Legasthenie - Überblick und Ausblick


Hausarbeit, 2005

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Phasen der Rechtschreibentwicklung und der Entwicklung des Lesens

3. Legasthenie im Rahmen der allgemeinen Rechtschreibentwicklung
3.1 Symptomatik
3.2 Diagnostik
3.3 Mögliche Ursachen
3.4 Therapie und Prävention

4. Diskussion

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Laut der Definition, die von der Weltgesundheitsorganisation festgelegt wurde, ist Legasthenie eine Störung in der Entwicklung von Fertigkeiten des Lesens und Rechtschreibens, die sich nicht durch eine geistige Behinderung, unzureichenden Unterricht, Hör- oder Sehstörungen oder andere neurologische Erkrankungen erklären läßt. Die Beeinträchtigung wirkt sich deutlich auf die schulischen Leistungen aus (vgl.: Warnke, 2001, S. 230).

Folgende Definition wurde von Delegierten der Bildungsministerien der EU-Mitgliedsstaaten bei der Konferenz "Action for Dyslexia" (finanziert durch das Sokrates-Programm) herausgebracht: "Legasthenie bedeutet Schwierigkeiten mit der Sprache – mit Buchstaben oder Wörtern – so daß die auffälligsten und hartnäckigsten Probleme beim Lesen und Schreiben auftreten; dazu kommen scheinbar unüberwindliche Rechtschreibschwierigkeiten und Gedächtnisprobleme. Besonders Sequenzen, wie die Wochentage und die Monate des Jahres, werden schlecht erinnert. Die persönliche Organisationsfähigkeit läßt in fast allen Bereichen zu wünschen übrig." (Zusammenfassender Bericht von Dr. H. Chasty, 1994, http://www.ditt-online.org/German/What-is-Dyslexia.htm).

Wie schon oben erwähnt, ist diese ausgeprägte Lernstörung in den Bereichen Lesen und Rechtschreibung nicht auf mangelnde Beschulung, niedrige Intelligenz oder fehlende Lernbereitschaft zurückzuführen. Oft treten Lese- und Rechtschreibschwäche gemeinsam auf. Zusammenfassend lassen sich folgende charakteristische Probleme beim Lesen unterscheiden: niedrige Lesegeschwindigkeit, häufiges Stocken, Verlieren der Zeile im Text, aber auch das Auslassen, Vertauschen oder Hinzufügen von Wörtern, Silben oder einzelnen Buchstaben. Das Gelesene kann zum Teil nur unzureichend wiedergegeben bzw. interpretiert werden. Bei der Rechtschreibung wird eine hohe Fehlerzahl bei ungeübten Diktaten und abgeschriebenen Texten gemeint. Wörter werden teilweise fragmenthaft, im selben Text häufig auch mehrfach unterschiedlich falsch geschrieben (so genannte Fehlerinkonstanz). Statistisch gesehen, sind zwischen 10% und 15% der Schüler im Grundschulalter legasthenisch (vgl. A. Warnke, 2001, S. 230). Mit zunehmendem Alter baut sich die Lesestörung ab, die Rechtschreibschwäche bleibt dagegen erhalten und dominiert in höheren Grundschulklassen.

Die Legasthenie ist ein Teil einer komplexen Struktur, und die aufgezählten Symptome sind nicht die einzigen, die bei dieser Krankheit auftreten. Die Leseschwierigkeiten und Rechtschreibschwächen sind nur zwei von mehreren Variablen. Die anderen Variablen, die die Legasthenie zu einem komplexeren Problem machen, sind Stigmatisierung, Repressionen, Kompensationen, Vermeidung und Angst – Beeinträchtigungsgründe der Gesamtpersönlichkeit der Kinder in schulischer, sozialer und emotionaler Hinsicht.

Die vorliegende Arbeit ist in einzelne kleine Kapitel unterteilt, so dass ein gemeinsames Bild der Legasthenie, ihrer eventuellen Gründe, Verfahren der Diagnostik dieser Krankheit, der möglichen Therapie und Prävention entsteht. Eine bessere Erklärung der Legasthenie folgt aus deren Betrachtung im Rahmen der normalen Rechtschreibentwicklung – deswegen wird im ersten Hauptteil der Arbeit der Prozeß der Rechtschreibentwicklung beschrieben. Trotz der Meinung einiger Autoren (z.B. Betz, / Breuninger, 1998, S. 30), die Ursachen der Legasthenie seien zweitrangig, werden die Ursachen der Krankheit in dieser Arbeit kurz erläutert, weil dieser Punkt für die Prävention und Therapie relevant sein könnte.

2. Phasen der Rechtschreibentwicklung und der Entwicklung des Lesens

In den achtziger Jahren wurden mehrere Arbeiten veröffentlicht, die den Verlauf der Entwicklung beim Schriftsprachenerwerb entweder beschreiben (Brügelmann, H., 1983, Kinder auf dem Weg zur Schrift -- eine Fibel für Lehre rund Laien; Spitta, G., 1985, Kinder schreiben eigene Texte: Klasse 1 + 2; Valtin, R. et. al. 1986, Kinder lernen schreiben und über Sprache nachzudenken: Eine empirische Untersuchung zur Entwicklung schriftsprachlicher Fähigkeiten; Scherer-Neumann, G., 1987, Ein Entwicklungsmodell zur Analyse der Rechtschreibschwäche) oder zu erklären versuchen (Frith, U., 1985 , Beneath the surface of developmental dyslexia). Der Prozess des Schriftsprachenerwerbs wird meistens stufenweise dargestellt, was nicht unbedingt voraussetzt, daß diese Entwicklungstufen etwas Abgeschlossenes sind. Es kann bei so einer Darstellung die Gefahr entstehen, diesen Begriff "Entwicklungsstufen" zu konkret zu deuten. Diese Stufen kennzeichnen Phasen, in denen bestimmte Strategien überwiegen, die später von anderen abgelöst werden. Es sollte aber unbedingt erwähnt werden, daß die Altersangaben nicht als Norm verstanden werden dürfen, weil die Unterschiede in Ausgangsniveau und Entwicklungstempo zwischen Kindern sehr groß sind. Scheerer-Neumann (1992) schreibt, dass sich nur grobe Angaben darüber machen lassen, auf welcher Entwicklungsstufe sich die Mehrzahl der Kinder einer Klasse befindet (vgl. Scheerer-Neumann, 1992, S. 26 ff.):

1. Willkürliche Buchstabenfolgen ("Pseudowörter" oder Kritzelschrift) – das ist die sogenannte

"als ob Tätigkeit". Kinder verstehen, daß Buchstaben sich von Bildern unterscheiden, versuchen "nachzumachen", sind sich aber bewußt, noch keine lesbare Schrift zu erzeugen. Bei ersten Buchstaben zeigen sie die Einsicht, daß prinzipiell Geschriebenes auch lesbar sein muß, wobei sie kein Verhältnis zwischen geschriebenen und gesprochenen Buchstaben kennen.

2. Logographisches Schreiben – die Buchstaben eines Wortes werden ohne Bezug zum Lautwert auswendig gelernt (z.B. eigener Name). Nur wenige Wörter können erworben werden. Durch die fehlende Unterstützung durch die gesprochene Sprache kommt es oft zu Buchstabenauslassungen und Umstellungen. Einige Buchstaben können verdreht geschrieben werden (p-q-d, R-Я).

3. Beginnende phonemische Strategie (nach 2-3 Monaten im 1. Schuljahr) stellt die ersten Versuche dar, die gesprochene Sprache "zu übersetzen", d.h. sie zu analysieren und Laute in Grapheme zu übersetzen. Bei vielen Kindern finden sich in dieser Phase konsonantische Skelettschreibungen, z.B. SLT (Salat), BL (Ball), HS (Haus).

4. Entfaltete (nach 6-8 Monaten im 1. Schuljahr) und voll entfaltete phonemische Strategie (Ende des 1., Anfang des 2. Schuljahres). Bei der entfalteten phonemischen Strategie werden mehr Laute eines Wortes wiedergegeben, z.B. WOKE (Wolke), HUT (Hund). In dieser Phase sind neben Buchstabenauslassungen und Fehlern aufgrund noch unzureichender Kenntnisse der Phonem-Graphem-Korrespondenzen auch Buchstabenumstellungen und -wiederholungen zu beobachten. Die Speicherung von den neuen Lernwörtern ist phonemisch gestützt. Mit zunehmender Entfaltung der phonemischen Strategie werden mehr Lernwörter gelernt. Dabei müssen vor allem die Abweichungen von phonemischen Konstruktionen gelernt werden, z. B. das zweite <t> in "Bett", das <e> in "Liebe" usw.

5. Voll entfaltete phonemische Strategie mit orthographischen Elementen (2. Schuljahr). Die Kinder werden auf bestimmte strukturelle Regelmäßigkeiten aufmerksam und internalisieren sie als allgemeine Merkmale der Schriftsprache. "Wasser" anstatt WASA, "lesen" anstatt LESN, "Kinder" anstatt KINDEA.

6. Weiteres Erkennen von orthographischen morphologischen Strukturen (3. und 4. Schuljahr). In dieser Phase treten keine prinzipiell neuen Prozesse auf; es erfolgt weiteres Erkennen und Anwenden von orthographischen Strukturen, z.B. konstante Schreibung von Morphemen, die besondere Schreibung der Vorsilben, die Funktionen des Dehnungs-hs. Es gibt häufig Übergeneralisierungen (Übertragung der erkannten orthographischen Regelmäßigkeiten auf ungeeignete Fälle: Mohnd, vertig, Rezebt).

7."Automatisierung" (Überwiegen des Abrufens von Lernwörter über Konstruktionen); phonemische und orthographische Konstruktionen sind aber immer möglich (ab 4./5. Schuljahr).

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Legasthenie - Überblick und Ausblick
Hochschule
Technische Universität Darmstadt
Veranstaltung
Seminar: entwicklungsstörungen und -probleme
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
16
Katalognummer
V85006
ISBN (eBook)
9783638002912
Dateigröße
506 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar des Dozenten: "Nicht nur Sachverhalte, die präzise und umgehend dargestellt und durch eigene Recherche angereichert sind, sondern auch die logischen Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Abschnitten rechtfertigen die Gesamtbewertung dieser Arbeit als "sehr gut""
Schlagworte
Legasthenie, Ausblick, Seminar
Arbeit zitieren
Magistra Artium Diana Kreuzer (Autor:in), 2005, Legasthenie - Überblick und Ausblick, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85006

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