Jugendokkultismus

Religionsersatz oder Freizeitbeschäftigung?


Seminararbeit, 1996

14 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

1. Einleitung
Exkurs: Was ist Okkultismus

2. Hauptteil
2.1. Die Berichterstattung über Jugendokkultismus in den Medien
2.2. Fakten und Statistiken
2.3. Erklärungsansätze für den Jugendokkultismus
2.3.1. Psychoanalytische Erklärungsansätze
2.3.2. Entwicklungstheoretische Erklärungsansätze
2.3.3. Soziologische Ansätze

3. Fazit

4. Literatur

1. Einleitung

Seit dem Beginn der 80er Jahre finden sich in den Medien immer mehr Be­richte über eine "okkulte Welle" bei Jugendlichen. Ein Viertel, nach manchen Studien auch fast die Hälfte (vgl. Stern 8/96) sollen sich mit Gläserrücken, Pendeln und anderen, paranormalen Aktivitäten beschäftigen. In dieser Hausarbeit will ich in erster Linie der Frage nachgehen, ob man bei diesem Phänomen wirklich von einer okkulten Jugendbewegung ausgehen kann, oder ob es sich nicht eher um eine spannende Freizeitbeschäftigung handelt, die keine weiteren Konsequenzen für die Einstellungen und das Weltbild der Ju­gendlichen hat. Auch werde ich auf die verschiedenen soziologischen, psychoanalytischen und entwicklungstheoretischen Ansätze eingehen, die sich um eine Erklärung der Begeisterung der Jugend für esoterische Ereig­nisse bemühen. Weitere Schwerpunkte sind die Kritik an der medialen Be­richterstattung und die Faktenlage, die sich durch Umfragen ergeben.

Um mich mit der Frage nach einer kritischen Betrachtung im folgenden Hauptteil differenziert auseinander setzen zu können, werde ich zunächst ei­nen kurzen Überblick über die Bedeutung der Begriffe Esoterik und Okkultis­mus geben; die Erläuterung der einzelnen okkulten Praktiken füge ich bei dem Abschnitt des Hauptteiles ein, bei dem es um die statistische Verbreitung dieser Beschäftigungen geht.

Exkurs: Was ist Okkultismus

Der Begriff des Okkulten ist leider nicht besonders genau definiert. Im Alltag, besonders in der Boulevardpresse, weckt er meist die Assoziation zu Sata­nismus, düsteren Hexenriten und schwarzen Messen. In einem Lexikon (Seibert/Wendleberger, S.3692) wird unter Okkultismus alles verstanden, "für das es heute noch keine wissenschaftlichen Erklärungen gibt und (...) sogar naturwissenschaftliche Gesetze umzustoßen" scheint. Die Erscheinungsfor­men gliedern sich auf in:

1) Hellsehen
2) Telepathie
3) Präkognition
4) Psychokinese

Allerdings widersprechen viele Autoren einer dermaßen weitreichenden De­finition von Okkultismus, deutet doch auch schon der Wortstamm (okkult = geheim, verborgen) auf eine bestimmte Art von unerklärlichen Phänomenen hin. So stammt der Ausdruck Esoterik (der eigentlich synonym mit dem Be­griff Okkultismus ist) von dem griechischen Wort esoterikos ab, das das Son­derwissen von Philosophenzirkeln bezeichnete, das der Masse nicht zugäng­lich war (Bochinger, S.372). Bochinger definiert Esoterik (bzw. Okkultismus) als "Sammelbegriff für verschiedene alte und geheime Wissenstraditionen und die daraus abgeleiteten Praktiken, die nur durch besondere Schulung und Einweihung zugänglich sind. Andere Deutungen der Begriffe sehen den Schwerpunkt von Esoterik nicht in der Heimlichkeit, sondern in der Innerlich­keit als Gegensatz zu der nach außen gerichteten modernen Wissenschaft, eine Lehre, die den Menschen im kosmischen Zusammenhang sieht (Bochinger, S. 373).

Diese verschiedenen Definitionen werfen die Frage auf, ob es überhaupt rechtens ist, bei der Beschäftigung von Jugendlichen mit Dingen wie Gläser­rücken oder Pendeln von okkulten, also geheimen Praktiken zu sprechen. Dies wäre zwar dem Alltagsverständnis, das sich auch in der Definition des Lexikons widerspiegelt, nach legitim, doch kann man wohl nicht wirklich von einem komplexen ideologischen Gedankengebäude ausgehen, das die Ju­gendlichen zu solchen Praktiken treibt. Jene Orden, die ohne Zweifel als ok­kult bezeichnet werden können, sind nur sehr wenig verbreitet und nur Er­wachsenen zugänglich (z. B. Golden Dawn, O.T.O., Satanische Kirche, etc.). Trotz der Unschärfe des Begriffes Okkultismus werde ich auf den folgenden Seiten weiterhin von okkulten Praktiken sprechen, da diese ja auch wirklich den ehemals geheimen Wisse entlehnt wurden; allerdings halte ich den Aus­druck "Jugendokkultismus" in diesem Zusammenhang für etwas irreführend, denn was wäre es für ein verstecktes Geheimwissen, wenn es annähernd ein Drittel einer Altersstufe praktizieren und ungefähr 80 % kennen ?

