CO2-Emissionsreduktion im Automobilsektor. Wirtschaftspolitische Steuerungsmöglichkeiten

Eine ökonomische Analyse am Beispiel des Reduktionsziels der Europäischen Kommission von 130 gCO2/km für Pkw


Diplomarbeit, 2007

103 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Abbildungen

Verzeichnis der Tabellen

Verzeichnis der Symbole und Abkürzungen

Literaturverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Die Rolle des Pkw-Verkehrs im Klimawandel
2.1 Die ökologischen Grundlagen: Treibhauseffekt und Klimawandel
2.2 Der Zusammenhang von Kraftfahrzeugen und CO2-Emissionen
2.3 Bedeutung des spezifischen Emissionsziels
2.3.1 Der Anteil des Pkw-Verkehrs an den CO2-Emissionen
2.3.2 Neuzulassungen und Pkw-Bestand
2.3.3 Der europäische Pkw-Markt
2.3.4 Fazit

3 Die EU-Klimapolitik hinsichtlich der CO2-Emissionen von Pkw
3.1 Die rechtlichen Grundlagen der EU-Umweltpolitik
3.2 Die Gemeinschaftsstrategie zur Minderung der CO2-Emissionen von Pkw
3.2.1 Die freiwillige Selbstverpflichtung der Automobilindustrie
3.2.2 Informatorische Maßnahmen
3.2.3 Steuerliche Förderung von Kfz mit geringem Kraftstoffverbrauch
3.3 Fazit

4 Theoretische Grundlagen: Umweltprobleme aus Sicht der Umweltökonomik
4.1 Wohlfahrtstheorie als Grundlage der Umweltökonomik
4.2 Umweltprobleme aufgrund von Marktversagen
4.2.1 Öffentliche Güter
4.2.2 Externe Effekte
4.2.3 Internalisierung externer Effekte als umweltökonomische Leitidee
4.3 Lösungsansätze der Umweltökonomie
4.3.1 Die ‚first-best’ Theorie: Allokationseffizienz
4.3.1.1 Die Pigou -Steuer
4.3.1.2 Die Verhandlungslösung von Coase
4.3.2 Die ‚second-best’ Praxis: Kosteneffizienz
4.3.2.1 Der Standard-Preis-Ansatz
4.3.2.2 Handelbare Umweltnutzungsrechte
4.4 Probleme der Umweltökonomik und alternative Sichtweisen

5 Analyse der Steuerungsmöglichkeiten
5.1 Umweltökonomische Kriterien als Bewertungsrahmen
5.1.1 Ökologische Treffsicherheit
5.1.2 Statische Effizienz
5.1.3 Dynamische Effizienz
5.1.4 Wettbewerbsneutralität
5.1.5 Praktikabilität
5.1.6 Gewichtung der Kriterien
5.2 Ordnungsrecht: Auflagen
5.2.1 Ausgestaltung hinsichtlich 130 gCO2/km
5.2.1.1 Einzelfahrzeugbezogene Auflagen
5.2.1.2 Flottenstandards
5.2.2 Bewertung der Auflagenlösungen
5.2.2.1 Ökologische Treffsicherheit
5.2.2.2 Statische Effizienz
5.2.2.3 Dynamische Effizienz
5.2.2.4 Wettbewerbsneutralität
5.2.2.5 Praktikabilität
5.2.3 Zwischenergebnis der Auflagenlösungen
5.3 Preissteuerung: Abgaben
5.3.1 Ausgestaltung hinsichtlich 130 gCO2/km
5.3.1.1 Zulassungssteuer
5.3.1.2 Kfz-Steuer
5.3.1.3 Kraftstoffsteuer
5.3.1.4 Herstellerabgabe
5.3.2 Bewertung der Abgabenlösungen
5.3.2.1 Ökologische Treffsicherheit
5.3.2.2 Statische Effizienz
5.3.2.3 Dynamische Effizienz
5.3.2.4 Wettbewerbsneutralität
5.3.2.5 Praktikabilität
5.3.3 Zwischenergebnis der Abgabenlösungen
5.4 Mengensteuerung: Handelbare Umweltzertifikate
5.4.1 Ausgestaltung hinsichtlich 130 gCO2/km
5.4.1.1 Downstream-Ansatz: Pkw-Nutzer
5.4.1.2 Midstream-Ansatz: Pkw-Hersteller
5.4.1.3 Upstream-Ansatz: Kraftstoffwirtschaft
5.4.2 Bewertung der Zertifikatslösungen
5.4.2.1 Ökologische Treffsicherheit
5.4.2.2 Statische Effizienz
5.4.2.3 Dynamische Effizienz
5.4.2.4 Wettbewerbsneutralität
5.4.2.5 Praktikabilität
5.4.3 Zwischenergebnis der Zertifikatslösungen

6 Abschließende Bewertung und Schlussfolgerungen
6.1 Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse
6.2 Wirtschaftspolitische Handlungsempfehlungen
6.3 Ausblick und kritische Anmerkungen

Anhang

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Abbildungen

Abb. 1.1: Aufbau der Arbeit

Abb. 2.1: Sektorspezifische CO2-Emissionen der EU-25 in 2004.

Abb. 2.2: Sektorspezifische CO2-Emissionen der EU-25 seit 1990..

Abb. 2.3: CO2-Emissionen des Verkehrs: Anteile und Wachstumsraten.

Abb. 2.4: Physische Charakteristika der ACEA-Neuwagenflotte seit

Abb. 3.1: Gemeinschaftsstrategie zur Minderung der CO2-Emissionen von Pkw

Abb. 3.2: CO2-Emissionen der durchschnittlichen Neuwagenflotte von 1995 bis 2004..

Abb. 4.1: Divergenz von Ausbringungsmenge im Marktgleichgewicht (X*) und sozial optimaler Ausbringungsmenge (X**)

Abb. 4.2: Optimales Emissionsniveau bei GVK = GS

Abb. 4.3: Die Pigou -Steuer

Abb. 4.4: Das Coase -Theorem – Mögliche Wohlfahrtsgewinne durch Verhandlungen

Abb. 4.5: Der Standard-Preis-Ansatz

Abb. 5.1: Der Bewertungsrahmen

Abb. 5.2: Statische Effizienz von Auflagen und Abgaben im Vergleich.

Abb. 5.3: Dynamische Effizienz ökonomischer Instrumente

Abb. A 2.1: Entwicklung der Neuzulassungen 1990 – 2006 (EU-15 + EFTA)

Abb. A 2.2: Entwicklung des Pkw-Bestands 1991-2005 (EU-15 + EFTA)

Verzeichnis der Tabellen

Tab. 2.1: Pkw-Hersteller, Neuzulassungen und Marktanteile im Jahr 2006

Tab. 3.1: Kraftstoff-Mindeststeuersätze

Tab. 5.1: Resultate einer Simulationsstudie eines Emissionshandels mit 130 gCO2/km

Tab. 6.1: Übersicht der Bewertungsergebnisse

Tab. A 2.1: Gruppierung der Neuzulassungen nach spezifischen CO2-Emissionswerten.

Tab. A 2.2: Neuzulassungen, Marktanteile und spezifische CO2-Emissionen im Jahr 2006

Tab. A 3.1: Durchschnittliche spezifische CO2-Emissionen neuer Pkw nach Verband..

Tab. A 3.2: Verwirklichung des Ziels 140 gCO2/km im Jahr 2008/2009

Tab. A 5.1: Zulassungs- und Kfz-Steuern mit (partieller) CO2-Basierung in der EU

Verzeichnis der Symbole und Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Zwischen Juni 2006 und Juni 2007 erlebte Deutschland die wärmsten zwölf Monate seit Beginn der Temperaturmessungen 1893.[1] Ob Laune der Natur, oder Indiz der Erderwärmung, die Klimapolitik ist spätestens seit dem Stern-Review und dem vierten Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) allgegenwärtig. So beschäftigten sich zuletzt die Deutsche EU-Ratspräsidentschaft und der G8-Gipfel in Heiligendamm mit Möglichkeiten zur Reduktion von Treibhausgasen (THG), sowie mit ihren klimatischen und ökonomischen Auswirkungen. Dabei herrscht zunehmend die Ansicht, dass Klimaschutzmaßnahmen nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll sein können.

Um gefährliche Veränderungen des Klimas zu vermeiden, setzt sich die Europäischen Union (EU) und ihre Mitgliedstaaten (MS) bereits seit Anfang der 1990er Jahre dafür ein, den THG-Ausstoß zu stabilisieren. Neben der Steigerung der Energieeffizienz und dem Einsatz alternativer Energieträger gilt es dafür insbesondere, den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu verringern, von dem ein Großteil auf den Automobilsektor entfällt. Im Rahmen der Gemeinschaftsstrategie zur Minderung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen[2] verfolgt die EU daher seit Mitte der 1990er Jahre das Ziel, den CO2-Ausstoß von Pkw[3] bis zum Jahr 2010 auf 120 Gramm CO2 pro Kilometer (gCO2/km) im Durchschnitt der neu zugelassenen Pkw eines Jahres zu senken. Dieser ‚spezifische Emissionswert’ wird für jedes Pkw-Modell durch ein standardisiertes Messverfahren, den sog. Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ)[4] bestimmt. Der Durchschnitt der sog. ‚Flottenemissonen’ ergibt sich dann aus der Summe der mit den jeweiligen Verkaufszahlen gewichteten spezifischen CO2-Emissionen aller Pkw-Modelle dividiert durch die Gesamtzahl der im Bezugsjahr verkauften Pkw.

