Der/die/das Fremde bei Nadolnys `Die Entdeckung der Langsamkeit` und Ransmayrs `Die Schrecken des Eises und der Langsamkeit`


Seminararbeit, 2002

17 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2.Arten der Fremde und des Fremdseins
2.1 Der/die/das Fremde bei Nadolny allgemein
2.1.1 Franklins spezielles Fremdsein
a. Der erste Teil: Johns Jugend
b. Der zweite Teil: John Franklin erlernt seinen Beruf
c. Der dritte Teil: Franklins Gebiet
2.2 Der/die/das Fremde in Ransmayrs Roman
2.2.1 Das Fremde bei der Payer-Weyprecht Expedition
2.2.2 Mazzinis Fremdsein

3.Die Neugier.

4.Das Klischee

5.Schlussteil

Literaturverzeichnis

1.Einleitung

In den achtziger Jahren wurden zwei schriftstellerisch herausragende und kommerziell erfolgreiche Romane zum Thema Polarexpeditionen des vergangenen Jahrhunderts veröffentlicht.

Sten Nadolnys: ‚Die Entdeckung der Langsamkeit’ befasst sich mit John Franklins (1786-1847) Leben, seiner Suche nach der Nordwestpassage und deren Entdeckung im Jahre 1845.

Christoph Ransmayr schreibt in ‚Die Schrecken des Eises und der Finsternis’ über die Payer-Weyprecht Expedition, die sich in den 1870er Jahren in das nördliche Polarmeer aufmacht, um das Franz-Josef-Land zu entdecken.

Der/die/das Fremde ist ein zentraler Aspekt beider Werke. Es gibt verschiedene Arten der Fremde und des Fremdseins, auf die ich zu Beginn der Hausarbeit eingehen möchte.

Für das Adjektiv ‚fremd’ findet man viele Synonyme, z.B. „’ungewohnt’, ‚anders’, ‚verschieden’, ‚fernstehend’, ‚neu’, ‚fremdartig’, ‚fremdländisch’, ‚neuartig’, ‚nie dagewesen’, ‚andersartig’, ‚unvertraut’“. Aber auch „’auffallend’, ‚überraschend’ oder ‚erstaunlich’“ findet man bei Textor1. Es gilt in dieser Hausarbeit zu untersuchen, inwiefern diese grosse Bandbreite an Begriffen für das Fremdsein und die Fremde die zwei Romane betrifft.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, einen Vergleich dieser Arten des Fremdseins in den beiden Büchern anzustellen und speziell die Protagonisten daraufhin zu untersuchen.

Natürlich soll auch der Ort ‚Pol’, der symbolisch für das Fremde in der Polarliteratur steht, sowie die Neugier darauf nicht unberücksichtigt gelassen werden. Die Hauptfiguren haben jeweils ganz unterschiedliche Antriebe, das Fremde zu entdecken und zu erforschen, auch auf diese Motive werde ich eingehen.

Beachtenswert ist auch die Vielzahl der Klischees, die die Romane enthalten. Im Vordergrund steht das Entdeckerklischee und das Heldenklischee.

Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt jedoch auf der Untersuchung der Fremde bei John Franklin in der „Entdeckung der Langsamkeit“.

Zitieren werde ich aus den Sekundärliteraturquellen Petra Günthers aus dem Buch „Neue Generation-neues Erzählen“ (1993), Claudio Magris’ (Verteidigung der Gegenwart, 1990), sowie aus Werner von Koppenfels` gelungener Kurzrezension der ‚Entdeckung der Langsamkeit’ (1985).

2.Arten der Fremde und des Fremdseins

Im Brockhaus findet man unter Fremde folgende Definition: „Fremde: Staats –u. Völkerrecht Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit (bei natürlichen Personen) oder Staatszugehörigkeit (bei juristischen Personen) des Aufenthaltslandes besitzen“2.

Aber es gibt auch noch andere Arten der Fremde, z.B. die Fremde im geographischen Sinne als ein unbekannter, unentdeckter weißer Fleck auf der Landkarte, sei es nun Wasser oder Land. Diese Fremde bereisen und erforschen Franklin, Mazzini und die Payer-Weyprecht-Expedition.

Dann gibt es noch das Fremde, das nicht nur geographisch , sondern eher allgemein zu verstehen ist, also eine Symbiose aus der Fremde und dem Fremden.

2.1 Der/die/das Fremde bei Nadolny allgemein

In Nadolnys Buch gibt es viele Arten des Franklinschen Fremdseins. So ist er während des gesamten Handlungsstranges ein Außenseiter in der Gesellschaft, wird von niemandem ernst genommen und ist somit ein Fremder. Fremd ist er deshalb, weil seine Langsamkeit in einer Gruppe nur von wenigen akzeptiert wird.

Seine Langsamkeit und das komplette Franklinsche System der Langsamkeit sind für seine Mitmenschen etwas Fremdes. Sie sind es nicht gewohnt, dass sich jemand von ihnen auf diese Weise unterscheidet. Und wie für viele Menschen üblich, begegnen auch Franklins Zeitgenossen etwas Fremdem, (seiner Langsamkeit) und jemand Fremden (ihm selbst) mit Vorsicht, Unverständnis und sogar Ablehnung. Nur einer ist wirklich neugierig auf Franklins Andersartigkeit. Sein Mentor und Förderer Dr. Orme.

Es fällt John schwer sich durchzusetzen, obwohl er versucht, sich anzupassen, indem er alle für ihn wichtigen Abläufe und Tätigkeiten auswendig lernt und automatisiert.

Später, bedingt durch den Erfolg mit seinen Expeditionen und als Gouverneur , wird er nicht mehr von der Gesellschaft als Außenseiter und Fremder angesehen, fühlt sich aber mehr denn je als einer in ihr.

Völkerrechtlich gesehen ist Franklin auch im ewigen Eis ein Fremder, da es am ‚Ort Pol’ weder Staatsangehörigkeit noch Staatszugehörigkeit gibt, er fühlt sich aber nicht so, denn dort läuft ja alles in einer gewissen Langsamkeit ab, als ob sich die Umgebung auf ihn eingestellt hätte und nicht er sich auf seine Umwelt einstellen muss, wie in Europa.

Auch im Krieg ist Franklin ein Fremder. Er ist zu langsam für das hektische Treiben, das auf einem Kriegsschiff während einer Schlacht verlangt wird. Das Paradoxe ist nur, dass die Personen, die im Kampf zu den Schnellen gehören auch als erstes sterben. Von Koppenfels schreibt: „Die Schnelligkeit führt ihr charakteristisches Produkt, der Krieg, ad absurdum, denn ‚für den Krieg sind alle zu langsam’“3.

Ebenfalls ist der ‚Ort Pol’ und das gesamte Arktisgebiet in diesem Roman etwas Fremdes. Als Franklin zu seiner ersten Expedition aufbricht, weiß er nicht, was ihn im ewigen Eis erwartet und wie die Mannschaft auf seine Behinderung reagieren würde. Franklin hat Angst: „Die Angst, nichts mehr zu verstehen, nichts mehr zu können und auch nicht zur Gegenwehr fähig zu sein, wenn man ihn einfach überging. Die Angst, dass niemand sich seinem Tempo anpassen würde und daß er bei dem Versuch, sich dem der anderen anzupassen, elend scheitern würde“(187)4. Die Angst vor der Fremde, die auch durchaus begründet ist, wie sich später herausstellen sollte. Darauf werde ich in 2.1.1 c eingehen.

Des weiteren sind auf eine gewisse Weise die Indianer, die der Expedition begegnen Fremde, da ja noch kein Kontakt zwischen den beiden Gruppen bestand. Sie jedoch akzeptieren, anders als die schnellen Europäer, Franklins Behinderung. Seine Langsamkeit führt schließlich dazu, „dass Frieden überall dort entsteht, wo man nicht schnell, sondern langsam aufeinander zuging“ (226).

Weiterhin ist zu bemerken, dass das Thema und die Hauptaussage des Romans, nämlich die Entdeckung der Langsamkeit nicht nur für den Leser der achtziger Jahre, sondern auch für den zeitgenössischen Leser des Jahres 2002 evtl. etwas Fremdes ist. In einer Zeit, die immer hektischer, schnelllebiger und leistungsorientierter wird, passt ein Mensch, der trotz oder gerade wegen seiner Langsamkeit sympathisch erscheint und auch noch Erfolg im ‚Berufsleben’ hat und Karriere macht nicht so richtig hinein.

[...]


1 A.M. Textor: Sag es treffender; Rowohlt Taschenbuch, 11. Aufl. 1984 S.87

2 Brockhaus - die Enzyklopädie in 24 Bänden; 20. überarbeitete und aktualisierte Aufl. 1997 Leipzig, Mannheim Band.7 S.680

3 Koppenfels, Werner von: [Rez.] in: Arbitrium. Zeitschrift für Rezensionen zur germanistischen Literaturwissenschaft (1985) S.326

4 Nadolny, Sten: Die Entdeckung der Langsamkeit 35. Aufl. 2001 Piper Verlag, München (1983). Alle weiteren Seitenangaben im Text bis Kapitel 2.2 beziehen sich auf dieses Werk.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Der/die/das Fremde bei Nadolnys `Die Entdeckung der Langsamkeit` und Ransmayrs `Die Schrecken des Eises und der Langsamkeit`
Hochschule
Universität Konstanz  (FB Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Proseminar: Reisen zum Nullpunkt
Note
2
Autor
Jahr
2002
Seiten
17
Katalognummer
V8505
ISBN (eBook)
9783638154581
Dateigröße
539 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Sehr dichte Arbeit - einzeiliger Zeilenabstand. 164 KB
Schlagworte
Nadolny, Ransmayr
Arbeit zitieren
Marco Kerlein (Autor:in), 2002, Der/die/das Fremde bei Nadolnys `Die Entdeckung der Langsamkeit` und Ransmayrs `Die Schrecken des Eises und der Langsamkeit`, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8505

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