Die Herrschaft Rogers II.

Ein Vergleich mit der üblichen Herrschaftspraxis im Hochmittelalter


Hausarbeit, 2006

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

I. Einleitung

II. Historischer Kontext

III. Die im Hochmittelalter verbreitete Auffassung von Herrschaft

IV. Die Herrschaftspraxis Rogers II

V. Die Assisen von Ariano

VI. Die Beurteilung Roger II. durch seine Zeitgenossen und die Forschung

VII. Fazit

VIII. Quellenverzeichnis und Literaturverzeichnis

I. Einleitung

In der vorliegenden Hausarbeit möchte ich die Herrschaft König Rogers II. von Sizilien mit im Hochmittelalter verbreiteten Normvorstellungen von „Herrschaft“ vergleichen und sie auf Übereinstimmungen oder Abweichungen von dieser Norm untersuchen.

Als erstes werde ich kurz auf die im Hochmittelalter verbreitete Vorstellung von Herrschaft, insbesondere das Verhältnis von König und Adel eingehen, um dann anschließend die Herrschaftspraxis Rogers II. und sein Gesetzeswerk, die so genannten „Assisen von Ariano“ näher zu betrachten. Im letzten Teil der Arbeit werde ich schließlich untersuchen, wie die Herrschaftspraxis Rogers II. von seinen Zeitgenossen und von der Forschung beurteilt wird und dabei die Ergebnisse des Vergleichs aus den ersten beiden Teilen der Arbeit mit einbeziehen.

Zunächst einige Worte zur Quellenlage. Man muss davon ausgehen, dass ein Großteil der von Roger II. ausgestellten Urkunden nicht erhalten ist.[1] Aufgrund des multikulturellen Umfelds des Königreiches Sizilien, auf welches ich später noch näher eingehe, gibt es eine Vielzahl von Quellen in lateinischer, griechischer und sogar arabischer Sprache. Zumindest die lateinischen Quellen sind zwar zahlreich ediert, leider aber kaum übersetzt - eine Tatsache, die mich vor einige sprachliche Probleme stellte. Daher greife ich vermehrt auf übersetzte Quellenpassagen in der Literatur zurück und habe diese entsprechend kenntlich gemacht. Die wichtigsten Quellen sind u. a. der so genannte Hugo Falcandus[2], Alexander von Telese[3], Falco von Benevent[4] und Romuald von Salerno[5]. Bei allen erwähnten Quellen ist anzumerken, dass sie in der Regel sehr tendenziös berichten und die Aussagen hier daher noch mehr mit Vorsicht zu genießen sind, als das generell bei Quellen der Fall ist. Alexander von Telese ist stets parteiisch für Roger II., er hat sein Werk schließlich auf Anregung einer Schwester Rogers II. geschrieben und wird sogar als Lobredner des selbigen bezeichnet[6], die meisten anderen Autoren beziehen sehr negativ Position.

Roger II. und das normannische Königreich Sizilien sind schon seit langem ein beliebtes Forschungsgebiet, insbesondere für europäische Historiker. Aufgrund der normannischen Wurzeln sahen englische und französische Forscher einen Bezug zu ihren Nationen. Bedingt durch die geographische Lage wurde das Thema ausgiebig von italienischen Historikern behandelt. Nicht zuletzt wegen der Eingliederung des Königreiches Sizilien ins deutsche Kaiserreich durch die Staufer wurde auch von deutscher Seite intensiv zu diesem Thema geforscht. 1904 und 1907 wurden zwei Bahnbrechende Werke zu Roger II. veröffentlicht, ersteres von Erich Caspar[7], letzteres von dem Engländer Ferdinand Chalandon. In der folgenden Zeit erschienen verschiedene weitere Werke, die aber größtenteils auf die beiden genannten aufbauten. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gingen neue Impulse vor allem von den diversen in Italien abgehaltenen Jubiläumskongressen aus, z.B. 1954 zum achthundertsten Todesjahr Rogers II. Als ein Experte auf diesem Gebiet gilt heute der deutsche, seit langem in Italien tätige Hubert Houben.[8] Zu nennen ist noch die gerade erst 2005 publizierte Dissertation von Theo Broekmann,[9] auf die in weiten Teilen diese Hausarbeit baut.

