Folgt aus der demokratischen Verfasstheit eines Staates automatisch ein friedliches Außenverhalten?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

26 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Zum ewigen Frieden
1.1 Geschichtlicher Hintergrund
1.2 Die drei Definitivartikel

2. Definition des Demokratiebegriffs
2.1 Kantische Definition von Demokratie
2.2 Lexikalische Definition von Demokratie
2.3 Czempiels Definition von Demokratie

3. Der Realismus

4. Die Theorie des Demokratischen Frieden
4.1 Die monadischen Erklärungsansätze
4.1.1 Der strukturell-institutionalistische Ansatz
4.1.2 Der normativ-kulturelle Ansatz
4.2 Der empirische Doppelbefund
4.3 Die dyadischen Erklärungsansätze
4.3.1 Der strukturell-institutionalistische Ansatz
4.3.2 Der normativ-kulturelle Ansatz

5. Das militärische vs. Pazifistische Demokratiemodell
5.1 Der militärische Demokratietyp
5.2 Der pazifistische Demokratietyp

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Ist es möglich, dass Staaten den Einsatz von Gewaltmittel vollständig ablehnen und friedlich miteinander leben? Diese Frage stellen sich Philosophen und Politikwissenschaftler seit Jahrzehnten, gar Jahrhunderten. Die Antworten darauf sind so vielfältig, wie die dahinter stehenden Theorien. Beispielsweise unterscheiden sich der Realismus und der Liberalismus bei der Beantwortung dieser Frage gravierend.

Eine Antwort auf diese Frage bietet das Werk „Zum ewigen Frieden“ von Immanuel Kant, das in einer Zeit des Umbruchs, nämlich 1795, in Europa erschienen ist. Seine Antwort lautet indes simpel: Demokratie. Wenn alle Staaten demokratisch wären, bzw. in seinen Worten republikanisch, dann würde es zum ewigen Frieden kommen, nach dem alle Menschen streben.

Als die Zeit des Kalten Krieges zu Ende ging, erhielt die These, dass die demokratische Herrschaftsform automatisch zu einem friedfertigen Außenverhalten führt hohe Konjunktur. Und dies nicht nur in der Wissenschaft. Demokratisierung wurde als neues außenpolitisches Instrument verstanden. Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton äußerte sich 1994 in seiner State of the Union Ansprache: „Democracies don´t attack each other“ (zitiert nach Owen 1996: 116). James Baker, ein ehemaliger US-Außenminister sagte sogar: „A democratice peace would be a genuine peace; it would not be just the absene of war“ (zitiert nach Rauch 2005: 13). Auch der jetzige Präsident George Bush sagte: „Die beste Hoffnung für Frieden in unserer Welt liegt in der Ausbreitung von Freiheit überall in der Welt“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung: 2005). Hierbei handelt es sich nicht nur um ein amerikanisches Phänomen. Gerhard Schröder sagte: „Die Gefahr bewaffneter Konflikte und kriegerische Auseinandersetzungen besteht dort, wo es an Demokratie mangelt“ (zitiert nach Rauch 2005: 14). Auch der frühere französische Präsident stimmte zu, dass Demokratie „das sicherste Mittel, den Frieden zu garantieren“ (zitiert nach ebd. 2005:14) ist.

Aufgrund dessen möchte ich in meiner Hausarbeit folgende Frage beantworten: Folgt aus der demokratischen Verfasstheit eines Staates automatisch ein friedliches Außenverhalten? Um diese Frage zu beantworten, werde ich wie folgt vorgehen:

Zum ersten beziehe ich mich auf Immanuel Kants Werk „Zum ewigen Frieden“. Ich werde kurz sein Werk sowie die drei Definitivartikel vorstellen.

Anschließend zeige ich die Demokratievorstellung von Kant auf um dann aufzuzeigen, dass die heutigen Demokratien seiner Vorstellung nicht entsprechen. Dies werde ich anhand der lexikalischen Definition des Demokratiebegriffs tun um anschließend anhand von Czempiel zu zeigen welche Kriterien die heutigen Demokratien erfüllen müssen, damit sie der kantischen Vorstellung entsprechen.

