Heilpädagogisches Reiten als Erziehungsmittel bei verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen


Examensarbeit, 2007

124 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretische Grundlagen des Therapeutischen Reitens
2.1 Der Unterschied zwischen Reiten als Reitsport und Therapeutischem Reiten
2.2 Entwicklung und Organisation des Therapeutischen Reitens in Deutschland
2.3 Die Bereiche des Therapeutischen Reitens
2.3.1 Die Hippotherapie
2.3.2 Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren
2.3.3 Reitsport für Behinderte
2.4 Zusammenfassung der drei Bereiche des Therapeutischen Reitens

3 Verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche als eine Ziel- gruppe des Heilpädagogischen Reitens
3.1 Begriffsklärung Verhalten
3.2 Auffälliges Verhalten
3.3 Ursachen von Verhaltensauffälligkeiten
3.3.1 Die medizinische Sichtweise
3.3.2 Die soziologische Sichtweise
3.3.3 Die pädagogische Sichtweise
3.4 Auswirkungen auf verschiedene Lebensbereiche
3.5 Symptome/ Erscheinungsformen auffälligen Verhaltens
3.6 Diagnose von Verhaltensauffälligkeiten
3.7 Präventionsmöglichkeiten
3.8 Therapiemöglichkeiten und Lernangebote
3.9 Verhaltensauffällige Kinder in der Schule
3.10 Warum ist Heilpädagogisches Reiten eine Therapiemöglichkeit für verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche?
3.11 Zusammenfassung

4 Ziele und Zielgruppen beim Heilpädagogischen Reiten
4.1 Ziele des Heilpädagogischen Reitens
4.1.1 Emotional-kognitiver Bereich
4.1.2 Körperlicher und motorischer Bereich
4.1.3 Sozialer Bereich
4.1.4 Aufbau anderer positiver Verhaltensweisen
4.2 Zielgruppen – Indikationen und Kontraindikationen
4.2.1 Zielgruppen beim Heilpädagogischen Reiten
4.2.2 Kontraindikationen
4.3 Zusammenfassung

5 Heilpädagogisches Reiten in der Praxis
5.1 Die Reitpädagogin
5.1.1 Qualifikation
5.1.2 Konstruktives Verhalten
5.2 Das Beziehungsdreieck Kind-Pferd-Pädagoge
5.2.1 Kind und Pferd
5.2.2 Reitpädagogin und Pferd
5.2.3 Reitpädagogin und Kind
5.3 Der Einfluss der Gruppe
5.4 Rahmenbedingungen
5.5 Stundenplanung und Stundenaufbau
5.6 Abläufe und methodisches Vorgehen beim Heilpädagogischen Reiten
5.6.1 Kontakt zum Pferd vom Boden aus
5.6.2 Kontakt vom Pferderücken aus
5.7 Übungen beim Heilpädagogischen Reiten
5.7.1 Allgemeine Übungen
5.7.2 Spezielle Übungen im Heilpädagogischen Reiten
5.8 Zusammenfassung

6 Eigene Erfahrungen und Interviewergebnisse aus dem Praktikum
6.1 Vergleich der Interviewergebnisse mit den theoretischen Zielen aus Kapitel 4.1
6.2 Eigener Erfahrungsbericht
6.3 Zusammenfassung

7 Zusammenfassung
7.1 Die wichtigsten Ergebnisse
7.2 Therapeutisches Reiten in der Regelschule?
7.3 Die Grenzen des Heilpädagogischen Reitens

8 Literaturverzeichnis
8.1 Bücher
8.2 Internetquellen

9 Anhang
9.1 Datierte Internetausdrucke
9.2 Interviewfragen
9.3 Transkribierte Interviews
9.3.1 Anna, 5 Jahre
9.3.2 Andreas, 8 Jahre
9.3.3 Sabrina, 13 Jahre
9.3.4 Angelika, 5 Jahre

10 Danksagung

11 Erklärung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Schematische Darstellung der drei Bereiche des Therapeutischen Reitens (Strauß, 1991, S.23)

Abbildung 2: Bewegungsübertragung auf den Menschen (Strauß, 1991, S.13)

Abbildung 3: Voltigierübungen auf stehendem oder gehendem Pferd (Vogel, 1987, S.130f)

Abbildung 4: Spezielle Sattelvorrichtungen für Körperbehinderte (Vogel, 1987, S.48/ 75)

Abbildung 5: Spezielle Zügelführungen bei Köperbehinderten (Vogel, 1987, S.73f)

Abbildung 6: Beziehungsdreiecke in der Gruppe mit Pferden (Voßberg, 1994, S.172)

Abbildung 7: Planungsstruktur für effektive Unterrichtsplanung (Baum, 2005, S.73)

Abbildung 8: Phasenmodell einer Förderstunde (Schulz, 2005, S.236f, b)

Abbildung 9: Haltung des Führzügels (Heipertz-Hengst, 1980, S.77f)

Abbildung 10: modifizierte Form der Führzügelarbeit (Heipertz-Hengst, 1980, S.77f)

Abbildung 11: Verbindungssteg beider Trensenringe (Heipertz-Hengst, 1980, S.78f)

Abbildung 12: Führung des Pferdes an der Longe (Heipertz-Hengst, 1980, S.78f)

Abbildung 13: Ausrüstung des Pferdes mit Langzügel und Vorderzeug, (Heipertz- Hengst,1980, S.80f)

Abbildung 14: Führung des Pferdes mit Langzügel (Heipertz-Hengst, 1980, S.80f)

Abbildung 15: Ausführung von engen Wendungen mit dem Langzügel (Heipertz- Hengst, 1980, S.82)

Abbildung 16: Langzügel beim Heil- pädagogischenReiten nach Klüwer (mit Therapiegurt) (Vogel, 1987, S.134)

Abbildung 17: Handpferdereiten (Heipertz-Hengst, 1980, S.83)

Abbildung 18: Führ- und Begleitpferd in Zusammenarbeit (Heipertz-Hengst, 1980, S.84)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Gliederung der Heilpädagogik (Kobi, 1977, S.5)

Tabelle 2: Überblick über die drei Bereiche des Therapeutischen Reitens (Nach Klüwer, 1994, S.20)

Tabelle 3: Verhaltensstörung (phänomenologischer Oberbegriff) (Myschker, 1993, S.41)

Tabelle 4: Psychosozialen Belastungsfaktoren bei Kindern und Heranwachsenden (Myschker, 1993, S.114)

Tabelle 5: Klassifikation von Kindern und Jugendlichen mit Verhaltensstörungen (Myschker, 1993, S.48)

Tabelle 6: Diagnostische Verfahren (nach Myschker, 1993, S. 121-150, Ortner & Ortner, 1991, S.18-26)

1 Einleitung

In meiner Arbeit möchte ich der Frage nachgehen, in welchem Maße Heilpädagogisches Reiten verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen Lernmöglichkeiten bietet und ob es zum Aufbau positiven Verhaltens und zum Abbau negativen Verhaltens beitragen kann.

Dieses Thema hat einen aktuellen Bezug zur Problematik an unseren Schulen, da die Zahl der verhaltensauffälligen, aggressiven und delinquenten Schüler in der heutigen Zeit ständig zunimmt. Deshalb wird es nötig sein, dass wir als Lehrer einen Weg finden, um diese Situation zu bewältigen.

