Zank am Zaun - Eine Ethnographie über den versteckten Konflikt bei Nachbarschaftsstreits


Hausarbeit, 2003

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

I Einführung

II Hauptteil
II.1 Familie D. und der Holzschuppen
II.2 Frau Ho. und die Pudel
II.3 Herr Hel. und der Gingo
II.4. Familie P. und die Blutberberitzenhecke

III Und die Moral von der Geschicht´... – Das Fazit

Bibliographie

I Einführung

„Schon immer tat Frau Zindler, was Deutsche aus Ost und West am liebsten tun – sich über den Nachbarn ärgern. Ein Anlass war schnell gefunden. Auf dem Grundstück des Anrainers wächst ein Knallerbsenstrauch. Der berührt Frau Zindlers Maschendrahtzaun – und wegen dieses Kontakts fängt das Metall angeblich zu rosten an.

Der deutsche Mensch kennt in solchen Fällen nur einen Weg, den vor Gericht. Aber noch mehr Autorität als Justitia besitzt Justitia im Fernsehen. So focht Frau Zindler ihren Kampf wider das Knallerbsengesträuch vor der Hamburger TV-Richterin Barbara Salesch aus, die auf Sat 1 eine Gerichtsshow mit telegenem Brillenspiel betreibt.“[1]

„Noch nie hat ein Nachbarschaftsstreit so absurde Blüten getrieben wie der um Regina Zindlers Maschendrahtzaun und des Nachbars Knallerbsenstrauch. Nach 20 Jahren Kleinkrieg hat Gerd Trommer jetzt vor laufenden Kameras nachgegeben – und das Gewächs versetzt. [...] Auerbach – Gerd Trommer zeigte sich am Sonntagabend in einer Live-Sendung des Sat-1-Boulevard-Magazins blitz nachgiebig. Er versetzte seinen Knallerbsenstrauch an eine andere Stelle, damit er nicht mehr ins Drahtgeflecht wuchert und Rostflecken verursacht. [...] Trommer sagte am Sonntagabend in der SAT-1-Sendung, er wolle mit seiner Aktion endlich einen Schlussstrich ziehen und erreichen, dass in der Wohnsiedlung wieder Ruhe einzieht. [...] Zindler hatte zuvor in einem Zeitungsinterview gesagt, dass sie sich als Opfer der Leute fühle, die diesen ganzen Rummel veranstaltet haben: Ich habe ja nur verlangt, dass mein

Nachbar Herr Trommer einen Strauch wegnimmt, und deshalb hat mich Frau Salesch als böse Nachbarin hingestellt. Das bin ich nicht, hieß es.“[2]

Der/Die böse NachbarIn. In Deutschland gehört der Streit mit dem Nachbar zum Alltag. Es gibt Streit um Bäume, Hecken, Sträucher, Zäune, Lärm, Maschendraht und Knallerbsensträuche. Wo fängt das Andere an, und wo hört das Eigene auf? Diese ur-ethnologische Frage bekommt im Nachbarschaftsstreit einen ganz neuen Aspekt. Scheinbar sind Pflanzen und Ballestraden die Ursache der Auseinandersetzungen. Und dahinter steckt – und das soll diese Hausarbeit zeigen – vielleicht doch mehr. Ich vermute, mehr als nur die Beanspruchung von Territorium, auch wenn sie in den Konflikten durchaus vorherrschend scheint. Wo aber liegt der wahre Grund für diese Auseinandersetzungen, wo doch die Gefahr von unbekannten Eindringlingen in der Nachbarschaft relativ niedrig ist? Erst recht nach Jahren des Nebeneinanders. Der Garten um das Haus herum ist schon aus seiner Begrifflichkeit heraus kein öffentlicher Ort. „Der Terminus Garten leitet sich aus dem Germanischen garda = Gehege, Einfriedung, ein mit Gerten eingefriedetes, holzummanteltes Gelände ab.“[3] Und über die Tatsache hinaus, dass Garten ein Stück Privates ist, fungiert er – oft allen Blicken ausgesetzt – als Repräsentationsobjekt, als Statussymbol. „...Gärten setzen Reichtum voraus – obrigkeitlichen, gesellschaftlichen oder privaten Wohlstand, der bereit und in der Lage ist, in Projekte von erhabener ökonomischer Zwecklosigkeit zu investieren.“[4] Diese Aussage lässt sich am Beispiel des momentanen Booms der Heimwerker- und Handwerker-Dokumentationen nachweisen. Sendungen wie „Mein Haus, Dein Haus“, „Avenzio – Schöner Leben!“ oder „Do It Yourself – S.O.S“ sprechen dafür, dass Haus und Garten als Vorzeigeobjekte dienen. Garten ist Luxus, das ist auch nicht erst seit der Kleingarten-Bewegung Ende der 60er Jahre so. Der hausumgebende Freiraum bis zum Nachbarn wird zum grünen Wohnzimmer, zum Privatraum, der eingesehen werden kann, manchmal aber auch soll. Und bei der Begrenzung dieses Privatraums entstehen Konflikte.

Familie Schmidt (Namen auch im Folgenden geändert; der Verfasser) wohnt in einem kleinen Dorf in der Mitte Hessens. Familie Schmidt, das sind Mutter Erna, Vater Karl, der 18-jährige Sohn Sven, der 14-jährige Michael und die 23-jährige Simone. Simone ist vor gut sieben Monaten aus dem Elternhaus aus- und mit ihrem Freund in der benachbarten Kleinstadt zusammengezogen. Um das Grundstück von Familie Schmidt herum gibt es vier

Nachbarn, deren Namen im Interview gefallen sind, und die als Grundlage für die Bearbeitung der Thematik dienen werden. Als kleine Orientierung, folgende Skizze:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Um die Häuser herum ist Garten, abgegrenzt durch diverse Sträucher, Bäume oder Zäune, auf die ich im Verlauf der Arbeit noch zu sprechen komme. Der freie Platz zwischen den Häusern der Familie Schmidt und der Familie Hel. ist eine unbebaute Wiese, die Familie Schmidt 2001 erworben hat. „Leider hat unsere Nachbarschaft sich nicht so schnell damit abfinden können, dass wir es uns leisten können, ein Gründstück, was mehr als 100.000 Mark gekostet hat, zu kaufen“[5], sagt Frau Schmidt. Das Stück Wiese hat das Territorium der Familie Schmidt um etwa 760 Quadratmeter erweitert und damit den bereits erwähnten gesellschaftlichen und privaten Wohlstand vergrößert. Dadurch sind Familie N. und Familie Hel. nun direkt angrenzende Nachbarn. Und der Streit um die Grundstücksgrenze ist um einige Büsche und Bäume bereichert worden.

II Hauptteil

II.1 Familie D. und der Holzschuppen

Das Ehepaar D. wohnte bereits in dem kleinen Dorf, als Familie Schmidt vor 26 Jahren ihr Haus neben ihnen errichtete. Herr Schmidt half seinem Nachbarn hin und wieder bei einigen Alltäglichkeiten, weil der durch eine Kriegsverletzung im Rollstuhl saß. „Und eines Tages hat

der Herr D., oder er hat oft gesagt:

Wenn der Herr Schmidt doch nur unser Sohn wäre“[6], erzählt Frau Schmidt. Eines Tages sperrte sich das Ehepaar D. aus, und Frau Schmidt bot an, mit Frau D. bei einer deren Bekannten einen Ersatzschlüssel zu holen.

„Die war aber nicht da. Und da sagte ne Nachbarin: Frau D., ihr Sohn hat doch nen Schlüssel. Und da sage ich: Sie haben einen Sohn? Da lassen sie mich doch dahinfahren, wo wohnt der denn? Und da hat sie geschrieen: Wir haben keinen Sohn, wir haben keinen Sohn, wir wollen mit diesem Sohn nichts zu tun haben!“[7]

Diese Anekdote von Frau Schmidt zeigt zum einen, die Offenbarung sehr privater Informationen und Emotionen unter Nachbarn, zum anderen stellte sich trotz langer Nachbarschaft zwischen den beiden Familien erst zu diesem Zeitpunkt heraus, dass das Ehepaar D. einen Sohn hat. Und eben dieser ungewollte Sohn zog wenige Jahre nach dem Schlüsselvorfall mit seiner Frau und seiner Tochter in die Parterre-Wohnung des Hauses von Herr und Frau D.

[...]


[1] Nikolaus von Festenberg, Jonas Viering. Auerbachs Seller. Der Spiegel 2/2000, erschienen am 10.1.00.

[2] Panorama, Spiegel Online. MASCHENDROHTZAUUN: Frau Zindlers Nachbar gibt nach. Erschienen am

10.1.00.

[3] Matthäi, Ingrid. ´Grüne Inseln´ in der Großstadt. Eine kultursoziologische Studie über das organisierte

Kleingartenwesen in Westberlin.

[4] Lutze, M. : Unsere historischen Gärten. 1986. S. 6.

[5] Zitat Frau Schmidt

[6] Zitat Frau Schmidt

[7] Zitat Frau Schmidt

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Zank am Zaun - Eine Ethnographie über den versteckten Konflikt bei Nachbarschaftsstreits
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Europäische Ethnologie)
Veranstaltung
Ethnographien lesen – ethnographisch schreiben
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
17
Katalognummer
V84792
ISBN (eBook)
9783638011273
ISBN (Buch)
9783638915885
Dateigröße
1031 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zank, Zaun, Eine, Ethnographie, Konflikt, Nachbarschaftsstreits, Ethnographien
Arbeit zitieren
Magister Artium Stefan Bechstein (Autor:in), 2003, Zank am Zaun - Eine Ethnographie über den versteckten Konflikt bei Nachbarschaftsstreits, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84792

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