Evaluation des Zielvereinbarungsverfahrens einer Kreispolizeibehörde in NRW


Diplomarbeit, 2006

188 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Ziele und ihre Bedeutung
2.1 Begriffsbestimmung: Ziel
2.2 Grundzüge der Handlungsregulationstheorie
2.3 Zielsetzungstheorie
2.3.1 Wirksamkeit von Zielsetzungen
2.3.2 Zielsetzungen mit Gruppen
2.4 Zusammenfassung

3 Führen mit Zielen
3.1 Verbreitung Führen mit Zielen in Deutschland
3.2 Definition Führung
3.3 Führen mit Zielvorgabe vs. Zielvereinbarung
3.4 Vom Harzburger Modell zum Management by Objectives
3.5 Führungsverständnis in der Polizei
3.5.1 Definition Kooperative Führung
3.5.2 Kooperatives Führungssystem
3.6 Aktuelle Entwicklungstendenzen der Führungsforschung
3.6.1 Transaktionale Führung
3.6.2 Transformationale (charismatische) Führung
3.6.3 Empirische Befunde
3.7 Zusammenführung der Konzepte

4 Praxis der Zielvereinbarungsverfahren
4.1 Systematisierung von Zielen
4.1.1 Zieldimensionen
4.1.2 Zielarten
4.1.3 Zielbeziehungen
4.2 Typologien
4.3 Ablauf Zielvereinbarungsverfahren
4.3.1 Phase Zielableitung
4.3.2 Phase der Zielrealisierung
4.3.3 Phase der Zielerreichungskontrolle
4.4 Zusammenfassung

5 Modernes Management in der Polizei
5.1 Aufbau der Polizei Nordrhein- Westfalen
5.2 Aufbau der untersuchten Kreispolizeibehörde
5.3 Gründe der Modernisierung
5.3.1 Bürokratisches Paradigma
5.3.2 Betriebswirtschaftliches Paradigma
5.4 Das Neue Steuerungsmodell der Polizei in NRW
5.4.1 Zielvereinbarungsverfahren
5.4.2 ZV und Outputsteuerung
5.4.3 ZV und Dezentrale Ressourcenverantwortung
5.4.4 ZV und Budgetierung
5.5 Die Rolle des Controlling
5.6 Zusammenfassung

6 Evaluation von Zielvereinbarungen
6.1 Theoretischer Hintergrund
6.1.1 Definition Evaluation
6.1.2 Unterscheidungsmerkmale von Evaluationen
6.1.3 Evaluationsinstrumente
6.2 Praktischer Nutzen
6.2.1 Erfolgskritische Faktoren im Umgang mit Zielvereinbarungen
6.3 Zusammenfassung

7 Fragestellung der Diplomarbeit
7.1 Explorative Forschungsfragen
7.2 Einordnung der Evaluationsstudie
7.2.1 Evaluationsobjekt
7.2.2 Evaluationsort
7.2.3 Zielsetzung der Evaluation
7.2.4 Evaluationsmodell
7.2.5 Evaluator

8 Methode
8.1 Interviews
8.1.1 Stichprobe
8.1.2 Leitfaden
8.1.3 Durchführung
8.1.4 Darstellung der Ergebnisse
8.2 Fragebogen
8.2.1 Stichprobe
8.2.2 Instrument
8.2.3 Durchführung
8.2.4 Darstellung der Ergebnisse

9 Diskussion der Ergebnisse
9.1 Bewertung des ZVV durch die Mitarbeiter der KPB
9.2 Vorhersage der Zufriedenheit der Mitarbeiter mit dem ZVV
9.3 Unterschiede zwischen Führungskräften und Nicht- Führungskräften
9.4 Einschränkung der Methode

10 Empfehlungen für die Praxis und Fazit

11 Literatur

12 Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Integriertes Zielmodell (nach Locke und Latham, 1990)

Abbildung 2 Dimensionen kooperativer Führung (nach Wunderer, 2000)

Abbildung 3 Dienstleistung der Polizei im bürokratischen Verständnis

Abbildung 4 Dienstleistung der Polizei im Verständnis eines modernen Managements

Abbildung 5 Das neue Steuerungsmodell der Polizei NRW

Abbildung 6 Mehrebenensystem des Zielvereinbarungsverfahrens

Abbildung 7: Schwerpunkte polizeilicher Aufgabenwahrnehmung

Abbildung 8: Information/ Beteiligung/ Vorschläge

Abbildung 9: Wahrnehmung des Zielvereinbarungsverfahren 2005

Abbildung 10: Verbesserungsmöglichkeiten

Tabellenverzeichnis

(Tabelle 1: Stichprobe der Interviews)

(Tabelle 1: potentielle Ziele eines ZVV)

(Tabelle 2: Gründe für Zielerreichungsgrad/ Verbesserungsvorschläge)

Fortsetzung: (Tabelle 2: Gründe für Zielerreichungsgrad/ Verbesserungsvorschläge)

Fortsetzung: (Tabelle 2: Gründe für Zielerreichungsgrad/ Verbesserungsvorschläge)

(Tabelle 3: Erfolgsfaktoren)

(Tabelle 4: Misserfolgsfaktoren)

(Tabelle 5: Bewertungsmerkmale)

(Tabelle 6: Akzeptanz des Zielvereinbarungsverfahrens)

(Tabelle 7: Stichprobe Fragebogen)

(Tabelle 8: Führungskraft)

(Tabelle 9: Unterabteilung)

(Tabelle 10: Bereich)

(Tabelle 11: Korrelationen der Skalen)

(Tabelle 12: Reliabilitätsanalysen)

(Tabelle 13: Rahmenbedingungen)

(Tabelle 14: Nachhaltigkeit/ Verbesserung)

Fortsetzung: (Tabelle 14: Nachhaltigkeit/ Verbesserung)

(Tabelle 15: Zielinhalt)

(Tabelle 16: Zielvereinbarungsprozess)

Fortsetzung:(Tabelle 16: Zielvereinbarungsprozess)

(Tabelle 17: Analyse der Verbesserungsmöglichkeiten)

(Tabelle 18: Model Summary)

(Tabelle 19: Coefficients)

(Tabelle 20: Vergleich Führungskräfte und Nicht- Führungskräfte)

Anhangverzeichnis

Anhang I – Interviewleitfaden

Anhang II – Fragebogen

Anhang III – Detailauswertung

Anhang IV – Scree Plot

1 Einleitung

Stärkere Kundenorientierung, mehr Flexibilität und optimaler Ressourceneinsatz sind Notwendigkeiten mit denen auch die Polizei auf die dynamischen Umweltveränderungen unserer Zeit reagieren muss. Der Erfolg bei der Bewältigung neuer Herausforderungen hängt dabei im großen Maße von den Leistungen der Mitarbeiter ab. Durch Zielvereinbarungen sollen die Führungskultur und das Führungsverhalten weiterentwickelt und eine stärkere an Zielen und Ergebnissen orientierte Arbeitsweise unterstützt werden. Durch die partnerschaftliche Vereinbarung der zu erreichenden Ziele sollen diese der Leistungssteigerung, der Erhöhung der Arbeitszufriedenheit und Motivation der Beteiligten dienen.

Im Rahmen eines Modernen Managements werden seit 1994 Zielvereinbarungen für die polizeiliche Arbeit in Nordrhein- Westfalen (NRW) durchgeführt. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Evaluation des Zielvereinbarungsverfahrens einer Kreispolizeibehörde in NRW. Der Ausgangspunkt ist der Wunsch auf Seiten der Führungskräfte, das Zielvereinbarungsverfahren stärker als bisher an die Erwartungen der Mitarbeiter anzupassen. Aus mehr oder weniger informellen Gesprächen wurde deutlich, dass die Akzeptanz für die gemeinsame Entwicklung von Zielvereinbarungen optimierungsfähig ist.

Die Erkenntnis, dass Zielsetzungen eine wichtige Rolle für das eigene Handeln sowie die Führung anderer Menschen spielen, ist nicht neu. Um sich dem Thema dieser Arbeit zu nähern, wird in Abschnitt 2.1 zunächst der Zielbegriff erläutert. Im Rahmen der Handlungsregulationstheorie (Abschnitt 2.2) wird die Frage erörtert, „wie Menschen aktiv zielgerichtet, rational und flexibel selbstreguliert planen und handeln können“ (Greif, 1996, S.62). Nach dieser Theorie legen Menschen anfangs nur ein allgemeines Handlungsziel fest und überlegen die späteren Schritte nur grob im Voraus. Mit der Frage wie diese Ziele gestaltet werden sollten, um motivations- und leistungsförderlich zu wirken, beschäftigt sich die anschließend erläuterte Zielsetzungstheorie (Abschnitt 2.3) von Locke und Latham (1991). Ursprünglich bezogen sich die Annahmen vor allem auf individuelle Leistungen, wie die Darstellung der aktuellen Ergebnisse zur Überprüfung der Wirksamkeit von Zielsetzungen (Abschnitt 2.3.1) deutlich macht. Da aber nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Verwaltung vermehrt Arbeitsgruppen zur Lösung von Aufgaben zum Einsatz kommen (Kleinbeck & Schmidt, 2004), werden auch Ergebnisse des relativ neuen Forschungsbereichs der Zielsetzungen mit Gruppen vorgestellt (Abschnitt 2.3.2).

Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Thematik des Führens mit Zielen und somit mit der Frage, wie sich die Erkenntnisse des motivations- und leistungssteigernden Effekts herausfordernder spezifischer Ziele auf die Erreichung der Unternehmensziele anwenden lassen. Im Abschnitt 3.1 wird deutlich, dass Führen mit Zielen heute ein weit verbreitetes Konzept in deutschen Unternehmen ist. Da es in der Praxis unterschiedlich gelebt wird, wird neben einer Definition des Begriffs Führung (Abschnitt 3.2) auf die grundlegende Unterscheidung zwischen einem Führen mit Zielvorgabe vs. Zielvereinbarung (Abschnitt 3.3) eingegangen. Das Konzept des Führens mit Zielen gründet sich neben der Zielsetzungstheorie auf das Management by Objectives (Vgl. Drucker, 1954). Dieses war in den siebziger Jahren neben dem besonders im Verwaltungskontext verbreiteten Harzburger Modell ein wesentliches Managementkonzept (Kolb, 2002). Diese beiden klassischen Konzepte werden in Abschnitt 3.4 erläutert. Da Führungspraxis und Führungskultur einen wesentlichen Einfluss auf den erfolgreichen Einsatzes des Führens mit Zielen haben (Kohnke & Reimann, 2002), wird anschließend auf das Führungsverständnis der Polizei eingegangen (Abschnitt 3.5). Neuere Forschungsergebnisse zur transformationalen und transaktionalen Führung (Abschnitt 3.6) zeigen, dass besonders transformationales Führungsverhalten zur Gewinnung des Engagement und der Identifikation der Mitarbeiter mit den Unternehmenszielen führt, dass aber auch die im Rahmen der transaktionalen Führung gezeigten Verhaltensweisen notwendig sind, um den Mitarbeitern ein Gefühl von Sicherheit und Stetigkeit zu vermitteln. Darauf aufbauend werden in Abschnitt 3.7 die vorgestellten Konzepte zusammengeführt und ihre Anwendbarkeit in der Öffentlichen Verwaltung kurz diskutiert.

Bezogen sich die ersten Ansätze noch stark auf die Zielsetzungstheorie, entwickeln die Konzepte des Führens mit Zielen in der Praxis heute ein „streckenweise losgelöstes Eigenleben“ (Bungard, 2002, S. 32). In Kapitel 4 werden daher zunächst über die Dimensionen Zielspezifität und -schwierigkeit – die im Rahmen der Zielsetzungstheorie von besonderem Interesse sind – hinaus, weitere Möglichkeiten der Systematisierung von Zielen dargestellt (Abschnitt 4.1). Anschließend werden in Abschnitt 4.2 verschiedene Typen von Zielvereinbarungsverfahren unterschieden. Der Ablauf eines Zielvereinbarungsverfahrens wird besonders in Hinblick auf die in der jeweiligen Phase auftretenden Besonderheiten dargestellt (Abschnitt 4.3).

Kapitel 5 beginnt mit einem Überblick über den Aufbau der Polizei Nordrhein- Westfalen und der Darstellung der Organisationsstruktur der untersuchten Kreispolizeibehörde (Abschnitte 5.1 und 5.2). Die Einführung des Führens mit Zielvereinbarungen stellt nur einen Aspekt eines Modernen Managements in der Polizei dar. Um die Tragweite einer solchen Veränderung für die Polizei deutlich zu machen, wird anschließend kurz auf die Gründe der Verwaltungsmodernisierung (Abschnitt 5.3), sowie auf die bürokratische und betriebswirtschaftliche Steuerungslogik (Abschnitt 5.3.1 und 5.3.2) eingegangen. Anschließend werden, das dem Gedanken des betriebswirtschaftlichen Paradigmas folgende Neue Führungs- und Steuerungsmodell der Polizei Nordrhein- Westfalen mit seinen Elementen Zielvereinbarung, Dezentrale Ressourcenverantwortung, Budgetierung und Outputsteuerung, sowie wichtige Aspekte des Controllings vorgestellt um die Eingebundenheit des Instruments Zielvereinbarung zu verdeutlichen (Abschnitt 5.4).

Kapitel 6 beschäftigt sich mit der Evaluation von Zielvereinbarungsverfahren. Um die vorliegende Untersuchung im Rahmen der Darstellung des methodischen Vorgehens einordnen zu können, wird im ersten Teil erläutert, was unter Evaluation zu verstehen ist (Abschnitt 6.1). Es werden außerdem die Evaluationsinstrumente Interview und Fragebogen (Abschnitt 6.1.3.1 und 6.1.3.2) dargestellt, sowie auf die Grundgedanken des Evaluationsinstruments Change Explorer (Abschnitt 6.1.3.3) eingegangen, da dieser die Grundlage für den hier verwendeten Interviewleitfaden bildet. Im zweiten Teil werden die Erkenntnisse der bisher erläuterten Theorien, sowie Erfahrungen aus der Praxis und bisheriger Evaluationsstudien von Zielvereinbarungsverfahren zusammengeführt, indem erfolgskritische Faktoren für den Umgang mit diesem Instrument in der Praxis diskutiert werden (Abschnitt 6.2).

In Kapitel 7 wird die Fragestellung der Diplomarbeit vorgestellt. Es werden die explorativen Forschungsfragen dargestellt (Abschnitt 7.1) und anschließend wird eine Einordnung der vorliegenden Arbeit entsprechend der in Abschnitt 6.1.2 vorgestellten Unterscheidungsmerkmale von Evaluationsstudien vorgenommen (Abschnitt 7.2).

In Kapitel 8 wird erläutert, auf welche Art und mit welchen Instrumenten die Fragestellung methodisch umgesetzt wurde. Dabei gliedert sich dieses Kapitel in zwei Teile. In Abschnitt 8.1 wird auf die Interviews (Stichprobe, Leitfaden, Durchführung, Ergebnisse) und anschließend in Abschnitt 8.2 auf den Fragebogen (Stichprobe, Instrument, Durchführung und Ergebnisse) näher eingegangen.

In Kapitel 9 werden die Ergebnisse der Untersuchung diskutiert, bevor in Kapitel 10 Verbesserungsvorschläge für die Praxis des Zielvereinbarungsverfahrens in der untersuchten Kreispolizeibehörde dargestellt werden.

2 Ziele und ihre Bedeutung

Warum erledigen manche Menschen ihre Aufgaben besser als andere? Sofern Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wissen und situative Umstände vergleichbar sind, ist die Annahme gerechtfertigt, dass dies motivationale Gründe hat (Nerdinger, 1995). Um Motivationszustände in Handlungen umzusetzen, bilden Menschen konkrete Ziele aus, mit deren Hilfe die Handlungsausführung gesteuert wird.

Bei der Klärung der Bedeutung von Zielen für das Handeln, verweist bereits die arbeitspsychologische Handlungstheorie (Hacker, 1986) darauf, dass Ziele für Tätigkeiten aktivieren, sie auf das erwartete Ergebnis organisieren und Standards für den kontrollierenden Vergleich mit dem Ergebnis der Handlung liefern. Die Modelle der Handlungsregulation haben wesentlich zur Integration von motivationalen und kognitiven Prozessen beigetragen, die zielgerichtetem Handeln zugrunde liegen (Schmidt & Kleinbeck, 2004). Die Frage, wie Ziele gestaltet sein müssen, um motivations- und leistungsfördernd zu wirken entspricht dem Forschungsanliegen der Zielsetzungstheorie (Locke & Latham, 1984). Locke und Latham haben mit ihrer Zielsetzungstheorie die volitionale Bedeutung von Zielen genauer herausgearbeitet, d.h. die Umsetzung motivationaler Tendenzen nach der Entscheidung zu einer Handlung.

2.1 Begriffsbestimmung: Ziel

Staehle (1994) versteht unter einem Ziel die Beschreibung erwünschter Endzustände. Diese allgemeine Definition wird von anderen Autoren in verschiedener Hinsicht präzisiert. So sieht z.B. Pippke (1997, S.290) Ziele als „in der Zukunft liegende Soll- Größen, deren Erreichung innerhalb eines bestimmten Zeitraums angestrebt wird.“ Locke und Latham (1990, S.2) verstehen Ziele im Rahmen ihrer Zielsetzungstheorie als „bewusste Vorannahmen der Person, die sich auf zukünftige, von ihr angestrebte Handlungsresultate beziehen, welche zumeist außerhalb des Individuums liegen.“ Hacker (1998) sieht ebenfalls in Zielen nicht nur die Vorwegnahme (Antizipation) des Handlungsergebnisses, sondern fasst zusätzlich den Vorsatz (Intention), dieses Ergebnis durch eigene Anstrengung herbeizuführen mit unter die Zieldefinition. Im Rahmen dieser Arbeit wird unter einem Ziel eine bewusste Vorannahme einer Person über zukünftige, von ihr angestrebte Handlungsresultate zu einem festgelegten Zeitpunkt verstanden.

2.2 Grundzüge der Handlungsregulationstheorie

Nach dem Grundmodell der Handlungsregulationstheorie (Hacker, 1998; Volpert, 1987) ist das bewusst verfolgte Ziel das entscheidende Moment in der Handlungsregulation. Das Ziel als interne Repräsentation intendierter Endzustände des Handelns hat also einen maßgeblichen Einfluss auf eben dieses Handeln[1] (Schmidt & Kleinbeck, 2004). Das Ziel muss vom Handelnden aus anderen potentiell möglichen Zuständen, die ebenfalls durch Handeln erreichbar sind, ausgewählt worden sein. D. h., dass es sich nicht um ein Ziel im Rahmen einer Arbeitstätigkeit handelt, wenn ein Arbeitsergebnis in allen Einzelheiten festgelegt ist (Oesterreich & Volpert, 1987). Hacker (1998) spricht in diesem Zusammenhang vom Handlungsspielraum einer Arbeitstätigkeit, der durch die Summe an Freiheitsgraden gegeben ist. Die Freiheitsgrade schließen Möglichkeiten zu selbstständigen Entscheidungen ein, die wiederum Voraussetzungen für die Entwicklung selbstständiger Zielsetzungen sind (Hacker, 1998). Bei der Handlungsregulation werden, ausgehend von einem hierarchisch übergeordneten Ziel, absteigend über mehrere Hierarchieebenen Teilziele gebildet, bis die Basiseinheiten an der untersten Ebene unmittelbar als umweltverändernde Bewegungen realisiert werden. Anschließend erfolgt eine stufenweise aufsteigende Kette von Rückmeldungsprozessen (Volpert, 1987). Zusammen bilden diese Prozesse zyklische Einheiten und sind die Grundelemente menschlichen Handelns (Greif, 1983). Hacker (1998) bezeichnet diese Einheiten als „Vergleichs- Veränderungs- Rückkopplungseinheiten“. Am Anfang einer zyklischen Einheit steht ein Vergleichsvorgang zur Prüfung, inwieweit ein angestrebtes Ziel erreicht ist. Liegt eine Diskrepanz zwischen Ist- und Soll- Zustand vor, folgt ein Veränderungsvorgang, dessen Ergebnis über Rückkopplungsprozesse auf das angestrebte Ziel zurückbezogen wird. Nur über die Erreichung der Teilziele kann das übergeordnete Ziel erreicht werden (Schmidt & Kleinbeck, 2004). Da mehrere zyklische Einheiten zur Erreichung eines Teilziels eine bestimmte Sequenz innerhalb der inneren Regulation des Handelns haben und mehrere Teilziele wiederum zyklische Einheiten für hierarchisch übergeordnete Ziele bilden, wird dieses Modell auch als hierarchisch- sequentielles Modell der Handlungsregulation bezeichnet (Greif, 1983). Hacker (1998) geht von drei Regulationsebenen aus. Abläufe auf der untersten Ebene der automatisierten Regulation sind nicht bewusstseinspflichtig und meist auch nicht -fähig. Die mittlere Ebene ist die perzeptiv- begriffliche. Die hier durch das Abrufen von Handlungsschemata regulierten Vorgänge sind bewusstseinsfähig, aber nicht immer bewusstseinspflichtig. Die intellektuelle Regulationsebene als höchste Ebene ist durch bewusstseinspflichtige Denkvorgänge geprägt (Sonnentag, Fay & Frese, 2004). Somit enthält die Handlungsregulationstheorie ein detailliertes Modell zur Beschreibung des sichtbaren Verhaltens und der nicht sichtbaren inneren Steuerungs- und Regulationsprozesse (Greif, 1983). Dass die bewussten und intellektuellen Prozesse den automatisierten und sensumotorischen gesteuerten Prozessen übergeordnet sind, impliziert, „dass Kognitionen in Handeln umgesetzt werden können, indem übergeordnete Ebenen Ziele „als Vorgaben“ an untergeordnete Ebenen liefern“ (Sonnentag et al., 2004, S. 257).

Je komplexer diese Handlungsgefüge sind, desto notwendiger werden Planungs- und Kontrollprozesse, um komplexe Zielstrukturen so zu entwickeln, dass die verschiedenen Handlungen wirklich aufeinander bezogen sind. Es müssen Ober- und Unterziele gebildet werden, die mit absteigender Hierarchie konkreter und somit handlungsleitender werden. Es wird jedoch kein Plan bis ins Detail ausgearbeitet, da nie alle Umweltbedingungen im Voraus berücksichtigt werden können. In diesem Zusammenhang nennt Volpert (1983) einen wichtigen Begriff: Stabil-flexible Planung. Bei Störungen des Ablaufs wird das Ziel beibehalten (stabil), die Ausführung kann aber verändert werden (flexibel). Hacker zieht den Begriff „Aktionsprogramme“ dem Plan vor. Er versteht darunter „hierarchische Prozesse des Organismus, welche die Ordnung regulieren, in der eine Folge von Operationen ablaufen soll“ (Greif, 1983, S. 162). Unter Operationen versteht Hacker die kleinsten abgrenzbaren Elemente des beobachtbaren Verhaltens. Die Grundlage zur Generierung von Aktionsprogrammen bildet das operative Abbildungssystem (OAS). Das ist die Gesamtheit aller kognitiven Abbilder eines Arbeitsprozesses und aller daran gekoppelten Bedingungen, Voraussetzungen, Konsequenzen, usw. (Greif, 1983). Das OAS schließt nach Hacker (1998, 1987) folgende drei Komponenten ein:

Ziele und Teilziele als vorweggenommene Ergebnisse und Zwischenergebnisse des Handelns

Repräsentationen der jeweiligen Ausführungsbedingungen von Handlungen, die bei der Zielverfolgung zu beachten sind

Repräsentationen der Verhaltensmittel, durch die Istzustände in die tendierten Sollzustände überführt werden können

Hat das Individuum z.B. falsche Abbilder der Realität oder ein unzureichendes Wissen über die handlungsbezogenen Bedingungen und Konsequenzen, kann es keine optimalen Regulationsstrukturen und Aktionsprogramme entwickeln (Greif, 1983). Außerdem ist die Generierung optimaler hierarchischer Strukturierungen von Aktionsprogrammen zu Zielerreichung von „Fertigkeiten“ und „verallgemeinerten Verfahren“ abhängig (Greif, 1983). Fertigkeiten als einfache, stabile Elemente von Handlungen werden in Situationen eingesetzt, die stereotyp wiederkehrende Eigenschaften besitzen und haben eine sehr hohe direkte Erreichbarkeit. Verallgemeinerte Verfahren werden als komplexere, auf Denkprozessen beruhende Handlungskompetenzen definiert. Die Entwicklung einer optimalen hierarchisch- sequentiellen Handlungsregulation bei der Verfolgung eines übergeordneten Handlungsziels „setzt […] die Entwicklung eines optimalen OAS, die Verfügung über die erforderlichen elementaren Fertigkeiten, sowie Kenntnisse optimaler „verallgemeinerter Verfahren“ und Regeln zum Generieren von effizienten hierarchischen Regulationsstrukturen voraus“ (Greif, 1983, S. 166).

Die Entwicklung eines optimalen OAS zusammen mit der Verfügung über die erforderlichen elementaren Fertigkeiten sind die Voraussetzungen für die Entwicklung einer optimalen, effizienten hierarchisch- sequentiellen Regulation des Handelns bei der Verfolgung eines übergeordneten Handlungsziels (Greif, 1983).

Kritisch anzumerken ist hier, dass das Selbst in das Hierarchiekonzept nicht einbezogen ist, was z.B. in Hinblick auf die Feedbackverarbeitung von Interesse sein dürfte (Kluger & DeNisi, 1996). Weiterhin wird von einigen Autoren die zentrale Bedeutung der Rückkopplungsprozesse, sowie die Annahme, dass die Diskrepanzreduktion das Handeln wesentlich bestimmt, kritisiert (Sonnentag et al. 2004). So gehen z.B. Locke und Latham davon aus, dass die Diskrepanzreduktion zwar eine wichtige Rolle im Handlungsprozess spielt, dass Menschen aber „pro-aktiv vorgehen und sich zum Handeln motivieren, indem sie hohe und herausfordernde Ziele setzen“ (Sonnentag et al., 2004, S. 256). Innerhalb der Diskussion um effektives zielgerichtetes Handeln und den Geltungsbereich des Handlungsregulationsmodells kommt ein wesentlicher Kritikpunkt von Greif (1994), wenn er darauf hinweist, dass nicht alle Bereiche des Handelns durch das Modell hierarchisch- sequentieller Handlungsregulation abgedeckt werden. So ist das Modell „nicht geeignet, das bei kreativen Leistungen typische sprunghafte assoziative Denken zu modellieren“ (Greif, 1994, S. 101). Auch auf exploratorisches Verhalten lässt es sich nicht anwenden, da unterstellt werden müsste, „dass die Person, die Unbekanntes exploriert, aus einem handlungsleitenden Oberziel […], jeweils vor einzelnen exploratorischen Operationen eine Sequenz angebbarer, spezifischer Teilziele und detaillierter Aktionsprogramme generiert […], aus denen dann wiederum Sequenzen elementarer zyklischer Einheiten abgeleitet werden“ (Greif, 1994, S. 103). Es ist außerdem fraglich, ob Handlungen als ständig bewusst durch hierarchisch abzuarbeitende Ziele reguliert angenommen werden müssen, um effektives Handeln zu erklären. Vielmehr weisen Untersuchungen „auf flexibel selbstorganisierte, parallele statt hierarchisch- sequentielle Regulationsprozesse“ (Greif, 1994, S. 110) hin.

Eine vollständige empirische Überprüfung der Handlungsregulationstheorie als eine Metatheorie (Sonnentag et al., 2004) ist durch ihre Komplexität nicht möglich. Es werden lediglich Teilannahmen überprüft, um diese wiederum in einen übergeordneten Modellrahmen einzuordnen (Schmidt & Kleinbeck, 2004).

Einen Beitrag liefert die empirische Forschung rund um die Zielsetzungstheorie, indem sie besonders auf die Leistung fokussiert, die aus zielgerichteten Handlungen resultiert.

2.3 Zielsetzungstheorie

Die Zielsetzungstheorie geht der Frage nach, „von welchen Merkmalen von Leistungszielen unter welchen Bedingungen die stärksten Leistungswirkungen ausgehen“ (Schmidt & Kleinbeck, 2004, S. 904).

Die zentrale Annahme der Zielsetzungstheorie ist, „dass Ziele die unmittelbaren Regulatoren menschlichen Handelns sind“ (Locke und Latham, 1995, Sp. 2222). Für die Wirksamkeit von Zielen ist vor allem der Inhalt des Ziels von entscheidender Bedeutung. Zu dessen Beschreibung greifen Locke und Latham hauptsächlich die zwei Merkmale Zielspezifität und Zielschwierigkeit heraus. Unter der Zielspezifität wird „das Ausmaß, in dem das Ziel bezüglich Zielinhalt, Zielausmaß und zeitlichem Bezug beschrieben ist“, verstanden (Kohnke, 2002; S.42). Die Zielschwierigkeit beschreibt „einen relativen Zusammenhang zwischen einer Person und einer Aufgabe bzw. einem Ziel“ (Kohnke, 2002; S. 41). Die Einschätzung, ob ein festgelegtes Ziel für eine Person schwierig ist, hängt von ihren individuellen Fähigkeiten und Erfahrungen ab. Locke und Latham (1990) lehnen in ihrer Theorie allerdings die Verwendung subjektiver Maße der Zielschwierigkeit ab und betrachten stattdessen objektive Maße. Dabei kann es sich z.B. um Referenzmaße auf Basis vorangegangener Leistungen einer Person oder einer Gruppe von Personen handeln.

Die Grundannahme der Zielsetzungstheorie besagt, dass durch schwierige (im Sinne von herausfordernd) und spezifische Ziele die Motivation und Leistung im Vergleich zu anspruchslosen oder wenig konkreten Zielvorgaben gesteigert wird. (Vgl. Locke & Latham, 1995; Brandstätter & Frey, 2004; Schmidt & Kleinbeck, 2004). Während vage, unspezifische Ziele mit einem weiten Spektrum von möglichen Leistungsergebnissen verträglich sind, vermitteln spezifische Ziele der Person eindeutig, welche Leistungen von ihr erwartet werden bzw. sie von sich selbst erwartet (Schmidt & Kleinbeck, 2004). Die spezifischen Ziele ermöglichen eine eindeutige Festlegung der Handlungsauswahl und Messbarkeit, was wiederum die Voraussetzung für die eindeutige Beurteilung des Erfolgs einer zielgerichteten Handlung ist (Kohnke, 2000).

Die Zielsetzungstheorie regte eine umfassende Forschung auf diesem Gebiet an, deren bisherige Ergebnisse Locke und Latham (1990) in einer Erweiterung ihres Modells – „The High Performance Cycle“ (Abbildung 1) zusammenfassen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Integriertes Zielmodell (nach Locke und Latham, 1990)

Damit beschreiben sie einen sich selbst verstärkenden Zyklus, der mit der Übernahme herausfordernder Ziele beginnt. Neben den Einflüssen von Moderator- und Mediatorvariablen auf den positiven Effekt anspruchsvoller Ziele treffen sie Aussagen über die Wechselwirkung zwischen Leistung und Zufriedenheit. Die schwierigen und spezifischen Ziele führen zu hoher Leistung, die entweder extrinsisch belohnt wird (z.B. Entgelt, aber auch Karriereperspektiven und Anerkennung) oder aber in sich belohnend sein kann (z.B. aus dem Gefühl des Stolzes, ein Ziel erreicht zu haben). Die Belohnung führt zu hoher Zufriedenheit, was sich wiederum positiv auf die Bindung an die Organisation und die Bereitschaft zukünftige Herausforderungen zu akzeptieren, auswirkt. (Vgl. Locke & Latham, 1991; Brandstätter & Frey, 2004; Schmidt & Kleinbeck, 2004; Kleinbeck, 1996)

Der Effekt hoher und spezifischer Ziele wird auf verschiedene motivationale Prozesse zurückgeführt. Wie aus Abbildung 1 ersichtlich, wird hierbei besonders zwei Fragen nachgegangen: Einerseits geht es um den Einfluss möglicher Moderatorvariablen auf den Ziel- Leistungs- Zusammenhang. Anderseits wird die Frage nach möglichen Mechanismen (Mediatorvariablen) untersucht, d.h. von welchen Variablen es abhängt, in welcher Stärke die Ziele ihre Leistungswirkung entfalten (Schmidt & Kleinbeck, 2004). Ursprünglich nahmen Locke und Latham an, dass die motivationale Wirkung von spezifischen, herausfordernden Zielen an den Einsatz von vier vermittelnden Mechanismen gebunden ist. Ziele beeinflussen demnach die Leistung „(1) durch Konzentration und Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf die für die Ausführungskontrolle der zielgerichteten Aufgabenhandlung relevanten Informationen, (2) durch Mobilisierung von Anstrengung, (3) durch eine Erhöhung der Ausdauerbereitschaft bei der Zielverfolgung sowie (4) durch die Bereitstellung oder Entwicklung zielangemessener Bearbeitungsstrategien“ (Schmidt & Kleinbeck, 2004, Sp. 921). Die ersten drei Mediatoren wirken als direkte Mittel der Zielerreichung, indem sie die drei wesentlichen Merkmale motivierter Handlungen prägen: die Richtung, die Intensität und die Persistenz (Sonnentag et al., 2004). Indirekt wirken Ziele durch die Stimulation der Entwicklung aufgabenspezifischer Strategien und Pläne auf das Leistungshandeln ein (Kohnke, 2000; Schmidt & Kleinbeck, 2004). Untersuchungsergebnisse (z.B. Wood & Locke, 1990) weisen darauf hin, dass der Effekt von hohen, spezifischen Zielen nur eingeschränkt auf komplexe Aufgaben zutrifft. Die Komplexität von Aufgaben, von der im Rahmen der Zielsetzungstheorie eine moderierende Wirkung des Ziel- Leistungs- Zusammenhangs angenommen wird, ist abhängig von „der Anzahl der Einzelhandlungen, die zur Ausführung nötig sind, und der Anzahl an Informationen, die berücksichtigt und verarbeitet werden müssen, von der Art wie diese Komponenten koordiniert werden müssen und von der Schnelligkeit bzw. Vorhersagbarkeit von Veränderungen der Komponenten“ (Sonnentag et al. 2004, Sp. 268). Locke und Latham (1990) haben ihre Vorstellungen erweitert und in einen veränderten Begriffsrahmen gestellt (Schmidt & Kleinbeck, 2004). „Die Mechanismen der Aufmerksamkeitssteuerung, der Anstrengungsmobilisierung und Ausdauer werden nun als gespeicherte universelle Aufgabenstrategien interpretiert, deren Leistungswirkung sich vor allem bei einfachen Aufgaben manifestieren soll“ (Schmidt & Kleinbeck , 2004, Sp. 922) und die sich aus Lernprozessen ergeben. Da diese bei komplexen Aufgaben nicht mehr ausreichen, müssen neben den motivationalen auch kognitive Mechanismen, die sich auf das Entwickeln von Plänen beziehen, zur Erklärung des Zielsetzungseffektes herangezogen werden. Die gespeicherten aufgabenspezifischen Strategien weisen eine weitaus stärkere kognitive Grundlage auf als die o.g. universellen Strategien (Schmidt & Kleinbeck, 2004; Sonnentag et al. 2004). Einerseits sollen spezifische Ziele die Bewertung und Auswahl geeigneter Strategievarianten erleichtern, andererseits aber auch zu einer systematischeren Entwicklung und Erprobung neuer Strategien beitragen. Daneben spielt gerade bei komplexen Aufgaben der Zeitfaktor eine wesentliche Rolle, der die Leistungswirksamkeit der Ziele beeinflussen kann (Schmidt & Kleinbeck, 2004).

Neben der oben bereits angesprochenen Aufgabenkomplexität gibt es noch zwei weitere Variablen von denen angenommen wird, dass sie das Ausmaß der Leistungssteigerung durch die Ziele erhöhen oder verringern, die also über das Ausmaß des Ziel- Leistungs- Zusammenhangs entscheiden. Locke und Latham zählen die Variablen Zielbindung und Rückmeldung zu den Moderatorvariablen. Unter Zielbindung verstehen Locke und Latham (1991, zit. nach Nerdinger, 1995, S. 111) „den Grad, indem sich das Individuum mit dem Ziel identifiziert, es als wichtig einschätzt, sich verpflichtet fühlt, das Ziel zu erreichen und es auch angesichts von Schwierigkeiten und Rückschlägen verfolgt.“ Es wird angenommen, dass die Bindung an ein Leistungsziel eine notwendige Voraussetzung ist, damit Ziele ihre Leistungswirkung entfalten können. Außerdem soll mit steigender Zielbindungsstärke der Ziel- Leistungs- Zusammenhang enger werden (Schmidt & Kleinbeck, 2004). Es wird also sowohl ein direkter, als auch ein moderierender Effekt der Zielbindung auf die Leistung angenommen.

Eine weitere Moderatorvariable für den Ziel- Leistungs- Zusammenhang ist die Rückmeldung der erreichten Leistungsergebnisse. Locke und Latham (1990) nehmen an, dass Ziele Handlungen organisieren und lenken und die Rückmeldungen eine Kontrolle des Fortschritts zum Ziel erlauben (Vgl. auch Hacker, 1998). Somit erfüllen sie zwei sich wechselseitig ergänzende Funktionen, die beide für den Prozess des aufgabenbezogenen Leistungshandelns unerlässlich sind (Schmidt & Kleinbeck, 2004). Feedback besitzt eine informierende Funktion und ermöglicht für die Person die Bewertung der eigenen Handlung im Vergleich zu einem Ziel oder Standard. Im Rahmen der Diskussion aktueller Befunde zu den Annahmen der Zielsetzungstheorie wird auf diese Variablen in Abschnitt 2.3.1 und ihre empirisch nachgewiesene Wirksamkeit näher eingegangen.

Auf Seiten der Person ist zusätzlich zu beachten, dass entsprechende Fertigkeiten und Fähigkeiten erforderlich sind, um Ziele realisieren zu können und das unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale in Wechselwirkung mit den genannten Moderatorvariablen wirksam werden. (Vgl. Brandstätter & Frey, 2004; Kohnke, 2002; Locke & Latham, 1991).

2.3.1 Wirksamkeit von Zielsetzungen

Die Annahmen der Zielsetzungstheorie regten viel Forschung an, so dass in hunderten von Feld- und Laborstudien ein positiver Zusammenhang zwischen Zielsetzungsmethoden und Motivations- und Leistungssteigerungen nachgewiesen werden konnte (siehe hierzu z.B. Locke, Shaw, Saari, Latham, 1981; Mento, Steel, Karen, 1987; Guzzo, Jette, Kastell, 1985).

Da die Wirkung der Moderatorvariablen Rückmeldung, Zielbildung und Aufgabenkomplexität bisher am intensivsten untersucht worden ist, soll im Folgenden vor allem auf diese Bezug genommen werden.

Besonders die von Locke und Latham angenommene positive Wirkung verfügbarer Rückmeldungen über den Stand der Zielerreichung ist in der Forschung auf großes Interesse gestoßen. Die Metaanalysen von Kluger und DeNisi (1996), sowie von Neubert (1998) stützen die Annahme, dass die Kombination schwieriger Ziele mit Rückmeldung mehr bewirken, als einer der beiden Faktoren allein. Leistungsziele übernehmen während der Handlungsausführung die Funktion angestrebter Sollgrößen, die Leistungsrückmeldung die Funktion eines Istwertes. Aufgrund der auftretenden Abweichungen erfolgt eine Anpassung der Handlungsausführung in Richtung des Handlungsziels. Je spezifischer die Zielsetzung und Rückmeldung sind, desto genauer ist die Analyse der Abweichungen und es wird eine bessere Korrektur der Handlungsausführung ermöglicht (Vgl. Wegge, 2004). Kluger und DeNisi (1996) zeigen, dass „Feedbackinterventionen“[2] über alle untersuchten Studien hinweg, die Leistung im Mittel um d = .41 steigern. Betrachtet man die Ergebnisse in Bezug auf die Zielsetzungstheorie genauer, zeigt sich bei 373 Feedbackeffekten ohne konkrete Zielvorgabe eine mittlere Effektstärke von d = .30, bei 37 Feedbackeffekten mit vorhandenen Zielvorgaben zeigte sich eine mittlere Effektstärke von d = .51. Kluger und DeNisi (1996) stellen im Rahmen ihrer „Feedback- Intervention- Theorie“ solche Merkmals- und Bedingungsrealisierungen des Feedbackprozesses als förderlich dar, die die Aufmerksamkeit des Feedbackempfängers auf die Aufgabe und den Bearbeitungsprozess lenken. Wird hingegen die Aufmerksamkeit der Person durch das Feedback auf das Selbst gelenkt, besteht die Gefahr, dass die Aufmerksamkeit von der Aufgabe abgelenkt wird und es zu leistungsreduzierenden Effekten kommt. Neubert (1998) konnte in seiner Metaanalyse eine mittlere Zunahme der Effektstärke bei der Verknüpfung von Zielen mit Rückmeldungen um d = .63 zeigen. Als besonders nützlich hat sich die Kombination von Ziel und Feedback bei komplexen Aufgaben gezeigt, bei denen die Effektstärke mit einem Wert von d = .95 fast doppelt so groß war wie bei einfacheren Aufgaben (d = .43). Betrachtet man nur die Moderatorwirkung der Aufgabenkomplexität, konnten z.B. Wood, Mento und Locke (1987) zeigen, dass die Wirkung von Zielsetzungen bei komplexen Aufgaben niedriger (d = .42) ausgeprägt ist, als bei einfachen Aufgaben (d = .76). Auch die Leistungsrückmeldung ohne Ziel wirkt sich bei einfachen Aufgaben leistungsförderlicher aus als bei komplexen (Kluger & DeNisi, 1996).

Locke und Latham (1984) sind der Meinung, dass Partizipation bei der Zielsetzung – auch wenn sie hilfreich sein kann – nicht ausschlaggebend dafür ist, dass „Goal Setting“ funktioniert. In der Forschung gibt es bisher sehr unterschiedliche Befunde dazu, ob sich Partizipation der Mitarbeiter bei der Zielfindung im Vergleich zur Vorgabe oder dem Einsatz so genannter „tell- and sell“- Ziele, bei denen der Vorgesetze die zu erreichenden Ziele in ermunternder Art und Weise vorgibt, positiv auf die Zielbindung auswirkt (Vgl. v. Rosenstiel & Wegge, 2004). Locke und Latham (1995) ziehen aus Untersuchungsergebnissen (siehe u.a. Latham, Enez und Locke, 1989) den Schluss, dass beim Setzen von Zielen, bei denen Hinweise bezüglich der Wichtigkeit der Aufgabe und zur Erreichbarkeit des Ziels („tell- and sell“- Ziele) gegeben werden, im Vergleich zu reinen Zielvorgaben, die Zielbindung und das Aufgabeninteresse und somit auch die Leistung steigen.

Einen Beleg dafür, dass eine Beteiligung der Mitarbeiter an der Festlegung im Vergleich zur reinen Vorgabe der von ihnen anzustrebenden Leistungsziele leistungsförderlich wirken kann, brachten Shikar und Das (1995) mit ihrer Untersuchung mit 48 Arbeitern in einer Fischfabrik. In den Untersuchungsbedingungen in denen das Ziel partizipativ mit den Mitarbeitern festgelegt wurde, fanden sie die höchsten Leistungszuwächse – ohne Geldanreiz um 46%; mit Geldanreiz um 58%.

Den endgültigen Beweis, dass die Beteiligung an der Zielsetzung zu einer besseren Leistung führt, erbringt eine Metaanalyse von Klein, Wesson, Hollenbeck und Alge (1999). Anhand von 83 einbezogenen Studien konnten sie zeigen, dass eine signifikante Korrelation (r = .23) zwischen der Leistung und der Zielbindung besteht. Je stärker die Zielbindung ausfällt, desto höher die Leistung. Diese Beziehung wird durch die Zielschwierigkeit moderiert, d.h., dass der Zusammenhang bei schwierigen Zielen stärker ausfällt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Partizipation bei der Zielfestlegung die Zielbindung erhöht und dies besonders bei schwierigen Zielen zu besseren Leistungen führt. Außerdem zeigt die Untersuchung, dass die Höhe der Zielbindung nicht nur von der Attraktivität der Ziele und ihrer subjektiven Erreichbarkeit oder der Bekanntheit der Aufgabe abhängt, sondern auch von der bereits angesprochenen Verfügbarkeit von Rückmeldungen (Klein et al., 1999). Auch Yearta, Maitlis und Briner (1995) konnten in ihrer Studie mit 132 Angestellten und 27 ihrer Vorgesetzten eine leistungssteigernde Wirkung von Partizipation bei der Zielsetzung nachweisen. Somit erweist sich die Annahme Lockes, dass Partizipation bei der Zielbildung gegenüber einer Zielvorgabe keine motivationalen Vorteile mit sich bringt, vor allem durch die Ergebnisse der Metaanalyse von Klein et al. als nicht mehr aufrechtzuerhalten (v. Rosenstiel & Wegge, 2004).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Zielsetzungstheorie eine gut validierte Motivationstheorie ist, die zur Steigerung der Arbeitsmotivation und Arbeitsleistung eingesetzt werden kann (Wegge, 1998, 2002; Kleinbeck, 1996; Nerdinger, 1995; v. Rosenstiel & Wegge, 2004), auch wenn gerade in Bezug auf die praktische Anwendbarkeit noch viele Fragen offen sind (Kohnke, 2002; Wegge, 2002).

