Die Theorie der Monogenese von Pidgin- und Kreolsprachen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

36 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

I. Einleitung

II. Was sind Pidgin- und Kreolsprachen?

III. Der Ursprung der Pidginsprachen
a. Unter welchen Umständen entwickeln sich Pidginsprachen?
b. Welche Auslöser führen zur Entwicklung eines Pidgin?
c. Wie bzw. woraus haben sich die Pidginsprachen entwickelt?

IV. Die Theorie der Monogenese

V. Die „Lingua Franca“ des Mittelmeers

VI. Kurzer Abriss der Geschichte des Portugiesischen Kolonialreichs

VII. Historische Analyse der These der Monogenese

VIII. Linguistische Analyse der These der Monogenese

IX. Fazit

X. Literatur

I. Einleitung

Zu Beginn der Neuzeit und am Ende des Mittelalters machten sich die Europäer auf, um die Welt außerhalb ihres Kontinents zu erkunden und zu erobern. Ausgehend davon, dass man eine christliche Mission hatte, die größten Feinde in der Reconquista aus Spanien und somit aus Europa verband hatte und schließlich mit dem Wissen um die eigene Vergangenheit, das der Humanismus und die Renaissance wieder hervorgeholt hatten, machte man sich auf den Weg. Die Technik war weit fortgeschritten und so war die Erkundung der Welt nicht mehr aufzuhalten.

Allerdings gab es ein Problem, mit dem man nicht rechnete. Die Menschen auf die man traf, sprachen keine der bekannten Sprachen. Das war eine denkbar schlechte Grundlage, um diesen unterentwickelten Völkern das Licht der Zivilisation zu bringen. Die Verständigung aber klappte doch und das Ergebnis war, dass sich die europäischen Sprachen auf der ganzen Welt ausbreiteten. Manche von ihnen in einer seltsamen Mischform, in der eine eigenartige Grammatik vorherrscht. Das beschäftigte Linguisten und interessierte Laien schon von Beginn an.

Zunächst wurde beschrieben, was man hörte und dann wurde darüber nachgedacht, was der Grund dafür sein könnte. Mitte des vergangenen Jahrhunderts schließlich gab es eine Theorie, die bis heute in den Einführungsbüchern zur Sprachkontaktforschung präsent ist: Die Theorie der Monogenese. So unwahrscheinlich es auch klingen mag, wurde davon ausgegangen, dass alle diese Mischsprachen eine Wurzel haben, aus der sie entsprungen sind. Diese Pidgin- und Kreolsprachen entstammen alle dem Portugiesischen. Leicht kann man sich vorstellen, dass eine solche Theorie angegriffen werden musste und durch vermeidlich bessere ersetzt wurde.

Der Verfasser dieser Arbeit ging ganz unbefangen an diese Theorie heran. Zunächst bloß fasziniert von der Idee, einmal nachvollziehen zu wollen, wie diese Theorie entstand, entwickelte sich schließlich der Wunsch zu überprüfen, ob diese Theorie wirklich haltbar ist. Der Verfasser stellte sich die simple Frage, die er hier nachgehen wollte und die zur Fragestellung dieser Arbeit wurde: Ist die Theorie der Monogenese von Pidgin- und Kreolsprachen uneingeschränkt stimmig oder muss sie revidiert oder gar falsifiziert werden?

Dazu soll die die Theorie zunächst vorgestellt und eingeordnet werden, um dann in einer im Rahmen dieser Arbeit möglichen historischen und schließlich auch linguistischen Analyse beurteilt zu werden.

Das Fazit hieraus kann nicht das Nonplusultra für die Kreolistik sein, doch liefert es vielleicht einen kleinen Ansatz im Umgang mit dieser Theorie.