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Zur Umsetzung der Gemeinschaftsstrategie hat sich die Automobilindustrie gegenüber der Europäischen Kommission (KOM) freiwillig auf spezifische Emissionen von 140 gCO2/km im Durchschnitt der Neuwagen im Jahr 2008 bzw. 2009 verpflichtet. Dies entspricht einer Verminderung um 46 gCO2/km bzw. 25% gegenüber 1995, wovon bis 2004 erst 12,4% realisiert waren. In Anbetracht dessen hält die KOM ein Scheitern der freiwilligen Selbstverpflichtung für unausweichlich. Daher kündigte sie im Februar 2007 den Erlass eines rechtlichen Rahmens an, um das Emissionsziel von 120 gCO2/km im Durchschnitt der Neuwagen im Jahr 2012 sicherzustellen.[5] Als Teilziel sollen die Pkw-Hersteller durch verbesserte Motortechnologie die spezifischen CO2-Emissionen verbindlich auf einen Durchschnitt von 130 gCO2/km senken. Die Art und Ausgestaltung der gesetzlichen Regelung ließ die KOM jedoch offen.

Im Gegensatz dazu kursieren in der öffentlichen Debatte zahlreiche Vorschläge zur Reduktion der CO2-Emissionen des Straßenverkehrs . Sie reichen von einer Fortsetzung des freiwilligen Ansatzes über ordnungsrechtliche Maßnahmen, CO2-basierte Besteuerung bis hin zu einem Emissionshandel für Kraftfahrzeuge. Allerdings differenziert die Debatte zum Teil nur unzureichend. Zum einen wird das KOM-Vorhaben mitunter als ‚CO2-Norm' bezeichnet. Statt als eine technische Auflage über 130 gCO2/km je Kfz, ist der Begriff vielmehr im Sinne einer Rechtsnorm zu verstehen. Zum anderen wird der Rechtsrahmen in mancher Berichterstattung als bereits festgelegt dargestellt.[6]

Die umweltökonomische Literatur widmet sich der CO2-Emissionsreduktion im Rahmen der allgemeinen Abgasproblematik des Verkehrssektors bereits seit den 1970er Jahren.[7] Die Diskussion zielt dabei in der Regel darauf, die absoluten Emissionen mit Hilfe wirtschaftspolitischer Instrumente ökonomisch effizient zu reduzieren. Ausgehend von dem in der Umweltpolitik traditionellen Ordnungsrecht galt das Interesse zunächst dem Vergleich mit Abgabenlösungen. Mittlerweise plädiert eine Reihe von Autoren für den Einsatz von Umweltzertifikaten im Automobilsektor. Die Umsetzung spezifischer Emissionsziele wird allerdings weitgehend vernachlässigt.[8] Ebenso unberücksichtigt bleibt zumeist die europäische Perspektive, denn die Vorschläge beziehen sich in der Regel auf die nationale (deutsche) Ebene. Die wenigen Betrachtungen mit EU-Bezug stammen aus jüngerer Zeit und beschäftigen sich fast ausschließlich mit Anwendungsmöglichkeiten von Umweltzertifikaten im Straßenverkehr.[9] Somit stellt eine unter diesen Gesichtspunkten vergleichende Betrachtung der drei genannten Instrumente ein Defizit in der Literatur dar. Zur Schließung dieser Lücke möchte diese Arbeit durch eine Analyse der Umsetzungsmöglichkeiten des konkreten spezifischen CO2-Emissionsziels der EU-Kommission für Pkw beitragen.

Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht daher folgende Frage: Mit welchen wirtschaftspolitischen Instrumenten kann die EU das spezifische Emissionsziel von 130 gCO2/km im Durchschnitt der Neuwagenflotte bis 2012 aus umweltökonomischer Sicht effizient umsetzen? Da der Klimaschutz die Minderung des absoluten CO2-Ausstoßes erfordert, soll die Untersuchung darüber hinaus die diesbezüglichen Auswirkungen der Instrumente berücksichtigen.

Die Arbeit untersucht und bewertet die Möglichkeiten zur Umsetzung des spezifischen Emissionsziels der KOM durch die wirtschaftspolitischen Instrumente Auflagen, Abgaben und Umweltzertifikate anhand der umweltökonomischen Kriterien ökologische Treffsicherheit, ökonomische Effizienz, sowie Praktikabilität. Das Ziel ist es, Handlungsempfehlungen für die Erreichung des spezifischen Emissionsziels bzw. die Ausgestaltung des rechtlichen Rahmens zu entwickeln. Im Rahmen der Arbeit sollen und können die einzelnen Kriterien jedoch nicht quantitativ ausgefüllt werden. Vielmehr geht es um einen qualitativen Vergleich der Steuerungsmöglichkeiten anhand des gegebenen umweltpolitischen Ziels.

Über die Gemeinschaftsstrategie hinaus existieren inner- und außerhalb des EU-Rahmens weitere Möglichkeiten zur CO2-Emissionsreduktion von Kfz. Maßnahmen wie Geschwindigkeitsbegrenzungen, Straßenbenutzungsgebühren, der Einsatz von Bio- oder anderen alternativen Kraftstoffen und Antriebstechnologien, sowie die Kraftstoffqualität werden hier jedoch nicht betrachtet. Auch der sog. ‚modal shift’, d.h. die Verlagerung des motorisierten Individual- und Güterverkehrs auf andere Verkehrsträger, steht ebensowenig zur Debatte wie eine monetäre Schadensbewertung der Pkw-Emissionen zwecks einer Kosten-Nutzen-Analyse.

1.2 Aufbau der Arbeit

Nach den Grundlagen des Treibhauseffekts beleuchtet Kapitel 2 den Zusammenhang von Pkw-Verkehr und CO2-Ausstoß als Hintergrund für die Untersuchung. Anschließend erörtert es die Bedeutung des spezifischen Emissionsziels für die CO2-Emissionsreduktion anhand des Anteils des Pkw-Verkehrs am CO2-Ausstoß, seinen Entwicklungstendenzen und den Merkmalen des europäischen Automobilmarktes. Kapitel 3 liefert mit der Darstellung der rechtlichen Grundlagen und des Status Quo der Pkw-bezogenen EU-Klimapolitik den Startpunkt für die Untersuchung der Steuerungsmöglichkeiten. Anschließend erläutert Kapitel 4 die umweltökonomische Sicht von Marktversagen als Ursache von Umweltproblemen. Es stellt die theoretischen Grundlagen und Lösungsstrategien vor, sowie die beiden zentralen , daraus entwickelten Ansätze für die umweltpolitische Praxis. In Kapitel 5 folgt nach der Herausarbeitung des umweltökonomischen Bewertungsrahmens die Analyse potentieller Umsetzungsmaßnahmen. Nacheinander werden Auflagen, Abgaben und Umweltzertifikate in drei Schritten untersucht. Auf eine kurze Einführung zum jeweiligen Instrument folgt die Erörterung von Ausgestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich des spezifischen Emissionsziels, die im Anschluss anhand der umweltökonomischen Kriterien bewertet werden. Kapitel 6 fasst schließlich die Untersuchungsergebnisse zusammen und versucht Handlungsempfehlungen für die eingangs gestellte Frage zu entwickeln. Abbildung 1.1 zeigt eine schematische Übersicht über den Aufbau der Arbeit.

Abb. 1.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung.

2 Die Rolle des Pkw-Verkehrs im Klimawandel

Nach den Grundlagen des sog. Treibhauseffektes zeigt das Kapitel zunächst den Zusammenhang zwischen Kfz-Verkehr und CO2-Emissionen auf, um Ansatzpunkte für die Emissionsreduktion zu identifizieren. Der anschließende Abschnitt beleuchtet die Bedeutung des spezifischen Emissionsziels für den Klimaschutz anhand der Pkw-Emissionen.

