Die ewige Suche nach dem Gleichgewicht: Zum statischen und dynamischen Effizienzbegriff


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

26 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Hauptteil
1. Der Ursprung der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie und ihre Begründer
1.1. Die klassischen Nationalökonomen
1.2. Das Marktmodell von Léon Walras
1.2.1. Annahmen des Modells
1.2.2. Hauptinhalte des Modells
1.3. Eine Beurteilung hinsichtlich statischer und dynamischer Effizienz
2. Die Weiterentwicklung der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie
2.1. Francis Ysidro Edgeworth Beurteilung des walrasianischen Marktmodells
2.1.1. Das Recontracting als Alternative zum Auktionator
2.1.2. Die grafische Darstellung mittels der Edgeworth-Box
2.1.3. Zur vermeintlichen Dynamisierung des walrasianischen Marktmodells
2.2. Die Österreichische Schule und andere mit ihr verwandte Ansätze
2.2.1. Der Konkurrenzansatz von Joseph Alois Schumpeter
2.2.1.1. Schumpeters Beiträge und Meinungen zur Neoklassik
2.2.1.2. Statik und Dynamik im schumpeterianischen Sinne
2.2.1.3. Der statische Wirt und der dynamische Pionierunternehmer
2.2.1.4. Der Prozess der Schöpferischen Zerstörung und das wirtschaftliche Gleichgewicht
2.2.2. Die wirtschaftsphilosophische Lehre von Friedrich A. v. Hayek
2.2.2.1. Hayeks Beiträge und Meinungen zur Neoklassik
2.2.2.2. Die Wissensteilung in der Wirtschaftsgesellschaft
2.2.2.3. Die Marktwirtschaftliche Ordnung als Antrieb der Entwicklung und das wirtschaftliche Gleichgewicht
2.2.3. Die Bedeutung der dynamischen Effizienz für den Strukturwandel

III. Resümee

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Edgeworth-Diagramm,

Abbildung 2.: Pareto-effiziente Allokation im Edgeworth-Diagramm,

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

I. Einleitung

Die Frage nach der Existenz eines wirtschaftlichen Gleichgewichts beschäftigt die Welt der Ökonomie seit langem und hat bis zum heutigen Tage an Aktualität nicht verloren. Das Zustandekommen und die Stabilität eines Gleichgewichts bieten einen Ansatzpunkt für interessante und ausführliche Diskussionen. Viele Wirtschaftswissen-schaftler haben im Laufe der Zeit versucht eine Antwort auf diese Frage zu finden. Gedanken, wie sie einst die klassischen Nationalökonomen formulierten, sind nicht in Vergessenheit geraten, sondern wurden zu späteren Zeiten in mathematischen Modellen wissenschaftlich formuliert. Heute werden diese Ansätze unter dem Begriff der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie zusammengefasst und bilden im Rahmen der Mikroökonomie den Ansatzpunkt vieler ökonomischer Analysen. Mit dieser Arbeit werde ich der Frage nachgehen, inwieweit die bestehenden Modelle in der Lage sind die realen Wirtschaftsabläufe abzubilden und damit die tatsächlich stattfindenden Marktprozesse zu erklären. Zu diesem Zweck werde ich im Rahmen einer dogmenhistorischen Betrachtung die Grundzüge, sowie die Entwicklung der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie darstellen. Im Anschluss an die Darstellung der historischen Entwicklungsstufen werde ich die jeweiligen Ansätze anhand des Kriteriums der statischen und dynamischen Effizienz auf ihre Realitätsnähe hin untersuchen. Dies ermöglicht neben der wertneutralen geschichtlichen Darstellung eine konsequente Beurteilung der jeweiligen Ansätze vor dem Hintergrund des heutigen Standes der Wissenschaft.

II. Hauptteil

1. Der Ursprung der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie und ihre Begründer

Die Allgemeine Gleichgewichtstheorie findet ihren Ursprung zur Zeit der Politischen Ökonomie der klassischen Nationalökonomen und damit in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die anfänglichen Überlegungen sind eher intuitiver Natur und noch nicht in den uns heute bekannten Modellen wissenschaftlich formuliert. Die mathematische Grundlage bildet die im 19. Jahrhundert von Léon Walras formulierte totalanalytische Variante der neoklassischen Theorie, mittels der ganze Volkswirtschaften abgebildet und analysiert werden sollen. Seine Theorie wird Ausgangspunkt für die weiteren Betrachtungen des wirtschaftlichen Gleichgewichts.

1.1. Die klassischen Nationalökonomen

Typische Vertreter der klassischen Nationalökonomie sind z.B. Adam Smith (1723-1790), David Ricardo (1772-1823) und John Stuart Mill (1806-1873). Smith gilt als ihr eigentlicher Begründer. Im Gegensatz zum bis ins 18. Jahrhundert vorherrschenden Merkantilismus betrachtet er staatliche Eingriffe in das wirtschaftliche Geschehen als unnötig und störend. Seiner Auffassung nach ist allein der Markt in der Lage eine Ordnung innerhalb des ökonomischen Systems herzustellen. Die Voraussetzungen für das Funktionieren dieses Mechanismus sind Arbeitsteilung und Tausch.[1] Smith erläutert ausführlich die verschiedenen Formen der Arbeitsteilung und sieht hierin den Grund für eine ansteigende Produktivität und damit die Ursache für Wohlfahrtsverbesserungen.[2] Der Tausch hingegen entspringt dem individuellen Streben nach Reichtum und stellt den eigentlichen Anlass zur Arbeitsteilung dar.[3] Smith beschreibt ausführlich wie es zu kurzfristigen Preisschwankungen und damit zu einem Auseinanderdriften der Preisvorstellungen von Anbieter und Nachfrager kommen kann. Langfristig gesehen schafft der Markt jedoch einen Ausgleich, so dass sich ein Gleichgewichtspreis einstellt, bei dem eine optimale Allokation gewährleistet ist.[4] In späteren Zeiten bezeichnet man diesen nicht weiter erklärten Anpassungsprozess auch als „unsichtbare Hand“, die völlig selbständig das Allgemeinwohl lenkt, während sich die Individuen lediglich um ihr eigenes Wohlergehen kümmern. David Ricardo und John Stuart Mill orientieren sich in ihren Theorien deutlich an den Ausführungen Adam Smiths. Genau wie zuvor Smith, vermag keiner von beiden das Zustandekommen eines Gleichgewichtspreises genau zu erklären. Es bleibt jedoch zu bemerken, dass Mill als erster Ökonom die Unterscheidung zwischen Statik und Dynamik trifft. Die Statik ordnet er dabei der Gleichgewichtstheorie, die Dynamik der Entwicklungs- und Forschungstheorie zu.[5] Insbesondere Schumpeter wird zu späteren Zeiten diesen Aspekt wieder aufgreifen.

1.2. Das Marktmodell von Léon Walras

Das walrasianische Marktmodell geht zurück auf den französischen Ökonomen Marie Esprit Léon Walras (1834–1910). Er gilt als einer der Begründer der Neoklassik, sowie als ein Klassiker der Grenznutzenschule.[6] Walras zeigt erstmals in einem formal-theoretischen Rahmen die Lösung des Problems der von Adam Smith beschriebenen „unsichtbaren Hand“ auf. Bei dem von ihm entwickelten Modell handelt es sich um eine mathematische Analyse eines Gleichgewichtssystems. Dabei löst er sich erstmals von den, bis dahin üblichen, zwei- bis dreidimensionalen Betrachtungen und bezieht sich stattdessen auf n Variablen.[7] Der wesentliche Bestandteil seiner Theorie ist die Herausarbeitung der bestehenden Interdependenzen zwischen den verschiedenen Märkten mittels mathematischer Modelle. Ausgehend vom einfachen Fall der reinen Tauschwirtschaft wendet er die entwickelte Systematik auch auf die Produktionsprobleme und die Geldtheorie an.[8]