II. Was sind Pidgin- und Kreolsprachen?

Wo immer Menschen verschiedener Sprachen aufeinandertreffen und miteinander zu kommunizieren versuchen, treten ihre beiden Sprachen in Kontakt. Die Kommunikation, die, nach Watzlawick, nicht nicht stattfinden kann (Biermann & Schurf (Hgg.) 1997: 57) muss derart gestaltet sein, dass beide Sprecher probieren sich einander verständlich zu machen. Das passiert vornehmlich durch Gesten und Mimik (Riehl 2004: 106). Diese paraverbale Kommunikation aber endet spätestens dann, wenn es zu komplexen Formen der Kommunikation kommt, wenn etwa miteinander verhandelt werden soll. Beide Interakteure müssten nun die Sprache des jeweils anderen lernen bzw. einer die Sprache des anderen. Das aber erfordert langwierige Studien, für welche die Interakteure nicht immer die Zeit aufbringen können.

In manchen Fällen ist es dann möglich auf eine Sprache zurückzugreifen, die beide Sprecher kennen und die beide beherrschen. Ist dies aber nicht der Fall, ergibt sich ganz unbewusst, wie in den meisten Fällen der Interaktion zwischen Menschen, dass beide Sprecher beginnen, eine eigene Sprache zu entwickeln, mit deren Hilfe sie kommunizieren können.

Sprachen, die daraus entstanden sind, dass zwei oder auch mehrere Sprachen aufeinander treffen und eine neue Sprache bilden, die dann von den Sprechern der ursprünglichen Sprachen nicht ohne weiteres als eine auf ihrer Sprache basierende wahrgenommen werden kann (Riehl 2004: 100), werden als Pidgin bezeichnet, wobei der Ursprung des Begriffs noch nicht hinlänglich geklärt wurde (Riehl 2004: 99.).

Im Gegensatz zu dem so genannten „Code-Mixing“ bzw. „Code-Switching“, dass oft bei ethnischen Minderheiten innerhalb des Sprachverhaltens beobachtet werden kann, ist dabei zu unterscheiden, dass sowohl beim „Code-Switching“ als auch beim „Code-Mixing“ eine umfassende Kenntnis der beiden Sprachen vorausgesetzt wird (Bechert/Wildgen 1991: 59f). Das ist bei dem Erwerb von Pidginsprachen nicht der Fall. Der Sprecher einer Pidginsprache wird seine Muttersprache kennen, ist aber nicht auf eine Kenntnis der zweiten beteiligten Sprache angewiesen. Die Kenntnis der anderen beteiligten Sprache ist auch oft gar nicht notwendig, da die entwickelte

Sprache für die Tätigkeit, bei der sie gebraucht wird, sei es beim Handeln oder auch in einfacheren Formen der Diplomatie, hinreichend ist. So besteht gar nicht die Notwendigkeit, die andere Sprache zu erlernen.

Damit eine eindeutige Klassifizierung des Pidgin vorgenommen werden kann, ist es nötig Kriterien zu finden, mit deren Hilfe Pidginsprachen als solche auch erkennbar gemacht werden. Drei Kriterien sind nach Riehl auszumachen. Eine Pidginsprache muss erstens, wie bereist oben erwähnt, für die Sprecher der Quellsprache unverständlich sein. Das ist zum Beispiel im Russenorsk der Fall, einer Pidginsprache, die als Quellsprache Norwegisch und Russisch anführt. Die Sprecher dieser Sprache sind sich des Ursprungs dieser Sprache nicht bewusst und meinen sie sprächen die Sprache des jeweils anderen (Riehl 2004: 100). Obwohl eine Pidginsprache wohl aus der Verlegenheit entsteht, dass zwei Sprecher zweier Sprachen ihre Sprachen mischen, ist Pidgin zweitens keine Sprache, die ohne Lernen genutzt werden kann. Wie jede Sprache hat sie Konventionen, die man nur durch Erlernen erkennt. Riehl spricht hier von Konventionalisierung (Riehl 2004: 101). Drittens ist festzuhalten, dass eine Pidginsprache keine Muttersprachler hat. Jeder Sprecher eines Pidgin besitzt auch noch eine weitere Sprache, die er vom Kindesalter her erlernt hat (Riehl 2004: 101).

Das letzte Kriterium hat damit zutun, dass es sich bei Pidginsprachen oft um Gebrauchssprachen handelt, die auf ihren speziellen Verwendungszweck zugeschnitten sind und daher keine große Komplexität aufweisen. Wird aber der Bedarf der Sprache über ihre ursprüngliche Bedeutung hinweg erweitert, entwickelt sich das Pidgin weiter. So sprechen Bechert und Wildgen von einem Lebenszyklus der Pidginsprachen (Bechert/Wildgen 1991: 133). Dieser unterscheidet in sechs Stadien der Pidginsprachen:

1. Entstehung des Pidgin
2. Minimales Pidgin
3. Pidgin
4. Entwickeltes Pidgin
5. Beginnendes Kreol
6. Das entwickelte Kreol

Das Pidgin wird dann zu einer Kreolsprache, sobald es eine Generation gibt, die die Sprache als Muttersprache erlernt (Riehl 2004: 101). Das letzte Stadium ist erreicht, wenn eine Kreolsprache eine „funktionell voll ausgebaute“ (Riehl 2004: 101.) Sprache ist.

III. Der Ursprung der Pidginsprachen

Unter dieser[1] Überschriften können und sollen drei vertiefende Fragestellungen bearbeitet werden:

a. Unter welchen Umständen entwickeln sich Pidginsprachen?
b. Welche Auslöser führen zur Entwicklung eines Pidgin?
c. Wie bzw. woraus haben sich die Pidginsprachen entwickelt?

a. Unter welchen Umständen entwickeln sich Pidginsprachen?

Generell kann zwischen zwei möglichen Umständen unterschieden werden, unter denen es zu Entstehung von Pidgin kommen kann. Beide Möglichkeiten können historisch belegt werden. Zum einen ist es möglich, dass sich zwei Sprachen auf Augenhöhe begegnen. Das ist dann der Fall, wenn die Sprecher der beiden Sprachen miteinander in symmetrischer Form kommunizieren. Historisch lässt sich diese Möglichkeit vor allem dann belegen, wenn europäische Entdecker und Forscher auf ihren Reiserouten an unbekanntem Land anlegen müssen, um ihre Vorräte aufzubessern. In solchen Fällen kommt es meist zu Tauschhandel (z.B.: Cook 1971: 180 u.a.), der ein Minimum an gesprochener Sprache abverlangt. Erst, wenn Handelsrouten gefestigt werden und sich ein regelmäßiger Umgang zwischen den Sprechern unterschiedlicher Sprachen entwickelt, kann auch der Sprachkontakt gefestigt werden und sich ein Pidgin entwickeln.

Eine andere Art der Umstände, in denen sich Pidgin entwickeln kann, ist eine asymmetrische Form der Kommunikation. Wenn ein überlegender Sprecher auf einen unterlegenen Sprecher einer anderen ihm unverständlichen Sprache trifft. Ein besonderes Beispiel hierfür ist der Sklavenhandel, der bis ins 19. Jahrhundert zwischen Europa, Afrika und Amerika florierte. Die europäischen Händler landeten an afrikanischen Küsten und nahmen dort afrikanische Sklaven auf, die sie dann nach Amerika verkauften (Vgl.: Marx 2004: 19). Dabei ist festzuhalten, dass die afrikanischen Stämme der westafrikanischen Küste nicht immer die gleiche Sprache in unterschiedlicher dialektaler Ausprägung sprachen, sondern auch ganz verschiedene Sprachen. Dieser Umstand wurde zum Teil von den Sklaventreibern noch unterstützt, die absichtlich Afrikaner verschiedener Sprachen zusammentrieben, um jegliche Kommunikation zu unterbinden. Da diese sowohl während des Transports über den Atlantik als auch in der neuen Umgebung gezwungen waren miteinander in Kontakt zutreten, haben sich hier bereits Pidginsprachen entwickelt. Ist dieses noch ein weiteres Beispiel für die erst genannte Möglichkeit des Sprachkontakts, so kommt die zweite Variante hinzu, wenn die Sklaven ihre Befehle und auch Beschimpfungen ihrer Herren entgegennehmen mussten. Das bereits unter den Sklaven geschaffene Pidgin wird von diesen übernommen und zudem mit der von ihnen gesprochenen Sprache, also meistens ein europäisches Idiom, angereichert, was wiederum von den Sklaven in ihre Sprache aufgenommen wurde. Ein Beispiel für diese Pidginsprache, die im Verlauf ihrer Entwicklung zu einer Kreolsprache geworden ist. Ist die Sprache Haitis (http://de.wikipedia.org/wiki/Haitianische_Sprache (16. August 2007)).

b. Welche Auslöser führen zur Entwicklung eines Pidgin?