Als akutes Beispiel steigender Aggressivität und Kriminalität will ich die Vorfälle an der Rütli-Schule in Berlin nennen, bei denen zahlreiche Lehrer kapitulierten und einen Versetzungsantrag stellten.

Durch schlechte Essgewohnheiten, wenig Bewegung und hohen Fernsehkonsum kommt es immer häufiger zu Bewegungsauffälligkeiten. Daraus resultieren die erhöhte Zahl adipöser Kinder und die zunehmenden Haltungsschwächen und -schäden. Diese Kinder erfahren durch das Heilpädagogische Reiten eine Förderung ihrer Beweglichkeit und Motorik.

Auch die in den ersten Lebensjahren so wichtige feste Bindung zwischen Eltern und Kind ist durch die Berufstätigkeit beider Elternteile und die steigende Anzahl von Alleinerziehenden nicht mehr als selbstverständlich vorauszusetzen. Fehlende Zuwendung und Liebe kann die Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten jedoch begünstigen.

Die Beziehung zum Pferd kann helfen, Defizite in diesen Bereichen nachzuholen und zu kompensieren. Auf welche Weise dies geschieht, soll Gegenstand dieser Arbeit sein.

Es ist allerdings nur eingeschränkt möglich, Heilpädagogisches Reiten an Regelschulen anzubieten, da die Kosten eigener Pferde und einer Reitpädagogin finanziell für eine Schule meist nicht tragbar sind. Ich denke aber, dass es durchaus möglich ist, Kooperationen mit Reitvereinen oder Privatleuten herzustellen, allerdings nur unter der Vorrausetzung, dass die Pferde dafür geeignet sind und qualifiziertes Personal eingesetzt werden kann.

In Kapitel 2 werde ich auf die theoretischen Grundlagen des Therapeutischen Reitens eingehen, um zunächst einen Überblick zu schaffen. Die Hippotherapie, das Heilpädagogische Reiten und Voltigieren, der Reitsport für Behinderte und die Unterschiede zwischen den drei Bereichen sollen thematisiert werden.

Eine Zielgruppe des Heilpädagogischen Reitens sind verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche. Deshalb soll in Kapitel 3 erklärt werden, was überhaupt Verhaltens-auffälligkeiten sind, welche Symptome und Erscheinungsformen es gibt, wie eine Diagnose erstellt werden kann und welche Therapiemöglichkeiten vorhanden sind. Dieses Kapitel endet mit der Fragestellung, warum und wie das Heilpädagogische Reiten verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen helfen kann.

In Kapitel 4 sollen die Ziele des Heilpädagogischen Reitens verdeutlicht werden, um die Zielgruppen am Ende des Kapitels verstehen zu können. Natürlich sollen an dieser Stelle auch mögliche Kontraindikationen genannt werden.

Im praktischen Teil, Kapitel 5, werde ich auf die Reitpädagogin und ihre Qualifikation eingehen und darstellen, wie das Kind durch das Verhalten der Reitpädagogin gefördert werden kann. Anschließend geht es um die Beziehung Kind – Pferd - Pädagoge und die gegenseitigen Wirkungszusammenhänge. Ich werde die sozialen Lernmöglichkeiten durch die Gruppe und die förderlichen Rahmenbedingungen darstellen und außerdem auf die Stundenplanung und den Stundenaufbau hinweisen. Abschließend erkläre ich als praktisches Anschauungsbeispiel einige Arbeitstechniken und Übungen des Heilpädagogischen Reitens.

Kapitel 6 widme ich den Interviews mit den Reitpädagoginnen und Müttern, die ich während meines Praktikums im Wildpark Sommerhausen bei Würzburg gemacht habe. Ein Vergleich der Interviewergebnisse mit den Zielen aus Kapitel 4 wird dieses Kapitel abrunden.

Die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit werde ich in Kapitel 7 darstellen. Außerdem möchte ich in diesem Kapitel auf die Fragen eingehen, ob und inwiefern Heilpädagogisches Reiten an Regelschulen sinnvoll ist und wo die Grenzen des Heilpädagogischen Reitens liegen.

Im Anhang befinden sich datierte Ausdrucke der verwendeten Homepage des Kuratoriums für Therapeutisches Reiten, die Leitfragen zu meinen Interviews und die transkribierten Interviews selbst.

Zuletzt ein formaler Hinweis für den Leser:

Zur Vereinfachung und besseren Übersichtlichkeit werde ich in der Arbeit nur die weibliche Form verwenden, da in dem Bereich des Reitens und des Therapeutischen Reitens vorwiegend Frauen tätig sind.

2 Theoretische Grundlagen des Therapeutischen Reitens

2.1 Der Unterschied zwischen Reiten als Reitsport und Therapeutischem Reiten

Reiten als Reitsport untergliedert sich in verschiedene Teildisziplinen: Dressurreiten, Springreiten, Vielseitigkeitsreiten, Voltigieren, Westernreiten, Fahren, Rennreiten, Jagdreiten und Freizeitreiten. Ich möchte an dieser Stelle nur auf das Dressurreiten eingehen, da es sozusagen als Grundlage für andere Bereiche dient.

Dressurreiten bedeutet die Gymnastisierung des Pferdes und seine systematische Ausbildung bis hin zur höchsten Entfaltung seiner Bewegungen. Die Dressuraufgaben entsprechen natürlichen Bewegungen, die Hengste beispielsweise bei der Umwerbung einer Stute zeigen. Grundlegend beim Dressurreiten ist, dass das Pferd seine natürlichen Gangarten auch unter dem Reiter erhält.

„Das Pferd soll losgelassen im Gleichgewicht auf die Hilfen des Reiters eingehen“ (Brandl, 1975, S.90). Die Ausbildungsskala umfasst hierbei sechs Punkte: Takt, Losgelassenheit, Anlehnung, Schwung, Geraderichten, Versammlung (vgl. Brandl, 1975, S.90, Micklem, 2004, S.135). Ein gleichmäßiger Takt bedeutet die gleichmäßigen Gangarten des Pferdes, Losgelassenheit, dass das Pferd entspannt geht. Die Reitstunde beginnt dementsprechend mit lösenden Lektionen. Dies entspricht etwa dem Aufwärmen des Sportlers. Anlehnung ist die stetige Verbindung der Reiterhand zum Pferdemaul, das heißt, das Pferd ist aufmerksam und sensibel für mögliche Hilfen des Reiters. Es soll mit der Hinterhand kraftvoll abfußen und nicht schleppend vorangehen. Dies bezeichnet man als Schwung. Die natürliche Schiefe des Pferdes soll durch vermehrtes Reiten von Biegungen ausgeglichen und vermindert werden. Das Pferd wird dadurch gerade gerichtet. Versammlung hingegen bedeutet, dass das Genick des Pferdes die höchste Stelle bildet und seine Nase sich kurz vor der Senkrechten befindet. Außerdem tritt es in versammelter Haltung mit den Hinterbeinen vermehrt unter (vgl. Brandl, 1975, S.90ff).

Ziel der Ausbildung von Pferd und Reiter ist ein harmonisches Miteinander, bei dem die Hilfen für den Außenstehenden kaum wahrnehmbar sind.

Worin liegen aber die Unterschiede zwischen einer normalen Reitstunde und einer therapeutischen Reitstunde?

Der erste Unterschied liegt natürlich in der Qualifikation der Reitlehrerin, die eine qualifizierende Zusatzausbildung für ihren Tätigkeitsbereich (Hippotherapie, Heilpädagogisches Reiten oder Voltigieren, Reitsport für Behinderte) benötigt.

Außerdem ist die Gruppe der Reiter wesentlich kleiner, als in einer normalen Reitstunde. Möglicherweise - insbesondere in der Hippotherapie - wird auch Einzelunterricht erteilt.

Der größte Unterschied liegt aber in der Zielsetzung. Während beim Leistungsport der Erfolg am wichtigsten ist, beim Freizeitreiten vielleicht das emotionale Erleben mit und durch das Pferd, haben die drei Bereiche des Therapeutischen Reitens auch jeweils eine andere Zielsetzung. Welche das ist, werde ich in den Kapiteln 3.3.1-3.3.3 ausführlicher erläutern.

2.2 Entwicklung und Organisation des Therapeutischen Reitens in Deutschland

Anfang der Sechziger Jahre begann die Entwicklung des Therapeutischen Reitens in Deutschland, gleichzeitig aber auch in anderen Ländern. Dr. med. Druschky veröffentlichte 1961 die erste Arbeit über die Arbeit mit kranken und behinderten Patienten auf dem Pferd in der Klinik Rappenau (vgl. Vogel, 1987, S.31). Es folgten weitere Bücher und Veröffentlichungen. Die Arbeit in Deutschland begann mit dem medizinischen Einsatz des Pferdes in der Hippotherapie, während in anderen Ländern (Kanada, Frankreich, Großbritannien, Italien, Skandinavien und USA) zuerst der Reitsport für Behinderte populär wurde (vgl. Klüwer, In Kröger, 2005, S.14).

Am 25.11.1970 wurde das Kuratorium für Therapeutisches Reiten (KThR) gegründet. Seit 1992 nennt es sich Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten (DKThR) und verfügt mittlerweile über 3000 Mitglieder (vgl. http://www.dkthr.de/dkthrfakten.php, http://www.dkthr.de/dkthrfakten.php?n2=historie [03.04.2007])

Die folgende Zusammenfassung zeigt die Ziele des DKThR.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Mittlerweile gibt es auch eine internationale Zusammenschließung, die Internationale Föderation für therapeutisches Reiten (Fed. RDI), aus ca. 52 Organisationen. Diese Organisation bemüht sich bislang um eine internationale Bezeichnung, weil die anderen Länder oft einen anderen Begriff als Therapeutisches Reiten verwenden (vgl. Klüwer, 2005, S.14f).

2.3 Die Bereiche des Therapeutischen Reitens

Der Laie mag verwirrt sein über die vielen, ähnlich klingenden Begriffe: Therapeutisches Reiten, Reittherapie, Hippotherapie, Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren.

Eine Gemeinsamkeit aller Bereiche formuliert C. Klüwer: „In dem gesamten Gebiet des Therapeutischen Reitens werden die emotionalen und kommunikativen Möglichkeiten des Pferdes (sein ‚Interieur’) ebenso wie seine körperlichen und bewegungsspezifischen Besonderheiten (sein ‚Exterieur’) eingesetzt, um Kranke oder behinderte Menschen aller Altersstufen zu fördern“ (Klüwer, 1994, S.18). Meiner Meinung nach könnte man zu der genannten Zielgruppe auch gesunde Menschen hinzufügen, da auch sie eine Förderung durch das Reiten erfahren (können).

In diesem Kapitel soll die Beziehung der Begriffe untereinander verdeutlicht werden.

Therapeutisches Reiten stellt lediglich den Oberbegriff für die folgenden drei Teilbereiche dar: die Hippotherapie, das Heilpädagogische Reiten oder Voltigieren und der Reitsport für Behinderte. Das Kuratorium für Therapeutisches Reiten ordnete diese drei Teilbereiche den Disziplinen Medizin, Pädagogik und Sport zu (vgl. Strauß, 1991, S.23).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 : Schematische Darstellung der drei Bereiche des Therapeutischen Reitens (Strauß, 1991, S.23)

So steht das Pferd in der Abbildung 1 im Zentrum der drei Teilbereiche des Therapeutischen Reitens (Hippotherapie, Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren und Reitsport für Behinderte). Die Hippotherapie wird hierbei der Medizin zugeschrieben, das Heilpädagogische Reiten und Voltigieren der Pädagogik und der Reitsport für Behinderte dem Sport. Der Begriff der Reittherapie/ Reittherapeut ist veraltet und durch Therapeutisches Reiten ersetzt worden. Ich werde deshalb in meiner Arbeit für den Bereich des Heilpädagogischen Reitens den Begriff der Reitpädagogin verwenden.

In der Praxis können die Bereiche nicht deutlich voneinander getrennt werden, weshalb es zwischen ihnen zu Überschneidungen kommt. Diese Schnittmengen wurden in der Abbildung optisch hervorgehoben.

Nun werde ich die drei Bereiche und deren Unterschiede im Einzelnen darstellen.

2.3.1 Die Hippotherapie

„Hippotherapie ist krankengymnastische Behandlung auf neurophysiologischer Grundlage mit Hilfe vom Pferd (griech. Hippos)“ (Strauß, 1991, S.26). Die Therapie wird vom Arzt verordnet und von einem Krankengymnast mit Zusatzausbildung durchgeführt.

Ich werde in diesem Kapitel erklären, was das Besondere an der Hippotherapie ist. Die folgenden Beschreibungen sind auf die Gangart Schritt bezogen, weil sie die häufigste Gangart in der Hippotherapie ist. Für die Therapie macht man sich die Schwingungen, die das Pferd auf den Reiter überträgt zu Nutze. Der Reiter bewegt sich (siehe Abbildung 2) vor und zurück (durch die Beschleunigung und das Abbremsen des Pferdes) und hoch und tief (durch das Aufwölben und Senken des Pferderückens). Zusätzlich gibt es eine Seit-zu-Seit-Bewegung des Reiters (durch das Absinken der nicht gestützten Seite des Pferdekörpers) (vgl. Strauß, 1991, S.12). Außerdem führen die Beine des Pferdes Diagonalbewegungen durch, die der Reiter durch feine gegensinnige Rotationsbewegungen der Wirbelsäule auf verschiedenen Höhen beantwortet (vgl. Strauß, 1991, S.27). „Die Fazilitation dieser Diagonalbewegungen in Aufrichtung und rhythmischer gangtypischer Vorwärtsbewegung durch das Pferd ist keiner anderen krankengymnastischen Methode möglich“ (Strauß, 1991, S.27).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 : Bewegungsübertragung auf den Menschen (Strauß, 1991, S.13)

Die Schwingungen des Pferdes lösen Bewegungen aus, die Dysbalancen durch Tonusregulierung beseitigen und somit Fehlhaltungen verbessern und korrigieren (vgl. Strauß, 1991, S.26). Außerdem werden die Balance und das Gleichgewicht geschult. Neben den oben genannten körperlichen Auswirkungen hat das Pferd natürlich auch eine emotionale Wirkung auf den Patienten.

Der Krankengymnast sollte ebenso Kenntnisse über die Ansätze der Psychomotorik und deren Wirkungsweise auf den Patienten kennen.

Das Therapiepferd:

Natürlich sollte das Pferd einen guten Charakter haben, zuverlässig, nicht schreckhaft, nicht zu temperamentvoll, aber auch nicht träge sein. Ein geeignetes Therapiepferd für die Hippotherapie zeichnet sich durch einen guten gleichmäßigen Gang aus. „Das erfahrene Therapiepferd dosiert seine Schrittbewegung entsprechend der Bewegungsmöglichkeit des Patienten. Damit versucht es, die Störung durch das Bewegungsdefizit des Patienten – seine Behinderung – möglichst gering zu halten“ (Strauß, 1991, S.33). Dies kann sich der erfahrene Krankengymnast zu Hilfe machen, denn er liest an der Bewegung des Pferdes ab, ob der Reiter gelöst und locker auf dem Pferd sitzt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.3.2 Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren

Der Arbeitskreis Heilpädagogisches Voltigieren/ Reiten, der sich innerhalb des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten um die Weiterentwicklung bemüht, definiert Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren so:

Unter dem Begriff heilpädagogisches Voltigieren/ Reiten werden pädagogische, psychologische, psychotherapeutische, rehabilitative und soziointegrative Angebote mit Hilfe des Pferdes bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit verschiedenen Behinderungen oder Störungen zusammengefasst. Dabei steht nicht die reitsportliche Ausbildung, sondern die individuelle Förderung über das Medium Pferd im Vordergrund, d.h. vor allem eine günstige Beeinflussung der Motorik, der Wahrnehmung, des Lernens, des Befindens und des Verhaltens. (Schulz, 2005, S.18, a)

Das Pferd hilft der Reitpädagogin, eine vertrauensvolle Basis zum Kind aufzubauen. Die Absicht des Heilpädagogischen Reitens ist zudem, dass das Kind/ der Jugendliche sich ein Handlungskonzept für den Umgang mit anderen – zunächst modellhaft mit dem Pferd – erarbeitet (vgl. Kröger, 2005, S.52, b).

Das Heilpädagogische Reiten fordert nicht nur körperliche Fähigkeiten. Durch die Beziehung zum Pferd werden auch geistige und seelische Bereiche des Menschen angesprochen. Außerdem wird der soziale und intellektuelle Bereich durch die Beziehungen in der Gruppe, zum Pädagogen und zum Pferd angesprochen. Wegen dieser vielfältigen Wirkungsweise ist das Heilpädagogische Reiten[1] als ganzheitliche Methode anzusehen (vgl. Pietrzak, 2001, S.16).

Nicht der sportliche Aspekt des Reitens steht beim Heilpädagogischen Reiten im Vordergrund, sondern die individuelle Förderung der einzelnen Kinder. Die Gruppen sollten deshalb zur besseren Förderung auch etwas kleiner als in einer normalen Reitstunde sein.

Beim Heilpädagogischen Reiten wird außerdem situationsbezogen und prozesshaft vorgegangen. Das Kind handelt seiner Entwicklung gemäß und ihm wird auch die benötigte Entwicklungszeit eingeräumt. Es gibt keinen Leistungsdruck und das Kind wird auch an keiner Norm gemessen wie z.B. in der Schule (vgl. Pietrzak, 2001, S.34).

Dadurch, dass das Kind dem Pferd gleichzeitig Vertrauen und Respekt entgegen bringt, eignet es sich hervorragend zur Initiierung von Lernprozessen.

Weil die inneren Konflikte eines Kindes nicht von außen sichtbar sind, z.B. durch Gestik und Mimik, arbeitet man beim Heilpädagogischen Reiten von außen nach innen. Das bedeutet, man kann „durch die allmähliche Veränderung der äußeren Bedingungen und Haltungen die innere Einstellung und Haltung verändern“ (Pietrzak, 2001, S.66).

Eine Unterteilung in Heilpädagogisches Reiten und Heilpädagogisches Voltigieren ist aus reitsportlicher Sicht durchaus sinnvoll, da Reiten und Voltigieren zwei verschiedene Disziplinen im Reitsport sind. Allerdings stimme ich I.-M. Pietrzak zu, dass aus therapeutischer Sicht eine strikte Trennung nicht sinnvoll ist (vgl. Pietrzak, 2001, S.30f). Es ist jedoch so, dass die Reitpädagogin, wenn sie Heilpädagogisches Reiten und Heilpädagogisches Voltigieren unterrichten möchte, zwei reiterliche Qualifikationen benötigt (vgl. Ringbeck, 1998, S.19, b).

Meiner Auffassung nach kann man durchaus Übungen aus dem Voltigieren (siehe Kapitel 3.3.3.2) in das Heilpädagogische Reiten integrieren. Natürlich müssen diese Übungen an die Kinder angepasst werden und können dann eben statt im Galopp nur im Stand oder Schritt ausgeführt werden. Außerdem ist es zu Beginn für das erste Körpergefühl besser, nur mit einem Voltigiergurt auf dem blanken Pferderücken zu reiten. Wenn die erste Vertrautheit zwischen Mensch und Tier geschaffen ist, kann dann auf den Sattel umgestiegen werden.

So ist eine Verbindung von heilpädagogischem Reiten und Voltigieren möglich und auch sinnvoll.

In den nächsten zwei Unterpunkten gehe ich zum erweiterten Verständnis noch tiefer auf die Begriffe Heilpädagogik und Voltigieren ein.

Begriffserklärung Heilpädagogik

Da der Begriff der Heilpädagogik für das Thema Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren von großer Bedeutung ist, möchte ich ihn an dieser Stelle etwas genauer erläutern.

Heilpädagogik wird häufig synonym zu den Begriffen Sonderpädagogik, Spezialpädagogik, Orthopädagogik, Behindertenpädagogik und Rehabilitationspädagogik verwendet (vgl. Klein, Meinertz & Kausen, 1999, S.21).

Heilpädagogik bezeichnet einen Zweig der Erziehungswissenschaft für die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, bei denen die Methoden der Regelschule nicht mehr ausreichend wirksam sind.

H. Hanselmann (1885-1960) hatte die erste Universitätsprofessur für Heilpädagogik in Europa inne. Er definierte Heilpädagogik folgendermaßen:

Heilpädagogik ist die Lehre vom Unterricht, von der Erziehung und Fürsorge aller jener Kinder, deren körperlich-seelische Entwicklung dauernd durch individuale und soziale Faktoren gehemmt ist. Solche Faktoren sind: 1. Mindersinnigkeit und Sinnesschwäche (blinde, sehschwache, taube, schwerhörige, taubblinde Kinder), 2. Entwicklungshemmung des Zentralnervensystems (leichter, mittel- und schwer geistesschwache Kinder), 3.Neurophatische und psychophatische Konstitution, körperliche Krankheit, Verkrüppelung, Umweltfehler (schwererziehbare [sic] Kinder). (Hanselmann, 1966, S.11f)

Der erste Teil des Begriffes „Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren“ kann also auch als Hinweis auf die Zielgruppe verstanden werden. Es handelt sich hierbei um verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche, die dem Punkt drei der vorausgegangenen Definition zugeordnet werden können und die ich in meiner Arbeit näher erläutern werde.

Daraus folgend kann „Heilpädagogisches Reiten“ als die Erziehung von Kindern und Jugendlichen (die in eine der genannten Gruppen der Definition passen) durch das Reiten verstanden werden.

E. Kobi hat die Grundfragen der allgemeinen Heilpädagogik, die Behinderungsformen unter der Sicht der speziellen Heilpädagogik und die Aufgabenfelder der Heilerziehung in einer Tabelle veranschaulicht (siehe Tabelle 1). Diese habe ich für einen groben Überblick ausgewählt.

Tabelle 1: Gliederung der Heilpädagogik (Kobi, 1977, S.5)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Man muss allerdings feststellen, dass der Begriff der Heilpädagogik unpassend erscheint, da nicht im traditionellen Sinne geheilt wird. „Die Hauptaufgabe der immer noch so genannten ´Heilpädagogik´ besteht darin, nach den Möglichkeiten der Erziehung zu suchen, wo etwas Unheilbares vorliegt. Die Hilfe der Heilpädagogik besteht in einer angemessenen Erziehung dort, wo erschwerende Bedingungen vorliegen“ (Moor, 1974, S. 259f).

Da in meiner Arbeit der Begriff der Therapie häufig verwendet wird (siehe Kapitel 3), möchte ich an dieser Stelle darauf eingehen. So ist Therapie nicht mehr lediglich als Heilung einer Krankheit anzusehen. Die Verhaltenstherapie (eine Symptomtherapie) sucht beispielsweise gar nicht mehr nach Ursachen. Grundgedanke ist, dass man eine Person ohne Kenntnis der Ursache durch Aufbau neuen Verhaltens von psychischem Leid befreien kann. Dies kann dann ebenso als Erziehung angesehen werden. Deshalb sind die Grenzen zwischen Therapie und Erziehung als fließend anzusehen ähnlich den Begriffen Spieltherapie, Maltherapie u.a. (vgl. Haeberlin, 1996, S.18f).

Begriffserklärung Voltigieren

Voltigieren bedeutet turnerische Gymnastik auf dem galoppierenden Pferd. Das Pferd, der Ausbilder und das Voltigierteam bilden hierbei eine Einheit. Das heißt jeder ist auf den anderen angewiesen: Die Teammitglieder untereinander (z.B. bei Partnerübungen), das Team auf ein gleichmäßig galoppierendes Pferd und somit auch auf den Longenführer, der das Pferd führt (vgl. Scheinert, 1978, S.8).

Beim Voltigieren läuft das Pferd im Galopp an der Longe (siehe Kapitel 6.9.2) immer im Kreis (Durchmesser 13m) um den Longenführer herum, während die Kinder auf dem Pferd verschiedene Turnübungen ausführen.

Voltigieren stellt ein Muskeltraining für den ganzen Körper dar und das Kind muss sich dem Rhythmus des Pferdes anvertrauen. Die Übungen gelingen erst, wenn sich das Kind losgelöst und ohne Verkrampfungen auf dem Pferd bewegt. Durch das Erreichen kleiner Erfolge (z.B. erstes Stehen auf dem galoppierenden Pferd) werden Ängste ab und Selbstbewusstsein aufgebaut (vgl. Scheinert, 1978, S.12).

Im Leistungssport besteht die fünfzehnminütige Darstellung einer Voltigiergruppe (bestehend aus acht Voltigierern und Ersatzmann) aus dem Pflichtprogramm und der Kür. Das Pflichtprogramm beinhaltet folgende sechs Übungen: Der Sprung in den Grundsitz, Fahne, Mühle, Flanke, Stehen und Schere (vgl. Scheinert, 1978, S.26-36). Auf der folgenden Abbildung (Abbildung 3) werden einige der Pflichtübungen dargestellt. Sie sind allerdings so ausgewählt, dass sie z.B. beim Heilpädagogischen Voltigieren im Stand oder Schritt oder auch von weniger sportlichen Menschen ausgeführt werden können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Voltigierübungen auf stehendem oder gehendem Pferd (Vogel, 1987, S.130f)

Die Kür besteht aus einer vom Ausbilder und der Gruppe zusammengestellten Abfolge von Aufsprüngen, Einzel-/Partner-/Dreierübungen und Abgängen. Die Kürübungen werden in verschiedene Schwierigkeitsgrade eingeteilt und dementsprechend bewertet.

2.3.3 Reitsport für Behinderte

Der Reitsport für Behinderte ist die chronologisch letzte Entwicklung des Therapeutischen Reitens (vgl. Förster, 2005, S.75). Das Reiten ist hier nicht mehr als therapeutische Maßnahme anzusehen, sondern als aktiver Freizeitsport für Menschen mit Behinderungen. Reiten dient dabei der Rehabilitation, der sportlichen Bewegung und der Integration mit Nichtbehinderten.

Es stellt sich natürlich die Frage, warum insbesondere Reiten als Sport für behinderte Menschen geeignet ist und wo die Unterschiede zum normalen Reitsport liegen.

Zunächst einmal ist jede Bewegung für den Menschen mit Behinderungen förderlich, da er durch seine Behinderungen in seiner Beweglichkeit eingeschränkt ist. Bewegung ist wichtig, um Sekundärschäden als Folge von Bewegungsmangel vorzubeugen. Diese Schäden beziehen sich nämlich häufig auch auf die geistig-seelische Entwicklung (vgl. Heipertz-Hengst, 1980, S.11).

Reiten bietet sich deshalb als Sport für Menschen mit Behinderungen an, weil durch die Sitzform die Gesamtkörperbelastung niedriger ist als bei anderen Sportarten und die Gelenke entlastet werden. Außerdem lassen sich technische und organisatorische Probleme beispielsweise durch eine andere Ausstattung lösen (vgl. Heipertz-Hengst, 1980, S.11).

„Grundlage des Behindertenreitens ist die weiterentwickelte klassische Reitehre“ (Heipertz-Hengst, 1980, S.11), so dass dem behinderten Reiter nach vorheriger Differenzierung im Prinzip alle Disziplinen des Reitens offen stehen, was ihm ein enormes Selbstbewusstsein verleiht, da er denselben Sport ausführt wie ein Nichtbehinderter.

C. Heipertz-Hengst hat mit sehr schönen Worten beschrieben, was das Reiten für den Menschen mit Behinderung bedeuten kann. Deshalb möchte ich das Zitat an dieser Stelle einfügen:

Welch tiefes Erlebnis liegt darin, nun vom Pferderücken aus eine ganz neue, erhöhte Perspektive zu gewinnen, sonst unerreichbare Räume zu erschließen, die kraftvollen, zügigen und harmonischen Bewegungen nach- und mitzuvollziehen, die eigene Einwirkung auf dieses große starke Tier in seiner willigen Reaktion zu spüren! Darin liegen Möglichkeiten, einen Beitrag zur Entwicklung der Persönlichkeit zu leisten, Defizite aufzuholen und auszugleichen. Das gilt auch für den sozialen Bereich, in dem das Pferd den Behinderten gleichsam aus seiner Isolation herausträgt, in die unsere Gesellschaft ihn viel zu oft verdrängt. (Heipertz-Hengst, 1980, S.19)

Der behinderte Reiter kann ebenfalls an Reiterferien, Reitlagern, Reitfesten oder Turnieren (auch mit nicht behinderten Menschen) teilnehmen, sofern er das möchte und dazu in der Lage ist. Lediglich das Springen von Parcours ist z.B. bei einer Spastik in den Beinen nicht möglich (vgl. Vogel, 1987, S.89f).

Das Reiten steht Menschen mit Körperbehinderungen, Sinnesbehinderungen (Blinden und Tauben) und Menschen mit geistigen Behinderungen offen. Es ist jedoch wichtig, dass die Reitanlage behindertengerecht ausgebaut ist. Dazu gehört eine tragbare oder fest installierte Rampe, auf die man auch mit dem Rollstuhl fahren kann. Zusätzlich werden selbstverständlich Helfer für die nötige Hilfestellung und zum Sichern gebraucht (vgl. Heipertz-Hengst, 1980, S.21-43).

Vor allem für Körperbehinderte werden auch häufig spezielle Zügelkonstruktionen, Sättel oder auch Steigbügel benötigt (siehe Abbildung 4 und 5).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4 : Spezielle Sattelvorrichtungen für Körperbehinderte (Vogel, 1987, S.48/ 75)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5 : Spezielle Zügelführungen bei Köperbehinderten (Vogel, 1987, S.73f)

Das linke Bild von Abbildung 4 zeigt Halteriemen zur Ruhigstellung der Hände, so dass ein Reiter mit unruhigen Händen das Pferd nicht im Maul stören kann. Das Rechte zeigt einen Sitzkeil, der am Sattel befestigt wird, um bei Haltungsproblemen die Aufrichtung des Reiters zu unterstützen. Abbildung 5 zeigt links einen Reithandschuh für einhändige Reiter mit Haken für den Kandarenzügel. Rechts oben sieht man einen behinderten Reiter mit verkürzten Armen, der einen Schlaufenzügel benutzt. Auf dem unteren Bild reitet ein Mensch ohne Arme mit Kesselpauker-Zügeln. Diese werden am Steigbügel befestigt, so dass der Reiter seine Hilfen durch das Ein- und Ausdrehen und das Vor- und Zurücknehmen der Füße geben kann (vgl. Vogel, 1987, S.48 und 73ff).

2.4 Zusammenfassung der drei Bereiche des Therapeutischen Reitens

Tabelle 2: Überblick über die drei Bereiche des Therapeutischen Reitens (Nach Klüwer, 1994, S.20)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3 Verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche als eine Zielgruppe des Heilpädagogischen Reitens

3.1 Begriffsklärung Verhalten

Um verstehen zu können, worum es sich bei Verhaltensauffälligkeiten handelt, soll zunächst erklärt werden, was Verhalten überhaupt ist. Die Brockhaus Enzyklopädie definiert Verhalten folgendermaßen:

Zusammenfassende Bez. für alle Aktivitäten des lebenden Organismus (Bewegung, Körperstellungen, Lautäußerungen, chem. und taktile Signale u.a.), die wahrnehmbar, messbar, manchmal auch nur zu erschließen sind; meist aufgefasst als Reaktion auf bestimmte Reize oder Reizmuster, die auf den Organismus einwirken. (Brockhaus Enzyklopädie, 1994, S.209)

Wie man sehen kann, ist Verhalten ein sehr weit gefasster Begriff. Dies hat zur Folge, dass die Erscheinungsformen auffälligen Verhaltens ebenfalls äußerst vielfältig sind.

N. Myschker unterteilt den Begriff Verhalten zusätzlich in adaptiertes und maladaptiertes Verhalten (vgl. Myschker, 1993, S.40). Adaption bezeichnet hierbei die Anpassung an die Umwelt, Maladaption die wörtlich schlechte oder unangemessene Adaption.

3.2 Auffälliges Verhalten

Nachdem der Begriff des Verhaltens hinreichend erklärt wurde, soll verdeutlicht werden, wie auffälliges Verhalten definiert ist. In der Brockhaus Enzyklopädie ist Verhaltensauffälligkeit so beschrieben:

In Schule, Erziehungs- und Familienberatungsstellen u.a. Einrichtungen verwendeter Begriff für erziehungsschwieriges Verhalten von Kindern und Jugendlichen, das sich äußern kann in Aggressivität oder Rückzugsverhalten, Unruhe, Sprach-, Konzentrations- und Lernbeeinträchtigung, Eß- und Schlafstörungen, Ängsten (z.B. Schulangst), Einnässen, Streunen, Drogenkonsum, Eigentumsdelikten u.a. Formen. (Brockhaus Enzyklopädie, 1994, S.209)

Die Brockhaus-Definition beschränkt sich auf die Formen, wie sich auffälliges Verhalten äußern kann. N. Myschker hingegen beschreibt in seiner Definition auch, was ein solches Verhalten bedingen kann und unter welchen Umständen es gemindert werden kann:

Verhaltensstörung ist ein von den zeit- und kulturspezifischen Erwartungsnormen abweichendes maladaptives Verhalten, das organogen und/oder milieuaktiv bedingt ist, wegen der Mehrdimensionalität, der Häufigkeit und des Schweregrades die Entwicklungs-, Lern- und Arbeitsfähigkeit sowie das Interaktionsgeschehen in der Umwelt beeinträchtigt und ohne besondere pädagogisch-therapeutische Hilfe nicht oder nur unzureichend überwunden werden kann. (Myschker, 1993, S.41)

Auffälliges Verhalten ist Forschungsgegenstand vieler Fachrichtungen (Medizin, Psychologie, Pädagogik und Soziologie), die sich auch gegenseitig ergänzen. So gibt es natürlich keine einhellige Meinung, sondern unterschiedliche Ansätze.

Tabelle 3 zeigt eine Unterteilung in die pädagogische, die medizinisch-psychologische und die juristische Sichtweise.

Tabelle 3 : Verhaltensstörung (phänomenologischer Oberbegriff) (Myschker, 1993, S.41)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wenn man sich mit der Thematik des auffälligen Verhaltens beschäftigt, trifft man außerdem auf eine Vielzahl weiterer Begriffe, die dasselbe, jeweils unter anderen Gesichtspunkten, bezeichnen: Verhaltensstörung, abweichendes Verhalten, Entwicklungsstörung, erziehungsgestört, erziehungsschwierig u.a..

Während die Begriffe auffälliges Verhalten und abweichendes Verhalten darauf hinweisen, dass es einen Betrachter geben muss, der dieses beurteilt, weißt der letzte Begriff schon auf die Probleme im Umgang mit dem Verhalten, beispielsweise in der Schule, hin.

Laut N. Myschker sind die Begriffe der Verhaltensauffälligkeit und der Verhaltensstörung als Synonyme zu verstehen (vgl. Myschker, 1993, S.38). Deshalb werde ich in meiner Arbeit beide Begriffe verwenden, da letzterer häufiger in der Literatur zu finden ist, mir ersterer aber wertneutraler erscheint.

Eines aber lassen alle Begriffe offen: Wer beurteilt nach welchen Kriterien, ob ein Kind auffälliges Verhalten zeigt oder nicht? Ich denke, dass diese Frage hier nicht eindeutig beantwortet werden kann, da Verhalten immer an geltenden Normen und Werten gemessen wird und sich diese Werte in einem stetigen Wandel befinden.

In Anbetracht der Schule und dem damit verbundenen Erziehungsauftrag ist diese Fragestellung natürlich von großer Bedeutung. Jeder Lehrer orientiert sich in seinem pädagogischen Handeln an seinen individuellen Erziehungszielen. „Entscheidungen in der Erziehungspraxis werden im Blick auf bestimmte Ziele- und die dahinter liegenden Normen und Werte getroffen: […]“ (Gudjons, 2003, S.192). Deshalb ist die Beurteilung des Schülerverhaltens durch den Lehrer auch stets subjektiv geprägt, da jeder Lehrer seine eigenen Wertvorstellungen hat.

Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Lehrer den Wirkungszusammenhang von Schule und der Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten verstehen. Außerdem sollten Kenntnisse über die Ursachen, die Diagnose und die Prävention bzw. Therapie von Verhaltensauffälligkeiten vorhanden sein.

Daher sollen genannte Themengebiete Inhalte der nächsten Kapitel sein. Ich werde zunächst die Ursachen von Verhaltensauffälligkeiten aus medizinischer, soziologischer und pädagogischer Sicht aufzeigen.

3.3 Ursachen von Verhaltensauffälligkeiten

Verhaltensstörungen sind multifaktoriell bedingt Die Frage nach den Ursachen von Verhaltensauffälligkeiten ist daher nicht eindeutig zu beantworten (vgl. Myschker, 1993, S.43).

Jeder Fachbereich hat auch hier jeweils seine eigenen Erklärungsversuche. N. Myschker nennt hier den biophysischen Aspekt (medizinischer und humanethologischer Ansatz), den psychologischen Aspekt (psychoanalytischer, individualpsychologischer, humanistisch-psychologischer und lerntheoretischer Ansatz), den soziologischen und den pädagogischen Aspekt (vgl. Myschker, 1993, S.72-106).

Andere Autoren unterscheiden lediglich nach endogenen und exogenen Ursachen. Endogen bedeutet, dass die Ursachen primär im Menschen selbst liegen, exogen, dass die Ursachen von Umwelteinflüssen abhängen (vgl. Ortner & Ortner, 1991, S.6fff).

Alle Ansätze genauer zu erläutern würde den Rahmen meiner Arbeit sprengen. Ich möchte mich deshalb auf die Sichtweisen der Medizin, der Soziologie und der Pädagogik beschränken, da die Letzteren beiden für meinen zukünftigen Lehrerberuf sehr relevant sind. Die medizinische Sichtweise ist bedeutsam, weil ein Lehrer auch Kenntnis über solche Zusammenhänge haben sollte, um Eltern beraten zu können.

In meiner Darstellung würde die medizinische Sichtweise eine endogene Ursache, die soziologische und pädagogische exogene Ursachen darstellen.

3.3.1 Die medizinische Sichtweise

Aus medizinischer Sicht werden genetische, neurale, biochemische und entwicklungsmäßige Störungen oder Kombinationen aus diesen als Ursache für Verhaltensauffälligkeiten angesehen. Diese können pränatal, subnatal, postnatal und auch in der weiteren Entwicklung auftreten. Am größten ist eine Gefährdung allerdings in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten, da hier die Organe des Kindes entwickelt werden (vgl. Myschker, 1993, S.80).

Häufig ist neben zahlreichen anderen Ursachen eine Schädigung des Gehirns Ursache für auffälliges Verhalten. An dieser Stelle ist die minimale cerebrale Dysfunktion (MCD), eine leichte frühkindliche Hirnschädigung, zu nennen, da sie mit die häufigste medizinische Ursache auffälligen Verhaltens ist. Mögliche Ursachen für eine minimale cerebrale Dysfunktion können sein:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die MCD kann sich äußerst vielfältig zeigen und es können Überschneidungen mit hyperkinetischen Störungen, Lernstörungen und Verhaltensstörungen auftreten (vgl. Myschker, 1993, S. 334). Die Bereiche, die von den Symptomen der MCD betroffen sein können, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nicht jedes im Verhalten auffällige Kind hat jedoch eine minimale cerebrale Dysfunktion. Deshalb sollte mit diesem Begriff vorsichtig umgegangen werde, da es sonst, wie im nächsten Kapitel beschrieben zu Stigmatisierungs- und Etikettierungsprozessen kommen kann.

Wenn der Lehrer oder die Eltern jedoch den Verdacht haben, dass eine minimale cerebrale Dysfunktion vorliegen könnte, sollte die Feststellung der Diagnose durch einen Neurologen oder Arzt erfolgen.

3.3.2 Die soziologische Sichtweise

Die Ursachen für Verhaltensstörungen sind aus soziologischer Sicht nicht beim Individuum, sondern in sozialen Interaktionen und Erwartungen an das Kind zu suchen.

Eine Verhaltensstörung ist aus sozialwissenschaftlicher Sicht eine Problemlösungstrategie der betroffenen Person für Probleme (die u.a. durch Normen der Umwelt entstanden sind), die von den Bezugspersonen nicht akzeptiert werden kann (vgl. Lauth, 1983, S.13). In dieser Definition steht im Gegensatz zu der medizinischen Sichtweise (im vorherigen Kapitel) nicht das Individuum mit seinen körperlichen oder organischen Beeinträchtigungen im

Vordergrund, sondern die Außenstehenden, die mit an der Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten beteiligt sind und sich von diesen gestört fühlen.

Unter sozialwissenschaftlicher Sicht werden Verhaltensauffälligkeiten als Etiketten angesehen, die Kinder mit unangepasstem Verhalten aufgrund mangelnder Fertigkeiten von Bezugspersonen zugeschrieben bekommen (Lauth, 1983, S.11). Diese Etiketten, die Außensicht der anderen, werden schließlich in das Selbstbild des Kindes übernommen und bestimmen danach das Verhalten des Kindes. Man kann also sagen, dass „psychische Beeinträchtigungen und Verhaltensstörungen in einem engen Zusammenhang mit fehlenden oder mangelnden Fähigkeiten (..) stehen“ (Lauth, 1983, S.19, zitiert nach Philipps, 1970, Sommer, 1977).

Daraus ergibt sich wiederum, dass die Kompetenzvermittlung und das Wissen um den Einsatz der Fertigkeiten eine Möglichkeit ist, Verhaltensstörungen vorzubeugen bzw. sie zu mindern (vgl. Lauth, 1983, S.19).

Das Heilpädagogische Reiten kann bei dieser Kompetenzvermittlung und den Wissensaufbau um den Einsatz von Fertigkeiten beitragen (siehe Kapitel 4).

3.3.3 Die pädagogische Sichtweise

Aus pädagogischer Sicht wird die Ursache von Verhaltensstörungen im Zusammenspiel von individuellen organischen Bedingungen, Entwicklungsbedingungen und Umwelt-gegebenheiten gesehen (vgl. Myschker, 1993, S.106).

Die wichtigste Bedeutung hat hierbei das Erziehungsverhalten der Dauerbezugsperson, also meistens der Mutter. In dieser Hinsicht spielt vor allem ein ungleicher Erziehungsstil, Zurückweisung, Liebesüberflutung, Herrschsucht, die Unterordnung unter das Kind, häusliche Gewalt, sexueller Missbrauch und Vernachlässigung eine Rolle bei der Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten.

„Verhaltensstörungen verhindern und ein sozial adäquates Verhalten etablieren, kann am ehesten ein Erziehungsverhalten, das durch emotionale Wärme, hilfreicher Kontrolle im Sinne notwendiger Grenzsetzungen, kommunikative Offenheit und unterstützendes, positiv verstärkendes Verhalten gekennzeichnet ist“ (Myschker, 1993, S.111, zitiert nach Tausch/Tausch, 1991).

Neben dem Elternhaus spielt die Schule ebenfalls eine große Rolle. Durch den Schulbesuch können Verhaltenstörungen entstehen oder verstärkt werden. Etikettierungsprozesse des Lehrers können zur Entstehung oder zur Festigung von Verhaltensstörungen beitragen (siehe vorheriges Kapitel). Außerdem bedingen eventuell Leistungsüberforderungen und ständige Stresssituationen bei Schülern Verhaltensauffälligkeiten (vgl. Myschker, 1993, S. 112).

Andere Wirkungszusammenhänge können die Einschulung, eine hohe Klassenfrequenz, das Fahren mit dem Schulbus oder eine Veränderung der Schulsituation durch Umzug oder Lehrerwechsel sein.

Außerdem stehen der Unterrichtsstil und das Lehrerverhalten im Zusammenhang mit Verhaltensauffälligkeiten. Vorherrschender Frontalunterricht berücksichtigt das Kind mit seinen individuellen Persönlichkeitsmerkmalen nur in geringem Maße. Dadurch können sich Beziehungen zum Lehrer und zur Klasse nur schlecht entwickeln. Außerdem ist es dem Kind nicht möglich, seine individuelle Begabung in der Schule einzubringen. Dies ist allerdings für den Aufbau von Selbstwerterleben, Selbstsicherheit, sozialer Kontaktaufnahme und Lernen auf der Basis eigener Leistungsfähigkeit notwendig (vgl. Ortner & Ortner, 1991, S.13). Das Lehrerverhalten kann durch Etikettierungsprozesse oder beispielsweise durch einen komplementären Erziehungsstil im Vergleich zu den Eltern die Bildung von Verhaltensauffälligkeiten begünstigen.

Tabelle 4 soll zusammenfassend die verschiedenen Belastungsfaktoren des Kindes nach Schweregrad nochmals zusammenfassen.

Tabelle 4 : Psychosozialen Belastungsfaktoren bei Kindern und Heranwachsenden
(Myschker, 1993, S.114)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.4 Auswirkungen auf verschiedene Lebensbereiche

Verhaltensauffälligkeiten sind sehr vielfältig und können viele Lebensbereiche des Kindes oder des Jugendlichen betreffen. Die folgende Übersicht soll diese Bereiche veranschaulichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.5 Symptome/ Erscheinungsformen auffälligen Verhaltens

G. Lauth schreibt, dass auffällige Verhaltensweisen aus medizinischer Sicht als Krankheitswert und Symptom angesehen werden (vgl. Lauth, 1983, S.11). Symptome sind als „Merkmale für eine ursächlich wirkende intrasomatische oder intrapsychische Krankheit, Schädigung oder Störung (Myschker, 1993, S.43) anzusehen. Das bedeutet, eine Krankheit (z.B. die minimale Cerebrale Dysfunktion) ist Ursache für eine Verhaltensauffälligkeit.

Die Pädagogik verwendet statt des Begriffes Symptom den Begriff Erscheinungsform, weil die Verhaltensauffälligkeit als Störung an sich und nicht als Folge einer Krankheit betrachtet wird. Zur Vereinfachung können die Begriffe synonym verwendet werden.

Die möglichen Erscheinungsformen sind sehr zahlreich. Allgemein können Verhaltens-störungen aber in Verhaltensdefizite und Verhaltensüberschüsse eingeteilt werden (vgl. Lauth, 1983, S.13). Bei Myschker findet sich eine andere Klassifikation (siehe Tabelle 5).

Tabelle 5 : Klassifikation von Kindern und Jugendlichen mit Verhaltensstörungen (Myschker, 1993, S.48)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Man kann jedoch auch hier die erste Gruppe dem Verhaltensüberschuss, die zweite dem Verhaltensdefizit zuordnen.

Die erste Gruppe sind diejenigen Kinder, die in der Schule häufig an Unterrichtsstörungen beteiligt sind und dadurch am meisten auffallen. Die zweite Gruppe besteht eher aus den unscheinbaren und unauffälligen Kindern. Deshalb werden Letztere auch häufig übersehen.

Auf die anderen beiden Gruppen werde ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen, da sie in der Regelschule eher selten vertreten sind.

Interessant erscheinen an dieser Stelle noch die geschlechtsspezifischen Altersunterschiede. Nach N. Myschker überwiegt der Anteil der Jungen mit externalisierendem Verhalten den Anteil derer mit internalisierendem Verhalten, während es sich bei den Mädchen genau umgekehrt verhält (vgl. Myschker, 1993, S.49).

3.6 Diagnose von Verhaltensauffälligkeiten

Auch für die Diagnose gibt es verschiedene Ansätze, von denen der sonderpädagogische als der integrative angesehen wird (vgl. Myschker, 1993, S.117). Deshalb sollten für die Stellung einer Diagnose auch Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter und Pädagogen zusammenarbeiten.

Folgende Tabelle diagnostischer Verfahren soll einen Überblick über die vielen Möglichkeiten geben. Am besten ist jedoch eine geeignete Kombination mehrerer Verfahren, da mulitfaktorielle Ursachen ein mulitfaktorielles Vorgehen verlangen.

Tabelle 6 : Diagnostische Verfahren (nach Myschker, 1993, S. 121-150, Ortner & Ortner, 1991, S.18-26)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.7 Präventionsmöglichkeiten

Es wurde schon erwähnt, dass ein von Zuwendung und Liebe gekennzeichnetes Elternhaus, in dem offen miteinander kommuniziert wird, wichtig für die Entwicklung des Kindes und zur Verhütung von Verhaltensauffälligkeiten ist.

Natürlich ist es auch aus Lehrersicht von Bedeutung, zu wissen, welche Möglichkeiten es gibt, die Entstehung von Verhaltensstörungen zu verhindern.

Man unterscheidet zwischen einer primären, einer sekundären und einer tertiären Prävention.

Die Zielgruppe der primären Prävention sind Kinder und Jugendliche, die noch keine auffälligen Symptome zeigen, jedoch beispielsweise aufgrund von Lebensumständen ein bestimmtes Risiko tragen.

Maßnahmen zur primären Prävention können Fortbildungsmaßnahmen und Skill-Trainings für Lehrer sein. Hierbei sollte vor allem die Empathiefähigkeit der Lehrer gegenüber den

[...]


[1] Zur Vereinfachung lasse ich in der weiteren Arbeit den Zusatz Voltigieren weg, da es in meiner Arbeit hauptsächlich um das Heilpädagogische Reiten geht.

Ende der Leseprobe aus 124 Seiten

Details

Titel
Heilpädagogisches Reiten als Erziehungsmittel bei verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen
Hochschule
Pädagogische Hochschule Weingarten
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
124
Katalognummer
V85438
ISBN (eBook)
9783638900348
Dateigröße
8840 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Heilpädagogisches, Reiten, Erziehungsmittel, Kindern, Jugendlichen
Arbeit zitieren
Stephanie Wiegand (Autor:in), 2007, Heilpädagogisches Reiten als Erziehungsmittel bei verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85438

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