Der Zwerg Melot im "Tristan" Gottfrieds


Vordiplomarbeit, 2003

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Vorwort

Der Wunderdiskurs im Mittelalter

Höfische Zwerge

Zwerge in der Höfischen Literatur

Inhaltlicher Abriss des Minnekrieges in Gottfrieds Tristan

Der Zwerg Melot

Schlussbemerkung

Literaturliste:

Vorwort

Die vorliegende Arbeit handelt im weiteren Sinne vom Zwergen Melot in Gottfrieds Tristan-Roman. Einige Themen, Exkurse und Begriffe habe ich bewusst zugunsten der Klarheit und Deutlichkeit gekürzt oder an manchen Stellen sogar ganz weggelassen, weil sie mir z.T. verwirrend oder zu weitschweifig erschienen - bei einer intensiveren Beschäftigung mit diesem Thema aber sicherlich wichtig sind.

Diese Arbeit jedoch ist als ein Überblick gedacht, eine Art Einführung (auch für Laien). Wichtig war mir deshalb eine logische Abfolge, eine gewisse Eindeutigkeit und natürlich auch etwas Spaß beim Lesen (was bei sogenannter Fachliteratur ja leider selten der Fall ist).

Zuerst gehe ich auf den Wunderdiskurs im Mittelalter allgemein ein, komme dann etwas genauer zu den Monstern und daraufhin speziell zum Zwerg - womit dieser dann erst mal allgemein eingeordnet wäre. Im Folgenden soll es dann um die Funktion des Zwerges in der damaligen Wirklichkeit gehen: v.a. als Hofzwerg. Dieser Exkurs ist wichtig, weil Melot im Tristan ebenfalls Hofzwerg ist. Allerdings ist Melot eine literarische Figur, keine wirkliche, weshalb es wichtig ist, einen Darstellung über den Zwerg in der höfischen Literatur anzuschließen. Danach geht es ganz speziell um den Zwerg Melot, um seine Handlungen/Auftritte im Tristan – Roman, um seine Funktion und Bedeutung.

Die Hausarbeit ist somit vom Allgemeineren zum Speziellen hin strukturiert.

Der Wunderdiskurs im Mittelalter

Für die Menschen im Mittelalter galten viele Dinge (z.B. Steine, Mineralien), Ereignisse (z.B. Naturerscheinungen, Mirakel), Pflanzen, Tiere, Wesen, Orte u.a., die ihnen fremd waren, d.h. von der Norm abwichen, als Wunder der Schöpfung. Dabei wurde aber noch unterschieden zwischen Wunder (lat . miraculum - Wunder, Wunderding, Wundergestalt, Wunderbares[1] ) und Wunderbarem (lat. mirabilium - Wundertat[2] ). Das miraculum war immer ein Ereignis, das durch göttliches Einwirken zustandekam und damit die unmittelbare Gegenwart Gottes bezeugte. Das mirabilium dagegen war ein Gegenstand oder Phänomen, das das menschliche Verständnis überstieg, aber dennoch in Gottes Schöpfungsplan gehörte, der für den Menschen undurchdringlich war.[3] (Schon in diesem ersten Abschnitt wird deutlich, wie schwierig und unterschiedlich diese Unterteilung ist. Die Wörterbucheinträge sollten deshalb nur als beiläufige, aber interessante Information verstanden werden).

Als Wundervölker (miracula) galten den Menschen jene Kulturen anderer Wesen, wenn sie sich durch Sprache, Kultur, physikalische Erscheinungen, Ernährungsgewohnheiten, soziale Organisationsformen u.a. von der europäischen Norm unterschieden.[4] Sie wurden in großen Enzyklopädien kategorisiert, beschrieben, aufgezeichnet.

Die Wundervölker wurden in mittelalterlichen Weltkarten immer am Rande der Ökumene gezeichnet[5], von jedem Wundervolk je ein Repräsentant. Wundervölker basierten jedoch meist nur auf Fabeln, nur Reiseberichte und Landschaftsbe­schreibungen erwähnten sie – meist im Orient (Indien und Äthiopien)- doch niemand konnte ihre Existenz wirklich nachprüfen, da die wenigsten im Stande waren, eine so weite Reise zu unternehmen. Das regte sicherlich die Phantasie der meisten an, so dass im Laufe der Tradierung der Texte die Zahl der Wundervölker immer mehr zunahm[6].

Flögel[7] schreibt jedoch, dass diese Völker allesamt erlogen und nichts als Affen seien.

Nichtsdestotrotz unternahmen einige Menschen sehr weite Reisen in der Hoffnung, solche Wundervölker zu erblicken.

Als Monster (mirabilia) dagegen wurden solche Wesen bezeichnet, deren Vorkommen für einmalig gehalten wurde. Das lat. Wort monstrum ( Weisung, Mahnung; Wahrzeichen, Wunderzeichen; Ungeheuer, Scheusal; unerhörte Tat; Gespenst[8] ) hatte in der Antike drei verschiedene Bedeutungen: Monster als übernatürliche Phänomene, die von den Göttern als Zeichen gesandt wurden; Monster als Fehler der Natur (die also auch nach Naturgesetzen klassifiziert werden konnten); Monster als Ausdruck der schöpferischen Freiheit entweder der Natur, oder Gottes.[9]

Monstrum ist wohl vom lateinischen Verb monere (erinnern, mahnen, aufmerksam machen; ermuntern, auffordern, warnen[10] ) abgeleitet, das ja selbst schon etwas Bedrohliches, Beängstigendes impliziert. Diese Eigenschaften übertrugen sich vom bloßen Hinweis auf die Monster selbst, die damit zu schrecklichen Wesen wurden.[11]

Augustinus dagegen leitet den Begriff monstra allerdings von monstrare (zeigen, weisen; verordnen, andeuten, bezeichnen[12] ) ab, der nur die Zeichenhaftigkeit eines Phänomens impliziert.[13]

Synonyme für den Begriff monstrum sind, neben dem schon genannten mirabilium, portentum (grauenhaftes Vorzeichen, Wunder; Missgeburt, Ungeheuer; Wunder­märchen[14] ), ostentum (Anzeichen, Wunder; Scheusal[15] ), prodigium (Wunderzeichen, wunderbare Erscheinung; unheilvolle Tat; Ungeheuer[16] ).[17]

Theorien für die Entstehung von Monstern waren schon in der Antike verbreitet.[18] Sie gründeten auf Beobachtungen und daraus folgenden Schlüssen. So nahm man an, dass Schläge auf den Bauch der Mutter, schlechte Träume, gefährliche Gifte, schlimme Vorstellungen, widernatürliche Zeugungsakte u.a. Missbildungen verursachen.

Speziell der Zwergwuchs soll durch eine zu geringe Spermamenge entstehen.

Trotz allem gehörten die Monster und monströse Völker zu den Geschöpfen Gottes, in seinen für den Menschen undurchdringlichen Weltplan.[19] Denn jeder Mensch (sterbliches, vernunftbegabtes Lebewesen), egal mit welchen Abweichungen er geboren wurde, hat seinen Ursprung in dem zuerst gebildeten Menschen.[20] Uns fehlt nur der Gesamtüberblick, wir sehen nur einzelne Teile, aber nicht das Ganze, das Gott geschaffen hat. Und ganze seltsame Völker schuf er, damit wir nicht denken, er habe sich in Einzelfällen geirrt.

Höfische Zwerge

Zum Glanz und Reichtum eines Hofes gehörte immer auch ein ganzes Arsenal an Wunderbarem (mirabilia), an Exotischem, Orientalischen. Das waren z.B. Tiere aus fremden Ländern (Afrika, Indien, Türkei), Zwerge, Riesen und andere missgebildete menschliche Kreaturen, ganze Gruselkabinette, in denen missgebildete Tiere und Wesen (eingelegt) gesammelt wurden, Zauberarmbänder, türkische und maurische Kleidung (Mäntel, Turbane, Gürtel), exotische Tänze, Gewürze, Früchte und exotische Vögel. Des weiteren hatten manche Fürsten ganze Bibliotheken voll mit Büchern über Wunderdinge (z.B. Reiseberichte)[21].

Diese wunderbaren Dinge und Wesen wurden bei höfischen Spektakeln eingesetzt, um Untertanen und Rivalen zu beeindrucken, sowie das Prestige im eigenen Land und auch im Ausland zu stärken. Die Ausstellung der wunderbaren Dinge spiegelte die Macht und den Reichtum der Fürsten wider[22], sollten aber sicher auch dessen Exklusivität und Originalität unterstreichen.

So wurden glanzvolle Hoffeste (deren Anlässe Hochzeiten, Krönungen, Schwertleiten, Friedensschlüsse oder kirchliche Festtage waren[23] ) inszeniert, in denen u.a. die Zwerge in wilden oder orientalischen Kostümen zusammen mit z.B. einem Riesen kleine Schauspiele zeigen mussten, um das Publikum entweder zu unterhalten, zu erstaunen oder zu erschrecken, zu beeindrucken.

[...]


[1] Langenscheidts Großes Schulwörterbuch Lateinisch-Deutsch, Berlin und München 2001, S. 749

[2] ebd. S.748

[3] Martina Münkler, Werner Rö>

[4] ebd. S.704

[5] ebd. S.706

[6] ebd. S706

[7] Flögel: Die Geschichte der Hofnarren. Liegnitz und Leipzig 1789, S. 500.

[8] Langenscheidts Großes Schulwörterbuch Lateinisch-Deutsch, Berlin und München 2001, S.760

[9] Münkler, Röcke, S.722/723

[10] Langenscheidts Großes Schulwörterbuch Lateinisch-Deutsch, Berlin und München 2001, S.759

[11] Münkler, Röcke, S.723

[12] Langenscheidts Großes Schulwörterbuch Lateinisch-Deutsch, Berlin und München 2001, S.760

[13] Aurelius Augustinus: Der Gottesstaat. De civitate dei. 21,8; Münkler, Röcke, S.724

[14] Langenscheidts Großes Schulwörterbuch Lateinisch-Deutsch, Berlin und München 2001, S.915

[15] ebd. S.842

[16] ebd. S.952

[17] Ulrich Müller, Werner Wunderlich: Dämonen, Monster, Fabelwesen. In: Mittelaltermythen. Band 2. St. Gallen 1999, S.23

[18] ebd. S.25

[19] Aurelius Augustinus: Der Gottesstaat. De civitate dei. Band 2, S.117, S119

[20] ebd., S. 117 ff.

[21] Doreen Daston, Kathrine Park :Wunder und die Ordnung der Natur. Frankfurt am Main, 2002, S.116ff.

[22] ebd. S.116ff.

[23] Joachim Bumke: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. München 1997, S.282

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Der Zwerg Melot im "Tristan" Gottfrieds
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut Germanistik)
Veranstaltung
Gottfried von Straßburg: Tristan
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
22
Katalognummer
V86716
ISBN (eBook)
9783638011891
ISBN (Buch)
9783638916363
Dateigröße
411 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zwerg, Melot, Tristan, Gottfrieds, Gottfried, Straßburg, Tristan
Arbeit zitieren
Susanne Staples (Autor:in), 2003, Der Zwerg Melot im "Tristan" Gottfrieds, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86716

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