Sprechakttheorie nach Austin

Die Ausarbeitung einer neuen Sprechakttheorie durch John L. Austin mit einem Ausblick auf die Weiterentwicklungen durch John R. Searle


Seminararbeit, 2006

20 Seiten, Note: 1.2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Sprechakttheorie nach Austin
2.1 Konstative vs. performative Äusserungen
2.1.1 Kriterien für performative Äusserungen
2.1.2 Das Verunglücken von performativen Äusserungen
2.1.3 Konstative Äusserungen können verunglücken
2.1.4 Wahr oder Falsch
2.2 Eine neue Sprechakttheorie
2.2.1 Die drei Akte
2.2.1.1 Lokutionärer Akt
2.2.1.2 Illokutionärer Akt
2.2.1.3 Perlokutionärer Akt
2.2.2 Versuch einer Abgrenzung des illokutionären Aktes
2.2.3 Einbettung der Antithese konstativ – performativ

3 Searle zu Austin
3.1 Illokutionärer Akt vs. lokutionärer Akt
3.2 Illokutionärer Akt vs. rhetischer Akt
3.3 Drei linguistische Grundsätze
3.4 Propostionaler Akt

4 Schluss

Bibliographie

1 Einleitung

John Langshaw Austin (1911 – 1960) gilt als Begründer der modernen Sprechakttheorie und leistete durch seine genaue Betrachtung des konkreten Sprachgebrauchs eine Annäherung der Philosophie an die Linguistik. Seine Studien lösten in der Philosophie der normalen Sprache, welcher Austin angehörte, grosses Echo aus und wurden ausgiebig diskutiert, kommentiert und weiterentwickelt. Dabei ist sicherlich John Rogers Searle (geb. 1932) zu nennen, welcher ganz explizit auf die Anregungen Austins Bezug nahm und dessen Theorie der Sprechakte weiterentwickelte.[1]

Diese Arbeit versucht die Grundgedanken von Austin in Bezug auf performative und konstative Äusserungen aufzuzeigen und seine moderne Theorie der Sprechakte, welche er in seinen Vorlesungen in Harvard erarbeitete, darzustellen,. Auf dieser Grundlage wird der Aufsatz von Searle „Austin on Locutionary and Illocutionary Acts“ betrachtet. Da er eine explizite Antwort auf Austin darstellt, lassen sich daran zum einen die Schwächen in Austins Theorie, zum andern die Weiterentwicklungen durch Searle sehr gut darstellen. Die Arbeit hat somit einen ausschliesslich deskriptiven Charakter und soll die Gedankengänge der beiden frühen Sprechakttheoretiker in einer überschaubaren Weise darstellen.

In einem ersten, etwas ausführlicheren Teil der Arbeit wird die Auseinandersetzung Austins mit dem vermeintlichen Gegensatz von performativen und konstativen Äusserungen und die daraus resultierende neue Sprechakttheorie aufgezeigt. In einem zweiten Teil werden die Ergebnisse aus der Optik Searles kommentiert und weiterentwickelt.

Zur verwendeten Literatur bleibt noch zu sagen, dass für die Arbeit die Originaltexte, sofern vorhanden in deutscher Übersetzung, verwendet wurden. Es wurde bewusst auf die Betrachtung von weiteren kommentierenden Werken verzichtet, um die Theorie Austins ausschliesslich aus der Optik Searles betrachten zu können.

2 Sprechakttheorie nach Austin

2.1 Konstative vs. performative Äusserungen

In einem Referat über analytische Philosophie erörtert Austin 1958 erstmals sein Konzept der konstativen und performativen Äusserungen, wobei es ihm um die Aufhebung des Gegensatzes zwischen konstativ und performativ geht.[2] Bei dem Gegensatz ging man davon aus, dass jede Äusserung entweder als konstativ zu betrachten sei, das heisst, sie kann als wahr oder falsch taxiert werden, oder als eine performative Äusserung zu verstehen ist, welche nicht wahr oder falsch sein kann, sondern eine sprachliche Handlung darstellt.[3]

2.1.1 Kriterien für performative Äusserungen

Nun soll in einem ersten Schritt die performative Äusserung genauer analysiert werden. Sie wird für den Vollzug der Handlung benötigt; „eine solche Äusserung tun, ist die Handlung vollziehen“[4]. Einige Beispiele performativer Äusserungen:

Ich taufe dieses Schiff „Freiheit“.
Ich bitte um Entschuldigung.
Ich heisse sie willkommen.
Ich rate Ihnen, das zu tun.

Ein Kriterium für die Bestimmung von performativen Äusserungen ist nach Austin in der Grammatik oder im Vokabular kaum zu finden.[5] Allerdings existieren zwei sogenannte „Normalformen“, in welchen sich eine explizit performative Handlung ausdrückt. Die eine Form ist diejenige, welche bereits für die obigen Beispiele verwendet wurde: Die Äusserung beginnt mit einem Verb in der ersten Person Singular des Präsens Indikativ Aktiv. Die zweite Form benützt ein Verb im Passiv in der zweiten oder dritten Person des Präsens Indikativ, zum Beispiel: „Die Reisenden werden gebeten, beim Überqueren der Geleise die Fussgängerbrücke zu benutzen“. Als allgemeine Hilfe zur Identifikation einer performativen Äusserung dient die Möglichkeit, das Wort „hiermit“ einzusetzen.[6] Da diese Äusserungen den Akt deutlich kennzeichnen, das heisst mithilfe eines performativen Verbs konstruiert sind, nennt sie Austin explizit performative Äusserungen. Im Gegensatz dazu stehen die primär performativen Äusserungen:[7] Gehen Sie! Ich werde da sein.

