Film, Variation und Übersetzung - Perspektiven für den DaF-Unterricht?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

27 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Der Übersetzungsprozess
2.1 Theoretische Ansätze
2.1.1 Translation als Handlung
2.1.2 Kreatives Übersetzen
2.2 Bedeutung für die Praxis

3. Möglichkeiten der Filmübersetzung
3.1 Synchronisation oder Untertitel?
3.2 Synchrontexte als Übersetzungstexte
3.2.1 Variation als Übersetzungsproblem
3.2.2 Übersetzungsstrategien

4. Varietäten und Übersetzung im DaF-Unterricht – Geht das?

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Variety is the spice of life“[1] - Dieses Sprichwort bezieht sich zwar auf das Aufregende und die Abwechslung im Leben, dennoch lässt es sich auch auf Sprache übertragen, denn Sprache ist Variation und lebt davon. Die deutsche Sprache ist nicht nur durch Wandlungsfähigkeit, sondern gleichzeitig durch Stabilität gekennzeichnet. Diese Stabilität wird einerseits durch Normen, die eine Sprache vor Fremdeinfluss anderer Sprachen zu schützen versuchen und die Kommunikation innerhalb einer Gemeinschaft regeln und andererseits durch Sprachvariation, die wiederum diese Normen bricht, erreicht. Sprachnorm und Sprachwirklichkeit beeinflussen sich gegenseitig und es entsteht ein flexibles Gleichgewicht, das die Sprache lebendig werden lässt.

Daraus ergeben sich vor allem für den DaF-Unterricht interessante Ansätze. Wie geht man mit Variation um? Und inwieweit ist es möglich, das idealisierte Standarddeutsch hinter sich zu lassen oder vielmehr eine optimale Verknüpfung herzustellen und in den Unterricht zu integrieren? Schließlich werden die Lerner außerhalb der Klassenräume ständig mit der Variantenvielfalt des Deutschen konfrontiert. In den letzten Jahren beschäftigt sich die Linguistik und die Didaktik vermehrt mit diesem Thema[2]. Roche (2006) regte an, Variation als Chance zu sehen und etwa die Kanak-Sprak im Hinblick auf Integration und Nutzung der natürlichen Mehrsprachigkeit in den Unterricht mit einzubeziehen.

Ein weiterer interessanter Bereich für den Einsatz im Unterricht ist der des Film- und Fernsehens. Zum einen, weil sich dort das Variationsspektrum deutlich zeigt (in authentischer-alltäglicher Kommunikation z.B. in Dokusoaps, sowie auch in stilisierter Sprache in Spielfilmen) und zum anderen, weil das Fernsehen als Alltagsmedium einen guten Anknüpfungspunkt für den Lerner darstellt. Hier ist besonders die Frage interessant, wie Variation und insbesondere Dialekte, in Synchronfassungen umgesetzt oder in anderssprachige Untertitel übertragen werden. Auch der Übersetzungsvorgang selbst könnte dabei thematisiert werden und so den DaF-Unterricht mit nützlichen Erkenntnissen bereichern.

In meiner Arbeit möchte ich zunächst einige Ansätze und Überlegungen der Übersetzungswissenschaft vorstellen und dann näher auf die Möglichkeiten der Filmsynchronisation bzw. Untertitelung eingehen. Ein synchronisierter Film ist „die Illusion, daß es sich trotz der Übersetzung um ein Originalwerk handelt“ (Kristmannsson 1996: 238). Wie aber übersetzt man Dialekte, die in den Originaltexten eine wesentliche Funktion haben? Hier wird deutlich, dass an den Übersetzungsvorgang, der den zentralen Teil der Synchronisation darstellt, hohe Ansprüche gestellt werden. Im letzten Teil meiner Arbeit versuche ich den Nutzen der gewonnenen Resultate für den DaF-Unterricht zu erörtern: Bieten Film, Variation und Übersetzung Perspektiven für den DaF-Unterricht?