2. Hauptteil

2.1. Die Berichterstattung über Jugendokkultismus in den Medien

In den Medien wird, nicht nur bei dem Fall Jugendokkultismus, Wert auf eine möglichst spannende - was normalerweise bedeutet, blutrünstige - Darstellung dieses Themas gelegt. Der Schwerpunkt der Berichterstattung liegt meist auf Satanismus, schwarzen Messen und Menschenopfern (vgl. Helsper, S.13 f. / S.77 f.), obwohl diese Praktiken beim jugendlichen "Alltagsokkultismus" fast keine Rolle spielen. Ein Bereich, den Helsper in seinem Buch leider nicht anspricht, ist die Berichterstattung in den Medien, die für Jugendliche konzipiert wurden, den Jugendmagazinen, vor allem der Zeitschrift "Bravo" und dem Pendant für junge Mädchen, "Bravo Girl".

Das Thema Übersinnliches wird in solchen Magazinen oft und gerne aufgegriffen. Eher spielerisch wird erklärt, wie okkulte Praktiken funktionieren, und obwohl auch manchmal eine Warnung zu finden ist, so gleicht das ganze doch eher einer Gebrauchsanweisung. Ein besonderer Schwerpunkt in den Anleitungen liegt auf "Charakterstudien" durch Astrologie oder Handlesen; auch das Ausprobieren von okkulten Praktiken wie Tischerücken wird angeregt.

Interessant sind die Stellungnahmen der Jugendlichen, die hier durch Umfragen oder Leserbriefe zu Wort kommen (Bravo 49/86, Girl 13/89, etc.). Zwar meinen viele, alles wäre nur Einbildung, und bei ihnen hätten Versuche mit dem Übersinnlichen nichts ergeben; doch äußern sich auch manche Jugendliche sehr kritisch und verweisen auf den "teuflischen" Charakter des Okkultismus (" Der Teufel wird es euch danken, daß ihr für ihn Werbung macht! "). Ich glaube, daß hier ganz sicher auch die zum Teil etwas hysterische Okkultismusaufklärung von Seiten der Kirchen eine Rolle spielt, die den Kindern einreden, Gläserrücken führe direkt in die Hölle.

Insgesamt ist mir aufgefallen, daß sich Parallelen zwischen der Berichterstattung über Drogen und über Okkultismus finden; Panikmache und Beschwichtigungen sind beide zu finden, eine objektive Dokumentation, die auch nicht-übersinnliche Erklärungen für okkulte Phänomene heranzieht, ist in den Jugendzeitschriften selten zu finden ( vgl. Girl 13/89 ).

2.2. Fakten und Statistiken

Bei einer Durchsicht verschiedener Untersuchungen und Statistiken aus dem Bereich Jugend und Okkultismus fällt auf, daß nur wenige in irgendeiner Wei­se repräsentativ sind (vgl. Helsper, S. 77ff). Oft wurde nur eine sehr kleine Stichprobe befragt, manchmal nur eine Schulklasse oder eine kleine Gruppe einer Kirchengemeinde. Dennoch kann man, wenn man die verschiedenen Daten vergleicht, gewisse Trends wahrnehmen, die ich hier aufzeigen werde.

Bevor ich auf die Verbreitung der einzelnen Phänomene eingehe, werde ich kurz schildern, um was es sich bei den häufigsten Praktiken handelt, da das Wissen hierüber meiner Meinung nach nicht automatisch vorausgesetzt wer­den kann.

Okkulte Praktiken

- Gläserrücken

Beim Gläserrücken werden die Buchstaben des Alphabetes, oft auch Zahlen, JA und NEIN kreisförmig auf eine glatte Unterlage, z. B. einen Tisch ge­schrieben. Ein umgedrehtes Glas wird in die Mitte gestellt, die Teilnehmer le­gen ihre Fingerspitzen darauf und, "ganz von alleine", wandert das Glas von Buchstabe zu Buchstabe und bildet eine Botschaft.

- Pendeln

Ein Pendel, ersatzweise auch ein Ring an einem Haar, wird befragt; die Richtung und Art des Ausschlages wird als bestätigend oder ablehnend ge­deutet. Manchmal wird über Photos gependelt, manchmal über Landkarten, um Bodenschätze aufzuspüren. Seltener wird über den Buchstaben des Al­phabetes gependelt, um Botschaften zu empfangen.

- Tischrücken

Mehrere Teilnehmer setzen sich um einen Holztisch, legen die Fingerspitzen an den Tischrand und versuchen, einen Geist zu beschwören, der sich durch Klopfgeräusche oder Bewegungen des Tisches bemerkbar macht.

[...]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Jugendokkultismus
Untertitel
Religionsersatz oder Freizeitbeschäftigung?
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Institut für Soziologie )
Note
2,3
Autor
Jahr
1996
Seiten
14
Katalognummer
V84953
ISBN (eBook)
9783638014588
ISBN (Buch)
9783638917629
Dateigröße
414 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jugendokkultismus, Soziologie, Jugendsoziologie, abweichendes Verhalten
Arbeit zitieren
Dr. Katja Gesche (Autor:in), 1996, Jugendokkultismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84953

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Titel: Jugendokkultismus



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