Grimmelshausens Simplicissimus und Defoes Robinson als pädagogische Utopie im Vergleich


Hausarbeit, 2002

24 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der sozialgeschichtliche Hintergrund
2.1 Der Dreißigjährige Krieg
2.2 Das Zeitalter der Entdeckungsfahrten

3. Grimmelshausens „Simplicissimus“
3.1 Leben und Werk von Grimmelshausen
3.2 Inhaltsangabe des „Simplicissimus“

4. Defoes „Robinson Crusoe“
4.1 Leben und Werk von Daniel Defoe
4.2 Inhaltsangabe des „Robinson Crusoe“

5. Simplicissimus und Robinson Crusoe im Vergleich
5.1 Inhaltlicher Vergleich
5.2 Die Konstruktion einer pädagogischen Utopie
5.3 Bildungsroman oder Inselutopie

6. Resümee

- Literaturliste

- Erklärung über die selbständige Erarbeitung studienbegleitender Hausarbeiten

1. Einleitung

In der vorliegenden Hausarbeit sollen Grimmelshausens „Simplicissimus“ und Defoes „Robinson Crusoe“ verglichen werden. Dies geschieht unter Einordnung in die literarische Gattung der pädagogischen Utopie und unter Berücksichtigung des sozialgeschichtlichen und schriftstellerischen Kontexts.

Die Frage nach der pädagogischen Relevanz beider Werke soll sich dem Vergleich als pädagogische Utopie anschließen. Ein Schwerpunkt ist hierbei in der Analyse des differenten Ausgangs der Inselpassage angelegt. Ansonsten soll die Vermutung eines analogen Aufbaus der Inselpassage, exklusive des Ausgangs, bestätigt werden.

Die Literaturlage zum Gegenstand ist aus pädagogischer Sicht eher spärlich. Wechselt man hingegen die Perspektive stellt man fest, dass der Teilgegenstand „Robinson Crusoe“ in Politik- und Wirtschaftswissenschaft, der Teilgegenstand „Simplicissimus“ in literaturgeschichtlichen Ausarbeitungen aufbereitet ist.

Im darstellenden Teil soll, der übrigen Hausarbeit voran gestellt, der sozialgeschichtliche Hintergrund Erwähnung finden. Auf Basis dieser Informationen kann ohne Einschnitte in das Leben und Werk Grimmelshausens eingeführt und im Anschluss eine Inhaltsangabe des „Simplicissimus“ gegeben werden. Es folgt das Leben und Werk Defoes und eine Inhaltsangabe des „Robinson Crusoe“. Aufbauend auf dem darstellenden Teil soll eine Analyse und Interpretation in Zuspitzung auf die Fragestellung erfolgen. Nach einem inhaltlichen Vergleich werden konstitutive Merkmale einer Utopie angeführt und abgeglichen. Im letzten Abschnitt soll die Schnittstelle zwischen pädagogischer Utopie und Entwicklungsroman ergründet werden. Daraus ergibt sich die pädagogische Relevanz und ihr Einfluss für die heutige Zeit.

2. Der sozialgeschichtliche Hintergrund

Vor dem Hintergrund dieser Hausarbeit müssen zwei grundlegende Aspekte des sozialgeschichtlichen Kontexts erörtert werden, die entscheidenden Einfluss auf die Entstehung der beiden Werke ausgeübt haben. Bezüglich des „Simplicissimus“ ist dies der Dreißigjährige Krieg, bezüglich des „Robinson Crusoe“ das Zeitalter und die anhaltende Euphorie der Entdeckungsfahrten.

2.1 Der Dreißigjährige Krieg

Im Dreißigjährigen Krieg, zwischen 1618 und 1648, ging es zunächst um fundamentale religiöse Konflikte, die durch die Reformation hervorgerufen wurden. In diesen Krieg der sich vornehmlich auf deutschem Boden abspielte, waren die meisten Staaten Westeuropas involviert. Im Verlaufe des Krieges traten auch zusehends nicht deutsche Anhänger der konkurrierenden katholischen und protestantischen Gruppen in den Kampf ein, so dass sich der Krieg schnell ausweitete. Der Krieg wird üblicherweise in die folgenden vier Phasen unterteilt, welche auch Rückschlüsse auf die räumliche bzw. ethnische Ausweitung zu lassen:

(1) Böhmisch-Pfälzischer Krieg (1618-1625)
(2) Dänisch-Niedersächsischer Krieg (1625-1629)
(3) Schwedischer Krieg (1630-1635) und der
(4) Französisch-Schwedische Krieg (1635-1648).

