Meier Helmbrecht als Dramenvorlage für Eugen Ortners Meier "Helmbrecht Trauerspiel" von 1927/28

Dorfnovelle vs. Tragödie


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

17 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Hinführung

2. Inhalt
2.1 Ursprungstext
2.2 Dramentext

3.Begriffsklärungen
3.1. Probleme der Rezeptionsästhetik/Rezeptionsforschung

4. Vergleich- was ist konstruiert, wo ist ein Spiegel sichtbar
4.1.Historische Tatsachen
4.2. Spiegel vs. Konstrukt

5.Probleme in der Literaturanalyse
5.1.Kontextorientierte Ansätze
5.2.Textorientierter Ansatz

6.Gattungsspezifische Probleme

7. Resümee

8.Bibliographie

1. Hinführung

Im Rahmen des Blockseminars im Sommersemester 2004 “Spiegel oder Konstrukt. Mittelalterliche Literatur in der Rezeption der Dt. und Poln. Literaturen des 20. Jahrhunderts” habe ich mich mit der ältesten überlieferten deutschen Dorfgeschichte, Meier Helmbrecht von Werner dem Gärtner, beschäftigt.

Die folgenden Arbeit soll Auskunft geben über den Inhalt der Dorfgeschichte im Original, und aufzeigen welche inhaltlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur dramatischen Fassung von Eugen Ortner es gibt. Dieser Vergleich soll dem Titel des Blockseminars gerecht werden, und untersuchen ob die Rezeption von Eugen Ortner ein Spiegel oder ein Konstrukt der Ausgangsliteratur ist.

Dazu werde ich die vorerst erwähnten Begriffe definieren, Spiegel, Konstrukt und Rezeption.

Desweiteren möchte ich am Ende der Arbeit darauf eingehen, in wie weit die Geschichte des Meier Helmbrecht in Deutschland von anderen Autoren, Schriftstellern, Dramatikern, etc. Beachtung fand.

Die Ausgangsthese dieser Arbeit soll sein:

Eugen Ortner gelingt es mit der Verarbeitung des Meier Helmbrecht-Motivs spiegelnd und konstruierend die deutsche Situation seiner Zeit, um 1930, aufzuzeigen, und demzufolge spiegelt er die Geschehnisse seiner Zeit in seinem Drama wieder.

2. Inhalt

2.1 Ursprungstext

Die Versnovelle Meier Helmbrecht im Mittelalter von Werner dem Gärtner geschrieben, beginnt damit, dass der einfache Bauernsohn Helmbrecht eine besondere Mütze findet, die sonst nur Adlige tragen. Dadurch beginnt er der Idee nachzuhängen, er könnte Ritter werden. Seine Eltern versuchen ihn zunächst abzuhalten, unterstützen dann jedoch sein Vorhaben, in dem sie ihm weitere Kleidung finanzieren, die ihn dem Rittertum näher bringen sollen. Allerdings ist das Rittertum zu dieser Zeit bereits am Aussterben und es gibt nur noch die Raubritter. Helmbrecht schließt sich einer Gruppe Raubritter an und zieht mit ihnen durch das Land. Irgendwann zieht er auch seine Schwester mit in den Bann und verheiratet sie mit einem seiner Kumpanen. Nach einiger Zeit wird die Raubrittergruppe festgenommen und sie werden gehängt, bis auf Helmbrecht, der als 10. begnadigt wird, so wie es der damalige Brauch vorsieht. Jedoch werden ihm Augen, sowie Finger genommen. Meier Helmbrecht kehrt auf den Hof seiner Eltern zurück. Doch bald finden die umliegenden Bauern heraus, wer er ist, ein ehemaliger Raubritter, der auch sie überfallen hat. Sie töten ihn.

Der Autor des Textes liefert damit ein gutes Bild der damaligen Zeit ab, der Zeit des Interregnums, beschreibt die Darstellung eines selbstbewussten Bauernstandes, der positiv hervorgehoben wird. Ersichtliches Grundmotiv ist der Kampf zwischen Gut und Böse, bzw. Redlichkeit und Unredlichkeit.

2.2 Dramentext

Die Tragödie bestehend aus 3 Akten und einem Vorspiel wurde 1927/28 von Eugen Ortner geschrieben.

Das Vorspiel ist ein Gespräch zwischen Helmbrecht und den Raubrittern, über ihr weiteres Vorgehen. Die Raubrittergruppe um Helmbrecht will auf den Hof Helmbrechts Vaters, Helmbrecht jedoch möchte in die entgegengesetzte Richtung ziehen. Sie sind umlagert von Menschen, die noch eine Rechnung mit ihnen offen haben. Überall lauert jemand auf sie, und sie wissen nicht recht, wohin sie noch gehen sollen.

Zeitpunkt des Schauplatzes ist das Mittelalter, alleiniger Ort des Geschehens der Helmbrechtshof des Vaters.

So beginnt der erste Akt damit, dass sich alle Hofbewohner zum Essen versammelt haben. Auf dem Hof lebt auch eine Nonne. So werden die sogenannten Ritter, die sich als solche vorstellen hereingebeten. Vater und Mutter Helmbrechts können es erst nicht glauben und stellen den Männern vor Tore einige Frage, die nur ihr Sohn hätte beantworten können. Er beantwortet alles und die Männer werden also hereingebeten und zu Speis und Trank geladen. Es gibt diverse Gespräche zwischen den Hofbewohnern und den Rittern. Der Knecht erfährt, dass er nicht länger Knecht sein braucht und ein eigenständiger Bauer werden kann. Während dieser Gespräche kommt auch das Thema auf Friedrich den I. und seine schlechten Machenschaften.

Die Ritter versuchen sich „ritterlich“ zu benehmen und erhoffen sich einen sicheren Zufluchtsort im Helmbrechtshof.

Auch die Ritter unterhalten sich unter sich, und Helmbrecht wird von den anderen für sein Verhalten gelobt. Helmbrecht aber meint, sein Vater würde schnell die Wahrheit herausfinden. S. 32: „Nach zwei Tagen weiß der Alte, was mit uns los ist.“

Die Nacht bricht heran und die Ritter bekommen ihr Bett im Haus zugeteilt, Vater Helmbrecht schläft mit Tochter und Frau im Stall, auch die Aussteuer von seiner Tochter bringt er im Stall in Sicherheit um sie am nächsten Tag im Wald zu vergraben.

In der Nacht kommt es zwischen einem Ritter und dem Knecht zu einem Streit, da der Ritter zur Helmbrechts' Tochter gehen möchte. Während dieser Zeit ist der junge Helmbrecht bereits im Schlafbereich der Nonne. Auch die Nonne hat den alten Helmbrecht belogen, denn sie ist keine Nonne mehr und aus ihrem Kloster geflohen. Am Ende des ersten Aktes wird nochmals auf die Burgruine verwiesen. Der alte Helmbrecht erzählt dazu: „...aber als es ihm dann einfiel, am hellen Tag einen Hof bei Wankenhausen niederzubrennen, weil der Bauer auf seinem Recht bestand, da haben wir uns zusammengetan, wir Bauern, und haben dem Berg die Zähne gebrochen. Nur der Galgen steht noch da oben“

Der zweite und letzte Akt beginnt damit das sich die Knechte über einen Einkauf unterhalten und der Großknecht weist an, da mehr Waffen und Schlösser gebraucht werden diese zu besorgen sind, sicherlich basiert seine Idee auf den Ereignissen der letzten Nacht.

Die Tochter hat sich inzwischen in einen der Ritter verliebt und glaubt in ihm einen wahren Ritter zu sehen. Sie sagt, er würde bald um sie freien und sei nun ausgeritten Geschenke zu besorgen.

In den weiteren Dialogen gesteht sich Helmbrecht seine Dummheit ein, und versteht, dass er auch von den Ritter geprellt wurde und wird und sie keine wahren Freunde sind.

Der Vater im Gespräch mit der Nonne erzählt über seine Liebe zu seinem Sohn, die er trotz allem für ihn fühlt. Ebenso erzählt er, dass er die Ritter fortschicken will und von seinem Sohn erwartet, dass er bleibt. Der dritte und letzte Akt beginnt mit einem Dialog zwischen Vater und Sohn. Der Vater sagt, S. 60, „...wo eine Räuberbande getroffen wird, soll gleich gerichtet werden“, und im weiteren Verlauf „...(du) verdienst nichts besseres als ein trauriges Ende.“ Es wird deutlich, dass der Vater Helmbrecht trotz seiner liebevollen Bindung zu ihm, klarmachen will, dass er Unrechtes getan hat und dafür bestraft werden muss. Die beiden anderen Raubritter kehren von ihrem Ausritt mit Geschenken zurück. Doch der Großknecht will niemanden hereinlassen, da er sich der Gefahr bewusst ist, die von den beiden ausgeht. Der Bauern lässt die Ritter jedoch herein.

