitraum von 1970 bis 1993. Die geringe wachstumsfördernde Wirkung von Entwicklungshilfe in tropischen Gebieten führen Dalgaard et al. (2004) auf drei Hauptfaktoren zurück. Erstens vermuten sie, dass sich die dort vorherrschenden klimatischen Bedingungen negativ auf die Qualität der Institutionen auswirken und z.B. die Effektivität des Verwaltungssystems verringern, wodurch die effiziente Verwendung von Entwicklungshilfe beeinträchtigt wird. Zweitens begünstigt das Klima in den Tropen potentiell tödliche Krankheiten wie Malaria, Gelbfieber oder andere Tropenkrankheiten und führt so zu einer erheblichen Reduktion des vor-handenen Humankapitals. Drittens wirkt sich tropisches Klima bspw. aufgrund von häufig wechselnden Perioden mit starken Regenfällen und Dürre negativ auf die landwirtschaftliche Produktivität aus. Nach Dalgaard et al. (2004) erschwert sowohl die geringe Produktivität des Humankapitals, als auch die geringe Produktivität in der Landwirtschaft die Stimulation des Wachstumsprozesses durch Entwicklungshilfe in tropischen Gebieten. Für Länder außerhalb der Tropen schätzen Dalgaard et al. (2004), dass Entwicklungshilfe in Höhe von einem Prozentpunkt des BIP in der Vergangenheit zu einem zusätzlichen Pro-Kopf-Wachstum von mindestens 0,6 % und höchstens 1,3 % geführt hat.

Chauvet und Guillaumont (2001) weisen hingegen eine wachstumsfördernde Wirkung der ODA vor allem für solche Länder nach, die besonders stark durch ungünstige externe Faktoren wie die Änderungen des realen Wechselkurses (Terms of Trade) oder Schwankungen der Weltmarktpreise von Primärgütern (z.B. Mineral-öl, Kaffee, Tabak oder Baumwolle) belastet sind. Den signifikant positiven Einfluss auf das Wachstum dieser Empfängerländer begründen sie damit, dass Ent-wicklungshilfe dort dazu beitragen kann, die negativen externen Schocks zu kompensieren. Chauvet und Guillaumont (2001) kommen in ihrer Studie für eine Stichprobe von 66 Entwicklungsländern und einem Untersuchungszeitraum von 1970 bis 1993 zu dem Ergebnis, dass eine Anhebung der Entwicklungshilfe um einen Prozentpunkt des BIP in diesen Ländern im Durchschnitt zu einem Anstieg der jährlichen Pro-Kopf-Wachstumsrate zwischen 0,12 % und 0,84 % beigetragen hat. In Ländern, die kaum durch externe Faktoren belastet waren, bestand nach Chauvet und Guillaumont (2001) keine signifikante Beziehung zwischen der ODA und der Pro-Kopf-Wachstumsrate.

[...]


[1] Im Folgenden werden die Begriffe Entwicklungshilfe, öffentliche Entwicklungshilfe sowie der englische Begriff ODA, der in der deutschen Literatur häufig übernommen wird, synonym verwendet.

[2] Im Anhang (A.1) befindet sich eine Übersicht über die derzeitigen ODA-Empfängerländer.

[3] Die Vermutung liegt nahe, dass der Irak auch unter den Empfängerländer zu finden ist, die in 2005 die höchsten Pro-Kopf-Beträge erhielten. Für 2005 existieren für den Irak diesbezüglich jedoch keine Daten.

[4] Auch Nicht-DAC-Länder wie z.B. Länder der OPEC leisten öffentliche Entwicklungshilfe. Deren Beitrag fällt jedoch insgesamt kaum ins Gewicht. In 2005 lag dieser Beitrag bei 0,05 % (OECD 2007).

[5] In einem Beschluss der UNO im Jahr 1970 wurde vereinbart, dass jedes DAC-Mitgliedsland einen ODA-Beitrag von 0,7 % des BNE anstreben sollte (Lachmann 1999).

[6] Die bilaterale Vergabe wird von Geberländern bevorzugt. Dies kann vor allem damit begründet werden, dass Entwicklungshilfe nicht nur aus altruistischen Motiven geleistet wird, sondern Geberländer durchaus eigene Interessen verfolgen und zudem häufig Gegenleistungen von den Empfängerländern erwarten. So kann Entwicklungshilfe den jeweiligen Geberländern zum Beispiel ökonomischen Nutzen bringen, indem durch die Zusammenarbeit mit den Empfängerländern neue Beschaffungsmärkte für Rohstoff gesichert, sowie neue Absatzmärkte für heimische Exporte erschlossen oder langfristige Handelsbeziehungen aufgebaut werden können. Darüber hinaus können Geberländer Entwicklungshilfe auch verwenden, um die Außenpolitik der Empfängerländer gezielt zu beeinflussen (z.B. das Wahlverhalten der Empfängerländer bei UN-Abstimmungen) (Lachmann 1999, S.9 ff.).

[7] Die in dieser Arbeit aufgeführten Studien entstanden alle ab Mitte der 1990er Jahre und unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von den Vorhergehenden. Sie sind unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass sie im Vergleich zu den älteren Studien auf eine größere Anzahl von Daten zurückgreifen. Es werden sowohl längere Zeiträume als auch größere Stichproben von Ländern in die Untersuchungen einbezogen. Darüber hinaus orientieren sich die Studien an den Erkenntnissen der neuen Wachstumstheorie mit dem Ergebnis, dass die zu schätzenden Wachstumsmodelle neben den üblichen makroökonomischen Variablen zusätzlich Variablen enthalten, durch die z.B. wirtschafts-politische, institutionelle oder externe Faktoren berücksichtigt werden (Hansen und Tarp 2000, S. 786).

[8] Wenn im Folgenden von Signifikanz die Rede ist, bezieht sich dies immer auf die Signifikanz im statistischen Sinne.

[9] Aus der Studie geht weder das Signifikanzniveau der Schätzungen, noch das bevorzugte Schätzergebnis oder die bevorzugte Schätzmethode der Autoren hervor. Deshalb wurde für diese Studie sowie für die folgenden Studien, für welche dies ebenso der Fall ist, die Bandbreite der aus verschiedenen Schätzmethoden hervorgegangen Ergebnisse angegeben.

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Wachstumseffekte von Entwicklungshilfe
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
84
Katalognummer
V86724
ISBN (eBook)
9783638894302
Dateigröße
907 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wachstumseffekte, Entwicklungshilfe
Arbeit zitieren
Elisabeth Kutschka (Autor:in), 2007, Wachstumseffekte von Entwicklungshilfe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86724

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