Über die Auslöser, die zu der Entwicklung einer Pidginsprache führen, gibt es innerhalb der Linguistik keine Einigkeit. Riehl nennt drei grundlegende Theorien:

- Vereinfachung der das Lexikon bestimmenden Sprachen
- Grammatikalischer Einfluss der Substratsprachen
- Universalistische Tendenzen zur Erzeugung einer maximal vereinfachten Sprache (Riehl 2004: 102).

Vertreter der ersten These nehmen an, dass die Sprache, aus der später die Wörter entnommen werden, von den Sprechern derselben vereinfacht wird. Dieses Phänomen ist unter anderem beim so genannten Xenolekt zu beobachten, bei dem Muttersprachler gegenüber Menschen, die diese Sprache vermeintlich nicht beherrschen, besonders langsam und einfach reden, indem sie Verben zum Großteil in der Infinitivform lassen und diese nicht mehr konjugieren (Riehl 2004: 105). Da dieses Verhalten auch noch heute zu beobachten ist, ist anzunehmen, dass auch in vergangener Zeit so vorgegangen worden ist (Riehl 2004: 102). Als ein Beispiel dafür kann wohl auch der Sklavenhandel und die Sklavenhaltung angeführt werden. Passiert dieses meistens unbewusst, ist bekannt, dass der nordamerikanische Indianerstamm der Delaware mit ihren erst schwedischen, dann niederländischen Handelspartnern ganz bewusst nur eine vereinfachte Form ihrer Sprache verwendeten, die aber von den Fremden als eigentliche Sprache angenommen wurden (Riehl, 2004, S. 102, Hirschfelder 2004: 32)

Die zweite These, die Riehl anführt, geht davon aus, dass Pidginsprachen mehrere Sprachen besitzen, die sie als Quellen benutzen. Während sie von der einen Sprache die Grammatik entlehnen, nutzen sie der anderen Sprache Lexikon. Dabei ist die Sprache deren Grammatik sie nutzen immer die Muttersprache, in die dann die Wörter der fremden Sprache überführt werden. Die Sprache wird „relexifiziert“ (Riehl 2004: 102). Auch diese These kann durch die Untersuchung des heutigen Deutsch Unterstützung finden. So werden Wörter aus dem Englischen oft in die deutsche Sprache integriert und dann nach deutschen Grammatikregeln flektiert (Zimmer 2006: 52). Bei dieser These muss allerdings das bereits oben genannte Verhältnis der beiden Sprecher zueinander in Erwägung gezogen werden. Die Frage, ob es sich bei ihnen um gleichberechtigte Partner handelt oder um ein asymmetrische Verhältnis ist dabei von entscheidender Bedeutung. Trifft erstes zu, „zeigt die Sprache mehr Anteile aus beiden Sprachen“ (Riehl 2004: 103), wohingegen im zweiten Fall „das Lexikon aus der Sprache der dominanten Gruppe“ (Riehl 2004: 103) übernommen wird. Um beide Quellsprachen voneinander zu unterscheiden, spricht man bei der ursprünglichen Muttersprache von einem Substrat, bei der übernommenen, erlernten Sprache von einem Superstrat (Riehl 2004: 102f).

[...]


[1] Die Kreolsprachen, die sich, wie oben genannt, aus den Pidginsprachen entwickeln, sollen dabei außenvorgelassen werden.

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Die Theorie der Monogenese von Pidgin- und Kreolsprachen
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
36
Katalognummer
V85733
ISBN (eBook)
9783638006897
ISBN (Buch)
9783638913775
Dateigröße
593 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar des Dozenten: Sehr gut strukturiert Arbeit, Argumentation klar und nachvollziehbar, sprachlich meistens sehr gut.
Schlagworte
Theorie, Monogenese, Pidgin-, Kreolsprachen
Arbeit zitieren
Heiko Schnickmann (Autor:in), 2007, Die Theorie der Monogenese von Pidgin- und Kreolsprachen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85733

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