Diese Äusserungen werden nicht explizit gekennzeichnet, das heisst, für sie ist der Kontext der Äusserung von entscheidender Bedeutung. Bei „Ich werde da sein“ kann es sich um ein Versprechen, eine Drohung oder auch eine Warnung handeln. Da diese Äusserungen eine primitivere Gestalt haben, also den Sprechakt nicht eindeutig kennzeichnen, stellt Austin die These auf, die expliziten Formen seien gegenüber den primären eine spätere Erscheinung in der Entwicklung der Sprache. Die Verdeutlichung der Sprache sei mit der Ausbildung komplexerer Formen in Gesellschaft und Wissenschaft einhergegangen.[8] Dabei denkt Austin wohl vor allem an die Verrechtlichung der gesamten Gesellschaft, da die Rechtsprechung explizit performative Formen von Äusserungen für die deutliche Kennzeichnung von sprachlichen Handlungen benötigt.

Die primär performativen Äusserungen lassen sich jedoch immer in eine explizit performative Äusserung überführen, ohne dass der Sinn verloren geht. „Gehen Sie!“ und „Ich befehle Ihnen zu gehen!“ ist bei gleichem Kontext eine absolut identische Äusserung.[9] Durch die Berücksichtigung von primär performativen Äusserungen wird klar, dass es auch kein verbales Kriterium zur Kennzeichnung performativer Äusserungen geben kann, da eine Äusserung lediglich durch Intonation oder durch Gebärden performativ werden kann.[10]

2.1.2 Das Verunglücken von performativen Äusserungen

Austin widmet sich einer weiteren Eigenschaft von performativen Äusserungen, welche er das Verunglücken nennt. Er denkt dabei an ein Versprechen, das man unter keinen Umständen einhalten kann, eine Wette über ein bereits gelaufenes Rennen, etc. Austin erstellt eine Klassifikation aller sogenannten „Unglücksfälle“. Dazu stellt er folgende sechs Bedingungen auf, welche erfüllt sein müssen, damit eine sprachliche Handlung glücken kann:

(A.1) Es muss ein konventionales Verfahren, im Rahmen dessen Personen unter bestimmten Umständen Wörter äussern, und das zu einem konventionalen Ergebnis führt, existieren.
(A.2) Die betroffenen Personen müssen zur Vollstreckung des jeweiligen Verfahrens von Amtes wegen befugt sein.
(B.1) Alle beteiligten müssen das Verfahren korrekt
(B.2) und vollständig durchführen.
(G.1) Die Meinungen, Gefühle oder Verpflichtungen auf ein späteres Verhalten, auf die sich die betroffenen Personen berufen, müssen wirklich vorhanden und ernst gemeint sein,
(G.2) und die betroffenen Personen müssen sich dann auch so verhalten.[11]

Ist eine der oben aufgeführten Bedingungen nicht erfüllt kommt es zum Verunglücken der Handlung. Diese möglichen Verunglückungen stellt Austin in einer Tabelle dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle: Austin (2002), S. 40.

*Die Bezeichnung „Inkonsequenz“ erscheint bei Austin noch nicht in der Tabelle, wird jedoch später von ihm in diesem Zusammenhang erwähnt (vgl. Austin (2002), S. 156.).

Die Unglücksfälle schliessen sich gegenseitig nicht aus. Zum einen können mehrere Fehler gleichzeitig begangen werden, zum andern können sie ineinander übergehen und sich überschneiden.[12]

2.1.3 Konstative Äusserungen können verunglücken

Nun wendet sich Austin den konstativen Äusserungen zu und stellt fest, dass auch diese nicht zwingend wahr oder falsch sein müssen, sondern ebenfalls eine Art von Verunglücken aufweisen können. Dabei handelt es sich um Absurditäten der folgenden Art:

(1) Jemand sagt: „Alle Kinder von Hans sind kahlköpfig, und Hans hat gar keine Kinder“.

(2) Jemand sagt: „Die Katze ist auf der Matratze, und ich glaube nicht, dass sie dort ist“.

[...]


[1] P.V. Lamarque (1994): „Austin“. In: The Enzyklopedia of Language and Linguistics. Bd. 1. Oxford, New York u.a. S. 262.

[2] John L. Austin (1968): „Performative und konstatierende Äusserung“. In: Bubner, Rüdiger (Hrsg.) (1968): Sprache und Analysis. Texte zur englischen Philosophie der Gegenwart. Göttingen. S. 187.

[3] ebd., S. 140.

[4] ebd.

[5] ebd., S. 143.

[6] Austin (1968), S. 143.

[7] John L. Austin (2002): Zur Theorie der Sprechakte (How to do things with Words). Bibliogr. ergänzte Aufl. Stuttgart: S. 89f.

[8] Austin (1968), S.144.

[9] Austin (2002), S. 52.

[10] Austin (1968), S. 144.

[11] Austin (2002), S. 37.

[12] vgl. dazu ausführlich: Austin (2002), S. 42ff.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Sprechakttheorie nach Austin
Untertitel
Die Ausarbeitung einer neuen Sprechakttheorie durch John L. Austin mit einem Ausblick auf die Weiterentwicklungen durch John R. Searle
Hochschule
Universität Bern  (Germanistisches Institut)
Veranstaltung
Proseminar/Basismodul: Pragmatik
Note
1.2
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V84763
ISBN (eBook)
9783638015356
Dateigröße
439 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sprechakttheorie, Austin, Proseminar/Basismodul, Pragmatik
Arbeit zitieren
Urban Sager (Autor:in), 2006, Sprechakttheorie nach Austin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84763

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