Braucht das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag eine 5%-Klausel?


Hausarbeit, 2002

14 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Wahlrechtssystem des Deutschen Bundestags
2.1 Das personalisierte Verhältniswahlrecht
2.2 Die Zuteilung der Sitze
2.2.1 Das d’Hondtsche Verfahren
2.2.2 Das Verfahren Hare/Niemeyer
2.3 Überhangmandate

3. Die Fünf-Prozent-Klausel (Grundmandatsklausel)
3.1 Im heutigen Wahlrecht
3.2 Die Entstehung der 5% - Klausel
3.3 Die Sperrklausel im Wahlrecht der Bundesländer

4. Der Wahlrechtsgrundsatz der Gleichheit
4.1 Die Entwicklung des Grundsatzes
4.2 Die Bedeutung des Grundsatzes

5. Die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Sperrklausel
5.1 Das Urteil vom 5. April 1952
5.2 Das Urteil vom 11. August 1954
5.3 Das Urteil vom 6. Februar 1956
5.4 Das Urteil vom 23. Januar 1957
5.5 Das Urteil vom 10. April 1997

6. Bewertung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und der 5% - Klausel

7. Hat die 5% - Klausel wirklich eine Verbesserung gebracht?

8. Fazit

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Durch meine, im Rahmen eines Referats vollzogene, Auseinandersetzung mit dem Wahlrechtssystem des Deutschen Bundestags fielen mir durch die 5% - Klausel verursachte Einschränkungen auf. Mit dieser Arbeit sollen unter anderem jene Einschränkungen, die Entstehung der Klausel, sowie die Stellungnahmen des Bundesverfassungsgerichts zu ihr dargestellt und bewertet werden.

2. Das Wahlrechtssystem des Deutschen Bundestags

2.1 Das personalisierte Verhältniswahlrecht

Das deutsche Wahlsystem besteht aus einer Kombination aus Mehrheits- und Verhältniswahl und ist daher ein personalisiertes Verhältniswahlrecht.

Eine Hälfte der insgesamt 656 Abgeordneten (ohne Überhangmandate) wird in 328 Einzelwahlkreisen nach dem relativen Mehrheitswahlsystem[1] in „allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl“[2] gewählt. Ab der Bundestagswahl 2002 werden es nur noch 598 Abgeordnete und dementsprechend auch nur noch 299 Wahlkreise sein.[3]

Die andere Hälfte wird aufgrund der Landeslisten der Parteien nach dem Verhältniswahlsystem gewählt.

Daher gibt es eine Erst- und eine Zweitstimme, wobei ein Stimmensplitting möglich ist.

Mit der Erststimme wird der Bundestagskandidat gewählt, wobei die Reihenfolge der Kandidaten auf dem Stimmzettel von oben nach unten nach dem absoluten Stimmenanteil erfolgt, den die Partei des Bundestagskandidaten bei der vorherigen Bundestagswahl erzielen konnte.

Mit der Zweitstimme wird eine Partei gewählt, deren Kandidaten nach einer

Landesliste von den Parteien zusammengestellt werden, wodurch sie die Möglichkeit haben gezielt bestimmte Frauen und Männer ins Parlament zu bringen. So können im Wahlkreis unterlegene Kandidaten und Kandidatinnen mit einem vorderen Listenplatz dennoch ins Parlament einziehen.[4]

Die Zweitstimme ist die „maßgebende Stimme für die Verteilung der Sitze insgesamt auf die einzelnen Parteien“[5], entscheidet also wie viele Mandate eine Partei im neuen Bundestag erhält.

Die durch die Erststimme gewonnenen Direktmandate werden auf die Zahl der Sitze angerechnet, die die Parteien entsprechend ihrem Zweitstimmenanteil gewonnen haben. Die dann noch verbleibenden Sitze werden mit Kandidaten von den jeweiligen Landeslisten besetzt.

2.2 Die Zuteilung der Sitze

Für die Zuteilung der Sitze wurden seit 1945 zwei Verfahren angewendet.

2.2.1 Das d’Hondtsche Verfahren

Bei dem d’Hondtschen Verfahren, das von 1949 bis 1985 für die Wahl zum Deutschen Bundestag angewandt wurde, werden die großen Parteien etwas begünstigt. Nach diesem Höchstzahlenverfahren werden die auf die einzelnen Listen entfallenden Stimmen jeweils durch 1,2,3,4 usw. geteilt und von den so entstehenden Höchstzahlen so viele berücksichtigt, wie Mandate zu vergeben sind.[6]

2.2.2 Das Verfahren Hare/Niemeyer

Bei dem Verfahren Hare/Niemeyer, das seit 1985 für die Wahl zum deutschen Bundestag angewandt wird, werden die zu vergebenden Sitze mit der Zahl der Zweitstimme der einzelnen Partei multipliziert und durch die Gesamtzahl der Zweitstimmen aller an der Verteilung teilnehmenden Parteien dividiert. Hierbei erhält jede Partei so viele Sitze wie ganze Zahlen auf sie entfallen. Die übrigen Sitze werden in der Reihenfolge der höchsten Stellen hinter dem Komma verteilt.

Nach der so ermittelten Anzahl der Sitze werden diese jeweils parteiintern auf die einzelnen Landeslisten aufgeteilt, was nach dem gleichen Rechenverfahren erfolgt.[7]

2.3 Überhangmandate

Ist die Zahl der durch die Erststimme gewonnenen Direktmandate größer als die Anzahl der Sitze, die einer Partei aufgrund ihrer Zweitstimme zusteht, so behält sie diese Überhangmandate. Die Abgeordnetenanzahl im deutschen Bundestag kann sich so erhöhen.[8]

3. Die Fünf-Prozent-Klausel (Grundmandatsklausel )

3.1 Im heutigen Wahlrecht

Bei der Sitzverteilung werden seit 1953 nur Parteien berücksichtigt, die mindestens 5% der abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben oder in mindestens 3 Wahlkreisen ein Direktmandat errungen haben. Die 5% - Klausel gehöre, nach einem vom Deutschen Bundestag bezüglich dessen Wahl veröffentlichten Artikels, seit 1949 zum „bewährten Kernbestand“ des deutschen Wahlrechts, sei vielfach von ausländischen Wahlrechten übernommen worden und dafür verantwortlich, dass bis 1961 alle kleineren Parteien mit Ausnahme der FDP aus dem Bundestag verschwanden.

Für die Anwendung der Grundmandatsklausel reichen bereits 0,6 % der Stimmen aus, um ins Parlament zu kommen, was die „Reformkommission zur Größe des deutschen Bundestags“ in ihrem Schlussbericht vom 17. Juni 1997 als verfassungsrechtlich bedenklich einstufte, jedoch gleichzeitig darauf hinwies, dass die Grundmandatsklausel Bestandteil des gültigen Rechts sei, die aber bei einer Änderung des Wahlgesetzes gestrichen werden könne.[9]

3.2 Die Entstehung der 5% - Klausel

Bereits in der Weimarer Republik gab es eine indirekte Sperrklausel, denn dort musste mindestens ein Wahlvorschlag die Hälfte der Stimmen des Wahlquotienten, der im Reich bei 60 000 lag, damit also 30 000 Stimmen erreichen, was bei der Schleswig- Holsteinischen Landtagswahl 1933 immerhin einen indirekten Sperrquotienten von 3% ausmachte.[10] Trotzdem wird die „Funktionsunfähigkeit des parlamentarischen Regierungssystems“[11] dieser Zeit häufig als Rechtfertigungsgrund für die 5% - Klausel angeführt.

Nach langer Diskussion über die Einführung und später auch Streichung der Sperrklausel, wie sie in einer dritten Lesung des parlamentarischen Rats am 11. Mai 1949 mit knapper Mehrheit beschlossen wurde, wurde sie schließlich von den Ministerpräsidenten der Länder über den Beschluss des Parlamentarischen Rates hinweg eingeführt.[12] Zum ersten Mal im Bundestagswahlrecht war die Sperrklausel also bei der Wahl zum ersten Deutschen Bundestag vom 15. Juni 1949 verankert (in den Wahlgesetzen der Länder war sie bereits früher vorgesehen). Eingeführt wurde sie, um „ein arbeitsfähiges Parlament (zu) gewährleisten, das auch in der Lage ist, eine funktionsfähige Regierung zu bilden“[13]. Einige Wissenschaftler vermuten jedoch, dass sie nicht aus diesem Grund von den damals zugelassenen Parteien eingeführt wurde, sondern vielmehr deshalb, um sich vor künftiger Konkurrenz abzusichern. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich die Sperrklausel noch auf die in einem Land abgegebenen Stimmen und es „genügte ein Wahlkreismandat, um an dem Verhältnisausgleich in dem jeweiligen Land der Bundesrepublik Deutschland teilzunehmen“.[14]

Aufgrund der ständigen Uneinigkeit über das Wahlgesetz, sollte sowohl das für den ersten Deutschen Bundestag, als auch das für den zweiten, jeweils nur für diese eine Wahl gelten.

Im Wahlrechtskonzept für die Wahl zum zweiten Deutschen Bundestag von 1953 wurde die 5% - Klausel dahingehend geändert, dass sie nun auf die im gesamten Bundesgebiet abgegebenen Stimmen bezogen wurde[15], da „die Parteien (…) gleiche Chancen (…) haben“[16] sollten, was bei der unterschiedlichen Größe der einzelnen Länder nicht gegeben war. Eine Partei benötigte also 5% der Stimmen im Bundesgebiet oder alternativ 1 Wahlkreismandat. Lediglich Parteien nationaler Minderheiten blieben von dieser Regelung ausgenommen. Vor allem Parteien, die in nur einer bestimmten Region viele Wählerstimmen auf sich vereinigen konnten, zeigten sich mit dieser Änderung nicht einverstanden, worauf ich später beim Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1957 näher eingehen werde.

Seit 1956 benötigt eine Partei, um am Verhältnisausgleich teilzunehmen, entweder 5% der Zweitstimmen oder drei Direktmandate, wobei auch diesmal Parteien nationaler Minderheiten von dieser Regelung ausgenommen waren. Die Anhebung auf drei Direktmandate wurde aufgrund „des unausgewogenen Verhältnisses zwischen dem hohen Quorum und einem Direktmandat“ vorgenommen.[17]

Eine Sonderreglung dieses bis heute gültigen Wahlgesetzes erfuhr die erste gesamtdeutsche Bundestagswahl von 1990, bei welcher Bundesrepublik und ehemalige DDR als getrennte Wahlgebiete eingestuft wurden. Dies hatte zur Folge, dass die kandidierenden Parteien nur in einem Gebiet über 5% der Stimmen erhalten mussten, um in den Bundestag einzuziehen.[18]

3.3 Die Sperrklausel im Wahlrecht der Bundesländer

In den Bundesländern ist die Regelung zur Sperrklausel weitgehend dem des Bundes ähnlich, wobei sie teilweise schon vor dem Bundeswahlgesetz in den vierziger Jahren, teilweise erst in den fünfziger Jahren eingeführt wurde.

In einigen Bundesländern sind jedoch einige Besonderheiten zu beobachten. Beispielsweise gab es in Niedersachsen zwischen 1950 und 1958 keine Sperrklausel, in Bayern musste eine Partei bis 1973 zehn Prozent der Stimmen in einem Wahlkreis erhalten und Bremen hat als einziges keine auf das gesamte Bundesland bezogene 5% - Klausel.[19]

[...]


[1] Zippelius, Reinhold : Kleine deutsche Verfassungsgeschichte. S. 171

[2] GG Art. 38 Abs.1 Satz 1

[3] Internetseite: www.bundestag.de

[4] Katz, Alfred: Staatsrecht. Grundkurs im öffentlichen Recht.

[5] aus: Wahlzettel zur Wahl zum deutschen Bundestag

[6] Katz, Alfred: Staatsrecht. Grundkurs im öffentlichen Recht.

[7] Katz, Alfred: Staatsrecht. Grundkurs im öffentlichen Recht.

[8] Internetseite www.bundestag.de

[9] Internetseite: www.bundestag.de , Stand vom 26.07.02

[10] Becht, Ernst: Die 5% - Klausel im Wahlrecht. S.40

[11] Nenstiel, Volker: Die Auswirkungen der Weimarer Wahlrechtsentwicklung auf die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts. S. 234

[12] Jesse, Eckehard: Wahlrecht zwischen Kontinuität und Reform. S. 222

[13] BVerfGE 24, 300 in: Meyer, Hans: Wahlsystem und Verfassungsordnung. S. 225

[14] Bausbach, Winfried: Verfassungsrechtliche Grenzen des Wahlrechts zum deutschen Bundestag S. 255

[15] Becht, Ernst: Die 5% - Klausel im Wahlrecht. S. 33

[16] Bundestagsdrucksache 1/4090, S.20 in: Jesse, Eckehard: Wahlrecht zwischen Kontinuität und Reform. S. 223

[17] Jesse, Eckehard: Wahlrecht zwischen Kontinuität und Reform. S. 226

[18] Internetseite: www.bpb.de (Bundeszentrale für politische Bildung), Stand vom 24.07.02

[19] Jesse, Eckehard: Wahlrecht zwischen Kontinuität und Reform. S. 232/233

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Braucht das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag eine 5%-Klausel?
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
2,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
14
Katalognummer
V85634
ISBN (eBook)
9783638003483
ISBN (Buch)
9783638910309
Dateigröße
462 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Braucht, Wahlrecht, Deutschen, Bundestag
Arbeit zitieren
Melina Pütz (Autor:in), 2002, Braucht das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag eine 5%-Klausel?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85634

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