2.1 Die ökologischen Grundlagen: Treibhauseffekt und Klimawandel

Ohne den Treibhauseffekt würden die heutigen Lebensformen auf der Erde nicht existieren, denn er erhöht die globale Durchschnittstemperatur um mehr als 30°C auf ca. 15°C. Die Ursache des Phänomens sind die sog. Treibhausgase[10] in der Erdatmosphäre. Sie lassen die kurzwellige Sonnenstrahlung fast ungehindert zur Erdoberfläche hindurch, verringern aber die Wärmeabstrahlung der Erde durch Absorption. Dieser ‚natürliche’ Treibhauseffekt hat im Laufe der Entwicklung der Erdatmosphäre eine konstante Größe angenommen, mit der eine bestimmte Treibhausgaskonzentration einhergeht. Daher war das Klima[11] der letzten 10.000 Jahre mit Variationen von 1-1,5°C bemerkenswert stabil.[12]

Davon zu unterscheiden ist der ‚anthropogene’ Treibhauseffekt, d.h. die durch menschliche Aktivitäten verursachte zusätzliche Erderwärmung. Ihre Existenz sehen die am 4. IPCC - Bericht beteiligten Wissenschaftler mit mindestens 90%-tiger Sicherheit als gegeben an.[13] Ursache ist in erster Linie die Veränderung der Treibhausgaskonzentration seit Beginn der Industrialisierung. Einfluss haben auch das aufgrund anderer Landnutzung veränderte Reflektionsverhalten der Erdoberfläche, sowie die Auflösung der natürlichen THG-Senken. CO2 ist dabei insbesondere von Bedeutung, da sein Anteil am anthropogenen ThE auf 50% bis 60% geschätzt wird.[14] Dies liegt vor allem an der großen Menge emittiertem CO2, denn gemessen an ihrer Absorptionsfähigkeit und Verweildauer in der Atmosphäre weisen andere THG ein wesentlich größeres Treibhauspotential auf. Die atmosphärische CO2-Konzentration stieg von einem vorindustriellen Niveau von 280 auf 379 ppm im Jahr 2005. Die Ursache ist zu etwa 75% die Verwendung fossiler Brennstoffe.[15]

Infolgedessen hat sich die globale Durchschnittstemperatur in diesem relativ kurzen Zeitraum stark erhöht. So stieg die mittlere Oberflächentemperatur im Zeitraum 1850 - 2005 um 0,76°C, wobei sich die Erwärmung in den letzten 50 Jahren beschleunigte. Mit einer Fortsetzung dieser Entwicklung rechnet der IPCC, der einen Anstieg der Durchschnittstemperatur zwischen 1,1 und 6,4°C bis 2100 (im Vgl. zu 1980-1999) prognostiziert.[16] Die Auswirkungen der Temperaturerhöhung, wie die Erwärmung der Ozeane, das Abschmelzen von Gletschern und Eiskappen, der Anstieg des Meeresspiegels sowie die Zunahme von Wetterextremen, sind bereits heute festzustellen und werden sich weiter verstärken. Die Folgen für z.B. Landwirtschaft, menschliche Gesundheit, Siedlungsgebiete, Infrastruktur und Industrie werden nicht nur verstärkt ökologische, sondern auch ökonomische Schäden verursachen.[17]

Die ökonomische Bewertung ist allerdings noch nicht abschließend geklärt. Ging die Literatur in den 1950er und 1960er Jahren von überwiegend positiven Effekten durch die Verzögerung der nächsten Eiszeit und die Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktion aus, nimmt man heute einen Überhang der Kosten an.[18] Seit Ende der 1980er Jahre versucht die Ökonomie daher, Nutzen und Kosten des anthropogenen ThE monetär zu bewerten und möglichen Vermeidungskosten gegenüberzustellen. Dies ist mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und wirft grundlegende Fragen hinsichtlich ökonomischer Annahmen auf.[19] Als Pionier auf diesem Gebiet gilt Nordhaus. Für eine Verdopplung der atmosphärischen THG-Konzentration bis 2050 – das entspricht einer Erwärmung von ca. 2,5°C – schätzte er die Kosten für Industrieländer auf 0,25 - 2% des BSP.[20] Zuletzt veranschlagte Stern die jährlichen Kosten einer Stabilisierung der THG-Konzentration bei 500 - 550 ppm bis 2050 deutlich niedriger (ca. 1% des globalen BIP) als die Folgekosten des Klimawandels bei Untätigkeit (5 - 20%).[21] Die Kosten durch Klimaschäden, erhöhten Energiebedarf und Anpassung an den Klimawandel werden, ohne forcierten Klimaschutz, bis 2050 allein für Deutschland auf bis zu €800 Mrd. bzw. 0,5% jährliche Einbußen des realen gesamtwirtschaftlichen Wachstums geschätzt.[22] Klimaschutz ist demnach auch aus ökonomischer Sicht sinnvoll.

2.2 Der Zusammenhang von Kraftfahrzeugen und CO2-Emissionen

Kohlenstoffdioxid entsteht bei der Verbrennung fossiler Kraftstoffe durch Oxidation des darin enthaltenen Kohlenstoffs. Ein Liter Benzin verursacht ca. 2,33 kg CO2, ein Liter Diesel ca. 2,63 kg.[23] Im Gegensatz zu anderen Schadstoffen kann CO2 nicht aus den Autoabgasen gefiltert, oder auf andere Weise zurückgehalten werden. Folglich kommt zur CO2-Emissionsreduktion nur eine Verringerung des Kraftstoffverbrauchs in Betracht. Ausgeblendet wird dabei, dass 15 - 16% der gesamten THG-Emissionen von Kfz – insbesondere CO2, Methan und Stickstoffdioxid – auf die Her- und Bereitstellung der Kraftstoffe entfallen.[24]

Somit bieten sich zur Reduktion des Kraftstoffverbrauchs drei grundlegende Ansatzpunkte:

(1) Der spezifische Kraftstoffverbrauch bzw. Emissionen eines Kfz,
(2) Fahrleistung und Fahrverhalten,
(3) Verbesserung der Verkehrsorganisation.[25]

Die Gemeinschaftsstrategie zur Minderung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen zielt auf die spezifischen Emissionen. Sie sind von technischen Faktoren abhängig, die sich in antriebsbezogene und ausstattungsbezogene Faktoren gliedern lassen. Zu Ersteren zählen Motor, Getriebe und äußere Fahrwiderstände (Roll-, Luft-, Beschleunigungs- und Steigungswiderstand), die wesentlich von Masse, Form- und Oberflächengüte des Fahrzeugs bestimmt werden. Die Ausstattungsbezogenen beziehen sich auf elektronische Kontroll- oder Komforteinrichtungen, die für die Funktionsfähigkeit des Kfz nicht erforderlich sind.[26]

Das spezifische Emissionsziel von 130 gCO2/km betrifft die antriebsbezogen Größen, mit Ausnahme von Maßnahmen zur Verringerung des Reifenrollwiderstands[27], und entspricht einem Durchschnittverbrauch von 5,6l Benzin bzw. 5l Diesel auf 100 km.[28] Der Kraftstoffverbrauch wird somit über die gesamte Nutzungsdauer der Neuwagen beeinflusst. Dies gilt jedoch nicht für Fahrleistung und Fahrverhalten, die nach Kwan (2005) z.B. in Großbritannien ausschlaggebend für den Anstieg der CO2-Emissionen von Pkw zwischen 1970 - 2000 waren.[29] Damit erfolgt die absolute Emissionsreduktion nur indirekt und langfristig über die Erneuerung des Pkw-Bestandes. In Anbetracht dessen sollte ein Instrument beide Faktoren beeinflussen können.[30]

2.3 Bedeutung des spezifischen Emissionsziels

Die Auswirkungen und Potentiale des spezifischen Emissionsziels stellt der folgende Abschnitt anhand des Anteils des Pkw-Verkehrs am CO2-Ausstoß, der Entwicklung von Pkw-Bestand und Neuzulassungen, sowie eines Überblicks über den Pkw-Markt in der EU dar.

2.3.1 Der Anteil des Pkw-Verkehrs an den CO2-Emissionen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Anteil von CO2 an den gesamten THG-Emissionen (4.980 Tg) der EU betrug 83% im Jahr 2004. Der Verkehrssektor war für mehr als ein Viertel (siehe Abb. 2.1), der Straßenverkehr für ca. 21% (ca. 877,5 Tg) der CO2-Emissionen verantwortlich.[31] Für den Anteil des Pkw-Verkehrs an den CO2-Emissionen des Straßenverkehrs liegen keine eindeutigen Zahlen vor. Laut KOM gehen 12% des CO2-Ausstoßes der EU auf Pkw zurück, der Berichtsentwurf des Umweltschusses des EP nennt zusammen mit den Emissionen leichter Nutzfahrzeuge einen Anteil von 19%.[32] Der Vergleich mit den obigen Zahlen zeigt, dass der Pkw-Verkehr für einen Großteil der CO2-Emissionen des Straßenverkehrs verantwortlich ist. Dies wird darüber hinaus daran deutlich, dass im Jahr 2004 Pkw 87% der Personenverkehrsleistung des Straßenverkehrs erbrachten, motorisierte Zweiräder und Autobusse zusammen 13% .[33]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Seit 1990 hat der Verbrauch fossiler Brennstoffe und damit der CO2-Ausstoß des Straßenverkehrs um 26% zugenommen (EU-15), obwohl sich die THG-Emissionen aller Sektoren um 5% verringerten.[34] Dieser gegenläufige Trend spiegelt sich in der Entwicklung der sektorspezifischen CO2-Emissionen zwischen 1990 und 2004 wider (siehe Abb. 2.2). Denn einzig der Verkehr emittierte stetig mehr CO2, alle anderen Sektoren hielten bzw. unterschritten das Niveau von 1990. Als Ursache gilt vor allem der Anstieg des Personenverkehrsaufkommens um 20% (1990-2003), der auf steigende Einkommen, mehr und verbesserte Infrastruktur, sowie räumliche Strukturveränderungen zurückzuführen ist. So wuchs der Pkw-Verkehr zwischen 1995 und 2004 um 17,7% auf 4,4 Mio. Personenkilometer (pkm). Bis 2020 wird für den Straßenverkehr eine Zunahme des Personenverkehrsaufkommens um 36% erwartet, u.a. weil mit einer Angleichung des derzeit deutlich niedrigeren Niveaus der pkm pro Kopf in der EU-10 an die EU-15 zu rechnen ist.[35]