1.2.1. Annahmen des Modells

Die Annahmen des walrasianischen Marktmodells lassen sich wie folgt kurz zusammenfassen:

a) Marktwirtschaft und vollkommene Konkurrenz:

Walras geht in seinem Modell zum einen von einer reinen Marktwirtschaft und zum anderen von vollkommener Anbieter- und Nachfragerkonkurrenz aus. Die Marktteilnehmer treten demzufolge alle als Preisnehmer auf, die bei gegebenen Preisen ihre Mengenpläne verwirklichen.[9] Es herrscht annahmegemäß vollständige Markttransparenz. Die Güter sind homogen und es existieren weder sachliche, räumliche, zeitliche noch persönliche Präferenzen der Haushalte.[10] Staatliche Eingriffe werden durch die Annahme der reinen Marktwirtschaft ausgeschlossen.

b) Nutzenmaximierendes Verhalten der Haushalte:

Den Haushalten wird ein nutzenmaximierendes Verhalten unterstellt. Der maßgebliche Nutzen bestimmt sich durch den Grenznutzen, und damit durch den Nutzen der letzten konsumierten Einheit eines Gutes. Das Preisverhältnis der Güter bestimmt sich durch das Verhältnis der Grenznutzen.

c) Einheitliche Preise:

Es gibt einen einheitlichen Preis für jedes Gut, so dass sich Angebot und Nachfrage ausgleichen.[11]

1.2.2. Hauptinhalte des Modells

Die Grundlage des walrasianischen Marktmodells bildet das so genannte Walras-Gesetz. Wichtig ist hier die Feststellung, dass in einer Wirtschaft mit n Gütern lediglich n-1 Güterpreise bestimmbar sind. Der Preis des n-ten Gutes, auch Numeraire-Gut genannt, kann beliebig gewählt werden und wird dazu benutzt die Preise aller übrigen Güter auszudrücken. Walras stellt fest, dass sich der Gesamtwert aller Überschussnachfragen nach allen n Gütern zu Null addiert und somit ein wirtschaftliches Gleichgewicht existiert. Dabei kann es durchaus auf einem Markt zu einem Ungleichgewicht, z.B. in Form einer Überschussnachfrage, kommen. Allerdings muss dieser ein wertmäßig gleiches Überschussangebot auf einem anderen Markt gegenüberstehen.[12]

Eine genaue Erklärung für den Ausgleich von Angebot und Nachfrage bietet das Walras-Gesetz nicht. Um den Anpassungsvorgang möglichst genau abzubilden, bedient sich Walras dem Hilfsmittel des so genannten Tâtonnements. Mit dieser Analyse geht er der Frage nach der Selbstregulierung des Marktes auf den Grund und versucht so eine Erklärung für die „unsichtbare Hand“ zu finden. Er interpretiert den Marktmechanismus, der für den Ausgleich von Angebot und Nachfrage sorgt, als Auktionsverfahren und entwickelt daher die Vorstellung von einem Auktionator, der als oberste Instanz zunächst willkürlich einen Preis für ein Tauschgut ausruft und im Anschluss die Reaktionen von Anbietern und Nachfragern miteinander vergleicht. Bei einem Angebotsüberschuss senkt er den Preis, bei einem Nachfrageüberschuss erhöht er ihn. So tastet er sich Schritt für Schritt an den Gleichgewichtspreis heran. Erst wenn dieser gefunden ist, findet der Tausch tatsächlich statt.[13]

1.3. Eine Beurteilung hinsichtlich statischer und dynamischer Effizienz

Die Sichtweise der klassischen Nationalökonomen, wie auch der Ansatz von Walras, sind stark durch statische Aspekte geprägt. Typische Eigenschaften statischer Modelle sind z.B. eine gegebene Produktionstechnik und ein gegebenes Gütersortiment. Innovationen werden somit nicht berücksichtigt. Auch die Präferenzen der Wirtschaftssubjekte sind in statischen Modellen gegeben und konstant. Veränderungen in der Nachfragestruktur werden damit außer Acht gelassen. Ein weiterer Punkt ist die fixe Faktorausstattung. Durch diese Annahme werden weder der Strukturwandel noch andere Aspekte, wie z.B. natürliche erschöpfbare Ressourcen oder vorhandene Wachstumsraten, antizipiert. Statische Modelle nehmen den Endzustand eines Wettbewerbsverfahrens als Ausgangszustand an und sind somit nicht in der Lage, die Funktionen des Wettbewerbs abzubilden.[14]

Die gesamte klassische Nationalökonomie ist von Adam Smith Ausführungen beeinflusst, so dass die einzelnen Vertreter jeweils nur geringfügige Veränderungen an seiner Theorie vornehmen. Zwar liefert die Mechanisierung, die im Zuge der technischen Revolution in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stattfindet, den Anstoß für die von Smith angestellten Überlegungen, jedoch finden die mit dem einsetzenden Innovationsprozess verbundenen Entwicklungen keine Beachtung. Eine Betrachtung über mehrere Perioden und damit die Berücksichtigung von Lernprozessen und Präferenzänderungen findet zu diesem Zeitpunkt noch nicht statt. Im Vordergrund steht allein die Frage nach dem Zustandekommen eines Gleichgewichts in einer Einperiodenwelt. Jedoch kann eben diese Frage von keinem der Vertreter exakt beantwortet werden. Vielmehr orientieren sich sämtliche Betrachtungen an der von Smith eingeführten „unsichtbaren Hand“. Während die klassischen Nationalökonomen bei ihrem Erklärungsversuch den Ablauf der Marktprozesse, die Arbeitsteilung und den Tausch in den Vordergrund stellen und dabei eine Unterschiedslosigkeit der Güter und Märkte hinnehmen, identifiziert und spezifiziert Walras sehr genau die agierenden Wirtschaftssubjekte, die verschiedenen Märkte, sowie die bestehenden Interdependenzen.[15] Er orientiert sich an den Nutzenvorstellungen und damit an den Bedürfnissen der Marktteilnehmer. Man sollte sich jedoch klar machen, dass die stark restriktiven Annahmen eines totalen Konkurrenzgleichgewichts und einer, durch den Auktionator gegebenen vollständigen Markttransparenz, sowie der beschränkte Betrachtungszeitraum von einer Periode entscheidend sind für das Ergebnis. Dies macht eine wirkliche Annäherung an die Realität unmöglich.

[...]


[1] Vgl. Brandt (1992), S. 137-138.

[2] Vgl. Smith (1789), S. 9-15.

[3] Vgl. Smith (1789), S. 17.

[4] Vgl. Smith (1789), S. 49-51.

[5] Vgl. Brandt (1992), S. 142-143; Brandt (1992), S. 152-153.

[6] Vgl. Beckerath / Bente / u.a. (1960), S. 496.

[7] Vgl. Haslinger (1982), S. 226; Beckerath / Bente / u.a. (1960), S. 496.

[8] Vgl. Beckerath / Bente / u.a. (1960), S. 496.

[9] Vgl. Haslinger (1982), S. 226.

[10] Vgl. Varian (2004), S. 389-390.

[11] Vgl. Haslinger (1982), S. 229.

[12] Vgl. Haslinger (1982), S. 227.

[13] Vgl. Wied-Nebbeling / Schott (2001), S. 175.

[14] Vgl. Donges / Freytag (2004), S. 147-148.

[15] Vgl. Walker (1970), S. 693.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Die ewige Suche nach dem Gleichgewicht: Zum statischen und dynamischen Effizienzbegriff
Hochschule
Universität zu Köln  (Wirtschaftspolitisches Seminar)
Veranstaltung
Arbeitsmarkt und Sozialordnung
Note
2,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
26
Katalognummer
V85013
ISBN (eBook)
9783638007870
ISBN (Buch)
9783638913867
Dateigröße
589 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Suche, Gleichgewicht, Effizienzbegriff, Arbeitsmarkt, Sozialordnung
Arbeit zitieren
Karin Friedrich (Autor:in), 2006, Die ewige Suche nach dem Gleichgewicht: Zum statischen und dynamischen Effizienzbegriff, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85013

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