Der Dreißigjährige Krieg endete 1648 mit dem so genannten Westfälischen Frieden.

Grimmelshausen erlebt den Krieg unmittelbar als Kind, erlebt den Krieg gerade in jener Phase, die besonders für das weitere Leben prägt. Denn der Krieg wurde schonungslos auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen. Gerade die ländliche Bevölkerung war den Auswirkungen des Krieges oftmals schutzlos ausgeliefert. Eine Gesamtbilanz der Verluste kann nicht angegeben werden, klar ist: Es handelt sich um einen der verheerendsten Kriege Europas. Allein die Bevölkerung in Deutschland sank von etwa sechzehneinhalb Millionen im Jahr 1618 auf rund zehneinhalb Millionen Menschen im Jahr 1648[1]. Ohne Erwähnung der psychischen Auswirkungen, resultierend aus Vertreibung und Gefangenschaft.

Grimmelshausen verarbeitet diese Erlebnisse in seinen Erzählungen und Romanen. Simplicissimus sein autobiographisch geprägter Protagonist durchlebt später gleichsam wie er die Wirren des Dreißigjährigen Krieges.

2.2 Das Zeitalter der Entdeckungsfahrten

Der anhaltenden Euphorie des Zeitalters der kolonialen Expansion, der namhaften Entdeckungsfahrten durch Seefahrer wie Columbus oder Magellan folgte eine Welle der gesellschaftlichen Beachtung. Neben der Entdeckung der Neuen Welt 1492 und der ersten Weltumsegelung 1522[2] wurden viele andere Reiseberichte Gegenstand der Literatur und standen fortan im öffentlichen Interesse.

Es war die Begeisterung, in einer begrenzten Welt dennoch etwas Neues zu finden, etwas das über die eigene Existenz hinaus weist. Die Erforschung der Natur und die Entdeckung neuer Phänomene, ferner Länder, Menschen, Tiere und Pflanzen, des Neuen im allgemeinen stand nun im Vordergrund der Betrachtung und auch der wissenschaftlichen Tätigkeit.

Es war auch das Abenteuer, die Ungewissheit einer Seereise dessen Ziel oftmals der Kapitän selbst nicht kannte. Die Einheit zwischen Mannschaft und Meer, die leider vielfach bis zu einer Einheit in den Tod verwuchs.

Aber nicht zu letzt war die Seefahrt auch eine Chance. Einerseits eine Chance, aus welchen Gründen auch immer, der Zivilisation und damit dem Zugriff der Obrigkeit zu entgehen, andererseits auch eine Chance reich und berühmt zu werden. Der Traum von Ruhm und Ehre war stets verbunden mit der Seefahrt, die nicht oft dergleichen bescherte.

Diese Euphorie der Expansion und Entdeckung, auch die Euphorie der Neuen Wissenschaftlichkeit hält in England über Jahrhunderte an und bildet nicht nur den motivationalen Grundstock der Seefahrt, nein, bildet als Geisteshaltung auch den Grundstock für die Gründung der Royal Society im Jahre 1660[3].

Interessant für diese Hausarbeit ist gerade die Seefahrt als Inbegriff für Entdeckung und Expansion. Nach verschlossenen Jahrhunderten nun über das Medium Schiff eine offene[4] Geisteshaltung der Natur und der ganzen Welt gegenüber. „Robinson Crusoe“ lebt in Defoes Roman die Erwartungen die ganze Generationen gestellt haben. Auch er hat Hoffnungen, sucht das Abenteuer, den Ruhm eines Seefahrers und die Entdeckung des Neuen. Defoes Utopie ist somit analog zum Simplicissimus stark an den sozialgeschichtlichen Kontext angelehnt.