Weltweit sind Kfz-Emissionen mit einem Anteil von knapp 10% am THG-Ausstoß bislang von geringerer Bedeutung als in der EU. So entfiel 2002 über die Hälfte der globalen CO2-Emissionen des Verkehrssektors auf die EU und die USA. Ihre Wachstumsraten seit 1990 und die Projektion bis 2020 verdeutlichen jedoch nicht nur den Anstieg der Gesamtemissionen des Verkehrssektors um die Hälfte. Es zeigt vor allem, dass sie sich gerade in bevölkerungsreichen Schwellenländern wie China (+ 143%), Indonesien (+ 122%), oder Indien (+ 92%) erheblich vergrößern werden (siehe Abb. 2.3).[36]

2.3.2 Neuzulassungen und Pkw-Bestand

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Jahr 2006 wurden in der EU ca. 15,4 Mio. Pkw erstmals zugelassen, was einem Drittel

der weltweiten Neuzulassungen (46,6 Mio.) entsprach.[37] Zwar war die Anzahl der Neuzulassungen in der EU-15 seit 1990 in etwa konstant (vgl. Anhang Abb. A 2.1), doch zeigen die physischen Charakteristika eine gegenläufige Tendenz (siehe Abb. 2.4). Einerseits sanken die spezifischen CO2-Emissionen deutlich, andererseits wurde dies zum Teil durch den Trend zu leistungsstärkeren[38] und schwereren Neuwagen kompensiert. Als Ursache gelten zum einen die strengeren Sicherheitsanforderungen und eine weite Verbreitung von Komfortausstattungen, zum anderen die Nachfrage der Pkw-Käufer . Darüber hinaus beruht die Entwicklung auf einem steigenden Anteil von Dieselfahrzeugen an den Neuwagen, da diese ein ungünstigeres Verhältnis von Leistung zu Masse aufweisen.[39]

Hinsichtlich der spezifischen CO2-Emissionen zeigt eine Gruppierung der Neuzulassungen des Jahres 2004, dass ca. 26% der Pkw der sich selbst verpflichteten Hersteller acht Jahre vor dem angestrebten Beginn des verbindlichen Emissionswerts einen spezifischen Emissionswert unter- oder knapp oberhalb des geforderten Durchschnitts von 130 gCO2/km (<141 gCO2/km) aufweisen. Etwa die Hälfte der Neuwagen lag zwischen 141-180 gCO2/km auf, knapp ein Viertel über 180 gCO2/km.[40]

Zugelassen waren 2005 in der EU insgesamt ca. 220 Mio. Pkw.[41] Der Pkw-Bestand vergrößtert sich seit Jahren kontinuierlich (vgl. Anhang Abb. A 2.2). Dies spiegelt sich im steigenden Motorisierungsgrad, d.h. der Pkw-Anzahl pro 1.000 Einwohner. Dieser Wert ist in der EU zwischen 1990 und 2005 von 364 auf 476 Pkw gestiegen. Allerdings besteht ein deutlicher Unterschied zwischen EU-15 (503 Pkw) und EU-10 (382 Pkw).[42] Unterstellt man weiterhin wirtschaftlichen Aufschwung in der EU-10 und damit eine Angleichung des Lebensstandards an die EU-15, ist ein weiterer Anstieg des Motorisierungsgrades wahrscheinlich.

Gleiches gilt für den globalen Pkw-Bestand . Erstens zeigt ein Blick auf die USA und Japan (770 bzw. 530 Pkw pro 1.000 Einwohner in 2004), dass selbst in der EU-15 beim Pkw-Besitz noch nicht von einer Sättigung auszugehen ist. Zweitens ist in wirtschaftlich aufstrebenden und bevölkerungsreichen Schwellenländern wie z.B. China (13 Pkw pro 1.000) ein erheblicher Anstieg des zurzeit noch sehr niedrigen Motorisierungsgrades absehbar, was sich auch in den oben genannten Wachstumsraten der CO2-Emission bis 2020 ausdrückt.[43]

2.3.3 Der europäische Pkw-Markt

Der europäische Pkw-Markt besteht auf der Anbieterseite aus mehr als 20 Fahrzeugherstellern. Jeder dieser Konzerne umfasst in der Regel mehrere Automobilmarken. Tabelle 2.1 liefert eine Übersicht über die Marktanteile der wichtigsten Hersteller bei den Neuzulassungen (im Einzelnen siehe Anhang Tab. A 2.2). Der Großteil der Pkw-Hersteller gehört einem der drei Dachverbände ACEA[44], JAMA[45] und KAMA[46] an.

Tab. 2. 1: Pkw-Hersteller, Neuzulassungen und Marktanteile im Jahr 2006

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Insgesamt wurden 2006 in der EU-27 16,2 Mio. Pkw gefertigt. Das entspricht einem Anteil von ca. 33% an der weltweiten Produktion (49,9 Mio.). Von letzterer entfielen auf die Mitglieder von ACEA, JAMA und KAMA mehr als die Hälfte (ca. 57%).[47] Wirtschaftlich ist die Automobilindustrie in Europa von großer Bedeutung. Hersteller und Zulieferer erwirtschafteten 2005 einen Umsatz von ca. €700 Mrd., Fahrzeughandel und –werkstätten ca. €520 Mrd. Etwa 2,3 Mio. Personen waren direkt, d.h. bei Herstellern und Zulieferern, beschäftigt (EU-27), was ca. 7% der Beschäftigung der verarbeitenden Industrie entsprach. Darüber hinaus waren rund 10,3 Mio. Beschäftigte von der Kfz-Industrie abhängig. Das Kfz-Steueraufkommen belief sich im Jahr 2006 in der EU-15 auf €360 Mrd. (~3,5% BIP). Daneben zeichnet sich die europäische Automobilindustrie durch ein hohes Exportvolumen aus, mit dem sie 2005 bei den Pkw insgesamt einen Handelsbilanzüberschuss von €35,6 Mrd. erwirtschaftete.[48]

2.3.4 Fazit

Aufgrund des vor allem in der EU hohen Anteils der Pkw-Emissionen und ihrer Entwicklung scheinen Maßnahmen zur CO2-Emissionsreduktion im Straßenverkehrssektor grundsätzlich geeignet, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Kurz- bis mittelfristig könnte der Beitrag des spezifischen Emissionsziels allerdings durch das weiter steigende Personenverkehrsaufkommen zum Teil kompensiert werden. Stärkere Wirkung wird es hingegen langfristig über den Austausch des Pkw-Bestandes entfalten können.

Diese Annahme ist vor allem im Hinblick auf die globalen CO2-Emissionen des Pkw-Verkehrs von Bedeutung. Sie gründet sich einerseits auf das prognostizierte starke Wachstum des weltweiten Motorisierungsgrades und andererseits auf die Tatsache, dass ein Großteil der weltweiten Automobilhersteller auf dem europäischen Pkw-Markt tätig ist. Es ist zu erwarten, dass sie die einmal für die europäischen Emissionsanforderungen entwickelten Technologien zumindest zum Teil auf ihre globale Modellpalette übertragen.

3 Die EU-Klimapolitik hinsichtlich der CO2-Emissionen von Pkw

Die Maßnahmen hinsichtlich der CO2-Emissionen von Pkw sind Teil der EU-Klimapolitik. Ziel ist die Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 2°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau, um eine gefährlich Veränderung des Klimas zu vermeiden. Dafür hat sich die EU im Kyoto-Protokoll[49] verpflichtet, ihren THG-Ausstoß bis spätestens 2012 um 8% gegenüber 1990 zu reduzieren. Als längerfristiges Ziel vereinbarte der Europäische Rat im März 2007 eine Minderung des THG-Ausstoßes bis 2020 von mindestens 20% gegenüber 1990.[50]

Ausgehend von den rechtlichen Grundlagen der EU-Umweltpolitik beschreibt dieses Kapitel den Stand der EU-Klimapolitik hinsichtlich der CO2-Emissionsreduktion von Pkw als Ausgangspunkt für die Diskussion der Instrumente.