Einer der Raubritter hält wie versprochen um die Hand der Bauerntochter an.

Die Männer packen ihre Geschenke aus und die Mutter solle sich nicht stören, dass an ihrem Geschenk rote Spritzer sind, die wären von einem Ochsen, der geschlachtet worden sei. Im Fortgang des Dramas wird aufgeklärt, dass die Ritter u.a. eine Kutsche überfallen hatten und dort ihre „Geschenke“ erhalten hatten. Es kommt zu mehreren Streitbarkeiten. Der Bauer möchte seinen Hof abgeben und vom Hof fortreiten, doch Helmbrecht, will den Bauern aufhalten, die Aufgabe des Hofes würde bedeuten, dass entweder Helmbrecht den Hof als Sohn übernehmen muss oder der neue Schwiegersohn den Hof weiterführen wird. Außerdem wird der „Alte“ für die Vermählung gebraucht. Der Vater weigert sich aber seine Tochter so herzugeben. Auch Helmbrecht ist gegen die Hochzeit und es kommt zu weiteren Auseinandersetzungen. In diesem Schlussakt kommt es zu einigen Auflösungen. So erzählt die Nonne ihre wahre Geschichte und Helmbrecht erzählt ebenso von seinem Leben bis zu diesem Punkt. Helmbrecht hat inzwischen ein Feuer bei der alten Burgruine gelegt, so dass die Suche nach der Raubrittergruppe erleichtert wird, wie die Nonne in den Dialogen erwähnt, er beendet quasi das Versteckspiel. Die Gruppe Bauern, die auf der Suche nach den Raubrittern ist, und der Richter treffen auch bald am Helmbrechtshof ein. Die beiden Ritterfreunde von Helmbrecht werden auf Verlangen des Richters herausgegeben. Helmbrecht soll sich nach Plänen des Bauern versteckt halten. Aber Helmbrecht will nicht weiter mit der Lüge leben und erzählt dem Bauern wer er wirklich ist, nämlich der sogenannte Höllensack, der als Anführer der Raubrittergruppe sein Unwesen getrieben hat, und so wird auch Helmbrecht in die Hände des Richters gegeben.

Alle Raubritter außer Helmbrecht werden zum Tode verurteilt und gehängt. Als zehnter aller Angeklagten wird er, wie es damals üblich war, nicht gehängt. Jedoch werden ihm zur Strafe das Augenlicht und die rechte Hand genommen. Helmbrecht kehrt auf den Hof der Eltern zurück. Ebenso die Tochter.

3. Begriffsklärungen

Nach dieser Zusammenfassung der beiden Texte müssen zunächst die drei Begriffe, Spiegel, Konstrukt und Rezeption, erklärt und abgrenzt werden. Die Abgrenzung dient dem Verstehen der weiteren Arbeit.

Ein Spiegel bietet eine Reflexion eines Gegenstandes oder einer Person. Im übertragenen Sinne, auf Literatur gemünzt ,dient der Begriff Spiegel dem Widerspiegeln eines tatsächlichen Zeitgeschehens in den literarischen Werken. Außer Acht bleiben sollen Varianten eines Spiegels. Zum Beispiel könnte ein Spiegel auch verzerren, vergrößern oder verkleinern kann, im wörtlichen Sinne, wie auch im übertragenen Sinne, genauso unbeachtet möchte ich auch lassen, dass ein Spiegel nicht ein genaues Abbild schafft, sondern die Abbildung spiegelverkehrt ist- d.h. das Abbild und das Original weisen eine unterschiedliche Händigkeit auf. Ein Spiegel arbeitet nach dem Reflexionsgesetz, d.h. Wellen werden von einer Oberfläche zurückgeworfen. Demzufolge müsste Zeitgeschehen die Oberfläche sein, die ein Abbild zurückwirft, dass dabei noch von einem Künstler/Schriftsteller bearbeitet wird. Anders ausgedrückt, Ausgangsbild ist das Zeitgeschehen, der Künstler der Spiegel und das Spiegelbild damit das literarische Endprodukt.

Ein Konstrukt hingegen zeichnet sich durch seine gedanklich-theoretische Art aus, es ist nicht konkret/direkt beobachtbar. Das heißt, ein Konstrukt kann und wird durch andere beobachtbare Sachverhalte erschlossen. Bezogen auf Literatur ist ein Konstrukt demzufolge ein Sachverhalt der vom Autor nicht direkt beobachtet werden konnte, er hat unter Umständen nur verschiedene Indikatoren gesehen und sich daraus etwas abgeleitet, das aber nicht den tatsächlichen Beobachtungen entspricht (da es die tatsächlichen Beobachtungen nicht gibt. Das heißt nicht, dass das Konstrukt nicht existiert). Das Konstrukt ist also die Zusammenfassung und Zusammensetzung seiner Beobachtungen.

Letzter zu definierender Begriff ist Rezeption. Rezeption im rein wörtlichen Sinne bedeutet die Wahrnehmung, Aufnahme und/ oder Übernahme von fremden Ideen, Normen und/oder Kulturgütern. Im größere Sinne gibt es dazu die Rezeptionsästhetik bzw. die Rezeptionsforschung, diese Gattung der Textinterpretation erhält in dieser Arbeit einen eigenen Inhaltspunkt, der im Anschluss folgt.

3.1. Probleme der Rezeptionsästhetik/Rezeptionsforschung

Die Rezeptionsästhetik hat die Aufgabe, die Verschmelzung der Erwartungshorizonte von Rezipient und Künstler zu hinterfragen. Rezeptionsästhetik befasst sich also mit der Werk- Betrachter- Beziehung, bzw. Werk-Publikum-Beziehung. Kathrin Matterne führt dazu in ihrer Seminararbeit an „Die Rezeptionsästhetik dagegen arbeitet werkorientiert, sie ist auf der Suche nach dem impliziten Betrachter, nach der Betrachterfunktion im Werk. Das Werk ,,spricht" mit den Rezipienten, es ist adressiert und entwirft seine Betrachter. ,,Indem es mit uns kommuniziert, spricht es über seinen Platz und seine Wirkungs-möglichkeiten in der Gesellschaft, spricht über sich selbst." Demzufolge hat die Rezeptionsästhetik mindestens drei Aufgaben. Sie muss erstens die Zeichen und Mittel erkennen, mit denen das Kunstwerk in Kontakt zu uns tritt, und sie muss diese im Hinblick auf ihre sozialgeschichtliche und ihre eigentliche ästhetische Aussage lesen. Wichtig dabei zu erwähnen ist die Spezifik der künstlerischen Kommunikation. Autor und Rezipient verkehren nicht direkt miteinander wie es der alltägliche Vorgang mit sich bringt, es findet keine face-to-face Kommunikation statt. ,,Autor und Leser/ Betrachter kennen sich nicht, sie müssen den anderen jeweils nur denken. Beide vollziehen dabei eine Abstraktion von der realen Individualität, wie sie im faktischen Dialog gegenwärtig ist." In der Kunstgeschichte wird dieser Vorgang mit dem Titel der asymmetrischen Kommunikation umschrieben. Fest steht natürlich, dass in dieser Kommunikation eine Vielzahl von Projektionen geschichtlicher und gesellschaftlicher Idealbilder von der Funktion und Wirkung von Kunst mitwirken. Die Rezeptionsästhetik will diese Appelle und Signale der Kunst an ihre Betrachter verstehen.“

Ebenso befasst sie sich mit der Wirkungsgeschichte eines Werkes, also die Abhängigkeit der Rezeption von Geschmack, Bildung, Gesellschaftsschicht und Steuerung durch Organisationen. Die Entwicklung der Rezeption eines Künstlers basiert einerseits auf den Veränderungen der Rezipienten und ihrer sich wandelnden Erwartungsnormen, andererseits auf den Wandlungen des Künstlers selbst.

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Meier Helmbrecht als Dramenvorlage für Eugen Ortners Meier "Helmbrecht Trauerspiel" von 1927/28
Untertitel
Dorfnovelle vs. Tragödie
Hochschule
Universität Potsdam
Veranstaltung
Spiegel oder Konstrukt. Mittelalterliche Literatur in der Rezeption der Dt. und Poln. Literaturen des 20. Jahrhunderts.
Note
1,8
Autor
Jahr
2007
Seiten
17
Katalognummer
V84092
ISBN (eBook)
9783638001939
ISBN (Buch)
9783638912426
Dateigröße
589 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Meier, Helmbrecht, Dramenvorlage, Eugen, Ortners, Meier, Helmbrecht, Trauerspiel, Spiegel, Konstrukt, Mittelalterliche, Literatur, Rezeption, Poln, Literaturen, Jahrhunderts
Arbeit zitieren
Désiré Arnold (Autor:in), 2007, Meier Helmbrecht als Dramenvorlage für Eugen Ortners Meier "Helmbrecht Trauerspiel" von 1927/28, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84092

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