2. Der Übersetzungsprozess

Das Übersetzen ist ein komplexer, kommunikativer Vorgang, dessen Ergebnis den Versuch darstellt, bestimmte Inhalte kulturübergreifend in der Zielsprache wiederzugeben. Die Brockhaus Online Enzyklopädie[3] definiert den Begriff Übersetzung wie folgt:

„Art der Translation, bei der auf der Basis eines mündlich oder schriftlich fixierten Ausgangstextes auftrags-/zweck-, zeit- und situationsgebunden ein Zieltext mit vergleichbarer Funktion für Adressaten in einer anderen Kultur beziehungsweise Sprache geschaffen wird […] Der Verwendungszweck beziehungsweise die Funktion des Zieltextes, die Zeit für die Ausführung und der soziokulturelle Kontext der beteiligten Kulturen beziehungsweise Sprachen bilden das situative Bedingungsgefüge, in dem der Übersetzer handelt.“

Es ist klar, dass die Übersetzung nicht immer gelingt. Zunächst versucht man, den Ausgangstext zu lesen, zu analysieren und zu verstehen. Grundsätzlich entscheidet der Übersetzer, was unbedingt erhalten bleiben muss. Die Grundproblematik hierbei ist, dass man immer nur Teilaspekten des Ausgangstextes gerecht werden kann, denn wie soll man übersetzen - wortgetreu, sinngetreu oder strukturtreu und für wen übersetzt man eigentlich? (vgl. Reiß / Vermeer 1984: 35).

Ebenso vielfältig wie die Faktoren und Prozesse, die das Übersetzen beeinflussen, sind auch die Herangehensweisen der übersetzungswissenschaftlichen Ansätze. Stolze (2005) gibt einen Überblick über die wichtigsten interdisziplinären Übersetzungstheorien der letzten Jahrzehnte. Für den Blickwinkel der vorliegenden Arbeit sind vor allem die folgenden Theorien von Bedeutung.

2.1 Theoretische Ansätze

2.1.1 Translation als Handlung

Schon Luther proklamierte 1530 in seinem Sendbrief vom Dolmetschen:

„[...] denn man mus nicht die buchstaben inn der Lateinischen sprachen fragen / wie man sol Deudsch reden / wie diese Esel thun / Sondern man mus die mutter ihm hause / die kinder auff der gassen / den gemeinen man auff dem marckt druemb fragen / vnd den selbigen auff das maul sehen / wie sie reden / vnd darnach dolmetschen / so verstehen sie es denn / vnd mercken / das man Deudsch mit ihn redet.“[4]

Sein Grundprinzip, dass Übersetzen auslegen bedeutet, ist in der Translationswissenschaft der letzten Jahrzehnte wieder aufgegriffen worden. „Luther gilt als einer der entschiedensten Vertreter eines zielsprachlich orientierten, pragmatisch-kommunikativen Übersetzens“ (Albrecht 1998: 121, zitiert nach Kußmaul 2000: 48) und verkörpert das, was Reiß / Vermeer (1984: 89ff) in ihrem Standardwerk Grundlegung einer allgemeinen Translationstheorie mit der sogenannten Skopostheorie darlegen.

Die neuen Denkansätze der pragmatischen Wende haben nicht nur die Linguistik beeinflusst, sondern auch eine Umorientierung in der Übersetzungswissenschaft bewirkt. So gehen Reiß und Vermeer davon aus, dass Translation[5] kommunikatives Handeln ist und dass beim Übersetzungsprozess nicht nur ein sprachlicher, sondern immer auch ein kultureller Transfer stattfindet (vgl. Reiß /Vermeer 1984: 4). So sind es „kulturelle und nicht lediglich sprachliche Unterschiede“ (Witte 2000: 16), die das zentrale Problem einer Übersetzung darstellen. Eine rein linguistisch fundierte Betrachtung würde also die Phänomene nur unzureichend erfassen. Aus diesem Grund wird die Translationstheorie von Reiß und Vermeer als komplexe Handlungstheorie aufgefasst. Der Ausgangstext stellt die Primärhandlung dar, die Übersetzungshandlung ist die Reaktion darauf und wird von ihrem Zweck bestimmt: „die Frage ist also nicht: ob und wie gehandelt, sondern ob, was und wie weitergehandelt (übersetzt/gedolmetscht) werden soll“ (Reiß / Vermeer 1984: 96f).

Dem Translator kommt hierbei eine Expertenrolle zu, er versucht den bestehenden Text zu verstehen, interpretiert ihn und formuliert schließlich den zielsprachlichen Text. Witte (2000: 25) nennt als Ziel von Translation „die Ermöglichung interkultureller Kommunikation“ sowie die Überwindung von Sprach- und Kulturbarrieren. „Wichtiger als die Nähe zwischen Ausgangs- und Zieltext ist die kulturspezifische Kohärenz des Translats“ (Stolze 2005: 173). Um aber transkulturell Handeln zu können, benötigt der Translator „ein potentiell bewusstes ‚Wissen’ über Eigen- wie Fremdkultur(en)“ (Witte 2000: 75). Die fremde Kultur ist natürlich immer nur auf der Basis der eigenen wahrnehmbar, was unter Umständen zu Problemen führen kann. Neben der allgemeinen Sprachkompetenz des Übersetzers und seiner translatorischen Kulturkompetenz ist auch die Anwendung translationswissenschaftlicher Grundprinzipien für das Gelingen einer adäquaten Übersetzung unabdingbar (a.a.O.: 125). Es wird deutlich, dass an den Übersetzer sehr hohe Anforderungen gestellt werden. Nur die wenigsten genügen diesen, denn oft fehlt eine solide Ausbildung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Translation unabhängig von Funktion und Textsorte „ein Informationsangebot in einer Zielkultur und deren Sprache über ein Informationsangebot aus einer Ausgangskultur und deren Sprache“ (Reiß / Vermeer 1984: 105) ist.

Kohlmayer (2004: 13) kritisiert die „managerhafte Zweckorientierung“ dieses funktionalen Ansatzes. Er betont, dass besonders die Literaturübersetzung neben hinreichender Sprach- und Kulturkompetenz „weitgehend eine Sache der Gefühlskompetenz“ (a.a.O.: 11) und des Einfühlungsvermögens sei, also ein ästhetischer Vorgang, bei dem Gefühl, Phantasie und Verstand zusammenwirken. „Und in der Literatur – wie in der Literaturübersetzung und in der Kunst überhaupt – führt der besorgte Blick auf die Kundschaft meistens in das weite Land der Klischees, der Langeweile, der Vorurteile, des Banausentums, der Trivialliteratur“ (a.a.O.: 19). Meiner Meinung nach ist aber nicht allein der theoretische Ansatz für holprig wirkende Übersetzungen verantwortlich, sondern eine Vielzahl von Faktoren, vor allem der Zeitdruck und die Vorgaben der Auftraggeber, sowie die schlechte Bezahlung der Übersetzer, die deshalb vielleicht auch nicht genügend motiviert sind.

Die Erkenntnisse von Reiß / Vermeer (1984) werden immer wieder in wissenschaftlichen Beiträgen aufgegriffen und weiterentwickelt. So zeigt Martina Ožbot (2001) in ihrem Beitrag, dass Übersetzungen sowohl strukturelle, als auch semantische Übertragungen beinhalten, um der Rolle die der Text in der Zielkultur übernehmen soll, zu genügen. Diese Sinneinheiten sind nicht systematisch grammatikalisch durch die Zielsprache motiviert, sondern funktional. So versucht der Text, Kohärenz auf intratextueller und intertextueller Ebene herzustellen. Auch sie betont, dass nicht die Beziehung zum Ausgangstext, sondern die Funktion und Wirkung, die der Text in der Zielsprache hat, das entscheidende ist.

In ihrem funktional orientierten Lehr- und Arbeitsbuch Strategie des Übersetzens diskutieren Hönig / Kußmaul (1991: 83) die Frage welche Hilfen das Instrumentarium der Sprechakttheorie gibt, um kommunikativ richtig zu übersetzen. Stolze (2005: 136) meint die „Sprechakttheorie ist für das Übersetzen interessant, weil damit bestimmte performative Strukturen in Texten linguistisch beschrieben werden können, aber auch wegen ihres Verweisens auf die außersprachliche Situation und den Handlungscharakter der Rede“. Bei der Übersetzung literarischer Texte ist dieser Ansatz aber wohl zum Scheitern verurteilt.

2.1.2 Kreatives Übersetzen

„Durch Erkenntnisse der psycholinguistischen Forschung setzt sich in der Übersetzungswissenschaft allmählich die Einsicht durch, dass Denkprozesse des Übersetzers einen entscheidenden Faktor im gesamten Übersetzungsprozess darstellen“ (Stolze: 245). Kußmaul (2000) untersucht in seiner Arbeit Kreatives Übersetzen die mentalen Prozesse, die beim Übersetzen ablaufen und versucht, wissenschaftliche Erkenntnisse der Kreativitätsforschung mit denen der Kognitionsforschung zu verbinden. Daraus ergibt sich für ihn eine enge Verbindung von sprachlichem kreativen Denken und kreativem Übersetzen (vgl. Kußmaul 2000: 9). Als Ziel formuliert er, „uns allen bewußt zu machen, daß Übersetzen eine höchst kreative Tätigkeit ist und daß sich kreatives Übersetzen erforschen und beschreiben und damit ins Licht des Bewußtseins rücken läßt“ (a.a.O.: 16).

Mit Hilfe von psycholinguistischen Modellen beschreibt er Denkprozesse, die beim Übersetzungsvorgang ablaufen. Kreatives Denken bedeutet, dass man ein Problem etwa aus einer anderen Perspektive betrachtet und sich dadurch das Verständnis verändert und so den Weg für eine gelungene Übersetzung frei wird. Das Gute: „Jeder kann kreativ denken“ (a.a.O.: 10), denn es ist eine Denkform, die im menschlichen Gehirn angelegt ist. Kreativität ist potentiell bei jeder Übersetzung gefragt: „Auch bei Sach- und Fachtexten ist immer wieder Kreativität nötig“ (a.a.O.: 10).

Kußmaul (2000: 31) legt seinen Ausführungen folgende Definition zugrunde:

„Eine kreative Übersetzung entsteht aufgrund einer obligatorischen Veränderung des Ausgangstexts, und sie stellt etwas mehr oder weniger Neues dar, das zu einer bestimmten Zeit und in einer (Sub-) Kultur von Experten (= von Vertretern eines Paradigmas) im Hinblick auf einen bestimmten Verwendungszweck als mehr oder weniger angemessen akzeptiert wird“.

[...]


[1] Cambridge International Dictionary of Idioms <http://dictionary.cambridge.org/define.asp?key=variety*1+0&dict=I> (11.4.2007).

[2] Einen Überblick über aktuelle Entwicklungen bietet Neuland (2006).

[3] Brockhaus Enzyklopädie Online. Übersetzung

<http://www.brockhaus-enzyklopaedie.de/be21_article.php#5> (13.03.2007).

[4] Materialien zur historischen Linguistik: M. Luther, Sendbrief vom Dolmetschen <http://www.staff.uni-marburg.de/~naeser/sendbrf.htm> (13.03.2007).

[5] Reiß / Vermeer (1984: 6) fassen Übersetzen und Dolmetschen als Handeln unter dem Oberbegriff Translation zusammen. Der Terminus Translation indes wurde von Kade (1968: 33) geprägt.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Film, Variation und Übersetzung - Perspektiven für den DaF-Unterricht?
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Deutsch als Fremdsprache)
Veranstaltung
Sprachvariation
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
27
Katalognummer
V83820
ISBN (eBook)
9783638906913
ISBN (Buch)
9783638906968
Dateigröße
516 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Film, Variation, Perspektiven, DaF-Unterricht, Sprachvariation
Arbeit zitieren
Brigita Jeraj (Autor:in), 2007, Film, Variation und Übersetzung - Perspektiven für den DaF-Unterricht?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83820

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