Entstehung und Wirkung des Instruktionstheoretischen Offenbarungsparadigmas

Von der apokalyptischen Erwartung des frühen Christentums bis zur Offenbarungskritik der Aufklärung


Seminararbeit, 2006

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Was ist Offenbarung?

3 Offenbarungsvorstellungen von Jesus bis zur Aufklärung
3.1 Das epiphanische Paradigma
3.1.1 Die Offenbarung im Neuen Testament
3.1.2 Das Offenbarungsverständnis der Alten Kirche
3.2 Die Parusieverzögerung und ihre Folgen
3.3 Das instruktionstheoretische Paradigma

4 Die Offenbarungskritik der Aufklärung
4.1 Kritik an der übernatürlichen Erkenntnis
4.2 Kritik am Inhalt der geoffenbarten Erkenntnis
4.3 Kritik an der Heilsnotwendigkeit der Offenbarung

5 Schluss

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das Christentum war in seiner Geschichte und der seiner Glaubensdogmen einschneidenden Veränderungen unterworfen. Die Gründe dafür waren unterschiedlicher Art.

Die jeweilige Glaubensmeinung der christlichen Theologie ist stark verknüpft mit dem Offenbarungsbegriff, der zur gleichen Zeit vorherrschend war. Ebenso war das Verständnis von Offenbarung bestimmend für die Sichtweise, in welchem Verhältnis der Mensch zu Gott steht. Gegen die jeweilige theologische Definition von Offenbarung wurden mehrmals in der Geschichte des Christentums innerhalb und außerhalb der Kirche Zweifel laut und ergänzende und entgegengesetzte Meinungen konstruiert. Die gravierendsten Änderungen erlebte der Offenbarungsbegriff um das 17. Jahrhundert, als sich viele Theologen und Philosophen mit dem Selbstverständnis des Christentums und seiner Legitimation beschäftigten.

2 Was ist Offenbarung?

Je nach Art seiner Verwendung hat der Begriff „Offenbarung“ unterschiedliche Bedeutungen. Religionsgeschichtlich gesehen versteht man unter einer Offenbarung Botschaften, die auf wundersame Weise einem oder mehreren Menschen durch einen oder mehrere Götter kundgetan wurden. Im engeren Sinn sind Offenbarungen Erleuchtungen, Visionen oder mystische Erkenntnisse, durch die der Mensch transzendente Erlebnisse erfährt.[1] In religionsphilosophischer Sicht wird Offenbarung als „Kategorie der religiösen Erfahrung“, als „(Selbst-) Vermittlung von Transzendenz in die Immanenz oder als Durchbruch des Unbedingten in die Welt des Bedingten“[2] bezeichnet, während im christlichen Sinne Offenbarung historisch-theologisch als „Zugänglichwerden des Geheimnisses der Gottesherrschaft und des Reichtums Christi, in dem die Weisheit Gottes erschlossen ist“,[3] definiert wird.

Der Offenbarungsbegriff wird danach unterschieden, ob er phänomenologisch oder theologisch-normativ verwendet wird. Bei der phänomenologischen Offenbarung werden erlangte Erkenntnisse auf eine außermenschliche bzw. transzendente Wirklichkeit zurückgeführt. Das Erkennen des Offenbarten beschränkt sich hier auf Form und Inhalt. Auf transzendente Wirklichkeiten zurückgeführte Religionen werden Offenbarungsreligionen genannt.[4] Offenbarungsreligionen sind demnach Religionen, die durch prophetisch vermittelte Botschaften begründet sind, wie z.B. Judentum, Christentum und Islam. Offenbarungen gelten für Offenbarungsreligionen als Vorgänge, die geschichtlich wirksam geworden religionsbegründend sind, wobei die erfolgte Offenbarung als Stiftungsereignis einzuordnen ist. Die Gottheit bestimmt in der Offenbarungsreligion die Lebensmitte, das Heil der Welt und das Handeln der Menschen werden durch sie bestimmt und sind auf sie ausgerichtet. Das Christentum nimmt unter den Offenbarungsreligionen eine Sonderstellung ein, da die Offenbarung personenhaft ist und sich in der Inkarnation des λογος ereignet. Diese Art der Offenbarung ist nicht allein auf die Botschaft Gottes bezogen, sondern eine Selbstoffenbarung durch die Menschwerdung Jesu Christi.[5]

Die theologisch-normative Verwendung des Offenbarungsbegriffs bezeichnet die Art einer Religionsgemeinschaft, welche Offenbarungsphänomene sie für echt erklärt und wie sie den Vorgang und das Zustandekommen von Offenbarung überhaupt denkt.[6]

3 Offenbarungsvorstellungen von Jesus bis zur Aufklärung

Der Offenbarungsbegriff hat in der Frühzeit der christlichen Kirche noch nicht die fundamentale Bedeutung, die ihm heute zuteil wird. Als systematisierte Kategorie war die Offenbarung gänzlich unbekannt. Dies änderte sich erst im Lauf der Jahrhunderte durch veränderte Glaubensvoraussetzungen und gesellschaftliche Bedingungen.[7]

3.1 Das epiphanische Paradigma

Das erste christliche Offenbarungsparadigma, das sich rückblickend beschreiben lässt, ist das „epiphanische Paradigma“, das von der Auferstehung Jesu Christi bis hin ins Mittelalter das christliche Offenbarungsdenken beherrschte. Innerhalb dieses Denkens ist zu unterscheiden zwischen den Offenbarungsvorstellungen der biblischen und frühpatristischen Zeit und denen der Alten Kirche bis hin zum Mittelalter.

3.1.1 Die Offenbarung im Neuen Testament

In biblischer und frühpatristischer Zeit, in der der Offenbarungsbegriff noch nicht systematisch-theologisch kategorisiert war, überwog das Konzept der Epiphanie, der Erscheinung. Geburt, Leben und Auferstehung Jesu wurde als Anbruch einer neuen Endzeit interpretiert, in der „die Liebe Gottes auf eine neue, bislang nur ersehnte Weise zum Durchbruch gekommen ist.“[8] Dies zeigt, dass zur Zeit der Entstehung des Neuen Testaments und weiter in der Zeit der alten Kirchenväter die Heilsvorstellung noch stark jüdisch-apokalyptisch geprägt war. Inhalt der Offenbarung war Übermittlung apokalyptischen Geheimwissens, durch die Sinn und Zeitplan heilsgeschichtlicher Ereignisse und das Auftreten Gottes bestimmt wurden.[9]

Im Neuen Testament ist die Offenbarung durch das Heilshandeln Gottes in Jesus Christus bestimmt. Zentrale Punkte dieser Offenbarung sind die Visionen und Auditionen im Zusammenhang mit dem Ostergeschehen, die eine „konstitutive Funktion für die neutestamentliche Gottesrede erlangen“[10]. Jesus Christus hat im Neuen Testament somit eine doppelte Funktion: Er offenbart Gott zum Heil der Menschen und ist gleichermaßen selbst Offenbarung.[11]

3.1.2 Das Offenbarungsverständnis der Alten Kirche

In der spätpatristischen Zeit, die auch als Übergangszeit zum 2., dem instruktionstheoretischen Paradigma gilt, veränderte sich der Offenbarungsbegriff zum ersten Mal. Dies war jedoch ein langsamer Prozess, der durch die Entwicklung des Christentums zur Kirche, also durch die Institutionalisierung der Anhänger der Lehren Christi, bedingt war. Eine wesentliche Rolle spielte hierbei der Zeitfaktor, denn die Erwartungen der frühen Christen auf ein rasches Ende der irdischen Welt und die damit erhoffte Erlösung durch Jesus Christus wurde nicht erfüllt.[12]

Jedoch dauerte es bis zum Mittelalter, bis die Erwartungen an eine baldige Epiphanie überwunden wurden, der Offenbarungsbegriff wurde bis zu dieser Zeit wenig reflektiert. Ein Indiz hierfür ist, dass Offenbarungsglaube und Vernunft noch nicht getrennt, sondern als „spannungsvolle Einheit“[13] aufgefasst wurden. Die menschliche Vernunft wurde als durch die Offenbarung bedingte Instanz verstanden. Deutlich wird dies in einer Formulierung des Kirchenvaters Augustinus (354-430)[14]: „Erkennen, um zu glauben. Glauben, um zu erkennen.“[15] Die Diskussion, wie Offenbarung theologisch zu deuten und zu definieren sei, begann in der Auseinandersetzung des Christentums mit Judentum und Hellenismus. Dies hatte zur Folge, dass die christliche Offenbarung bereits in Ansätzen als heilsbringende Erkenntnis durch Belehrung aufgefasst wurde.[16]

3.2 Die Parusieverzögerung und ihre Folgen

Unter Parusie verstand man in der frühen Zeit des Christentums das in naher Zeit zu erwartende zweite Kommen des Messias. Das epipihanische Paradigma war geprägt von der Erwartung kurz bevorstehender endzeitlicher Ereignisse, in der Jesus Christus ein weiteres Mal in die irdische Welt kommt und das Jüngste Gericht einläutet. Das Ausbleiben dieser erwarteten Ereignisse führte zu einer Abschwächung dieser aus dem Judentum übernommenen apokalyptischen Sichtweise im Christentum, was auch zu einem Zurücktreten der heilsgeschichtlichen Perspektive führte.

Die Beschäftigung mit seinen Glaubensinhalten führte im Christentum, dessen Erwartungen an das Jüngste Gericht nun in den Hintergrund rückten, zur Kanonbildung seiner heiligen Schriften und Herausbildung von Glaubenslehren, was wiederum zur stärkeren Reflektierung des Heils- und Offenbarungsbegriffs führte. Dies wirkte sich, auch durch starken Einfluss von Hellenismus und Gnosis (Lehre von der rationalen Erkenntnis), auf die Entstehung einer eigenständigen christlichen Theologie aus. Bei der Entstehung dieser Lehren wurde, um sich von Häresien abzugrenzen, betont, dass nur die Theologie über die „rechte Lehre“ verfüge, die sich auf die geoffenbarten Glaubensinhalte zurückführen lasse. Auf diesem Wege wurden Offenbarungsidee und Heilsverständnis intellektualisiert. Im Vordergrund stand also nicht mehr Vermittlung göttlicher Botschaften, sondern die Entstehung von kanonisierten Schriften und verfassten Glaubenslehren dienten als Fundament der christlichen Instruktion.[17]

[...]


[1] Vgl. Horst, Bürkle: [Art.] Offenbarung. I. Religionsgeschichtlich, in: LThK, Bd. 7 (31998), Sp. 983.

[2] Werner Schüssler: [Art.] Offenbarung IV. Religionsphilosophisch, in: LThK, Bd. 7 (31998), Sp. 988.

[3] Jürgen Werbick: [Art.] Offenbarung. V. Historisch-theologisch, in: LThK, Bd. 7 (31998), Sp.989.

[4] Vgl. Perry Schmidt-Leukel: Grundkurs Fundamentaltheologie. Eine Einführung in die Fragen des christlichen

Glaubens, München 1999, S. 141f.

[5] Vgl. Horst Bürkle: [Art.] Offenbarungsreligion, in: LThK, Bd. 7 (31998), Sp. 1001,

vgl. ders.: [Art.] Offenbarung. I. Religionsgeschichtlich, Sp. 984,

vgl. Josef Schmitz: Das Christentum als Offenbarungsreligion im kirchlichen Bekenntnis, in: Handbuch der

Fundamentaltheologie. Bd. 2 Traktat Offenbarung, hg. v. Walter Kern/ Hermann J. Pottmeyer/ Max Seckler,

Tübingen und Basel 2000, S. 3.

[6] Vgl. Schmidt-Leukel: Grundkurs Fundamentaltheologie, S. 142.

[7] Vgl. ebd., S. 143.

[8] Ebd.

[9] Vgl. ebd.

[10] Thomas Söding: [Art.] Offenbarung. II. Biblisch-theologisch. 2. Neues Testament, in: LThK, Bd. 7 (31998),

Sp. 986.

[11] Vgl. ebd.

[12] Vgl. Schmidt-Leukel: Grundkurs Fundamentaltheologie, S. 143f.

[13] Josef Schmitz: Offenbarung, Düsseldorf 1988, S. 49.

[14] Vgl. Wilhelm Geerlings: [Art.] Augustinus, in: LThK, Bd. 1 (31993), Sp. 1240.

[15] Zitiert nach Schmitz: Offenbarung, S. 49.

[16] Vgl. Schmitz: Offenbarung, S. 48-50.

[17] Vgl. ebd., S. 36,

vgl. Schmidt-Leukel: Grundkurs Fundamentaltheologie, S. 143f,

vgl. Max Seckler: Der Begriff der Offenbarung, in: Handbuch der Fundamentaltheologie. Bd. 2 Traktat

Offenbarung, hg. v. Walter Kern/ Hermann J. Pottmeyer/ Max Seckler, Tübingen und Basel 2000, S. 45,

vgl. Marco S. Torini: [Art.] Gnosis, Gnostizismus, in: LThK, Bd. 4 (31995), Sp. 802.

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Details

Titel
Entstehung und Wirkung des Instruktionstheoretischen Offenbarungsparadigmas
Untertitel
Von der apokalyptischen Erwartung des frühen Christentums bis zur Offenbarungskritik der Aufklärung
Hochschule
Universität des Saarlandes  (Katholische Theologie)
Veranstaltung
Einführung in die Fundamentaltheologie
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
18
Katalognummer
V83639
ISBN (eBook)
9783638000604
ISBN (Buch)
9783638910590
Dateigröße
449 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entstehung, Wirkung, Instruktionstheoretischen, Offenbarungsparadigmas, Einführung, Fundamentaltheologie
Arbeit zitieren
Frank Bodesohn (Autor:in), 2006, Entstehung und Wirkung des Instruktionstheoretischen Offenbarungsparadigmas, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83639

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