3. Grimmelshausens „Simplicissimus“

Nach einer kurzen Einführung in Leben und Werk von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, folgt eine Inhaltsangabe zum „Simplicissimus“. Die Inhaltsangabe konzentriert sich bewusst auf die Inselpassage, also die Kapitel 19 bis 27 des sechsten Buches. Die Rahmenhandlung ist nur punktuell und oberflächlich wiedergegeben, Biographie und Angaben zu seinem Werk beschränkt auf die vorliegende Fragestellung

3.1 Leben und Werk von Grimmelshausen

Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen wurde im März 1621 in Hessen im Ort Gelnhausen geboren und verstarb am 17. August 1676 in Renchen, Baden. Er gilt als der wichtigste deutsche Prosadichter des 17. Jahrhunderts.

Geboren wurde er als Sohn einer Handwerkerfamilie und ging zunächst zur evangelischen Lateinschule in Gelnhausen. Mit Beginn des Krieges musste er die Schule abbrechen und fand 1634 Zuflucht auf der Festung Hanau. 1635 wird er von Kroaten entführt, dann aber wieder den Hessen übergeben. Er dient fortan zunächst als Pferdeknecht und Musketier im Dreißigjährigen Krieg. 1649 heiratet er in Offenburg und ist in unterschiedlicher Verwendung bis 1665 / 1667 im Dienste des Militärs tätig. Er wird Gastwirt in Gaisach (zum „Silbernen Stern“) dann Bürgermeister in Renchen, wo er wahrscheinlich zum katholischen Glauben übertritt. Aufgrund der französischen Besetzung leistet er 1675 ein letztes Mal Kriegsdienst und setzt sich dann in Renchen zur Ruhe[5].

Grimmelshausen benutzte Zeit seines Lebens Pseudonyme[6], was auch dazu führte, dass gerade sein Werk „Simplicissimus“ über viele Jahre keinem Autor zugeschrieben werden konnte. Wieder entdeckt wurde Grimmelshausen erst 1837 durch Hermann Kurz und wurde somit auch erst spät Gegenstand der deutschen Literaturgeschichte[7]. Das Werk von Grimmelshausen ist vielschichtig und enthält neben politischen Abhandlungen, Flugschriften und Possen, vor allem umfangreiche Erzählungen und Romane.

[...]


[1] Vgl.: Propyläen-Geschichte Europas. Bd. 2: Zeeden, Ernst Walter: Hegemonialkriege und Glaubenskämpfe 1556-1648. Ungekürzte Ausgabe. Frankfurt am Main 1982. S. 323.

[2] Das Jahr der Ankunft des letzten Schiffes der Flotte in Spanien.

[3] Gründung der “UK national academy of science”, aus der die Royal Society später hervorging. Quelle: http://www.royalsoc.ac.uk/royalsoc/index.html

[4] Das Wortpaar „offene Geisteshaltung“, kann in diesem Zusammenhang leider nicht immer so positiv ausgelegt werden, wie es hier den Anschein hat.

[5] Alle biografischen Daten nach: Böttcher, Kurt / u. a.: Lexikon deutschsprachiger Schriftsteller. Von den Anfängen bis zum 19. Jahrhundert. Leipzig 1987. S. 189 – 191. Und: Walter, Jens(Hrsg.): Kindlers neues Literatur-Lexikon. Studienausgabe. München 1996. Bd. 6, S. 921 – 924. Je nach Quelle ist er 1621 oder 1622 geboren. Der März als Geburtsmonat ist in der Geschichtsschreibung ebenfalls umstritten.

[6] Zum Beispiel: German Schleifheim von Sulsfort oder Samuel Greifensohn von Hirschfeld u. a. m.

[7] Vgl.: Böttcher, Kurt: Lexikon deutschsprachiger Schriftsteller. S. 190.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Grimmelshausens Simplicissimus und Defoes Robinson als pädagogische Utopie im Vergleich
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg  (Allgemeine Pädagogik - systematische und philosophische Grundlagen)
Veranstaltung
Pädagogische Ideengeschichte
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
24
Katalognummer
V8415
ISBN (eBook)
9783638153911
Dateigröße
607 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Simplicissimus, Robinson Crusoe, Konstruktion einer pädagogischen Utopie, Entwicklungsroman
Arbeit zitieren
Swen Göbbels (Autor:in), 2002, Grimmelshausens Simplicissimus und Defoes Robinson als pädagogische Utopie im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8415

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Grimmelshausens Simplicissimus und Defoes Robinson als pädagogische Utopie im Vergleich



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden