Modelle politischer Partizipation am Beispiel des politischen Katholizismus


Hausarbeit, 2003

17 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Grundlagen
2.1 Entstehung des politischen Katholizismus
2.2 Katholische Soziallehre
2.3 Verfassungsstaatlichkeit

3. Partei
3.1 Parteibegriff
3.2 Wahlen
3.3 Selbstverständnis
3.4 Parteibildung in Preußen
3.5 Parteidisziplin
3.6 Parteiprogramm

4. Presse

5. Sonstige Vereinigungen
5.1 Katholischer Verein Deutschlands (KVD) 1848-1858
5.2 Katholikentag 1848-1932
5.3 Katholische Gesellenvereine (KGv) 1846

6. Abschließende Diskussion

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Erfolg politischer Bewegungen hängt von mehreren Faktoren ab. Grundsätzlich hängt der Bestand einer politischen Bewegung davon ab, ob es ihr gelingt, eine innere Festigung zu erreichen, zum Beispiel durch integrierende Personen oder Werte. Zudem sollte über die Grundhaltung hinaus ein Konsens hinsichtlich der Ziele bestehen. Des Weiteren ist, um politische Schlagkraft zu erhalten, die Formierung einer Organisationsstruktur nötig. Heutzutage erfolgt dies meist in der Form einer Parteibildung. Auch Bürgerinitiativen transformieren sich, wenn sie denn Bestand haben, in Parteien, wie etwa die Grünen oder so genannte single issue parties. Diese Arbeit soll der Frage nachgehen, ob dieser Weg auch im 19. Jahrhundert Erfolg versprechend war oder ob in der Zeit vor der Reichsgründung 1870/71 die Wirkung von Parteien dem Einfluss von Massenorganisationen unterlegen war. Als Beispiel für eine politische Bewegung wurde hier der politische Katholizismus gewählt, da es in dieser sowohl ein ausgeprägtes Vereinswesen als auch eine Fraktion im preußischen Landtag gab. Zudem ist die Lage des politischen Katholizismus in Preußen dahingehend interessant, als er sich gegenüber dem protestantischen Staat in der Defensive befand und sich seine Erfolge so direkt in der Abwehr staatlicher Übergriffe auf Rechte der Kirche zum Beispiel messen lassen.

2. Grundlagen

2.1 Entstehung des politischen Katholizismus

Zu Beginn des 19.Jahrhunderts befand sich die katholische Kirche politisch und finanziell in der Defensive. Im Reichsdeputationshauptschluß wurden die Kirchengüter säkularisiert, gleichzeitig lösten die regionalen Machthaber viele Klöster und Orden auf und versuchten, Einfluss auf die kirchliche Politik zu nehmen. Auch im Inneren war die Amtskirche Kritik ausgesetzt durch die katholische Aufklärung, Espikopalismus und Modernismus. Verantwortlich gemacht hierfür wurde von der Kirchenobrigkeit der liberale Zeitgeist. Hieraus entwickelte sich ein „Antiliberalismus aus Tradition“[1], was in der Folge auch eine sachliche Auseinandersetzung mit dem wirtschaftlichen Liberalismus erschwerte. Durch die Industrialisierung und ihre gesellschaftlichen Folgen musste die Kirche ihr Sozialideal und ihre soziale Praxis anpassen, jedoch entwickelte sich ein überzeugendes Sozialideal erst mit Ketteler zwischen 1864 und 1869. Vorher wurde die neue Wirtschaftsordnung in erster Linie unter moraltheologischen Gesichtspunkten gesehen. Zudem gab es keine Brücken zur politischen Diskussion über die soziale Frage. Der Liberalismus wurde abgelehnt, der Sozialismus hatte in Deutschland nur geringen Einfluss und der Kommunismus wurde erst um 1869 erwähnenswert in der politischen Diskussion in Deutschland. Die soziale Frage wurde durch den Katholizismus als erstes durch die Wiedereinrichtung der Caritas beantwortet. Auch lag in der Bekämpfung der Armut im Angesicht weitgehender gesellschaftlicher Isolation ein möglicher Weg zur Rückkehr aus der politischen Bedeutungslosigkeit.

2.2 Katholische Soziallehre

Der Begriff katholische Soziallehre fasst Aussagen der Kirche über den gesamten Bereich der sozialen Verhältnisse zusammen. Diese Lehre besteht aus der christlichen Offenbarung sowie aus der „natürlichen Sozialerkenntnis“[2], dem so genannten Naturrecht. Dies umfasst unbedingte Regeln des menschlichen Zusammenlebens, wie die Ächtung von Mord beispielsweise. Mit dem Aufkommen der sozialen Frage in Deutschland sah sich der Katholizismus neuen Herausforderungen gegenüber. Die soziale Frage wurde aber nicht nur als karitatives Problem, sondern als Problem der Gesellschaft gesehen, weshalb ein gesellschaftliches und auch politisches Engagement des Katholizismus die logische Folge war. Neben Versuchen der Selbsthilfe der Arbeiter durch Zusammenschlüsse, etwa die katholischen Gesellenvereine, wurde auch auf eine staatliche Intervention gesetzt.

2.3 Verfassungsstaatlichkeit

Oft wurde dem politischen Katholizismus vorgeworfen, er sei aufgrund der Hierarchie des Katholizismus (zum Beispiel der Unfehlbarkeit der Papstes) nicht für demokratische Strukturen geschaffen und daher könnte „…mit der katholischen Religion keine vernünftige Verfassung möglich…“[3] sein. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass der politische Katholizismus die Einhaltung der Verfassung als wichtig erachtete und dies auch –wie etwa im Heereskonflikt – nach außen hin vertrat. Die im 19.Jahrhundert vorherrschende kirchliche Lehre vertrat den Anspruch, dass der Grundsatz der Trennung von Kirche und Staat eigentlich nicht rechtens sei. Die katholische Lehre galt als die „wahre“ Religion, daher müsste eigentlich jeder Staat diese als Staatsreligion anerkennen. Andere Religionen könnten in einem Staat höchstens geduldet werden um des inneren Friedens willen. Gleichzeitig fordert die katholische Kirche in allen Staaten, in denen eine Rolle als Staatsreligion durch die zu geringe eigene Anhängerschaft nicht möglich ist, eine paritätische Vertretung. Die Verschränkung von Staat und Kirche wird dadurch begründet, dass es zwischen den „Zuständigkeitsbereichen“ der geistlichen und der weltlichen Macht Überschneidungen gäbe (zum Beispiel im Bildungsbereich) und diese deshalb gemeinsam arbeiten müssten. Die Katholische Fraktion trat geschlossen für den Verfassungsstaat ein, da es ihnen Nutzen brachte in der Verteidigung der Rechte der Kirche. So berief man sich ausdrücklich auf die Gewissensfreiheit, Unterrichtsfreiheit, Pressefreiheit und Vereinigungsfreiheit.

3. Partei

3.1 Parteibegriff

Die gängigste einer politischen Interessenvereinigung ist die Partei. Was macht aber eine politische Partei aus. Heutzutage sind Parteien „relativ dauerhafte Gruppierungen, die sich die Durchsetzung gemeinsamer politischer Vorstellungen zum Ziel gesetzt haben und dafür sowohl eine Vertretung in Parlamenten bzw. Gemeinderäten als auch eine Anhängerschaft in der politischen Gesellschaft suchen.“[4]. Jedoch findet sich im 19.Jahrhundert durch die relativ große Unabhängigkeit der einzelnen Honoratioren eine Ablehnung von fester Organisation, so dass Parteien hier eher Gesinnungsgemeinschaften entsprechen. Eine Partei ist also im allgemeinsten Sinn „eine Gruppe gleichgesinnter Bürger, die sich die Durchsetzung gemeinsamer politischer Vorstellungen zum Ziel gesetzt haben.“[5].

