Zum Charakter und der Beharrung vormoderner Kultur: Das Beispiel Siziliens


Hausarbeit, 2003

15 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I.) Zum Verhältnis der Kultur der Moderne in traditionalen Gesellschaften

II.) Kasuistik: Zwei Fallbeispiel: Gela und Riesi

III.) Sizilien - Kontinuität und Wandel an der europäischen Peripherie -Besondere kulturelle Eigenarten der Sizilianer

Schluss

Literaturverzeichnis

Einleitung

Im ersten Teil stellen wir die Thesen dar die das Grundgerüst der Theorie Horst Reimanns bilden und die im weiteren Verlauf des Textes an zwei Fällen, traditional orientierter Gemeinden in Sizilien, empirisch überprüft werden.

Reimann erklärt anhand der als modernisierungsresistent bekannten Sizilianer, wie traditionale Gesellschaften mit der “Kultur der Moderne” umgehen. Er zeigt, dass sich bestimmte autochthone[1] Systemelemente als vital genug erweisen um gegen das Eindringen “moderner” bestehen zu können.

Im weiteren Verlauf dieser Arbeit sollen die kulturellen Besonderheiten Siziliens dargestellt werden, die nach Reimann ausschlaggebend für die Resitenz dieser autochthoner Systemelemnte sind.

I.) Zum Verhältnis der Kultur der Moderne in traditionalen Gesellschaften

Zu den Eigenschaften kultursoziologischer Ansätze

Reimann verweist eingangs darauf, dass die Disziplin der Soziologie, als Kind der Aufklärung[2], eine besondere Beziehung zum Begriff der Moderne hat. Er belegt dies anhand prominenter Beispiele[3] und kritisiert zugleich die in Theoriekonzepten häufig anzutreffende Orientierung auf ein Stadium, auf das sich Gesellschaften kulturell hinzuentwickeln haben. Den Modernisierungstheorien gemäß werden Gesellschaften in einer grob vereinfachenden, inadäquaten Weise in moderne und traditionale einkategorisiert. Den Konzepten ist die okzidentale [4] Perspektive anzumerken: Unterschiede zwischen traditional lebenden Völkern werden außer Acht gelassen. Der Okzidentbezug stellt hier eine Erkenntnisbarriere dar, da die westliche Rationalitätsauffassung[5] zur Beschreibung der Strukturen anderer Gesellschaften nicht anwendbar ist.

Die durch Informations- und Verkehrstechnologien immer weiter verbreitete westliche, moderne Kultur wird zu einer Herausforderung für die betroffenen Gesellschaften. Kultureller und damit einhergehender sozialer Wandel beanspruchen nach Frey[6] die kognitive Flexibilität der Individuen. Demnach sind diese zwar bereit für sie positive[7] Veränderungen zu akzeptieren, jedoch sobald die Veränderungen den Lebensalltag zu sehr beeinflussen, wird ein traumatischer Punkt erreicht: die Bereitschaft nimmt abrupt ab. Neuerungen werden von Individuen zur Aufwertung beziehungsweise Stabilisierung ihrer Position innerhalb des traditionalen Systems instrumentalisiert.
Die Modernisierung wird vom Typen des individuell modernen Menschen vorangetrieben, der sich durch Offenheit gegenüber Neuerungen und Fremden auszeichnet und ein Interesse an seiner weiteren Umwelt (außerhalb des Dorfes) hat; er vertraut lieber den Erkenntnissen der Wissenschaft, als Rat traditioneller Autoritäten zu folgen. Es werden zugleich die Vorteile der individuellen Modernität und die des Lebens innerhalb traditional familistischer Strukturen genutzt. So entsteht eine partielle Modernisierung, einzelne Elemente der westlichen Moderne werden modifiziert und integriert.
Einem kulturellen Anpassungsvorgang, den Mühlmann und Schmid als kulturelle Siebung bezeichneten wählen Individuen aus dem Angebot an Ideen, Werten und Technologien die jeweils für sie passenden aus. Einen Einfluss auf der personalen Ebene haben die anderen privaten Kulturen, auf der sozialen Ebene die generalisierten. Exogene faktoren wie Massenmedien und politische Macht können ebenfalls einen Einfluss auf den Siebungsprozess haben.

Kulturbegriff

Der Autor versteht unter Kultur daseinsbestimmende typische Verhaltens- und Orientierungsmuster, einschließlich der materiellen Kulturprodukte wie z. B. Bekleidung, Wohnformen Maschinen und dergleichen[8]. Die uns hier interessierende Aneignung von fremdkulturellen Elementen wird als Akkulturation [9] bezeichnet. Der Kontakt und die darauf folgende interkulturelle Kommunikation ist Basis für einen möglichen Kulturwandel, der im Extremfall auch zu kulturellen Identitätskrisen führen kann. Ethnizitätsbewegungen grenzen sich gegen die fremdkulturellen Instanzen ab und stellen die als besonders charakteristisch empfundenen Kulturzüge heraus.[10] Hier weist Reimann darauf hin, dass selbst diese Elemente zumeist nicht autochthon im ursprünglichen Sinne sind, sondern eine Mischung aus eigenen und fremden Merkmalen darstellen. Sie gehören in dem Sinne zur eigenen Kultur insofern sie für die Mitglieder einer Kultur wahrnehmungs- und handlungsstrukturierend sind. Die “Privatkultur” umfasst sämtliche Beurteilungs- und Verhaltensstandards über die ein Individuum verfügt um darauf zurückzugreifen. Die “operante Kultur” ist ein jeweils in bestimmten Situationen zum Einsatz kommendes Segment der Privatkultur. Zumeist verfügen Individuen, gerade in traditionalen Gesellschaften in denen die möglichen Kontexte begrenzt sind, über wenige einsetzbare operante Kulturen.[11] Die “generalisierte Kultur” besteht aus den Standards, die ein einzelner Mitgliedern einer Gruppe zuschreibt. Der Prozeß der Annäherung der eigenen operanten Kultur an die eigenen Zuschreibungen, der generalisierten Kultur wird mit dem Begriff “öffentliche Kultur” bezeichnet.
Die Menge der in einer Gesellschaft vorhandenen offentliche Kulturen bildet schließlich die “Kultur der Gesellschaft”. Kultureller Wandel tritt nur, von “unten nach oben”, über die Veränderung der operanten Kulturen auf der individuellen Ebene ein, da sich damit die öffentliche Kultur und letzlich die Kultur der Gesellschaft verändert. Kultureller Austausch, über internationale Verbände bzw. Konzerne oder den Massentourismus, begünstigt die kulturelle Diversifikation[12]. Dabei gelingt es den Individuen die dabei kennengelernten, neuen Elemente zu integrieren ohne die Bindung an die “autochthone” Kultur aufzugeben[13]. Die Bindung ist sogar so groß, dass eine völlige Identifikation mit der Kultur der Moderne praktisch nicht vorkommen.

Westliche Denk- und Verhaltensmuster werden sinnhaft in eigene Lebenswelt eingebaut. “Alt-eigene und fremd-übernommene Ideen und Muster” verschmelzen in einem schöpferischen Akt zur neuen Kulturgestalt[14].

Reimanns Modell erklärt die Funktionsweise kulturellen Wandels, an dem jedes Individuum an der Veränderung der Gesamtkultur beteiligt ist.

[...]


[1] Autochthon bedeutet soviel wie bodenständig, alteingesessen
also: „am Ort entstanden“

[2] Reimann, Horst (1986):Die Vitalität 'autochthoner' Kulturmuster, in: F. Neidhardt u.a. (Hrsg.), Kultur und Gesellschaft, Opladen, S. 358

[3] Alfred Weber, Karl Mannheim, die Frankfurter Schule, Max Weber,
Talcott Parsons.

[4] abendländisch

[5] vgl. dazu Weber: Wirtschaft und Gesellschaft.

[6] Frey, Frederick W. (1973): Communication and Development, in: Ithiel de Sola Pool,

Wilbur Schramm et. al. (Hg.), Handbook of Communication, Chicago 1973, S. 404f

[7] Gute Chancen sich durchzusetzen haben Veränderungen, die den Individuen einen relativen Vorteil bieten, wenig Komplexität aufweisen, ihrem Lebensalltag gegenüber kompatibel sind, und sichtbare Erfolge mit sich bringen
(vgl. Rogers 1983).

[8] Reimann (1986) S.364

[9] Der Erwerb der „eigenen“ Kultur wird als Enkulturation bezeichnet und ist somit das Gegenstück zur Akkulturation auf der intrakulturellen Ebene.

[10] Reimann, Horst (1983): Die Bedeutung kultureller Codes für die internationale Kommunikation, in: M. Rühl u. H. W. Stuiber (Hg.), Kommunikationspolitik in Forschung und Anwendung, Düsseldorf, S. 270

[11] Reimann (1986) S. 365

[12] Im Sinne einer kulturellen Erweiterung.

[13] Reimann (1986) S. 367

[14] Im arabischen Raum wird die nach westlichen Prinzipien konzipierte und vermarktete Mekka-Cola angeboten, was zu einem Einbruch der Verkaufszahlen bei Coca-Cola führte. Obwohl Cola wohl als uramerikanisch einzustufen ist, identifiziert sich die Jugend mit „ihrem“ eigenen Produkt.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Zum Charakter und der Beharrung vormoderner Kultur: Das Beispiel Siziliens
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Kultursoziologie
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
15
Katalognummer
V84292
ISBN (eBook)
9783638002615
Dateigröße
384 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kultursoziologie autochthone Kulturmuster Sizilien Modernisierung
Schlagworte
Charakter, Beharrung, Kultur, Beispiel, Siziliens, Kultursoziologie
Arbeit zitieren
Frank Huber (Autor:in), 2003, Zum Charakter und der Beharrung vormoderner Kultur: Das Beispiel Siziliens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84292

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