2.3.2 Zielsetzungen mit Gruppen

Die meisten der bisher durchgeführten Studien zur Zielsetzungstheorie beziehen sich auf individuelles Leistungshandeln. Aber auch um der Frage nachzugehen, ob schwierige und spezifische Ziele bei Gruppenarbeit ebenfalls eine leistungsförderliche Wirkung zeigen, gibt es bereits einige Untersuchungen.

Aufgrund einer Befundübersicht von 41 Studien sind Locke und Latham (1990) der Auffassung, dass die von ihnen entwickelte Zielsetzungstheorie auch bei der Arbeit mit Gruppen anwendbar ist und zur Steigerung der Arbeitsmotivation und Produktivität von Arbeitsgruppen führt. Auch O´Leary- Kelly, Marocchio und Frink (1994) konnten in einer Metaanalyse zur Stärke des Effekts von schwierigen Gruppenzielen zeigen, dass die mittlere Leistung von Gruppen mit schwierigen Gruppenzielen fast eine Standardabweichung über der Leistung von Arbeitsgruppen liegt, die keine klaren Gruppenziele hatten.

Innerhalb der Diskussion um die Anwendbarkeit der Zielsetzungstheorie auf Gruppen weist Wegge (1998) darauf hin, dass zusätzliche Variablen bzw. Schwierigkeiten zu berücksichtigen sind, wie z.B. Bewertungsängste der Person, Kommunikationsprozesse in der Gruppe, verschiedene Formen der Interdependenz von Gruppenaufgaben und Zielkonflikte zwischen den Gruppenmitgliedern. Ein besonderer Fokus liegt auf der Betrachtung von Zielkonflikten. Bei der Arbeit in Gruppen können Ziele sowohl von den einzelnen Personen, als auch der Gruppe stammen. Crown und Rosse (1995) zeigten in einem Laborexperiment, bei dem die Gruppenmitglieder zur Lösung einer Gruppenaufgabe unterschiedliche Teilziele anstreben mussten, dass es sich als leistungsförderlich erwies, wenn sowohl für die individuellen Teilziele, als auch das Gruppenziel, schwierige Ziele festgesetzt wurden. Wegge (2002) fasst die wichtigsten Erkenntnisse zur Grundannahme der Zielsetzungstheorie bezogen auf Gruppen wie folgt zusammen (zit. nach v. Rosenstiel & Wegge, 2004, S.505):

„Schwierige und spezifische Gruppenziele führen deshalb zu besseren Gruppenleistungen, da sie:

den subjektiven Wert eines Misserfolgs der Gruppe erhöhen

die Kommunikation während der Aufgabenerledigung anregen

das Vergnügen an Gruppenaufgaben fördern und aufrecht erhalten

der Nutzung ineffizienter Aufgabenstrategien entgegenwirken.“

Wie schon im Bereich individueller Zielsetzungen gezeigt wurde, ist auch bei Gruppenzielen ein partizipativer Zielvereinbarungsprozess der Vorgabe von Zielen vorzuziehen. So kann eine partizipative Zielvereinbarung (z.B. durch Gruppendiskussion) Zielkonflikte offen legen und bei Einigung auf schwierige und spezifische Leistungsziele zu einer Reduzierung dieser führen (Vgl. Wegge, 1998). Außerdem kann sie dazu beitragen, dass die Bindung der Gruppenmitglieder an das jeweilige Ziel steigt, leistungshemmende Bewertungsängste reduziert werden und die Gruppenkohäsion und Identifikation mit der Gruppe zunimmt (v. Rosenstiel & Wegge, 2004; Wegge, 1998).

Zusammenfassend kann man den Schluss ziehen, dass es noch viele offene Fragen, gerade in Bezug auf Zielsetzungen mit Gruppen gibt, die bisherigen Erkenntnisse der Zielsetzungstheorie zur Steigerung der Arbeits- und Leistungsmotivation aber sowohl für individuelles, als auch Gruppenleistungshandeln eingesetzt werden können (Wegge, 1998; 2004).

2.4 Zusammenfassung

Ziele werden definiert als bewusste Vorannahmen von Personen zukünftiger, von ihnen angestrebter Handlungsresultate zu einem festgelegten Zeitpunkt, die im Idealfall nichts über den Weg der Lösung beinhalten. Es wurde gezeigt über welche Mechanismen sie unser Handeln regulieren und wie Ziele gestaltet werden müssen, um leistungs- und motivationsfördernde Effekte auf Individuen und Gruppen zu haben. Daraus kann u.a. abgeleitet werden, dass:

Ziele herausfordernd und schwierig,

Freiheitsgrade (Handlungsspielraum für Zielerreichung) gegeben,

Zieldefinitionen konkret,

Ziele akzeptiert

und durch regelmäßige Rückmeldung des Zielerreichungsgrades begleitet sein müssen.

3 Führen mit Zielen

Das Konzept des Führens mit Zielen ist nicht neu. Es gründet sich einerseits auf die bereits erläuterte Zielsetzungstheorie, andererseits auf das Konzept des Management by Objectives (MbO), dass seit über 50 Jahren in Organisationen eingesetzt wird. Wie die Ausführungen zur Verbreitung des Führens mit Zielen zeigen, ist es aber immer noch ein aktuelles Thema. Während die Annahmen der Zielsetzungstheorie, dass das Setzen herausfordernder, spezifischer Ziele motivations- und leistungssteigernd ist, in vielen Untersuchungen nachgewiesen werden konnten (siehe hierzu z.B. Locke, Shaw, Saari, Latham, 1981; Mento, Steel, Karen, 1987; Guzzo, Jette, Kastell, 1985), wurde dieser Effekt für das MbO nicht immer gefunden (Guzzo, Jette und Kastell, 1985). Das macht u.a. deutlich, dass die Generalisierbarkeit der Thesen der Zielsetzungstheorie unter den Bedingungen der Arbeitswelt eingeschränkt ist und weitere Einflussfaktoren berücksichtigt werden müssen. Dies kann z.B. das grundlegende Führungsverständnis einer Organisation, oder auch die spezifische Ausgestaltung des Führens mit Zielen in Form von Zielvorgaben vs. Zielvereinbarungen betreffen. Ergebnisse der aktuellen Führungsforschung legen außerdem nahe, dass bestimmten Verhaltensweisen des Führenden eine wesentliche Rolle bei der Gewinnung der Mitarbeiter für die Unternehmensziele, sowie bei der Erreichung der festgelegten Ziele zukommt.

3.1 Verbreitung Führen mit Zielen in Deutschland

Nicht nur im Rahmen der Modernisierung der öffentlichen Verwaltung spielt zielorientierte Führung eine wesentliche Rolle (Wewer, 1998). 1997 schätzte die Unternehmensberatung Kienbaum, dass in ca. 70% der deutschen Unternehmen Zielvereinbarungen durchgeführt werden. Auch wenn diese Schätzung als zu optimistisch eingestuft werden kann, belegen die folgenden Untersuchungen doch eine starke Verbreitung des Konzepts Zielvereinbarungen, die zweifellos von der untersuchten Hierarchieebene im Unternehmen abhängt. Eine Untersuchung von Bahnmüller (1999) zeigt, dass in der Metall- und Elektroindustrie, der Textilindustrie und im Bankensektor, je nach Qualifikationsniveau bei ca. 10- 20% der gewerblichen Arbeitnehmer, bei 40% der Angestellten und bei 76% der Führungskräfte Zielvereinbarungen eingesetzt werden (Hlawaty, 2000, S.140).

Hölzle (2000) fand bei einer Umfrage, die er bei allen in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern durchführte, dass 84% der Unternehmen angaben, mit individuellen Zielvereinbarungen zu arbeiten. Außerdem stellte sich heraus, dass die Initiative zur Zielvereinbarung in 73% der Fälle von der obersten Führungsebene ergriffen wird. Nur bei 27% der befragten Unternehmen initiierten Führungskraft und Mitarbeiter gemeinsam den Zielvereinbarungsprozess. Die Unternehmen, die Zielvereinbarungen durchführen, wollen vor allem das Erreichen der Unternehmensziele fördern (83%), die Mitarbeitermotivation erhöhen (87%) und die Qualität sichern (69%). Von immerhin noch 45% werden Zielvereinbarungen auch zur Mitarbeiterbeurteilung genutzt.

3.2 Definition Führung

Der Versuch der Definition und Abgrenzung von „Führung“ erweist sich durch die Vielzahl an angebotenen Definitionen als schwierig, so dass auch Neuberger (1995) zu dem Schluss kommt, dass eine einheitliche Definition von Führung bis heute nicht vorliegt. Für zusätzliche Verwirrung sorgt die Neigung einiger Autoren, diesen Begriff generell mit Management gleichzusetzen (Staehle, 1994). Traditionell wird Management als Unternehmensführung verstanden, die im betriebswirtschaftlichen Sinn alle Prozesse der Zielsetzung, Planung, Organisation und Kontrolle, die in einer arbeitsteiligen Organisation auf Sachebene notwendig sind, umfasst. Im Gegensatz dazu beschreibt Führung (Leadership) personenbezogene Aufgaben und ist damit eine der wichtigsten Managementfunktionen (Ulrich & Fluri 1992). Daran knüpft beispielsweise die Definition an, die Führung als Beeinflussung von Einstellungen und Verhaltensweisen von Einzelpersonen oder Gruppen durch den Vorgesetzten mit dem Zweck, bestimmte Ziele zu erreichen, beschreibt (Staehle, 1994). Bereits aus dieser einen Definition wird ersichtlich, anhand wie viel verschiedener Spezifika (Bass, 1981) sich Führungsdefinitionen einordnen lassen: hier z.B. sowohl Führung als Einflussausübung, als auch Führung als Instrument der Zielerreichung.

Von Rosenstiel (2003) betont zusätzlich, dass Führung der Erreichung von Unternehmenszielen gilt. Er definiert Führung allgemein als „zielbezogene Einflussnahme. Die Geführten sollen dazu bewegt werden, bestimmte Ziele, die sich meist aus den Zielen des Unternehmens ableiten, zu erreichen“ (S.4). Während die bisher genannten Definitionen eine einseitige Einflussnahme des Führenden auf die Geführten annehmen, sehen Wegge und v. Rosenstiel (2004) Führung als „einen Sammelbegriff für alle Interaktionsprozesse, […] denen eine absichtliche soziale Einflussnahme von Personen auf andere Personen zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben im Kontext einer strukturierten Arbeitssituation zu Grunde liegt“ (S. 476). Doppler & Lauterburg sehen die Funktion von Führung nicht mehr darin, Arbeit vorzubereiten und Aufgaben zu verteilen, sondern, „Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Mitarbeitern ermöglichen, ihre Aufgaben selbstständig und effizient zu erfüllen“ (1994, S.54). In dieser Führungsdefinition werden der Aspekt der direkten Einflussnahme und der Zielorientierung ausgeklammert und vielmehr die Fragen nach den für die Mitarbeiter nötigen Qualifikationen, Informationen und Unterstützung in den Mittelpunkt gerückt.

Aufgrund der Vielzahl, der unterschiedlichen Blickwinkel und Qualitäten der Führungsdefinitionen wird Führung in dieser Arbeit als Interaktion verstanden, der eine bewusste Beeinflussung von Personen zugrunde liegt, um bestimmte Ziele zu erreichen. Diese Definition schließt sich der grundlegend interaktionell ausgerichteten Sichtweise vieler Autoren (Vgl. Steinle, 1995) an und betont ganz bewusst den Zielaspekt im Hinblick auf das dieser Arbeit zugrunde liegende Thema. Aus diesem Grund wird Führung auch im Sinne von Leadership als eine von vielen Managementaufgaben verstanden.

3.3 Führen mit Zielvorgabe vs. Zielvereinbarung

Das Setzen von Zielen wird als eine wesentliche Führungsaufgabe angesehen (Locke und Latham, 1995). In der Praxis lassen sich zwei grundlegende Formen unterscheiden: die autoritäre Variante der Zielvorgabe und die Zielvereinbarung als kooperatives Element der Führung zur Steigerung der Arbeitsleistung, aber auch der Mitarbeiterzufriedenheit (Schmidhammer & Arendt, 2000). Häufig wird der Begriff der Zielvereinbarung synonym mit Begriffen wie „MbO“, „Führen mit Zielen“ oder auch „Führen mit Zielsetzung“ verwendet (Kohnke & Reimann, 2002). Im Folgenden wird unter einer Zielvereinbarung „eine mehr oder weniger verbindliche dezentrale Absprache über Leistungsziele zwischen Leistungspersonen und Beschäftigten(gruppen), die in einem bestimmten Zeitraum zu erreichen sind“ (Tondorf, 1998, S. 368), verstanden. Das zentrale Merkmal ist die gemeinsame Festlegung von Zielen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern (Breisig, 1997). Diese Variante der Zielfindung ist durch die notwendigen Abstimmungsprozesse wesentlich zeitaufwendiger, kann aber im Vergleich zu einer reinen Zielvorgabe zu einer größeren Zielbindung und letztlich erhöhten Leistung der Beteiligten führen. Es hat sich dabei in der Praxis herausgestellt, dass es für die Mitarbeiter besonders irritierend ist, wenn Zielvorgaben als Zielvereinbarungen „verkauft“ werden. (Vgl. Mutafoff & Glatz, 2001; Becker, 1997; Schwaab, 2002)

3.4 Vom Harzburger Modell zum Management by Objectives

Ein in der öffentlichen Verwaltung weit verbreitetes Konzept ist neben dem Harzburger Modell (Höhn, 1956) das Management by Objectives (MbO). Handelt es sich beim Harzburger Modell (HM) primär um ein aufgabenorientiertes Delegationskonzept, treten im Rahmen des nach Wunderer (2001) als zielorientiertes Delegationskonzept einzuordnenden Management by Objectives (Wunderer, 2001; Wunderer, 1995a) Zielvorgaben oder Zielvereinbarungen an die Stelle konkreter Aufgaben. Hierzu ist anzumerken, dass die Zielorientierung des MbO im Sinne der von Wunderer verwendeten Einordnung als zielorientiertes Delegationsprinzip durch einen delegativen Führungsstil ergänzt werden muss, was auch nach Gebert (1995, Sp. 431) „eine wichtige ergänzende Aufgabenstellung für den Führenden dar[stellt].“ Auf diese Weise wird der Handlungsspielraum der Mitarbeiter erweitert, da sie die Wahl haben zu entscheiden, auf welche Weise sie festgelegte Ziele erreichen (Gebert, 1995).

Höhn empfiehlt, statt des in der öffentlichen Verwaltung vorherrschenden autoritären Führungsstils, die „Führung im Mitarbeiterverhältnis“. Im Mittelpunkt seines in den 60er und 70er Jahren verbreiten Harzburger Modells steht die Delegation von Verantwortung, die in Handlungs- und Führungsverantwortung aufgeteilt wird. Die Handlungsverantwortung liegt beim Mitarbeiter. Sie umfasst den normalen Ablauf des Betriebsgeschehens. Dem Mitarbeiter wird ein fest definierter Aufgabenbereich zugeteilt, für den er die Verantwortung übernehmen und innerhalb dessen er selbstständig handeln und entscheiden soll. Ein Eingreifen der Führungskraft in diesen Aufgabenbereich ist ebenso wie die Rückdelegation von Verantwortung durch die Mitarbeiter untersagt. „Die Führungsverantwortung trägt der Vorgesetzte; sie umfasst die Qualität des Mitarbeiters, die Aufgabenstellung, die außerordentlichen Fälle und die Kontrolle“ (Böhret & Junkers, 1976, S.65). Die Delegationsbereiche sind in Stellenbeschreibungen detailliert nach Aufgaben, Funktion und Verantwortung festgeschrieben. Sie sollen helfen, die betriebsorganisatorischen Voraussetzungen für die Führung im Mitarbeiterverhältnis zu schaffen. Die Grundprinzipien der Führung im Mitarbeiterverhältnis sind in der „Allgemeinen Führungsanweisung“ fixiert. Sie ist für jede Organisation speziell zu formulieren und für die Behörde verbindlich. Um die Führung des Bereichs zu gewährleisten, der an den Mitarbeiter delegiert wurde, ist eine Kontrolle durch den Vorgesetzten notwendig. Diese erfolgt durch Dienstaufsicht und Erfolgskontrolle. Die Dienstaufsicht stellt mittels Stichproben sicher, dass die bestehenden Richtlinien eingehalten und im Falle von Abweichungen die Ursachen festgestellt werden. Die Erfolgskontrolle ist eine Leistungskontrolle, d.h. sie prüft, ob das vorgegebene Ziel vom Mitarbeiter erreicht wurde. (Vgl. Böhret & Junkers, 1976; Wunderer & Grunwald, 1980; Laux, 1975; Jegodzinski, 1983).

Dass allerdings das von Höhn entwickelte HM seinem Ziel gerecht werden kann, den autoritären Führungsstil durch die „Führung im Mitarbeiterverhältnis“ abzulösen (Böhret & Junkers, 1976) wird vielfach angezweifelt. Guserl (1973, zit. nach Wunderer & Grundwald, 1980) merkt hierzu an, dass die organisatorischen Regelungen, die als Instrument indirekter Führung dienen, nicht mehr Ausdruck eines patriarchisch- autoritären, sondern bürokratisch- autoritären Führungsstils sind. Es ist also fraglich, ob das HM der Forderung nach einer Hinwendung zu kooperativen Formen der Zusammenarbeit dienen kann (Böhret & Junkers, 1976). Das HM ist somit „nicht den Anforderungen gewachsen, aus der Kontrollkrise zu führen“ (Oechsler, 1992, S.88), stattdessen führt „die Perfektion der Stellenbeschreibungen […] neben der großen Zahl der Informationskataloge zu einem extremen Formalismus, der den in der Literatur häufig kritisierten bürokratischen Charakter des Harzburger Modells ausmacht“ (Böhret & Junkers, 1976, S. 89). Aufgrund empirischer Erhebungen, die u.a. zeigen, dass das HM in der Praxis, das ohnehin weit verbreitete (1) Ressort- und Zuständigkeitsdenken, sowie die (2) Bürokratisierung fördert, (3) keine individuellen Möglichkeiten zur Flexibilisierung bietet und (4) zum Aufblähen der Hierarchie führt, kommt Oechsler (1992, S.88) zu dem Schluss, dass „das Harzburger Modell ein relativ starres Grundgerüst besitzt, dem es an unternehmenspolitischen und mitarbeiterbezogenen Instrumenten mangelt.“ Das ist einer der Gründe, warum das Führungsmodell Management by Objectives das HM in der Praxis ablöst (Vgl. Oechsler, 1992; Laux, 1975; Böhret & Junkers, 1976). Ein Grund, warum das HM in der Verwaltung trotz aller Kritik schnell Aufnahme fand, sieht Oechsler (1995) in der Systemähnlichkeit von Modell und verwaltungskultureller Wirklichkeit.

Da das Harzburger Modell den Anforderungen, die Verwaltung aus ihrer Kontrollkrise herauszuführen nicht gewachsen war, sollte dies durch Planungs- und Kontrollsysteme, die auf der Konzeption des Management by Objectives aufbauen, ermöglicht werden (Oechsler, 1992). Die auf Peter Drucker (1954) zurückgehende Technik des Management by Objectives geht davon aus, dass Mitarbeiter durch Ziele motiviert werden können. Der Grundgedanke bei der Zielorientierung des MbO ist nach Drucker die Ausrichtung der Aktivitäten der Mitarbeiter an Leistungszielen und die Beurteilung des Zielerreichungsgrades (Drucker, 1954). Das der Verfahrensorientierung, bei der die Art und Weise der Erreichung des Ziels vorgegeben und kontrolliert wird, entgegensetzte Prinzip der Zielorientierung des MbO „basiert auf der sachlich- formal zu begründeten Annahme, dass das Unternehmensziel in seiner globalen Form zur Steuerung nicht ausreicht, sondern dass es zum Zwecke der Handlungssteuerung in Teilziele aufgegliedert werden muss, d.h. der hierarchischen Organisationsstruktur ist eine entsprechende Zielhierarchie als Steuerungsmittel beizuordnen“ (Fuchs- Wegner, 1987, Sp.1369). Der Grundgedanke zur Vorgehensweise des MbO ist dementsprechend, dass die Unternehmensleitung Gesamtziele der Organisation festlegt und ihren Mitarbeitern bekannt gibt. Nach einer Rückmeldung zur Erreichbarkeit der Ziele legt die Unternehmensführung fest, welche Ziele Grundlage für die strategische Ausrichtung bilden und kommuniziert diese an die unteren Ebenen. Aus diesen Oberzielen werden von den Führungskräften nachgeordneter Ebenen Zielsetzungen abgeleitet. In Zielsetzungsgesprächen werden mit jedem Mitarbeiter Einzelziele konkretisiert. Hierbei werden verschiedene Vorgehensweisen – die Zielvorgabe und die Zielvereinbarung – unterschieden. Erst wenn die Unternehmensziele in konkrete Leistungsziele für die Mitarbeiter umgesetzt sind, spricht man von MbO. (Vgl. Neuberger, 1977; Laux, 1975; Humble, 1973; Odiorne, 1971,1980; Reinermann & Reichmann, 1978)

Bezogen auf die öffentliche Verwaltung sieht Laux (1975, S.71) das Konzept des MbO als „ungleich anpassungs- und ausbaufähiger“ als das Harzburger Modell, da es „sich nicht in erster Linie an Problemen des formalen Aufbaus bzw. der Strukturorganisation, […] sondern am Prozess der Führung orientiert.“ Als ein weiterer Vorteil des MbO wird gesehen, dass „die Aktivitäten aller Organisationsmitglieder konsequent auf die übergeordneten Organisationsziele ausgerichtet werden und diese Ziele damit besser erfüllt werden“ (Holling, 1995, S.123). Außerdem ergibt sich aus dem Grundgedanken einer regelmäßigen Zielüberprüfung, dass mögliche Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt und korrigiert werden können (Vgl. Fuchs- Wegner, 1987).

Böhret und Junkers (1976) sehen zwar die durch das MbO angestrebte Verknüpfung von Mitarbeitermotivation und Leistungssteigerung als für den Reformprozess der öffentlichen Verwaltung wichtig an. Eine unveränderte Übertragung des MbO- Konzepts auf die öffentliche Verwaltung erscheint ihnen aber problematisch. Sie vertreten die Meinung, dass es aufgrund der starken gegenseitigen Abhängigkeit der Ziele nicht möglich ist, die Leistungsbeurteilung einzelner Mitarbeiter anhand ihrer Zielerreichung vorzunehmen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass sich Prioritäten im Laufe des politischen Prozesses verschieben können, was durch ein festgelegtes Zielbild nur eingeschränkt möglich würde. Gefahren sehen Böhret und Junkers (1976) u.a. darin, dass qualitative Ziele gegenüber besser operationalisierbaren Zielen an Bedeutung verlieren (Vgl. hierzu auch Abschnitt 4.1), kurzfristige Ziele zu Lasten langfristiger Ziele überbetont werden und es aufgrund der steigenden Leistungsanforderungen zu einem passiven Widerstand anstelle einer erwarteten höheren Motivation der Mitarbeiter kommt (Vgl. Böhret & Junkers, 1976; Neuberger, 1977). Gerade in der Verwaltung entstehen negative Grundhaltungen der Mitarbeiter gegenüber dem MbO häufig durch einen weiterhin praktizierten autoritären Führungsstil. Auch wenn versucht wird, diesen durch die Einführung eines kooperativen Führungsverständnisses auszuschalten ( Becker, 1999), hängt es letztlich von der Führungskraft ab, inwieweit die Mitarbeiter ihren größeren Handlungs- und Entscheidungsspielraum wahrnehmen können. Da dies ein wesentlicher Bestandteil eines solchen zielorientierten Delegationskonzepts ist, hängt also der Erfolg des MbO in der Praxis u.a. vom Führungsverständnis und dem sozialen Klima in der Organisation ab (Vgl. Müller, 1999).

3.5 Führungsverständnis in der Polizei

Ausgehend von Erkenntnissen der aktuellen Führungsforschung (siehe hierzu Wegge & v. Rosenstiel, 2004) wird auch in der Polizei angenommen, dass Führungskräfte nicht nur führen, sondern geführt werden[3] und „darüber hinaus in Beziehungsräumen zu agieren haben, die der lateralen Kontaktpflege[4] und Verständigung dienen“ (Uhlendorff & Weiß, 1996; S.896). Basis dieses Führungsverständnisses bildet das Kooperative Führungssystem (Vgl. Uhlendorff & Weiß, 1996), das im Anschluss an eine Definition kooperativer Führung näher betrachtet wird.

[...]


[1] „Handlung bezeichnet eine zeitlich in sich geschlossene, auf ein Ziel gerichtete, sowie inhaltlich und zeitlich gegliederte Einheit der Tätigkeit, […].“ (Hacker, 1999 S.386)

[2] Feedback Intervention: „Actions taken by (an) external agent(s) to provide information regarding some aspect(s) of one`s task performance” (Kluger & DeNisi, 1996, S.255)

[3] „Führung von unten ist die zielorientierte, wechselseitige und aktivierende soziale Einflussnahme auf Personen einer höheren Hierarchiestufe zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben“ (Wunderer & Dick, 2001, S.254; zum Thema zunehmender Bedeutung der Führung von unten: ebenda, S.540).

[4] „Laterale Kooperation wird als ziel- und konsensorientierte Zusammenarbeit zur arbeitsteiligen Erfüllung von stellenübergreifenden Aufgaben in und mit einer strukturierten Arbeitssituation durch hierarchisch formal etwa gleichgestellte Organisationsmitglieder verstanden“ (Wunderer & Dick, 2001, S.468; zum Thema zunehmende Bedeutung lateraler Kooperation: ebenda, S.532).

Ende der Leseprobe aus 188 Seiten

Details

Titel
Evaluation des Zielvereinbarungsverfahrens einer Kreispolizeibehörde in NRW
Hochschule
Universität Osnabrück
Note
2
Autor
Jahr
2006
Seiten
188
Katalognummer
V85294
ISBN (eBook)
9783638906647
ISBN (Buch)
9783638928717
Dateigröße
1523 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Evaluation, Zielvereinbarungsverfahrens, Kreispolizeibehörde
Arbeit zitieren
Dipl.- Psychologin Ellen Meissner (Autor:in), 2006, Evaluation des Zielvereinbarungsverfahrens einer Kreispolizeibehörde in NRW, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85294

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