3.2 Wahlen

Die Wahlkämpfe zeichneten sich bis Ende der 70er Jahre dadurch aus, dass sie weder sehr lang noch sehr intensiv geführt wurden[6]. „Dem Stil der Honoratiorenpolitik und der liberalen Vorstellung von einer Wahlentscheidung aus Einsicht entsprach eine intensive Werbung […] nicht.“[7]. Wenn ein Wahlkampf intensiv geführt wurde, dann meist in Reaktion auf Parteinahme der Regierung und in Eigenregie des jeweiligen Kandidaten.

3.3 Selbstverständnis

Der politische Katholizismus zeichnet sich durch zwei grundlegende Merkmale aus. Er sieht einen moralischen Staatszweck. Da der Staat die größte Ordnungsmacht darstellt, müsse diese Macht dazu verwendet werden, die sittliche (göttlichen) Ordnung zu stärken. Allerdings umfasst dies nur die Bereiche der Sittlichkeit, die über das Private hinausgehen. Der Staat hat nach katholischer Auffassung keine Rechte in Bezug auf Privateigentum und auf die Familie. So sind Eltern selbst befugt, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu bestimmen. „Ein staatliches Schulmonopol ist an sich, als dem natürlichen Rechte widersprechend, verwerflich.“[8]. Zudem verlangt er die Unabhängigkeit der Kirche, das heißt des Weiterbestehens aller kirchlichen Privilegien. Die katholische Lehre lässt bei der Wahl der Staatsform volle Freiheit. Zwar sei Gott die Quelle der Macht, dem Menschen stehe es jedoch frei, wer diese Macht ausübe. Fest stehe nur, dass es eine staatliche Ordnung geben müsse. „Denn da der Mensch die notwendige Kultur und deren Einrichtungen, ebenso seine geistige und persönliche Vollendung in der Vereinzelung nicht erreichen kann, hat Gott es angeordnet, daß der Mensch von Geburt aus angelegt ist auf Vereinigung und Vergesellschaftung, sowohl in der Familie als auch im Staate, die allein das bieten können, was zur Lebensvollendung genügt.“[9].

Grundsätzlich werden revolutionäre Tendenzen durch den politischen Katholizismus abgelehnt. „Die katholische Kirche ist wesentlich erhaltend. Selbst auf heiligen historischen Überlieferungen beruhend, ehrt sie alle wohlbegründeten Rechte und lehrt Treue und standhafte Ergebenheit. Alle Zerstörungen und gewaltsamen Umwälzungen sind ihr ein Greuel,… .“[10]. Hierdurch lag es zum Teil auch in Regierungsinteresse, der Kirche Bewegungsfreiheit zu belassen, da diese „der beste Damm gegen die Revolution“[11] ist.

3.4 Parteibildung in Preußen

Ausgangspunkt der Sammlung des politischen Katholizismus sind Übergriffe seitens des Staates auf die Kirche, wie etwa der Streit zwischen dem Kölner Erzbischof Vischering mit der Staatsregierung über die Frage der konfessionellen Mischehen. Als der Erzbischof durch die Regierung verhaftet wurde, wirkte dies als Sammlungszeichen in der Bevölkerung. Auch entstand hierdurch im Kreis der Bildungsbürger eine Rückorientierung zur Kirche, so bei Goerres und August Reichensperger, der später eine der wichtigsten Personen in der Katholischen Fraktion und im Zentrum war. Den ersten Zusammenschluss nach dem Paulskirchenparlament, der einer politischen Partei nahe kam, war die Bildung der Katholischen Fraktion im preußischen Landtag 1852. Initiiert wurde diese durch Peter Reichensperger mit dem Ziel, die Rechte der katholischen Kirche zu verteidigen. Vorausgegangen war der Gründung der Versuch des Kultusministers Carl von Raumer, die Missionstätigkeit der Jesuiten in Preußen zu behindern und das Studium am Collegium Germanicum in Rom von seiner Zustimmung abhängig zu machen. Es wurde bei der Gründung der Fraktion auf die Formulierung eines Programms verzichtet, da die Interessen der Mitglieder zu verschieden waren; ihre eigentliche Gemeinsamkeit bestand fast ausschließlich in der katholischen Konfession. In der Reaktionszeit wurde vor allem daran gearbeitet, in Verwaltung, Heer und Schuldienst Katholiken gemäß dem Bevölkerungsverhältnis von 2:5 anzustellen.

[...]


[1] Anton Rauscher (Hg): Der soziale und politische Katholizismus. Entwicklungslinien in Deutschland 1803-1963, 2 Bände,2.Bd., München/Wien 1982, S.54.

[2] Franz Josef Stegmann: Die katholische Kirche in der Sozialgeschichte. Die Gegenwart, München 1983, 151-516, zitiert in: Helga Grebing(Hg): Geschichte der Sozialideen in Deutschland. Sozialismus-Katholische Soziallehre-Protestantische Sozialethik. Ein Handbuch, Essen 2000, Kapitel: Franz Josef Stegmann/Peter Langhorst: Geschichte der sozialen Ideen im deutschen Katholizismus, S.599-862, hier S.605.

[3] Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Sämtliche Werke (ed.Glockner),11.Bd., S.530, zitiert in: Anton Rauscher (Hg): Der soziale und politische Katholizismus, S.46.

[4] Karl Rohe: Entwicklung der politischen Parteien und Parteiensysteme in Deutschland bis zum Jahre 1933; in: Oscar W. Gabriel/Oskar Niedermayer/Richard Stöss (Hg): Parteiendemokratie in Deutschland, 2.Aufl, Bonn 2001, S.39-85, hier S.40.

[5] Dieter Nohlen (Hg): Kleines Lexikon der Politik, München 2001, Stichwort „Partei“, S.350.

[6] Oft war auch schon abzusehen, welche Kandidaten die Wahlen gewinnen würden, zumal die Auswahl beschränkt war. „In den Braunschweiger Wahlkreisen z. B. waren 1867 alle drei Kandidaten nationalliberal, das war so selbstverständlich, daß an die Aufstellung von Gegenkandidaten überhaupt nicht gedacht wurde. Ein Wahlausschuß in Braunschweig bezeichnete für die drei Wahlkreise die von ihm vorgeschlagenen Personen. Eine einmalige Anzeige in dem Braunschweiger Tageblatt war die einzige Wahlagitation.“ Zitiert aus: Thomas Nipperdey: Die Organisation der deutschen Parteien vor 1918, Reihe Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Band 18, Düsseldorf 1961, S.37.

[7] Thomas Nipperdey: Die Organisation der deutschen Parteien vor 1918, S.39.

[8] Ludwig Bergsträsser: Geschichte der politischen Parteien in Deutschland. 8/9.Aufl, München 1955, S.90.

[9] Ludwig Bergsträsser: Geschichte der politischen Parteien in Deutschland, S.89, zitiert aus der Enzyklika Immortale.

[10] Programm einer politischen Zeitung am Rhein, 1844, abgedruckt bei Karl Bachem, Josef Bachem, Köln 1912, S.378; in: Ludwig Bergsträsser: Der politische Katholizismus. Dokumente seiner Entwicklung (1815 bis 1870), München 1921-23, Nachdruck Hildesheim/New York 1976, S.98-101, hier S.99.

[11] Ludwig Bergsträsser: Geschichte der politischen Parteien in Deutschland, S.92.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Modelle politischer Partizipation am Beispiel des politischen Katholizismus
Hochschule
Universität Osnabrück
Veranstaltung
Nach der Revolution: Reaktion im Deutschen Bund und gesellschaftlicher Aufbruch nach 1848/49
Note
2,5
Autor
Jahr
2003
Seiten
17
Katalognummer
V84374
ISBN (eBook)
9783638005432
ISBN (Buch)
9783638912754
Dateigröße
519 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
politischer Katholizismus, Zentrum
Arbeit zitieren
Magister Artium Andre Budke (Autor:in), 2003, Modelle politischer Partizipation am Beispiel des politischen Katholizismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84374

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