3.1 Die rechtlichen Grundlagen der EU-Umweltpolitik

Die EU ist eine supranationale Organisation, d.h. die MS haben ihr staatliche Hoheitsrechte übertragen. Das sog. Gemeinschaftsrecht ist eigenständig, hat Vorrang vor nationalem Recht und wirkt unmittelbar. Für die Gesetzgebung bedarf die EU einer rechtlichen Grundlage in den Gemeinschaftsverträgen. Für die Umweltpolitik wurde sie 1987 durch die Einheitlich Europäische Akte geschafften (Art. 174-176 EGV). Die grundlegende umweltpolitische Zielsetzung umfasst danach (1) die Erhaltung und den Schutz der Umwelt sowie die Verbesserung ihrer Qualität, (2) den Schutz der menschlichen Gesundheit, (3) die umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen, sowie (4) die Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme.

Die EU strebt ein hohes Schutzniveau an und folgt nachstehenden Handlungsgrundsätzen:

- Nach dem Vorsorgeprinzip sind Umweltschäden von vorneherein zu vermeiden,
- Gemäß des Ursprungsprinzips sind nicht vermeidbare Umweltbelastungen möglichst an der Quelle zu bekämpfen,
- Laut Verursacherprinzip haben die Verursacher von Umweltbeeinträchtigungen die Kosten ihrer Vermeidung, Reduktion oder Beseitigung zu tragen.[51]

Inzwischen haben die Verträge von Maastricht und Amsterdam die umweltpolitische Kompetenz der EU durch die Einführung des qualifizierten Mehrheitsbeschlusses im Rat und die Stärkung des EPs erheblich aufgewertet. Hinsichtlich wirtschaftspolitischer Steuerungsmöglichkeiten stellen ‚Vorschriften überwiegend steuerlicher Art’ allerdings eine Ausnahme dar. Für ihre Harmonisierung sind weiterhin Einstimmigkeit im Rat und lediglich die Anhörung des EPs erforderlich. Dies gilt unabhängig davon, ob sie auf der umweltpolitischen Rechtsgrundlage beruhen, oder als rechtsangleichende Maßnahme zur Errichtung des Binnenmarktes im Sinne des Art. 95 EGV umweltpolitische Wirkung entfalten. Somit gilt sowohl bei Kfz-Steuern als direkten Steuern (Art. 94 EGV), als auch bei Kraftstoffsteuern als indirekten Steuern (Art. 93 EGV) im Rat das Einstimmigkeitsprinzip.[52]

Der Amsterdamer Vertrag hat auch den rechtswissenschaftlichen Streit über die Anwendung der verschiedenen Rechtsgrundlagen durch die Angleichung der Rechtssetzungsverfahren in der Praxis entschärft.[53] Sicher ist, dass die EU in der Klimapolitik gesetzgeberisch tätig werden und einen verbindlichen Rechtsrahmen zur Minderung der CO2-Emissionen von Pkw schaffen kann. Allerdings ist bei steuerlichen Maßnahmen im Rat Einstimmigkeit erforderlich.

3.2 Die Gemeinschaftsstrategie zur Minderung der CO2-Emissionen von Pkw

Beeinflusst von der Gründung des IPCC (1988) und im Vorfeld der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro (1992) einigten sich die europäischen Umwelt- und Energieminister auf die Stabilisierung der CO2-Emissionen im Jahr 2000 auf dem Niveau von 1990 und forderten die KOM zur Ausarbeitung konkreter Handlungsstrategien auf.[54] Hinsichtlich der Pkw-Emissionen zielten die Gemeinschaftsorgane auf eine Reduktion der durchschnittlichen CO2-Emissionen um 35% bis 2005. Die Einführung einer Energiesteuer scheiterte mehrfach, und auch auf eine Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Pkw-Steuern konnten sich Rat und KOM nicht einigen. Weitere Maßnahmen schlug die KOM dann in der Mitteilung über die Gemeinschaftsstrategie zur Minderung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen (KOM(95)689) vor, die der Rat 1996 annahm. Sie besteht aus den Säulen freiwillige Selbstverpflichtung, Informationspflicht über den Kraftstoffverbrauch, sowie steuerlichen Maßnahmen und hat eine durchschnittliche CO2-Emission von 120 g/km für Neuwagen bis spätestens 2010 zum Ziel (siehe Abb. 3.1).[55]

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Die Selbstverpflichtung soll die durchschnittlichen CO2-Emissionen um 25% auf 140 g/km durch Fahrzeugtechnologie reduzieren, die anderen beiden Säulen die restlichen 10% (20 gCO2/km) beisteuern. Mittlerweile hat die KOM das Ziel von 120 g/km auf 2012 verschoben und beabsichtigt die Pkw-Hersteller auf eine motorseitige Reduktion der spezifischen Emissionen auf durchschnittlich 130 gCO2/km zu verpflichten.[56]

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3.2.1 Die freiwillige Selbstverpflichtung der Automobilindustrie

Die europäische Automobilindustrie verpflichtete sich 1998 in Gestalt ihres Dachverbandes ACEA freiwillig zur Reduktion der CO2-Emissionen auf 140 gCO2/km im Durchschnitt der Neuwagen im Jahr 2008. Zudem sicherte sie zu, 165 -170 gCO2/km im Jahr 2003 zu erreichen und das Potential für eine Reduktion auf 120 g/km im Jahr 2012 abzuschätzen. Ein Jahr später folgten gleichwertige Selbstverpflichtungen der japanischen (JAMA) und der koreanischen Automobilindustrie (KAMA) bezogen auf 2009. Da diese Form von Verpflichtung nicht rechtsverbindlich ist[57], nahm die KOM sie lediglich zur Kenntnis und deckte sie mit Empfehlungen[58] ab. Darüber hinaus überwacht die Gemeinschaft die Verpflichtung (sog. Monitoring) und veröffentlicht jährlich gemeinsam mit den Verbänden die Ergebnisse.

Zuletzt kam der Sechste Jahresbericht zur Umsetzung der Gemeinschaftsstrategie[59] zu dem Schluss, dass die Hersteller aller drei Verbände ihre Anstrengungen erheblich verstärken müssen, um ihre Ziele zu erreichen. Im Kalenderjahr 2004 lag der durchschnittliche spezifische CO2-Emissionswert bei 163 gCO2/km (EU-15). Dazu trugen ACEA 161 gCO2/km, KAMA 168 gCO2/km und JAMA 170 gCO2/km bei (siehe Abb 3.2). Gegenüber dem Ausgangswert von 186 gCO2/km im Jahr 1995 reduzierten sie ihre Emissionen bisher um 13% (ACEA), 14,7% (KAMA) und 13,3% (JAMA). Nötig ist bis 2008/9 eine Gesamtminderung von 25%. Folglich müsste bis dahin die durchschnittliche jährliche Minderungsrate 3,3% bei ACEA und KAMA bzw. 3,5% bei JAMA betragen. Stattdessen lag sie zuletzt deutlich darunter, bspw. waren es von 2003 auf 2004 für ACEA und JAMA 1,2% .[60] In der EU-10 liegen die spezifischen Emissionen der Neuwagenflotte zwar bisher unter denen der EU-15 (156 gCO2/km in 2004), mit einer Angleichung an das Niveau der EU-15 ist bei einer Annäherung des Kon

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Die geringen Fortschritte lassen sich auf einige Schwächen der Selbstverpflichtung zurückführen. Erstens beinhalten bereits die Selbstverpflichtungen eine Reihe einschränkender Bedingungen. Neben der Verpflichtung anderer Pkw-Hersteller und der Verfügbarkeit hinreichend hoher Kraftstoffqualität wird gefordert, die Verbreitung neuer Fahrzeugtechnologien nicht durch fiskalische oder politische Maßnahmen zu behindern. Zudem sei die Möglichkeit der Anpassung des Emissionsziels an die wirtschaftliche Entwicklung oder aufgrund möglicher Wettbewerbsverzerrungen erforderlich. Letzteres wäre bereits denkbar bei der Nicht-Einhaltung der Verpflichtungen durch einen der Verbände.

Zweitens gilt das Ziel von 140 gCO2/km in 2008 als technisch wenig anspruchvoll, sondern vielmehr als ein ‚business-as-usual’ - Ansatz. Es wäre auch ohne zusätzliche Anstrengungen der Industrie bei normaler technischer Entwicklung zu erzielen. So hielt die KOM bei Ausarbeitung der Strategie 120 gCO2/km in 2005 für technisch realisierbar und wirtschaftlich vertretbar. Studien schätzen Mitte der 1990er Jahre bei der Verbrauchseffizienz von Pkw das Verbesserungspotential mit der bestehenden Technik auf 40-50% bis 2010.[61]

Drittens weist die Selbstverpflichtung strukturelle Mängel auf. So enthält sie zum einen keine Lastenverteilung zwischen den Pkw-Herstellern, was Trittbrettfahrerverhalten begünstigt. Zum anderen sind keine Sanktionsmechanismen vorgesehen, außer der Absicht der KOM im Fall der Zielverfehlung einen verbindlichen Rechtsrahmen zu erlassen.

Schließlich berücksichtigt die Bemessungsgrundlage der CO2-Emissionen in gCO2/km nur die technische Seite und nicht das menschliche Verhalten. Während die spezifischen Emissionen nur den ‚potentiellen’ CO2-Austoß beschreiben, hängt die Höhe der absoluten, d.h. der tatsächlichen CO2-Emissionen grundsätzlich von der Fahrleistung und dem Fahrverhalten ab. Die Erfüllung des Durchschnittsziels ist nicht allein vom Pkw-Angebot, sondern auch von der Kaufentscheidung der Neuwagenkäufer abhängig. Letztere können die Hersteller nur indirekt durch Preisgestaltung oder Marketingmaßnahmen beeinflussen.

Damit sind elementare Voraussetzungen für den Erfolg von Selbstverpflichtung nicht erfüllt.[62] Dennoch können freiwillige Selbstverpflichtungen in einer ergänzenden Funktion positive umweltpolitische Wirkung entfalten, wenn bestimmte Voraussetzungen, wie eine eindeutige Zielsetzung und Lastenverteilung erfüllt sind.[63] Dies ist hier nicht der Fall. Denn zur Reduktion der spezifischen CO2-Emissionen stellen sie bisher das alleinige Instrument dar.

3.2.2 Informatorische Maßnahmen

Aufgaben der informatorischen Maßnahmen ist die Sensibilisierung der Verbraucher für den Zusammenhang von Pkw-Emissionen und Klimawandel. Durch die Beeinflussung der Pkw-Nachfrager zugunsten des Erwerbs eines klimafreundlicheren Neufahrzeugs, versucht die EU den Pkw-Herstellern Anreize für die Entwicklung verbrauchsärmerer Modelle zu geben. Dazu verabschiedeten das EP und der Rat 1999 die „Richtlinie über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen beim Marketing für neue Personenkraftwagen“ (RL 1999/94/EG). Danach sollen sog. ‚Labelling’-Maßnahmen wie Hinweise am Verkaufsort und in der Werbung, sowie ein jährlich aktualisierter Leitfaden die Neuwagenkäufer über Verbrauchs- und CO2-Emissionswerte aller in den MS angebotenen Neuwagen gemäß des NEFZ informieren.

Obwohl die Richtlinie inzwischen von allen MS umgesetzt ist, bleibt ihr Erfolg bisher fraglich. Eine Studie des ADAC im Auftrag der KOM bestätigte zwar die generelle Wirksamkeit von Labelling-Maßnahmen, konnte aber im Fall der RL 1999/94/EG weder spürbare Auswirkungen in Bezug auf die Information und Beeinflussung der Verbraucherentscheidung, noch hinsichtlich der CO2-Emissionsreduktion feststellen.[64] Ihr Beitrag zu der angestrebten 10%igen Reduktion durch die zweite und dritte Säule ist somit nicht ersichtlich. Daher hat die KOM für 2007 eine Überarbeitung der Richtlinie angekündigt.

3.2.3 Steuerliche Förderung von Kfz mit geringem Kraftstoffverbrauch

Obwohl der Rat 1991 die Vorschläge von EU-weiten Zulassungs- oder Kfz-Steuern zur Harmonisierung der Pkw-Besteuerung ablehnte und die KOM sich intern nicht einigen konnte[65], verfolgt die dritte Säule der Gemeinschaftsstrategie weiterhin das Ziel, verbrauchseffiziente Pkw durch einen EU-Rahmen für steuerliche Maßnahmen nachfrageseitig zu fördern. Dazu veröffentlichte die KOM 2005 den Entwurf einer Richtlinie über die Besteuerung von Pkw (KOM(2005)261). Neben der Harmonisierung der Pkw-Besteuerung zielt sie auf die Integration einer CO2-Komponente in die Steuerbemessungsgrundlage, um bis spätestens 2010 zusätzliche 20gCO2/km für das Ziel von 120 gCO2/km im Durchschnitt der Neuwagenflotte einzusparen. Aufgrund von Widerständen im Rat wurde die Richtlinie bis heute nicht verabschiedet. Unbeschadet dessen haben inzwischen mehrere MS einen CO2-Faktor in ihre Pkw-Besteuerung integriert (siehe 5.3). In der Mitteilung zur Gemeinschaftsstrategie (KOM(2007)19) fordert die KOM die übrigen MS zu entsprechenden Maßnahmen auf und spricht sich weiterhin für die Annahme des Richtlinienvorschlages aus.

Tab. 3. 1 : Kraftstoff-Mindeststeuersätze[66]

Quelle: Eigene Darstellung gemäß RL

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Neben der Pkw-Besteuerung können auch die von der Gemeinschaftsstrategie nicht erfassten Kraftstoffsteuern zur Beeinflussung des Fahr- und Kaufverhaltens in Betracht kommen. Allerdings ist auf europäischer Ebene seit 1992 sowohl die Einführung einer EU-weiten CO2-/Energiesteuer auf Energieprodukte, als auch die Vereinheitlichung der Rahmenbedingen für die mitgliedstaatlichen Energiesteuern mehrfach gescheitert. Erst unter dem Druck der bevorstehenden Osterweiterung einigte sich der Finanzministerrat auf verbindliche Mindeststeuersätze für Energieprodukte im Zeitraum 2004 - 2012 (siehe Tab.: 3.1).[67]

3.3 Fazit

Trotz ihrer rechtlichen Kompetenz hat die EU bisher im Wesentlichen freiwillige und informatorische Maßnahmen zur CO2-Emissionsreduktion durchgesetzt und dabei vorrangig auf die spezifischen Emissionen gezielt. Aufgrund des Einstimmigkeitserfordernisses im Rat konnten Kfz-bezogene Steuern auf europäischer Ebene weder durchgesetzt, noch Rahmenbedingungen für die nationale Ausgestaltung vorgegeben werden. Einzige Ausnahme sind die relativ niedrigen Mindeststeuersätze für Energieprodukte.

Die Ausgestaltung der Instrumente sollte die Schwächen der freiwilligen Selbstverpflichtung berücksichtigen. Insbesondere sollte sie für eine klare Lastenverteilung und Sanktionsmechanismen bzw. Anreize sorgen. Fraglich ist zudem der Einfluss auf das Kaufverhalten.

4 Theoretische Grundlagen: Umweltprobleme aus Sicht der Umweltökonomik

Die Umweltökonomie basiert auf der neoklassischen Wohlfahrtstheorie. Ihre Aufgabe ist es, die gesellschaftliche Wohlfahrt unter der Berücksichtigung der Wohlstandskomponente „hohe Umweltqualität“ zu maximieren.[68] Durch Einbezug in den Marktprozess versucht die Theorie daher, Umweltgüter pareto-optimal zu allozieren. Die wirtschaftspolitische Praxis strebt hingegen die kosteneffiziente Erreichung gegebener umweltpolitischer Ziele an.

Ziel dieses Kapitels ist es, das theoretische Fundament für die Umsetzung des spezifischen Emissionsziels durch wirtschaftspolitische Instrumente zu legen. Dafür schildert es nach einem Abriss der wohlfahrtsökonomischen Grundlagen die Ursachen von Umweltproblemen aus ökonomischer Sicht. Anschließend werden zunächst die theoretischen Lösungsmöglichkeiten vorgestellt, dann die daraus für die Umweltpolitik abgeleiteten Ansätze. Der letzte Abschnitt liefert alternative Sichtweisen zum neoklassischen Konzept der Umweltökonomie.

4.1 Wohlfahrtstheorie als Grundlage der Umweltökonomik

Für ein Wohlfahrtsoptimum hat die moderne Wohlfahrtstheorie auf der Basis des methodologischen Individualismus, sowie in Abkehr von den Annahmen objektiver Messbarkeit und interpersoneller Vergleichbarkeit der subjektiven Nutzen, das Pareto-Kriterium entwickelt. Ein Zustand ist dem Status quo vorzuziehen, wenn er wenigstens ein Individuum besser stellt, ohne dass ein anderes schlechter dasteht. Den jeweiligen Nutzen bewerten die Individuen (Prinzip der Konsumentensouveränität), wobei ein ordinales Konzept zugrunde liegt. Damit ist der Nutzen nicht quantitativ vergleichbar. Um ihn näherungsweise zu bestimmen, greift man auf die Zahlungsbereitschaft[69] der Wirtschaftssubjekte zurück, denen man im Sinne des ‚homo oeconomicus’ rationales und eigennütziges Handeln unterstellt. Damit hängt die soziale Wohlfahrt ausschließlich von der Wohlfahrt der einzelnen Gesellschaftsmitglieder ab. Ein Gesellschaftsinteresse als solches existiert nicht.[70]

„Wirtschaftliche Probleme sind ihrer Struktur nach Knappheitsprobleme,“[71] denn zur Deckung der menschlichen Bedürfnisse sind in der Regel nicht genügend Ressourcen vorhanden. Für eine optimale Allokation der knappen Güter und Produktionsfaktoren sorgt der Markt[72]. Auf ihm tauschen die Wirtschaftssubjekte freiwillig Güter aus, um den eigenen Nutzen zu maximieren. Im Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage entstehen Knappheitspreise, die ihnen Handlungsinformationen liefern . Sie entsprechen dem Nutzenverzicht, den die Gesellschaft bzw. das Individuum leisten muss, da ein konsumiertes Gut anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten entzogen ist bzw. die eingesetzten Ressourcen nicht mehr für ein anderes Gut aufgewendet werden können (Opportunitätskosten). Somit spiegelt sich im Preis die gesellschaftliche Wertschätzung eines Gutes. Langfristig stellt sich ein Marktgleichgewicht[73] ein, bei dem der Markt geräumt und der soziale Überschuss maximiert wird. Unter den Bedingungen der vollständigen Konkurrenz ist es pareto-optimal. Die Grenznutzen entsprechen den Grenzkosten. Jeglicher Eingriff in den Markt stört die Tendenz zum pareto-optimalen Gleichgewicht und bedarf daher der Rechtfertigung.[74]

4.2 Umweltprobleme aufgrund von Marktversagen

Umweltprobleme können ebenfalls als Knappheitsprobleme aufgefasst werden. Denn auch bei Umweltgütern rivalisieren verschiedene Nutzungsarten miteinander. Es entstehen Opportunitätskosten, die von den Marktpreisen erfasst sein müssen. Umweltprobleme resultieren aber aus der Übernutzung von Umweltgütern. Somit scheint der Marktmechanismus falsche Preissignale zu setzen. Die Umweltökonomie versteht daher Umweltprobleme als Fehlallokation, bei der das Marktversagen zur Divergenz von sozialem Optimum und Marktgleichgewicht führt.[75] Letztere erklärt die Ökonomie mit der Theorie der öffentlichen Güter und der Theorie der externen Effekte, die als Rechtfertigungen für staatliche Intervention gelten.[76]

4.2.1 Öffentliche Güter

Umweltgüter werden ursprünglich als rein öffentliche Güter[77] behandelt. Im Gegensatz zu den privaten Gütern des Modells der vollständigen Konkurrenz sind sie von Nicht-Ausschließbarkeit und Nicht-Rivalität im Konsum gekennzeichnet.

Ersteres bedeutet, dass aus z.B. technologischen oder normativen Gründen keine Eigentumsrechte vergeben oder durchgesetzt werden können. Jeder kann das Gut nutzen, unabhängig davon, ob er dafür bezahlt oder nicht. Rationale, nutzenmaximierende Individuen werden sich wie ‚Trittbrettfahrer’ verhalten, da sie von einer Leistung profitieren können, ohne eine entsprechende Gegenleistung erbringen zu müssen. Verhält sich die Mehrheit der Nutzer derartig, scheitert die Bereitstellung des Gutes mangels finanzieller Mittel. Hingegen bedeutet Nicht-Rivalität im Konsum, dass der Konsum eines Gutes durch ein Individuum nicht den Nutzen eines anderen Konsumenten desselben Gutes verringert. Somit bürdet er Dritten keinen Verzicht auf. Es entstehen keine Knappheitskosten.[78] Beim Klima handelt es sich um ein globales öffentliches Gut.[79] Da seine Nutzung, als Grundlage für die Befriedigung der (gesellschaftlichen) Bedürfnisse, durch ein Wirtschaftsobjekt keine Auswirkungen auf den Nutzen eines anderen hat, besteht neben Nicht-Ausschließbarkeit auch Nicht-Rivalität im Konsum.

Dennoch entstehen beim Konsum rein öffentlicher Güter volkswirtschaftliche Kosten, da auch sie mittels knapper Ressourcen produziert werden müssen, die dann nicht mehr für die Produktion anderer Güter bereitstehen. Die Aufteilung der Kosten auf die Nutzer ist allerdings entsprechend des Gefangenendilemmas[80] problematisch. Zöge man den privaten Gütern analog die marginale Zahlungsbereitschaft als Ausdruck der Präferenz für ein rein öffentliches Gut heran, würden rationale Nutzenmaximierer sie zu gering angeben. Freiwillig wird der überwiegende Teil der Individuen also nicht genug zahlen, um die Kosten zu decken. Im vorliegenden Fall entsprechen sie dem Verzicht auf den motorisierten Individualverkehr bzw. dem Erwerb eines emissionsärmeren Pkw. Somit ist die Bereitstellung des Gutes (Klima bzw. Klimaschutz) nicht gewährleistet.[81]

[...]


[1] Vgl. Potsdam Institut für Klimaforschung (2007).

[2] Vgl. KOM(95)689_endgültig, Schlussfolgerungen des Rates vom 25.6.1996 und Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22.09.1997.

[3] Pkw sind dabei gemäß der Richtlinie 70/156/EWG Fahrzeuge der Klasse M1, d.h. Kraftfahrzeuge für Personenbeförderung mit mindestens 4 Rädern und mit höchstens 8 Sitzplätzen ausgenommen den Fahrersitz .

[4] Vgl. Richtlinie 93/116/EWG. Die Durchführungsvorschriften regelt Richtlinie 91/441/EWG.

[5] Vgl. KOM(2007)19_endgültig. Der Umweltrat hat die Zielsetzung am 28.06.2007 bestätigt, vgl. Rat der Europäischen Union (2007b), S. 3.

[6] Vgl. Hildebrandt (2007) in der Frankfurter Rundschau vom 06.07.2007, S.19.

[7] Vgl. SRU (1973); Suntum (1984, 1989); Crandall et al. (1986); Neu (1991), sowie Kalleicher (1992) für eine empirische Überprüfung der bis dato in Deutschland umgesetzten Steuerungsversuche. Neuere Ansätze vgl. z.B. Franke (1997); Junkernheinrich (1998), Meyer-Renschhausen/Hagen (1998); Kniestedt (1999); SRU (2005); Raux/Marlot (2005)

[8] Ausnahmen bilden etwa Kniestedt (1999); Dudenhöffer (2007).

[9] Vgl. Hohenstein et al. (2002); SRU (2005); Dudenhöffer (2007).

[10] Dazu gehören Wasserdampf (H2O), Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffmonoxid (N2O), Fluorchlorkohlenwasserstoffverbindungen (FCKW), Halogenierte Fluorchlorkohlenwasserstoffe (HFCKW), Ozon (O3) und Perfluorkohlenstoff (CF4). Als einheitliche Bezugsgröße dient der Beitrag von CO2 zum Strahlungshaushalt, die anderen Gase werden dafür mit Hilfe des Treibhauspotentials (THP) in CO2-Äquivalente umgerechnet.

[11] Klima meint die statistische Beschreibung bestimmter äußerer Bedingungen in einem bestimmten Gebiet, bezieht sich aber im Gegensatz zu Wetter auf einen Zeitraum von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren, vgl. Schönwiese (1996), S. 6ff; Archer (2007), S. 56.

[12] Vgl. Schönwiese (1996), S. 11ff; Schwarze (2000), S. 23f.

[13] Vgl. IPCC (2007a), S. 3.

[14] Vgl. Franke (1997), S. 52; Schönwiese (1996), S. 17.

[15] Vgl. IPCC (2007a); Archer (2007), S. 117f.; Schönwiese (1996), S. 17ff.

[16] Vgl. IPCC (2007a), S. 5 und 13.

[17] Vgl. ebd., S. 12ff; IPCC (2007b), S. 1-9 und 16.

[18] Vgl. Spash (2002), S. 11.

[19] Grundlegende Kritik an den ökonomischen Ansätzen äußert z.B. Spash (2002).

[20] Vgl. Nordhaus (1991). Kritisiert wurde u.a. die Vernachlässigung best. Folgen der Klimaerwärmung (z.B. Verringerung der Artenvielfalt) und die Übertragung der BSP-Struktur der USA von 1981 auf die Welt in 2050, Vgl. Spash (2002), S. 160ff.

[21] Vgl. Stern (2006). Methodische Kritik vgl. Spash (2007), S. 706ff; Siehe auch Kulessa (2007), S. 66.

[22] Vgl. Kemfert (2007): Der Modellrechnung liegt eine Klimaerwärmung von 4,5°C bis 2100 zugrunde.

[23] Die Differenz beruht auf ihrer unterschiedlichen Dichte (0,74kg/l bzw. 0,835 kg/l), so dass der Energiegehalt je Liter um 12-14% divergiert . Hier kann dies vernachlässigt werden. Schallaböck et. al. (2006), S. 41ff.

[24] Vgl. Ebd., S. 41ff; Deuber (2002), S. 6.

[25] Vgl. Mehlin et. al. (2003), S. 1. Die Verkehrsorganisation bietet zwar großes Minderungspotential, doch wird sie im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter betrachtet, da sie vor allem verkehrspolitisch zu diskutieren ist.

[26] Vgl. Schallaböck et. al. (2006), S. 49.

[27] Vgl. KOM(2007)19_endgültig, S. 9.

[28] Vgl. Schallaböck et al. (2006), S. 41. Eigene Berechnungen.

[29] Vgl. Kwan (2005), S. 261ff.

[30] Vgl. Neu (1991), S. 208.

[31] Vgl. GD Energie & Verkehr (2007a), Abschnitt 2.2.8.; Eurostat (2007d).

[32] Vgl. KOM(2007)19_endgültig, S. 1; Davies (2007), S. 8.

[33] Vgl. GD Energie & Verkehr (2007b), Abschnitt 3.3.2. Eigene Berechnungen, Fahrräder und Fußgänger vernachlässigt.

[34] Vgl. EEA (2006), S. 153; KOM(2007)19_endgültig, S. 2.

[35] Vgl. EEA (2007), S. 14; GD Energie & Verkehr (2007b), Abschnitt 3.3.2.

[36] Vgl. World Resources Institute (2005), S. 57 und 64f.

[37] Vgl. ACEA (2007 e).

[38] So stieg z.B. der durchschnittliche Hubraum von Neuwagen der europäischen Hersteller im Zeitraum 1994-2006 von 1.652 cm3 auf 1.728 cm3, vgl. ACEA (2007g).

[39] Vgl. Zachariadis (2006), S. 1776; Fontaras/Samaras (2007), S. 2240. Tankten 1994 nur 23% der Neuwagen in der EU-15 Diesel, so waren es 2006 mehr als die Hälfte, vgl. ACEA (2007f).

[40] Vgl. Europäische Kommission (2006), S. 21. Eigene Berechnungen siehe Anhang Tab. A 2.1.

[41] Vgl. GD Energie & Verkehr (2007b), Abschnitt 3.6.2.

[42] Vgl. GD Energie & Verkehr (2007b), Abschnitt 3.6.1. Eigene Berechnungen.

[43] So kamen bspw. in China nur 13 (2004) und in Russland nur 161 (2003) Pkw auf 1000 Einwohner. Vgl. GD Energie & Verkehr (2007b), Abschnitt 3.1.10.

[44] European Automobile Manufacturers Association (ACEA) gehören zurzeit an: BMW Group, DAF Trucks, Daimlerchrysler AG, Fiat Auto S.p.A., Ford of Europe GmbH., General Motors Europe AG, MAN Nutzfahrzeuge AG, Dr. Ing. h.c.F. Porsche AG, PSA Peugot Citroën, Renault SA, Scania AB, Volkswagen AG, AB Volvo (vgl. ACEA 2007a)

[45] In der Japan Automobile Manufacturers Association (JAMA) sind vertreten: Nissan Motor Co. Ltd., Honda Motor Co. Ltd., Toyota Motor Corp., Hino Motors Ltd., Isuzu Motors Inc., Mazda Motor Corp., Kawasaki Heavy Industries Ltd., Mitsubishi Motors Corp., Daihatsu Motor Co. Ltd., Fuji Heavy Industries Ltd., Isuzu Motor Co. Ltd., Suzuki Motor Corp, Yamaha Motor Corp (vgl. JAMA 2007).

[46] In der Korean Automobile Manufacturers Association (KAMA) sind vertreten: Hyundai Motor Company, Kia Motors Corp., GM Daewoo, SSangyong Motors, Renault Samsung (vgl. KAMA 2007).

[47] Vgl. ACEA (2007c), S. 56; OICA (2007), eigene Berechnungen.

[48] Vgl. ACEA (2007c), S. 2f und 57f: Nicht enthalten sind die Beschäftigten der Rohstoffindustrie, sowie aus Kfz-bezogenen Bereichen wie Fahrschulen, Verwaltung, Autovermietung, Versicherungs- und Finanzbranche etc.

[49] Das Protokoll konkretisiert die 1992 auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro vereinbarte Klimarahmenkonvention. Neben CO2 umfasst es Methan (CH4), Distickstoffmonoxid (N2O), teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW) und perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW).

[50] Vgl. KOM(2007)2_endgültig; Rat der Europäischen Union (2007a), S. 12; Kulessa (2007), S. 64.

[51] Vgl. Jahns-Böhm (2000), S. 1653ff.

[52] Vgl. Herrnfeld (2000), S. 1218f; Stadler (2000), S. 905f.

[53] Vgl. Jahns-Böhm (2000), S. 1672ff; Herrnfeld (2000), S. 1217f.

[54] Vgl. Böckem (1998), S. 260f; Keay-Bright (2000), S. 16ff.

[55] Vgl. Keay-Bright (2000), S. 16ff; Scholz (2003), S. 53ff.

[56] Vgl. KOM(2007)19_endgültig.

[57] Für eine Definition und Übersicht über die Arten von Selbstverpflichtungen vgl. Zerle (2004), S. 7ff.

[58] Vgl. Aktenzeichen K (99) 107, K (00) 801 und K (00) 803.

[59] Vgl. KOM(2006)463_endgültig.

[60] Für die Entwicklung der spezifischen Emissionswerte seit 1995 siehe Anhang Tab. A 3.1 und Tab. A 3.2.

[61] Vgl. Michaelis/Zerle (2006), S. 438; Für eine Übersicht vgl. Keay-Bright (2000), S. 27f.

[62] Für eine Übersicht über die Erfolgsvoraussetzungen, vgl. die Zusammenstellung bei Zerle (2004), S. 25f.

[63] Vgl. Bizer/Jülich (1999), S. 63. Für Glachant (2007), S. 32ff stellen freiwillige Selbstverpflichtungen ebenfalls ein schwaches Instrument dar. Unter bestimmten Bedingungen, insbesondere wenn der Gesetzgeber starkem Lobbying eines homogenen Verbandes ausgesetzt ist, können sie aber effektiver sein als Auflagen.

[64] Vgl. ADAC (2005), S. 99 im Auftrag der Europäischen Komm

[65] Vgl. Keay-Bright (2000), S. 17f.

[66] Österreich, Belgien, Spanien müssen den Steuersatz von 0,302 €/l erst 2007, und 0,33 €/l er 2012 einführen. Für Luxemburg, Portugal und Griechenland gelten die Jahre 2009 bzw. 2012.

[67] Vgl. Scholz (2003), S. 53ff.

[68] Vgl. Wicke (1993), S. 14. „Umwelt“ wird hier als eingeschränkter Begriff verstanden, der den räumlichen und den biologischen/ökologischen Umweltbegriffe umfasst nicht aber den soziologischen, vgl. ebd. S. 5f.

[69] Im mikroökonomischen Gleichgewichtskonzept entspricht die marginale Zahlungsbereitschaft eines Wirtschaftssubjektes der Nachfrage, sowie die Grenzkosten dem Angebot.

[70] Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (2003), S. 22ff. Einen Abriss der Fachentwicklung liefern Junkernheinrich et al (1995).

[71] Weimann (1995), S. 26.

[72] Es liegt das Modell der vollständigen Konkurrenz zugrunde, das unter anderem gegebene Präferenzen, vollständige Markttransparenz, Preisnehmerschaft unterstellt. Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (2003), S. 26ff.

[73] Im Marktgleichgewicht entsprechen Grenzkosten (GK) und marginale Zahlungsbereitschaft (MZB) dem Preis.

[74] Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (2003), S. 46ff; Endres (2007), S. 10ff.

[75] Vgl. Endres (2007), S. 1ff.; Kemper (1989), S. 3.

[76] Vgl. Siebert (1998), S. 63.

[77] Umweltgüter wurden ursprünglich als freie Güter aufgefasst, die unbegrenzt und kostenlos konsumierbar sind. Als Beispiele galten Quellwasser oder Luft. In Folge von Bevölkerungswachstum, Industrialisierung etc. haben sich Umweltgüter von freien zu knappen Gütern entwickelt.

[78] Kemper (1989), S. 3ff; Siebert (1998), S. 63; Fritsch/Wein/Ewers (2003), S. 101ff.

[79] Vgl. Scholz (2003), S. 194.

[80] Dieses spieltheoretische Dilemma besteht darin, dass in kollektiven Entscheidungssituationen ohne Kommunikationsmöglichkeiten rational handelnde, Nutzen maximierende Individuen sich für die Variante entscheiden, die individuell zu einem besseren oder zumindest gleich guten Ergebnis führt als jede andere. Kollektiv für diese dominante Strategie produziert aber zu einem schlechteren Ergebnis. Vgl. Fees (1998), S. 13ff.

[81] Vgl. Kemper (1989), S. 3ff; Siebert (1998), S. 8ff und 59ff.

Ende der Leseprobe aus 103 Seiten

Details

Titel
CO2-Emissionsreduktion im Automobilsektor. Wirtschaftspolitische Steuerungsmöglichkeiten
Untertitel
Eine ökonomische Analyse am Beispiel des Reduktionsziels der Europäischen Kommission von 130 gCO2/km für Pkw
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
103
Katalognummer
V84633
ISBN (eBook)
9783638884464
ISBN (Buch)
9783638883313
Dateigröße
1252 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aus dem Kommentar der Prüfer: "Die Struktur der Arbeit ist sehr gelungen. (...). Durch die gewählte Literatur wird die Fragestellung fundiert und überzeugend bearbeitet. (...). Stil, Ausdruck und Form sind während der gesamten Arbeit sehr gelungen."
Schlagworte
Wirtschaftspolitische, Steuerungsmöglichkeiten, CO2-Emissionsreduktion, Automobilsektor
Arbeit zitieren
Malte Nyenhuis (Autor:in), 2007, CO2-Emissionsreduktion im Automobilsektor. Wirtschaftspolitische Steuerungsmöglichkeiten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84633

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