II. Historischer Kontext

Grob gesehen ereigneten sich die in dieser Hausarbeit beschriebenen Geschehnisse in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts in Sizilien und Süditalien. Gut ein halbes Jahrhundert früher hatte Roger I. zusammen mit Robert Guiscard und weiteren normannischen Rittern Apulien und Kalabrien von den dort ansässigen byzantinischen und langobardischen Herrschern, etwas später Sizilien von den Sarazenen erobert. Im Jahr 1101 übernahm Roger II. nach dem Tod seines Vaters Roger I. die Regentschaft über die Grafschaft Sizilien. Nach erfolgreichen Eroberungen auf dem Festland setzte Papst Honorius II. Roger II. im Jahr 1128 als Herzog von Apulien ein. Zwei Jahre später machte Roger II. sich das Schisma zunutzen und am Weihnachtstag 1130 ließ er sich von einem Vertreter des Gegenpapstes Anaklet II. in Palermo zum König von Sizilien, Kalabrien und Apulien krönen. In den folgenden neun Jahren setzte sich Roger II. gegen massiven Widerstand aus den Reihen des Adels durch, bis er schließlich im Jahre 1139 in einer Position war, in der er Papst Innozenz II. zwingen konnte seine Königswürde anzuerkennen. In der Zeit darauf baute Roger II. die Verwaltung seines Reiches aus und erließ im Jahr 1140 die Assisen von Ariano, das Gesetzeswerk, auf das ich im Folgenden noch näher eingehen werde. Nach diversen weiteren militärischen Unternehmungen, u. a. in Nordafrika, starb Roger II. schließlich im Jahr 1154. Nach dem Tod Rogers II. bestand das Königreich Sizilien noch genau 40 Jahre weiter unter normannischer Herrschaft, bis es im Jahr 1194 von dem Staufer Heinrich IV. in das deutsche Kaiserreich eingegliedert wurde. Damit existierte das normannische Königreich Sizilien insgesamt nur relativ kurze 64 Jahre.[10]

III. Die im Hochmittelalter verbreitete Auffassung von Herrschaft

Selbstverständlich ist es nicht möglich eine allgemein gültige Aussage zu machen, wie Herrschaft im Hochmittelalter gesehen wurde, es gab natürlich regionale und vom jeweiligen System abhängige Unterschiede und auch Prozesse der Normveränderung innerhalb des Hochmittelalters, auf die ich später noch zu sprechen komme.[11]