In einem dritten Schritt zeige ich kurz die realistischen Annahmen über das internationale System auf, denen demokratische Staaten ebenfalls unterliegen. Insbesondere versucht gerade die Theorie des Demokratischen Friedens einen Gegenentwurf zu den realistischen Ansätzen zu bieten.

In Punkt vier präsentiere ich die Theorie des Demokratischen Friedens. Ich werde zwischen der monadischen und dyadischen Version differenzieren und ebenfalls zwischen den einzelnen Erklärungsansätzen zum Außenverhalten von Demokratien. Ich werde im vierten Punkt auch auf den empirischen Doppelbefund eingehen.

In einem fünften Schritt zeige ich eine weitere Differenzierung zwischen den Demokratiemodellen auf, nämlich der Unterscheidung zwischen einer militärischen und pazifistischen Demokratie.

Am Ende werde ich eine Fazit ziehen und meine Frage beantworten.

1. Zum ewigen Frieden

In seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ stellt Kant dar, nach welchen Prinzipien und Grundsätzen es zu einer friedlichen Welt kommen kann. Allerdings stellt das Ziel eines ewigen Friedens zwischen den Völkern für Kant ein Ideal dar, welches erst in ferner Zukunft erreicht wird. Da der angezielte Rechtszustand nur einen fiktiven Charakter hat, erscheint das Ziel allerdings unerreichbar (vgl. Hörner 2005: 21).

Die Schrift besteht aus zwei Abschnitten und zwei Anhängen. Der erste Abschnitt enthält die sechs Präliminarartikel und der zweite Abschnitt enthält die drei Definitivartikel. Es folgen dann die Zusätze und Anhänge.

Im folgenden Kapitel stelle ich kurz den geschichtlichen Hintergrund Kants Schrift auf und werde anschließend die drei Definitivartikel bzw. Thesen darstellen, die erfüllt sein müssen, damit es zu einem ewigen Frieden zwischen den einzelnen Staaten kommen kann.

1.1 Geschichtlicher Hintergrund

Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“ erscheint in einer Zeit des Umbruchs, nämlich 1795. Es ist eine Zeit, in der die Aufklärung großen Einfluss auf die Philosophen ausübt. Damit eingehend finden in Europa zahlreiche Umbrüche statt, so zum Beispiel die Französische Revolution. Dieses Ereignis hat auf Kant den größten Einfluss ausgeübt (vgl. Gerhardt 1995: 18). Es waren die Ereignisse zwischen dem Sturm auf die Bastille am 14.07.1789 und dem Frieden in Basel vom 05.04.1795 „die das Urteil über die weltpolitischen Chancen des Friedens verändert“ hatten (ebd. 1995: 19). Es ist ein Zustand erreicht, indem sich „die kulturelle Dynamik der Kriege verliert“ (ebd. 1995: 19). Das Recht, welches zuvor durch Kriege vorangetrieben wurde, hat sich soweit entwickelt, dass „es in künftigen Kriegen nur noch Schaden nehmen kann“ (ebd. 1995: 19). Die Staaten müssen nun in einen rechtsförmigen Zustand eintreten und ihre äußeren Angelegenheiten und Konflikte friedlich regeln (ebd. 1995: 19).

1.2 Die drei Definitivartikel

Immanuel Kant nennt insgesamt drei Definitivartikel, die erfüllt sein müssen, damit es zu einem friedlichen Zusammenleben kommen kann.

Der erste Definitivartikel lautet: „Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein“ (Kant 1795: 10). Daraus folgt, dass Macht nur durch das Recht legitimiert wird und daraus letztendlich Frieden entsteht. Der entscheidende Punkt ist hier, dass die Ursache für den äußeren Frieden zwischen den Staaten in der Rechtsordnung der einzelnen Staaten liegt (vgl. Gerhardt 1995: 79). Schwerpunkt des ersten Definitivartikels ist die Tatsache, dass nach Kant, der Besitzbürger im Gegensatz zu einem König sich stets gegen einen Krieg entscheiden würde. „Wenn (wie es in dieser Verfassung nicht anders sein kann) die Bestimmung der Staatsbürger dazu erfordert wird, um zu beschließen, ´ob Krieg sein sollte, oder nicht´, so ist nichts natürlicher, als dass, da sie alle Drangsale des Krieges über sich selbst beschließen müssten (als das sind: selbst zu fechten; die Kosten des Krieges aus ihrer eigenen Habe herzugeben; die Verwüstung, die er hinter sich lässt, kümmerlich zu verbessern; zum Übermaße des Übels endlich noch eine, den Frieden selbst verbittende, nie (wegen naher immer neuer Kriege) zu tilgende Schuldenlast selbst zu übernehmen), sie sich sehr bedenken werden, ein so schlimmes Spiel anzufangen: Da hingegen in einer Verfassung, wo der Untertan nicht Staatsbürger, die also nicht republikanisch ist, es die unbedenklichste Sache von der Welt ist, weil das Oberhaupt nicht Staatsgenosse, sondern Staatseigentümer ist, an seinen Tafeln, Jagden, Lustschlösser, Hoffesten u. d. gl. durch den Krieg nicht das mindeste einbüßt, diesen also wie eine Art von Lustpartie aus unbedeutenden Ursachen beschließen, und der Anständigkeit wegen dem dazu allzeit fertigen diplomatischen Korps die Rechtfertigung desselben gleichgültig überlassen kann“ (Kant 1795: 12f).

Der zweite Definitivartikel lautet: „Das Völkerrecht soll auf einem Föderalismus freier Staaten gründen“ (Ebd. 1795: 16). Hier skizziert Kant ein Bild von einem Völkerbund, indem alle souveränen Staaten Mitglied sind. Dabei ist hier besonders wichtig, dass es sich nicht um eine supranationale Institution, oder Weltstaat handelt, der das Gewaltmonopol inne hat. Es handelt sich bei diesem Friedensbund bzw. foedus pacificum eher um eine intergouvernementale Institution, bei der die Souveränität bei jedem Einzelstaat verbleibt.

Der dritte Definitivartikel lautet: „Das Weltbürgerrecht soll auf Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt sein“ (Ebd. 1795: 21). Hier meint Kant, dass bei Ankunft eines Fremden in einem anderen Land, dieser nicht als feindselig betrachtet werden darf. Es geht hier auch nicht um ein Gastrecht, sondern lediglich um ein Besuchsrecht. „Es ist hier wie in den vorigen Artikeln nicht von Philanthrophie, sondern vom Recht die Rede, und da bedeutet Hospitalität (Wirtbarkeit) das Recht eines Fremdlings, seiner Ankunft auf dem Boden eines anderen wegen von diesem nicht feindselig behandelt zu werden. Dieser kann ihn abweisen, wenn es ohne seinen Untergang geschehen kann, solange er aber auf seinem Platz such friedlich verhält, ihn nicht feindlich begegnen. Es ist kein Gastrecht, worauf dieser Anspruch machen kann (wozu ein besonderer wohltätiger Vertrag erfordert werden würde, ihn auf eine gewisse Zeit zum Hausgenossen zu machen), sondern ein Besuchsrecht (...)“ (Ebd. 1795: 21). Hier meint Kant letzt endlich, was allgemein als Reisefreiheit aufgefasst wird (vgl. Gerhardt 1995: 105).

2. Definitionen des Demokratiebegriffs

Im folgenden Abschnitt zeige ich das Demokratieverständnis von Kant, sowie der heutigen lexikalischen Definition auf. Daraus folgernd werde ich anhand von Czempiel aufzeigen, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit die heutigen Demokratien dem kantischen Modell entsprechen.

2.1 Kantische Definition von Demokratie

Kant spricht im ersten Definitivartikel davon, dass die Verfassung eines Staates republikanische sein soll. Er erwähnt nicht demokratisch. Die Frage ist, ob er eine heutige demokratische Verfassung im Sinn hatte. Die demokratische Staatsform, die bereits zu seiner Zeit existierte lehnt er hingegen deutlich ab. „Unter den drei Staatsformen ist die der Demokratie im eigentlichen Verstande des Wortes notwendig ein Despotism, weil sie eine exekutive Gewalt gründet, da alle über und allenfalls auch wider einen (der also nicht mit einstimmt), mithin alle, die doch nicht alles sind, beschließen; welches ein Widerspruch des allgemeinen Willens mit sich selbst und mit der Freiheit ist“ (Kant 1795: 14). Doch wieso gilt nach Kant besonders die republikanische Verfassung als geeignetes Mittel für ein friedliches Außenverhalten? Kant nennt hierfür im Wesentlichen drei Gründe:

Zum ersten liegt in der Tatsache, dass nur ein Staat den Bürgern ein friedliches Zusammenleben garantieren kann. Dies geschieht dadurch, dass Macht an das Menschenrecht gebunden ist. Die Konflikte werden aufgrund dessen rechtsförmig, also friedlich gelöst. Und wenn Konflikte im Inneren friedlich gelöst werden, so tritt dies ebenfalls in den Außenbeziehungen zum Vorscheinen (vgl. Gerhardt 1995: 87).

Zum zweiten gilt das Grundprinzip, dass alle Bürger als Untertanen auftreten und somit jede private und staatliche Handlung an das geltende Recht gebunden ist. Aufgrund dessen entsteht ein hoher Grad an Rechtssicherheit auch über die eigenen Staatsgrenzen hinaus. Jeder Untertan bleibt selbst im Ausland an das Recht seines eigenes Landes gebunden. Auch dürfen die staatlichen Vertreter in der Außenpolitik so handeln, wie es die Gesetze ihre Heimatlandes gewähren. Dadurch externalisieren sie die innere Rechtssicherheit nach außen (vgl. ebd. 1995: 87).

Der dritte Grund hingegen findet sich deutlich im ersten Definitivartikel wieder. Wenn der Staatsbürger selbst darüber entscheidet, ob er in einen Krieg zieht, so wird sich dieser immer gegen einen solchen Akt entscheiden. Es widerspricht dem rationalen Bürger, da der Schaden nicht in Relation zum Gewinn steht (vgl. ebd. 1995: 88).

Zieht man nun die Begründung zusammen, so ist daraus zu schlussfolgern, dass die Prinzipien der republikanischen Verfassung mit dem heutigen demokratischen Rechtsstaat übereinstimmen. Genauer gesagt ist hier die liberale Demokratie gemeint, die sich durch eine rechtlich verfasste, parlamentarische Staatsordnung auszeichnet (vgl. ebd. 1995: 89). Zwar würde das Modell einer deliberativen Demokratie eher der kantischen Idee entsprechen, doch ist diese in der heutigen Zeit kaum praktikabel.

Kant spricht sich auch nicht prinzipiell gegen jede Art von Demokratie aus. Er spricht sich lediglich gegen jene aus, die nicht repräsentativ sind (vgl. ebd. 1995: 90; Kant 1795: 14). Das Fundament in Kants Schrift ist nämlich die Mitbestimmung des Bürgers. Hier liegt auch der innere Grund für die äußerliche Friedfertigkeit.

Dies führt dazu, dass lediglich die parlamentarische Demokratie die strengen Prinzipien des Republikanismus[1] erfüllt und ein Frieden nur zwischen rechtsstaatlich verfassten parlamentarischen Demokratien existieren kann (vgl. Gerhardt 1995: 90).

[...]


[1] Das Konzept des Republikanismus steht „für ein theoretisches Konzept , das unter Rückgriff auf normative und überhöhte Vorstellungen der griech. Polis wie dem republikanischen Rom ein freies, dem Gemeinwohl verpflichtetes Gemeinwesen wesentlich auf Bürgertugend und Patriotismus gründet“ (Nohlen/Schultze 2002b: 818).

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Folgt aus der demokratischen Verfasstheit eines Staates automatisch ein friedliches Außenverhalten?
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Gesellschaftswissenschaften)
Veranstaltung
Demokratischer Frieden – Demokratischer Krieg
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
26
Katalognummer
V83770
ISBN (eBook)
9783638001052
ISBN (Buch)
9783638910705
Dateigröße
488 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Folgt, Verfasstheit, Staates, Außenverhalten, Demokratischer, Frieden, Demokratischer, Krieg
Arbeit zitieren
Martin Kacprzycki (Autor:in), 2007, Folgt aus der demokratischen Verfasstheit eines Staates automatisch ein friedliches Außenverhalten?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83770

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Folgt aus der demokratischen Verfasstheit eines Staates automatisch ein friedliches Außenverhalten?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden