Protestantische Friedhöfe

Protestantische Bestattungs- und Beigabensitte im gräberarchäologischen Befund


Hausarbeit, 2007

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Religionsgeschichtlicher Hintergrund: Die Reformation des Todes
1.1. Die psychische Trennung von Lebenden und Toten
1.2. Die physische Trennung von Lebenden und Toten

2.. Gestaltung der Friedhöfe

3. Bestattungen

4.. Beigaben/Belassungen

5.. Der Friedhof von Breunsdorf.
5.1. Gestaltung des Friedhofs in der Neuzeit
5.2. Bestattungen
5.3. Beigaben/Belassungen

6... Zusammenfassung und Abschließende Bemerkungen

Verzeichnis abgekürzt zitierter Literatur

Abbildungsnachweis

Einleitung

Der archäologische Wert neuzeitlicher Gräberfelder wurde lange Zeit unterschätzt, da man bei christlichen Gräbern von einer beigabenlosen Gleichförmigkeit mit geringem Informationswert ausging. Wie falsch diese Einschätzung war hat nicht zuletzt die Fülle an Beigaben, die sich spätestens seit dem 17. Jh. in vielen Gräbern findet, bewiesen. Die in den letzten Jahren vermehrt durchgeführten Ausgrabungen neuzeitlicher Bestattungen haben darüber hinaus das Wissen um den Wandel im Totenritus vergangener Jahrhunderte in nicht unerheblichem Maße ergänzt. Inwieweit auch die Religiösen Konflikte und Umwälzungen des 16. Jh. gräberarchäologisch nachweisbar sind, soll im Folgenden näher beleuchtet werden.

1. Religionsgeschichtlicher Hintergrund: Die Reformation des Todes

1.1. Die psychische Trennung von Lebenden und Toten.

Am 9. März 1522 predigte Luther in Wittenberg: „Wir seindt allsampt zu dem tod gefordert und wirt keyner den andern sterben, Sondern ein yglicher in eygner person für sich mit dem todt kempffen. In die oren künden wir woll schreyen, Aber ein yglicher muß für sich selber geschickt sein in der zeyt des todts: Ich würd denn nit bey dir sein noch du bey mir.“ „ein iglicher in eigner Person muss geharnischt und gerüstet sein fur sich selbs mit dem Teufel und Tode zu kempffen.“[1] Diese Auffassung von der Isolierung der Toten bedeutete einen radikalen Bruch mit allen zu jener Zeit vorherrschenden und in der katholischen Lehre verfestigten Vorstellung von der Beziehung zwischen Lebenden und Toten. In Folge dieser waren auch die Verstorbenen weiterhin Teil der christlichen Gemeinschaft. Sie bildeten den Stand der ecclesia dolens, der leidenden Seelen im Fegefeuer.[2] Die Vorstellung dieses Ortes als einer Zwischenstationen, an welcher die Seelen der Toten, sofern sie in der Gnade Gottes gestorben waren, durch Leiden geläutert wurden, bildete sich im Hochmittelalter heraus und wurde 1247 auf dem Konzil von Lyon zum Dogma erhoben.[3] Die im Fegefeuer befindlichen Seelen waren dem Einfluss des Diesseits keinesfalls entzogen. Die Lebenden konnten deren Leiden durch Fürbitte verkürzen. Ebenso konnten die Seelen jener, die dem Fegefeuer bereits entronnen waren um Fürsprache zur Verkürzung der eigenen prospektiven

Leiden, oder der anderer gebeten werden. Jene, welche die entsprechenden finanziellen Mittel besaßen, bezahlten für Seelenmessen, die nach ihrem Ableben gehalten werden sollten, um den Prozess der Erlösung zu beschleunigen. Auf Grundlage dieser gegenseitigen Dependenz der Lebenden und der Toten entstanden vielfältige Formen des Totengedächtnisses.

Gerade die Anfangsphase der Reformation war jedoch geprägt von dem Bestreben, dieses traditionelle System von Erlösung und Verdammnis vollkommen neu zu definieren. Einen besonderen Einschnitt in das spirituelle Verständnis der damaligen Gesellschaft bedeutete die Abschaffung des Fegefeuers, welches aus der Bibel heraus nicht unmittelbar zu begründen ist und von den evangelischen Theologen daher abgelehnt wurde.[4] Ohne das Fegefeuer wurde jedwede Form von geistlicher Fürbitte für die Toten ihres Sinnes enthoben. Dies galt nicht nur den ohnehin von den Reformatoren heftig kritisierten Ablassbriefen, sondern auch den für das Seelenheil der Toten gesprochenen Gebeten. Ebenso wurden noch zu Lebzeiten geleistete Bußen und Fürbitten, wie z. B. die Wallfahrten, als für das Seelenheil bedeutungslos erklärt. Auch das Anrufen der Heiligen war nach der Reformatorischen Lehre sinnlos. Einzig die Glaubensstärke des Einzelnen und die Gnade Gottes konnten der Erlösung dienen.[5]

1.2. Die physische Trennung von Lebenden und Toten

Diese durch die protestantischen Theologen verbreitete Botschaft von der Erlösung durch den Glauben allein ließ, der Logik folgend, auch die Beerdigung ad sanctos, nahe dem Heiligtum, an Bedeutung verlieren. So schrieb Luther 1527 in seiner ersten gedruckten Diskussion über das christliche Begräbnis, 'Ob man vor dem Sterben fliehen möge', dass er „lieber in der Elbe oder in einem Wald zur Ruhe gebettet würde“, als auf Wittenbergs wüstem Friedhof.[6] Als erster Theologe bekannte Luther in der genannten Schrift, dass die Platzierung des Friedhofs eher aus hygienischen, denn aus religiösen Überlegungen heraus festzulegen sei.[7] Des Weiteren argumentierte er für extra murale Begräbnisse, indem er Belege hierfür aus dem Alten Testament sowie das Begräbnis Jesu außerhalb der Stadtmauern Jerusalems als theologische und historische Legitimtaion anführte.[8] Schließlich war die Bestattung außerhalb der Stadtmauern in keiner Weise ein neues Phänomen, sondern hatte seine traditionellen Wurzeln in den Kulturen der Antike, ebenso wie im Judentum und frühen Christentum.[9]

Einen weiteren Beweggrund für die Verlegung sah Luther in den unwürdigen Zuständen auf den Begräbnisplätzen, insbesondere auf dem von ihm als Beispiel genannten Friedhof in Wittenberg. Anders als heute waren diese im Mittelalter einem Dorfplatz nicht unähnlich. Sie dienten nicht selten als Ort geselligen Zusammenseins, oder des Betreibens von Handwerk und es kam durchaus vor, dass Schweine, Kühe oder anderes Vieh sich darauf tummelte. Nach Luthers Auffassung jedoch, sollte 'ein begrebnis (solt) ja bilich ein feiner stiller ort sein, der abgesondert were von allen oerten, darauff man mit andacht gehen und stehen kuendte, den tod, das juengste gericht und aufferstehung zu betrachten und betten.'[10] Der Friedhof sollte zu einem abgeschiedenen Ort der Andacht werden.

Bereits in der Mitte des 14. Jh. hatte es in Verbindung mit dem Ausbrechen der Pest extra murale Begräbnisse gegeben. Gleichwohl waren diese in den meisten Fällen lediglich temporär. Erst im 16. Jh. fanden in vielen Städten und Dörfern permanente Verlegungen der Begräbnisplätze statt. Ursache war jedoch weniger die sich ausbreitende protestantische Lehre, als vielmehr der rapide Populationsanstieg, welcher zu einer Überfüllung der innerstädtischen Friedhöfe führte, sowie die äußerst schlechten hygienischen Verhältnisse. Giftige Dämpfe, Miasmen genannt, aus den Gräbern, wurden vielerseits als Mitursache für die immer wieder auftretenden und gefürchteten Pestepidemien angesehen.[11]

Beispiele für vorreformatorische Friedhofsverlegungen sind u. a. Freiburg/Breisgau (1514), Nürnberg (1518) und Zwickau (1521).[12] 1480 baten der Kurfürst von Bayern und der Rat der Stadt München den Papst um Erlaubnis für die Verlegung des Friedhofes von St. Peter und der Frauenkirche vom Stadtzentrum zu einem Platz außerhalb der Stadtmauern.[13] Die Reformation war demnach nicht der unmittelbare Auslöser der Friedhofsverlegungen. Dennoch bot sie vielerseits die theologische Grundlage.

2. Gestaltung der Friedhöfe

Da die Seelen der Toten nun als der Welt der Lebenden vollkommen entrückt betrachtet wurden, verlor der Begräbnisplatz seine Bedeutung für die Seelenruhe der Verstorbenen und wurde zunehmend zu einem Ort für die Hinterbliebenen, die das Andenken an die Toten bewahren. Die Gestaltung der Friedhöfe richtete sich vermehrt nach den Bedürfnissen der Friedhofsbesucher.

Mauern wurden, sofern noch nicht vorhanden, vielerorts errichtet, um das Vieh abzuhalten, welches die Würde des Ortes beeinträchtigen würde. Jene war nun in vielen Fällen nicht mehr durch die Nähe zur Kirche gewährleistet und musste daher auf andere Weise zum Ausdruck gebracht werden. Demzufolge rückten ästhetische Aspekte bei der Gestaltung der Friedhöfe verstärkt in den Vordergrund.

Diese Veränderung zeigt sich merklich jedoch erst ab dem Ende des 17. Jh.. Im Barock wird erstmals eine deutliche Strukturierung in der Anlage der Gräber deutlich. Anders als in den ungeordneten und häufig sich überschneidenden Gräbern des Mittelalters werden die Toten nun in regelmäßig angelegten Grabreihen mit namentlich gekennzeichneten Grabsteinen bestattet. Die im Mittelalter obligate Ausrichtung der Bestattungen nach Osten wird zunehmend aufgegeben und statt dessen den architektonischen und landschaftlichen Gegebenheiten, wie den sich nun herausbildenden Gehwegen für Friedhofsbesucher angepasst. Auch gewinnt die Pflege der Gräber von Angehörigen mehr und mehr an Bedeutung. Da die Gräber nun auch für einen längeren Zeitraum ungestört an Ort und stelle verbleiben sollten, wurden die Beinhäuser überflüssig. Man löste sie auf und bestattete die in ihnen enthaltenen Gebeine erneut.[14]

Inwieweit die genannten Entwicklungen auf den Protestantismus zurückzuführen sind ist jedoch schwer zu beurteilen. Da sie jedoch, wie zuvor erwähnt, erst einige Zeit nach dem Beginn der Reformation deutlich einsetzten, ist ein unmittelbarer Zusammenhang wohl auszuschließen. Dieser große Zeitabstand lässt sich auch kaum mit der in manchen Gegenden verzögerten Ausbreitung des Protestantismus erklären. Gegen einen direkten Zusammenhang spricht auch die Tatsache, dass die erwähnten Entwicklungen sowohl in katholischen, als auch in protestantischen Gemeinden zu beobachten sind.[15]

3. Bestattungen

In der Barockzeit wurde das Aufbahren der Toten zu einem festen Bestandteil des Bestattungsrituals.[16] Dies erklärt, warum ab dieser Zeit nahezu alle Bestattungen in Särgen vorgenommen wurden, da diese für die Aufbahrung notwendig waren. Weitaus die meisten Särge bestanden aus Holz, da dieses Material am kostengünstigsten war .[17] In seltenen Fällen und in erster Linie in Grüften finden sich auch solche aus Stein oder Metall, die jedoch häufig einen Holzsarg als Kern hatten.[18]

[...]


[1] Nach: Koslofsky 2000. S. 3.

[2] Ebda. S. 2f.

[3] Descaeudres 1995. S. 76.

[4] 'Fegefeuer' in: Brockhaus multimedial 2002.

[5] Happe 1991. S. 178f.

[6] Nach: Koslofsky 2000. S. 46.

[7] Nach: Happe 1991. S. 180: „Weil wir aber ynn dieae sache komen sind, vom sterben zu reden, kan ichs nicht lassen, auch von dem begrebnis etwas zu reden. Auffs erst las ich das die Doctores der ertzney urteilen und alle die des bas erfaren sind, obs ferlich sey, das man mitten ynn stedten kirchhofe hat. Denn ich weis und verstehe mich nichts drauff, ob aus den grebern dunst odder dampff gehe, der die lufft verrücke.“

[8] Ebda. 1991. S. 179ff.

[9] Koslofsky 2000. S. 40.

[10] Nach: Happe. S. 180f.

[11] Koslofsky 2000. S. 44ff.

[12] Happe 1991. S. 189.

[13] Koslofsky 2000. S. 42.

[14] Descaeudres 1995. S. 78.

[15] Happe 1991. S. 206.

[16] Kenzler 2002. S. 155.

[17] Ebda.. S. 158.

[18] Fingerlin 1992. S. 220

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Protestantische Friedhöfe
Untertitel
Protestantische Bestattungs- und Beigabensitte im gräberarchäologischen Befund
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Veranstaltung
Proseminar: Archäologie und Tod
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
18
Katalognummer
V83790
ISBN (eBook)
9783638001106
ISBN (Buch)
9783638912129
Dateigröße
1094 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Protestantische, Friedhöfe, Proseminar, Archäologie
Arbeit zitieren
Svenja Muche (Autor:in), 2007, Protestantische Friedhöfe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83790

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