Die Anekdote. Definition, geschichtlicher Überblick sowie Aufbau und Form


Seminararbeit, 2001

16 Seiten, Note: gut (2,0)


Leseprobe


Inhalt

1 Definition des Begriffs Anekdote

2 Geschichtlicher Überblick

3 Aufbau und Form der Anekdote
3.1 Dreiteiligkeit
3.2 Die Einleitung: „occasio“
3.3 Die Überleitung: „provocatio“
3.4 Die Pointe: „dictum“
3.5 Graphische Zusammenfassung des Aufbaus einer Anekdote

4 Abgrenzung
4.1 Anekdote – Schwank
4.2 Anekdote - Kalendergeschichte
4.3 Anekdote – Witz

5 Typen der Anekdote

6 Didaktischer Ausblick

7 Literaturverzeichnis

1 Definition des Begriffs Anekdote

Der Duden definiert eine Anekdote als „eine kurze, jemanden humorvoll charakterisierende Geschichte“ (Duden 1996, S.112). Meyers Taschenlexikon bestimmt die Anekdote als „pointierte Geschichte“ bzw. „epische Kleinform, die auf einen Moment zielt, in dem sich menschliche Charakterzüge enthüllen oder in dem die Merkwürdigkeit oder die tieferen Zusammenhänge einer Begebenheit zutage treten.“ (Meyers Taschenlexikon 1990, S.341). Dabei werden Gesellschaften verschiedener Epochen charakterisiert. In der Antike hingegen war Anekdote die Bezeichnung für entweder geheime oder für noch nicht veröffentlichte Werke. (vgl. Schäfer 1982, S.9-10)

Es gibt zahlreiche Definitionsarten der Anekdote, die zum Teil übereinstimmen, sich zum Teil aber auch widersprechen. Diese „Widersprüche und Komplikationen sowie Unklarheiten in der Begriffsdefinition ergeben sich aus der Tatsache, dass Anekdoten und ihre Grenzen zu benachbarten Prosagattungen (wie Facetie, Apophthegmata, Schwank, Witz, Kalendergeschichte, Parabel, Kurzgeschichte, Novelle usw.) außerordentlich fließend sind.“ (Grothe 1984, S. 10)

Victor Lange versucht die Anekdote zu definieren, indem er ihre Unterschiedlichkeit zum Witz kenntlich macht. Bei der Anekdote werde eine bekannte Person durch eine pointierte sprachliche Äußerung charakterisiert. Es bedarf also anders als beim Witz keines weiteren interessanten Handlungszusammenhangs. Darüber hinaus verfüge die Anekdote über eine didaktische Tendenz, so dass sie sowohl als Überredungsmittel als auch Gesellschaftskritik taugt. ( vgl. ebd., S.10)

Im 18.Jahrhundert knüpfen Gottsched, Lessing und Adelung an die Tradition der Kurzprosa an und beschreiben die Anekdote folgendermaßen: „Die Anekdote hat die Bedeutung einer unbekannten Begebenheit.“ (ebd., S.11)

Ursprünglich war die Anekdote eine Form der mündlichen Kommunikation, die in vier verschiedenen Weisen auftritt:

1) „als volkstümlich-vorliterarisches Element des alltäglichen Erzählens“
2) „als Zweckform in der Geschichtsschreibung, d.h. als Form der Historiographie oder Biographie“
3) „seit dem 18./19. Jahrhundert als literarische Gattung“
4) „als gesellschaftliche Kommunikationsform in den Massenmedien“ (Schrader 1986, S.159)

Wie schon erwähnt sind die Definitionen der Anekdote sehr vielfältig. Monika Schrader definiert die Anekdote vom Inhalt her. Sie sei eine Erzählform, die „eine charakterisierende Herzens- oder Geistesäußerung einer Person enthalte“ (Schrader , S.159).

2 Geschichtlicher Überblick

Der Begriff „Anekdote“ stammt aus dem Altgriechischen. „Anekdoton“ bedeutet das „nicht Herausgegebene“. Ursprünglich wurden nicht publiziertes Material oder geheime Aufzeichnungen Anekdoten genannt. Ein Beispiel dafür sind die Klatschgeschichten um Kaiser Justinian (5. Jh. n. Chr.) von Prokop von Caesarea. Dieses Werk wurde Anekdote genannt, weil es sich um ein spät erschienenes oder bisher unveröffentlichtes Werk eines recht bekannten Verfassers handelte (vgl. Schäfer 1982, S.10).

Die literarische Gattung, die wir heute als Anekdote beschreiben, war bereits in der Antike bekannt, jedoch unter einem anderen Namen: Apophthegma. Dieser Begriff bedeutet zusammengesetzt aus „phtheggomai“ (einen lauten Ton von sich geben) und der Vorsilbe „apo-“ (gehörig, genügend) so viel wie „jemandem ordentlich, gehörig die Meinung sagen“. Gemoll definiert: „Das Apophthegma ist eine kurze, ernste oder witzige, auf jeden Fall treffende Streitrede“ (ebd., S.11).

Erst im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde der Begriff Apophthegma durch Anekdote ersetzt. Im folgenden wird die heutige literarische Gattung als Anekdote bezeichnet.

Die Anekdote war ursprünglich eine mündlich überlieferte Erzählform, deshalb ist es nicht möglich genau anzugeben wann und wo sie entstanden ist. Frühe Quellen sind im ägyptischen und indischen Raum zu finden. In der griechischen Literatur finden sich zwei Typen der Anekdote:

1. Die Anekdote, die aus der historischen Unterhaltungsliteratur stammt und
2. die Anekdote der Dichter und Philosophen.

Die literarische Form ist in Deutschland seit der Renaissance (15. Jh.) bekannt. Zuerst stand die Anekdote in starker Nähe zum Schwank und Witz. Im 16./17. Jh. kristallisierten sich vier verschiedene Typen heraus:

a) Historisch-patriotische Anekdote
b) Hofklatschgeschichte
c) Biographische Skizze
d) Schwankhafte Anekdote

Ihre Intention war die Unterhaltung, die moralische Belehrung, die exemplarische Illustration bekannter Personen und die Wissensvermittlung sowohl im bezug auf die Geschichte als auch auf das Wissen aus fernen Ländern (vgl. Schrader 1986, S.156f).

Ende des 17. / Anfang des 18. Jahrhunderts findet man die Anekdote als volkstümliche Erzählform in Almanachen, Kalendarien und Sammelbänden.

Ihren Höhepunkt fand die Anekdote mit Heinrich von Kleist (1777 – 1811) und Johann Peter Hebel (1760 – 1820). V. Kleist pointiert in den „Berliner Abendblättern“ 1810/11 das Berliner Leben und im „rheinischen Hausfreund“ reflektiert Hebel volkstümliche Begebenheiten mit moralischem Sinn.

Im 19.Jahrhundert ist die Anekdote sehr beliebt. Es gibt zahlreiche Sammlungen, in denen sie „als feuillentonistisch-publizistische Form in Erscheinung“ (Schrader 1986, S.157) tritt.

Erneuerungsversuche, die Anekdote wieder zur Kunstform zu entwickeln, stellen am Anfang des 20. Jahrhunderts z. B. W. Schäfer, H. Franck, J. Winckler und C. Weiskopf an. Sigismund Radecki bezeichnet die Stellung der Anekdote als „Volkslied der benzinbetäubten Welt“ (ebd., S. 158).

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Anekdote. Definition, geschichtlicher Überblick sowie Aufbau und Form
Hochschule
Universität zu Köln  (Seminar für Deutsche Sprache und ihre Didaktik)
Veranstaltung
Seminar: Epische Kurzformen
Note
gut (2,0)
Autoren
Jahr
2001
Seiten
16
Katalognummer
V8520
ISBN (eBook)
9783638154710
Dateigröße
554 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Anekdote Schwank Kalendergeschichte Witz Epik
Arbeit zitieren
Jörn Diercks (Autor:in)Michael Hinkel (Autor:in), 2001, Die Anekdote. Definition, geschichtlicher Überblick sowie Aufbau und Form, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8520

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