Das Verhältnis zwischen Tschechen und Slowaken vor der Staatsgründung


Hausarbeit, 2007

24 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Verhältnis der Tschechen zu den Slowaken
2.1. Warum interessieren sich Tschechen für Slowaken
2.2. Die Wichtigkeit der Slowaken für die Tschechen
2.3. Die slowakische Frage in der tschechischen Politik
2.4. Českoslovanská jednota und Revue Naše Slovensko

3. Das Verhältnis der Slowaken zu den Tschechen
3.1. Die Intensivierung der Zusammenarbeit
3.2. Die Wichtigkeit der Tschechen für die Slowaken
3.3. Vertreter der tschechoslowakischen Gegenseitigkeit in der Slowakei
3.4. Slowakei als Teil des Königreiches Ungarn

4. Der Aufbau der Beziehungen war nicht ganz ohne Probleme
4.1. Frage der Sprache
4.2. Anfänge des Tschechoslowakismus

5. Fazit

Literaturliste

1. Einleitung

Im Rahmen unseres Hauptseminares behandelten wir anhand von der Diskursgeschichte die tschechische Gesellschaft ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis 1918 aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Um die Beziehungen zu der slowakischen Gesellschaft klar zu machen, untersuche ich anhand der Quellen Revue Naše Slovensko und verschiedener Sichtweisen der Mitglieder des Vereins Českoslovanská jednota, wie Josef Rotnágl, František Pastrnek, Karel Kálal und anderen der Verhältnis zwischen diesen sprachverwandten slawischen Nationen. In der Habsburger Monarchie hat sich im 19. Jahrhundert Sprachnation durchgesetzt, die nach dem ersten Weltkrieg auch zur Trennung der Habsburger Monarchie beigetragen hat. Meine These lautet demnach, dass die Sprache die Nationen nicht nur voneinander trennen kann, sondern sie unter Umständen auch zusammenführen kann, und zwar, wenn zwei Nationen eine ähnliche Sprache sprechen. Der Diskurs ist schließlich bei der verwandten Sprache einfacher zu führen.

In meiner Betrachtungsweise habe ich mich nur auf die tschechische Gesellschaft und auf die slowakische Gesellschaft innerhalb des Königreiches Ungarn konzentriert. Die Einflüsse der Habsburger Monarchie auf die Beziehungen der Tschechen und Slowaken ziehe ich nicht heran. In der Habsburger Monarchie liegt der Diskurs über Nationen laut Habermasschen Modells ohnehin in der Peripherie nur bei bestimmten gesellschaftlichen Gruppen, wie die Wissenseliten, somit außerhalb des politischen Machtzentrums (vgl. Hazlinger 2006: 33).

Ich habe mich auf die Zeit ab der Jahrhundertwende bis zum Anfang des ersten Weltkrieges begrenzt. Ab 1890er Jahren haben sich nämlich die Aktivitäten der slowakischen Politiker wieder nach einer ungefähr 30-jährigen Pause aufgrund der starken Magyarisierung, wie Wahlterror, Unterdrückung der slowakischen Presse und des Nationalbewusstseins, wieder erhöht. Es fanden erneut Massenkundgebungen statt und zu den Wahlen im Jahr 1896 traten slowakische Kandidaten an (vgl. Mannová/ Holec 2003: 235). Unter der Magyarisierungspolitik versteht man das staatlich geförderte Bestreben, das die gewaltsame Assimilierung der Slowaken, Rumänen, Serben, Kroaten, Bulgaren und Deutschen zu einem Teil der magyarischen Nation ausdrückt.

Im ersten Teil wird zunächst das Verhältnis der Tschechen zu den Slowaken in vier verschiedenen Perspektiven dargestellt. Die Beweggründe, die die Interesse der Tschechen an den Slowaken hervorgerufen haben, sowie die Wichtigkeit der Slowaken für die Tschechen. Dies schließt auch die slowakische Frage in der tschechischen Politik und die Bedeutung des Vereins Českoslovanská jednota und seiner Revue Naše Slovensko für den Aufbau der Beziehungen ein. Im zweiten Teil setze ich mich in vier Standpunkten mit dem Verhältnis der Slowaken zu den Tschechen auseinander. Dieser umfaßt die Intensivierung der Zusammenarbeit, wie auch die Wichtigkeit der Tschechen für die Slowaken. Darauf folgen die Vertreter der tschechoslowakischen Wechelseitigkeit in der Slowakei und die Slowakei im Bezuf auf Ungarn. Anschließend werde ich die Probleme dieser Beziehung aufzeigen, und zwar die Streitfrage der Sprache und Problematik des Tschechoslowakismus in seinen Anfängen. Somit wird das Verhältnis zwischen den beiden Ländern auch mit seinen Schwierigkeiten deutlich dargelegt.

An dieser Stelle ist noch eine Anmerkung zu den verwendeten Begriffen notwendig. Mit dem Verhältnis zwischen den Tschechen und Slowaken meine ich vorwiegend das Verhältnis der führenden Kreisen und der Eliten, jedoch nicht der gewöhnlichen Leute, da war das Verhältnis anders. Das Königreich Ungarn bis 1918 wird auf Slowakisch Uhorsko genannt, wobei der Nationalstaat Ungarn, der seit 1918 existiert, hingegen Mad’arsko benannt wird und auch das Volk wird so bezeichnet. Die deutsche Sprache unterscheidet auch zwischen „ungarisch“ im Bezuf auf das Königreich Ungarn und „magyarisch“ im Bezug auf das Volk während die ungarische Sprache keinen Unterschied zwischen der Zugehörigkeit zum Volk der Magyaren und zum ungarischen Staate macht. Ein Slowake konnte ein Uhor sein, das heißt ein Bewohner von dem Vielvölkerkönigreich Ungarn, aber muss nicht unbedingt des magyarischen Herkunfts sein. Der Mangel an ungarischen Begriffen konnte auch ein Grund für die Assimilierungspolitik der ungarischen Politikern sein, weil sie nicht zwischen den Nationalitäten und der Staatsangehörigkeit unterscheiden konnten und wollten. Ist im Folgenden die Rede von „Tschechien“, meine ich damit nicht nur Böhmen, sondern auch Mähren und Schlesien. Mit dem Begriff „Oberungarn“ bezeichnet man das Gebiet nördlich der Donau, geographisch das heutige Gebiet der Slowakei.

2. Das Verhältnis der Tschechen zu den Slowaken

2.1. Warum interessieren sich Tschechen für Slowaken

Bis zum Anfang des 20. Jahrhundert wurden vor allem idealistische Bilder über die Slowakei dem tschechischen Volk vermittelt. Slowakei wurde nie in die europäische und historische Entwicklung richtig einbezogen. Die kulturelle Epochen der Renaissance, des Barocks, des Rokokos und des Klassizismus kamen in der Slowakei nicht zum Tragen. Der Slowake kennt keine Dogmen, keine klassische Bildung, er führt vielmehr ein sehr idyllisches und rustikalisches Leben. In seiner Volkskunst gibt es keine technischen und vor allem keine italienischen oder orientalischen Einflüsse. Aus der Perspektive der tschechischen Schriftsteller wurde die Slowakei zur Jahrhundertwende so gesehen. Da gab es noch Reinkultur. Die Volkskunst, die Natur, Tatras, ihre Lieder, Märchen und Erzählungen, die ganze „way of life“ hat sehr emotional auf die Tschechen gewirkt. Ein Slowake wurde als authentischer, edler Wilde dargestellt, der ehrlich in der Welt ist. Die Slowaken wurden nicht als gleichberechtigte Partner wahrgenommen, sondern als Partner, mit denen man Mitleid hatte. Solche sentimentalen Bilder von dem slowakischen Volk findet man in den meisten tschechischen Literatur über Slowaken, bis die Zusammenarbeit intensiver geworden ist. Die tschechische Führungsschicht erkannte erst im Laufe der Zeit, dass das Gebiet der Slowaken ihnen nicht nur als einen schönen Ausflugsort dienen konnte (vgl. Revue Naše Slovensko 1908/09: 394f).

Der Wirtschaft fiel in dem langsamen Wiederaufbau der Zusammenarbeit eine wichtige Rolle zu. Aufgrund der gegebenen Situation gestaltete sich die Kooperation zumeist als tschechische Hilfe, beziehungsweise tschechische Investitionen in der Slowakei. Im Bezug darauf wurde das gemeinsame Interesse der slawischen Regionen der Habsburger Monarchie hervorgehoben, die sie mit nationalpolitischen Argumenten, wie mit der Idee der slawischen Wechselseitigkeit und mit Argumenten politisch-ökonomischen Charakters begründeten. In Wirklichkeit spielte der rein unternehmerisch-ökonomische Aspekt die wichtigste Rolle. Viele tschechische Firmen intendierten das Kapital in die Regionen mit billigen Arbeitskräften und Rohstoffen zu investieren, wo hohe Gewinne zu erzielen waren (vgl. Holec 1996: 46). Diese widersprüchliche Haltung zeigte sich am deutlichsten im Kampf um die Zellulose-Fabrik von Martin. In diesem Konflikt spielte das größte tschechische Geldinstitut, die Živnostenská banka, eine Rolle. Aufgrund der nichtfestgelegten Bedingungen forderte sie von der Fabrik 1% Zinsen auf das Kapital, das diese bei der Bank aufgenommen hatte. Da es am Anfang nicht abgesprochen war, berufte sich der Unternehmer an die proklamierte tschechisch-slowakische Wechselseitigkeit und er erinnerte an die Bedeutung, die die Fabrik für die Öffnung des slowakischen Territoriums für tschechisches Kapital hatte. Er schrieb nach Prag: „Auch wenn mir bewußt ist, daß man Geschäfte nicht aus Nächstenliebe macht und daß Sie keine Rücksicht auf andere als Ihre eigenen Interessen nehmen können, so denke ich doch, daß Sie, sofern es den Interessen Ihres Institutes nicht entgegensteht, uns wenigstens soweit entgegenkommen könnten, uns zwar keine Ausnahmeregelung einzuräumen, aber uns genauso zu behandeln wie andere Betriebe“ (Holec 1996: 48). Es war zu jener Zeit üblich nur 0, 25 % Zins auf aufgenommenes Kapital zu verlangen. Gemäß Holec wird an diesem Beispiel sichtbar: „ [...], daß die Kehrseite dieses Projektes, das vordergründig von erhabenen nationalen Motiven getragen war, harter Kampf um Gewinne bildete“ (Holec 1996: 48).

Außerdem sind die tschechischen führenden Kreise an den Slowaken interessiert, weil die Slowaken slawischer Herkunft sind und mit den Tschechen mehr Gemeinsamkeiten haben als die nicht-slawischen Nationen, wie zum Beispiel die Sprache. Ob die slowakische Sprache nur ein tschechischer Dialekt ist, darüber wurde viel diskutiert. Zu dem Streitfall der Sprache komme ich noch im vierten Kapitel (vgl. Harna 1988: 12).

Des Weiteren betrachtete die tschechische Seite das Gebiet der Slowaken als einen politisch abgerissenen Teil der tschechischen Nation, mit dem man im Interesse der zukünftigen Verschmelzung möglichst positive Beziehungen aufbauen sollte. Harna zufolge führte aber die slowakische nationale Wiedergeburt von Anfang an zur Formierung der selbständigen Nation. Dies erkannten keine Vertreter der slowakischen Intelligenz, wie auch keine tschechischen politischen Repräsentanten, die noch dazu nicht imstande waren diese Entwicklung zu akzeptieren. Der Grund für die mangelnde Akzeptanz der Slowaken waren sowohl die terminologischen Unklarheiten der Slowaken und der Slawen, als auch die Gebrechlichkeit der nationalen emanzipatorischen Bewegungen, die alleine schwach waren und nach einem Verbündeten suchten. Infolgedessen glaubt Harna, dass das Basiskonzept der Kooperation auf der tschechischen Seite die Idee der nationalen Einheit war (vgl. Harna 1988: 13).

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Das Verhältnis zwischen Tschechen und Slowaken vor der Staatsgründung
Hochschule
Universität Regensburg  (Insitut für Osteuropäische Geschichte)
Veranstaltung
Zur Diskursgeschichte nationaler Bewegungen: Die tschechische Gesellschaft 1780 - 1918
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
24
Katalognummer
V83831
ISBN (eBook)
9783638004343
ISBN (Buch)
9783638911733
Dateigröße
687 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verhältnis, Tschechen, Slowaken, Staatsgründung, Diskursgeschichte, Bewegungen, Gesellschaft
Arbeit zitieren
Katarina Bezakova (Autor:in), 2007, Das Verhältnis zwischen Tschechen und Slowaken vor der Staatsgründung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83831

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