Trotzdem ist es möglich gewisse Mechanismen oder Handlungsmuster zu erkennen, die sich immer wieder abspielen, auch in ganz verschiedenen Umfeldern, wenn es beispielsweise um die Interaktion zwischen König und Adel, oder dem Adel unter sich geht. Gerd Althoff hat für dieses Phänomen den Begriff „Spielregeln der Politik“ geprägt.[12] Demnach war u. a. auch der König an bestimmte ungeschriebene Gesetze gebunden, die dem Adel z.B. ein gewisses Maß an politischer Partizipation zugestanden. Wichtige Adlige hatten das Recht über Instrumente wie Vermittlung, Fürsprache und Intervention auf das Vorgehen des Herrschers einzuwirken. Wenn ein Adliger seinem König einen Ratschlag gab, musste dieser darauf eingehen bzw. konnte diesen Rat zumindest nicht einfach komplett ignorieren. Auf diese Weise bestand ein System wechselseitiger Beziehungen, in dem der König auf den Adel angewiesen war, der Adel aber auch die Autorität des Königs respektieren musste.[13] Es gab zwar auch im Mittelalter, sogar schon im Frühmittelalter,[14] schriftlich fixierte Gesetze, die aber nicht in dem Maße verbindlich und uneingeschränkt gültig waren wie die Gesetze eines heutigen modernen Staates. Deutlich wichtiger waren gerade zwischen Adel und König die angesprochenen ungeschriebenen Gesetze.[15] Ein Großteil der zum Funktionieren dieser Mechanismen nötigen Kommunikation lief über symbolische, inszenierte Handlungen und Rituale. Gerade im Konfliktfall waren symbolische, rituelle Handlungen ein gutes Mittel um eine unnötige Eskalation und unter Umständen gravierende Folgen zu vermeiden.[16] Dazu gehörten beispielsweise symbolische Handlungen wie die deditio, das Unterwerfungsritual, bei dem der unterlegene Konfliktpartner sich dem Sieger demütig unterwirft und diesen um Vergebung bittet, die ihm dann in der Regel auch gewährt wird. Auf diese Weise ist dem Sieger Genugtuung gegeben, es ist ihm aber trotzdem noch möglich in Zukunft weiter mit dem Unterlegenen politisch in Kontakt zu treten.[17] Ein weiteres Beispiel ist die milde Bestrafung einer Burgbesatzung indem symbolisch nur eine Mauer eingerissen und freies Geleit gewährt wird.[18] An einem Ereignis aus dem Jahre 1215 lässt sich gut verdeutlichen, was passieren kann, wenn diese „Spielregeln“ gebrochen werden. Nach der verlustreichen Belagerung der Burg Rochester durch König Johann Ohneland wollte dieser die adligen Aufrührer hinrichten lassen. Daraufhin überzeugte ihn einer seiner eigenen Anhänger Milde walten zu lassen, indem er den König darauf aufmerksam machte, dass nach einer solchen Tat ihre Gegner auf gleiche Weise mit den Verbündeten des Königs umgehen würden und dass dann niemand mehr unter ihm dienen würde.[19] Hier wird deutlich, dass alle Beteiligten, auch der König, einem starken Druck unterliegen die „Spielregeln“ einzuhalten.[20]

Wie schon erwähnt können sich solche Handlungsnormen mit der Zeit ändern. Ein klarer Wechsel in der Konfliktpraxis vollzog sich im hochmittelalterlichen normannischen England. Der Zeitraum des 12. und 13. Jahrhunderts kann aufgrund des vergleichsweise milden Umgangs mit adligen Aufrührern als „period of clemency“ bezeichnet werden. Als Strafen wurden hier vor allem Verbannung, Kerkerhaft und Güterkonfiskation verhängt.[21] Ab dem Ende des 13. Jahrhunderts verschärften die Umgangsformen in der Konfliktpraxis drastisch. Es wurden immer häufiger grausame Körperstrafen wie Blendung oder Kastration und auch die Todesstrafe verhängt, daher spricht man hier von den so genannten „ages of blood“.[22]

IV. Die Herrschaftspraxis Rogers II.

Im von den Normannen eroberten Süditalien und Sizilien sah die Situation etwas anders aus. Zwar gab es hier am Anfang des 12. Jahrhunderts mit Instrumenten wie der Vermittlung und der deditio die gleichen Möglichkeiten zur Konfliktbeilegung wie im normannischen England, eine „period of clemency“ gab es aber nur für einen sehr kurzen Zeitraum auf dem Festland unter Wilhelm und Roger Borsa von Apulien.[23] Hier konnte es sich die zugewanderte normannische Adelsschicht schlicht und ergreifend nicht leisten ihre Standesgenossen zu töten oder verstümmeln und sich so selbst in Gefahr zu bringen, es gab schließlich immer noch Auseinandersetzungen mit langobardischen Fürsten.[24]

[...]


[1] Houben, Hubert, Roger II. von Sizilien. Herrscher zwischen Orient und Okzident (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance), Darmstadt 1997, S. 6

[2] Ugo Falcando, La Historia o Liber de Regno Sicilie e la epistola ad Petrum Panormitane Ecclesie Thesaurarium, hg. von Giovanni B. Siracusa (Fonti per la storia d’Italia 22), Rom 1897

[3] Alexander von Telese, Ystoria Rogerii regis Sicilie Calabrie atque Apulie, hg. von Ludovica de Nava – Dione Clementi (Fonti per la storia d’Italia 112), Rom 1991

[4] Falco von Benevent, Chrinicon, in: Cronisti e scrittori napoletani editi e inediti. Storia della monarchia I: Normanni, hg. Von Giuseppe del Re, Neapel 1845, ND Aalen 1975

[5] Romuald von Salerno, Chronicon, hg. von Carlo A. Garufi, RIS 7,1, Cittá di Castello 1935

[6] Enzensberger, H., Art. Alexander von Telese, in: LexMa, München 1980, Bd. 1, Sp. 380-381; Broekmann, S. 128

[7] Caspar, Erich, Roger II. (1101-1154) und die Gründung der normannisch-sicilischen Monarchie, Innsbruck 1904, ND Darmstadt 1968

[8] Zum Gang der Forschung: Houben, Roger II.,S. 1-3; Schminck, Christoph, Crimen laesae maiestatis. Das politische Strafrecht Siziliens nach den Assisen von Ariano (1140) und den Konstitutionen von Melfi (1231) Aalen 1970, S. 31

[9] Broekmann, Theo, Rigor Iustitiae. Herrschaft, Recht und Terror im normannisch-staufischen Süden (1050-1250), Darmstadt 2005

[10] Zum historischen Kontext: Giunta, F., Art. Roger II., in: LexMa, München 1995, Bd. VII, Sp. 937-938; Cuozzo, E., Art. Königreich Sizilien, in: LexMa, München 1995, Bd. VII, Sp. 1956-1960; Powell, James, Art. Sicily, Kingdom of, in: Dictionary of the Middle Ages, New York 1989, Bd. 11, S. 267-276; Powell, James, Art. Roger II., in: Dictionary of the Middle Ages, New York 1989, Bd. 10, S. 440-441

[11] Ruhe, Doris, Einführende Überlegungen, in: Doris Ruhe – Karl-Heinz Spiess (Hgg.): Prozesse der Normbildung und Normveränderung im mittelalterlichen Europa, Stuttgart 2000, S.2

[12] Broekmann, S. 15 Anm.; Althoff, Gerd, Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde, Darmstadt 1997

[13] Broekmann, S. 136, Althoff S. 8

[14] Althoff S. 7 nennt z.B. die karolingischen Kapitularien

[15] Althoff S. 6, Schneider, Reinhard, Implizierte Normen königlichen Handelns und Verhaltens. Herrschaftspraxis in Abhängigkeit von ungeschriebenen Leitvorstellungen, in: Doris Ruhe – Karl-Heinz Spiess (Hgg.): Prozesse der Normbildung und Normveränderung im mittelalterlichen Europa, Stuttgart 2000, S. 203

[16] Althoff S. 10

[17] Althoff S. 99-100

[18] Althoff S. 10

[19] Broekmann, S. 145-146

[20] Althoff S. 13 spricht von einem „Zwang zum Mitspielen“ um nicht „aus der Rolle zu fallen“

[21] Broekmann S. 144

[22] Broekmann S. 158

[23] Alexander von Telese, Ystoria Rogerii, I, c. I, S. 6, nach Broekmann S. 139: “…niemand ist dort mit Körperstrafen abgeschreckt worden.”; Romuald von Salerno, Chronicon, S. 206, nach Broekmann S. 117

[24] Broekmann S. 57-58

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Herrschaft Rogers II.
Untertitel
Ein Vergleich mit der üblichen Herrschaftspraxis im Hochmittelalter
Hochschule
Universität Münster  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Proseminar: „Wikinger und Normannen – Nordmänner im Süden und Westen Europas“
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
18
Katalognummer
V85123
ISBN (eBook)
9783638005906
ISBN (Buch)
9783638912969
Dateigröße
472 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Herrschaft, Rogers, Proseminar, Normannen, Nordmänner, Süden, Westen, Europas“
Arbeit zitieren
David Seidel (Autor:in), 2006, Die Herrschaft Rogers II., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85123

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Herrschaft Rogers II.



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden