Liberalismus, Kulturkampf und innere Nationsbildung


Seminararbeit, 2007

24 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2 Der weltanschauliche Antagonismus zwischen Liberalismus und Ultramontanismus zwischen 1815 und 1871
2.1 Der deutsche Liberalismus in der Zeit bis zur Reichsgründung 1871
2.2 Der Ultramontanismus
2.3 Die Konflikte zwischen Staat bzw. Liberalismus und Ultramontanismus

3 Der Kulturkampf 1871-1878
3.1 Die Ursachen und Entstehung des Kulturkampfes
3.2 Die Rolle der liberalen Parteien
3.3 Die Rolle des politischen Katholizismus

4 Innere Nationsbildung
4.1 Der innere Nationsbildungsprozess in den Jahren 1806-1871
4.2 Die Rolle des Kulturkampfes bei der inneren Reichsbildung
4.3 Die innere Nationsbildung in der liberalen Ära (1871-1878)

5 Quellenteil
5.1 Wilhelm Loewe – Trennung von Kirche und Staat
5.3 Heinrich von Treitschke- Der Kulturkampf als Zeichen nationaler Einheit

6 Schlussgedanken

1. Einleitung

In dieser Arbeit, die sich mit dem Thema Liberalismus, Kulturkampf und innerer Nationsbildung auseinandersetzt, soll die Rolle der Liberalen im 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem Kulturkampf und der Herausbildung des Deutschen Reiches bearbeitet werden. Hierbei wird das religiöse Verständnis der Liberalen in der Zeit zwischen dem Ende der napoleonischen Herrschaft in Europa 1815 bis zur Aufgabe des Kulturkampfes unter Bismarck 1878/79 genauer beleuchtet und die Konsequenzen, die sich im Umgang mit der katholischen Kirche daraus ergeben. Dazu soll auch untersucht werden, welche Bedeutung der Kulturkampf bei der inneren Nationsbildung hatte.

Aus diesem Kontext ergeben sich folgende Leitfragen, welche Rolle nahm der Kulturkampf nach dem liberalen Verständnis in der Nationsbildung ein und steht dieser noch im Einklang mit den liberalen Vorstellungen in den Jahrzehnten vor der Reichsgründung?

Damit diese Hausarbeit fachgerecht erschlossen werden kann, wird einschlägige Literatur in Form von Standardwerken, Aufsätzen und Sammelbänden verwendet, die von Autoren wie Thomas Nipperdey, Lothar Gall, Franz Bauer, Jürgen Kocka und anderen publiziert bzw. herausgegeben wurden. Des Weiteren stützt sich diese Hausarbeit auf eine Quellensammlung, damit der Leser ein naturgetreueres Bild dieser abzuhandelnden Zeit bzw. über das Thema erhält. Der Überblick über den aktuellen Forschungsstand wird durch die Ergebnisse von namhaften Historikern wie Dieter Langewiesche, Gerhard Besier und Lothar Gall vermittelt, die mit ihrer Arbeit auf dem Gebiet der Nationsbildungs- und Kulturkampfforschung beachtliches leisteten.

Die Untergliederung dieser Arbeit erfolgt in fünf Themenbereiche, die wiederum jeweils in mindestens zwei Unterbereiche gegliedert sind. Im ersten Themenbereich wird der Liberalismus und der Ultramontanismus dargestellt und welche Entwicklungen sie im 19. Jahrhundert bis zur Reichsgründung 1870/71 nahmen. Im zweiten Themenbereich wird die Zeit des Kulturkampfes, also die liberale Ära der Kanzlerschaft Bismarcks beleuchtet und die Ausprägungen der beiden Strömungen (Liberalismus und Ultramontanismus) untersucht.

Im dritten Themenbereich wird die innere Nationsbildung besprochen: Ihre Grundbedingungen, Anfänge und ihre Vollendung. Außerdem soll der Einfluss und die Ausprägung des Kulturkampfes auf die innere Nationsbildung thematisiert werden. Abschließend werden kurz die Auswirkungen des Kulturkampfes auf die folgende deutsche Geschichte untersucht und welche Rolle der politische Katholizismus in der deutschen Geschichte und der deutschen Nationsbildung einnahm.

Im vierten und letzten Themenbereich sollen noch Quellen zu den Leitfragen untersucht und verglichen werden

Im Schlussteil wird dann die Hausarbeit zusammengefasst, die Quellen verglichen und offene Fragen geklärt. Auch fließen dort eigene Gedanken in die Arbeit mit ein.

2 Der weltanschauliche Antagonismus zwischen Liberalismus und Ultramontanismus zwischen 1815 und 1871

2.1 Der deutsche Liberalismus in der Zeit bis zur Reichsgründung 1871

Dieser Themenabschnitt beschäftigt sich mit der Entwicklung des deutschen Liberalismus. Dabei stehen Erfolge, Niederlagen und Kämpfe im Vordergrund. Auch wird es notwendig sein, partiell einen Vergleich zu ziehen zwischen deutschem und englischem Liberalismus.

Der Liberalismus in Deutschland war, wie überall in Europa, die Bewegung des aufsteigenden Bürgertums. Dieses liberale Bürgertum war bestrebt seine Prinzipien und Interessen wie die Vernunft, die individuelle Autonomie, Freiheits- und Gleichheitsrechte und somit auch die Herrschaft der Gesetze zu verwirklichen. Mit diesen Prinzipien richtete es sich kategorisch gegen die feudale bzw. absolutistische Herrschafts- und Wirtschaftsordnung. Der Mensch sollte seinen sozialen und wirtschaftlichen Status nicht mehr durch Blut und Herkunft erhalten, sondern durch Bildung, Talent, Leistung und Eigentum.[1]

Der deutsche Liberalismus unterschied sich jedoch von den anderen europäischen liberalen Bewegungen in sehr entscheidenden Punkten. Zunächst in der Zusammensetzung der Träger des Liberalismus. Während in England eine starke Adelsfraktion die liberale Bewegung stützte, war es in Deutschland eine Personengruppe, die zwar sehr gebildet war und aus dem städtischen Bürgertum erwuchs, aber dennoch in der unpolitischen Welt feudaler Stände lebte. Bei dieser Personengruppe war das Protestpotential auch geringer ausgeprägt als beispielsweise bei den französischen Liberalen. Gewiss gaben auch zahlreiche Missstände der liberalen Bewegung in Deutschland auftrieb, aber dennoch war die gesellschaftliche und politische Situation so, dass der aufgeklärte Absolutismus, viele Spannungen mit Kirche und Monarchie abmilderte und somit das Protestpotential enorm verringerte.[2]

Dabei ist es aber auch wichtig zu verstehen, dass die liberale Bewegung in Europa nie grundsätzlich revolutionär war, obwohl es die revolutionären Ereignisse in Frankreich hätten vielleicht vermuten lassen können. Das liberale Bürgertum hatte eher einen reformistischen Charakter und suchte die Teilhabe an der Politik.[3]

Das deutsche liberale Bürgertum stand in der napoleonischen Ära aber vor einem Problem: Einerseits sahen sie natürlich die Erfolge der Französischen Revolution und die liberalen Neuerungen Napoleons, die er mit seinen Armeen nach Deutschland gebracht hatte, zum anderen war es patriotisch gesinnt und lehnte die Herrschaft Napoleons ab. Von daher wagte es auch ein Bündnis mit den alten Eliten, die auf die Wiederherstellung der alten Ordnung drängten. So kam es, dass sich der deutsche Liberalismus zwischen „Kooperation“ und „Konfrontation“ mit den alten Herrschaftsstrukturen bewegte. Einen Zwiespalt aus dem sich der Liberalismus in Deutschland im Laufe seiner Geschichte nie hatte ganz befreien können. Aus dieser Widersprüchlichkeit heraus entwickelte sich auch ein eigentümliches Verhältnis zum Staat, denn auf der einen Seite verabscheute das liberale Bürgertum den Obrigkeitsstaat, andererseits war gerade dieser Staat in der napoleonischen Ära auch ein Reformstaat, in dem sich einige Neuerungen wie etwa die Bauernbefreiung oder die Umstrukturierung des Militärs vollzogen.[4]

Ein weiteres Handicap für die deutsche liberale Bewegung war der ausgeprägte Partikularismus in Deutschland mit den zahlreichen Fürstentümern und Königshäusern. Denn dadurch wurde es einer Bewegung fast unmöglich gemacht eine einheitliche Struktur zu schaffen, ein Zentrum herauszubilden und eine gemeinsame politische Linie zu finden. Zudem wurden die Liberalen vor die schwierige Aufgabe gestellt Einheit und Freiheit, d.h. einen liberalen Verfassungsstaat in Deutschland zu realisieren.[5]

Die Liberalen hatten aber nicht nur mit diesen äußeren und realpolitischen Faktoren zu kämpfen, sondern oft scheiterten sie an sich selbst und ihrem allzu vergeistigtem und abstraktem Selbstverständnis[6]. Dies wird besonders sichtbar an der Vision der „klassenlosen Bürgergesellschaft mittlerer Existenzen“[7] an dem die Liberalen besonders zwischen 1820-1840 festhielten, bis sie schließlich die soziale Wirklichkeit akzeptieren mussten. Auch wollten sie beides, national und international zugleich sein - besonders deutlich wird das am Engagement für den griechischen Freiheitskampf in den 1820iger Jahren. Dieses überforderte den deutschen Liberalismus völlig.[8]

Darum gerieten die Liberalen auch nach den Karlsbader Beschlüssen (Verschärfung von Rechten) als sie von den restaurativen Kräften verfolgt wurden, politisch in die Defensive. Zu Beginn der 1830iger Jahre erlebten sie eine Neubelebung, die besonders durch die Pariser Julirevolution entfacht wurde, da sie die Sehnsucht nach Einheit und Freiheit wiedererweckte.[9] So kam es 1832 dann auch zum Hambacher Fest, auf dem nicht nur Professoren und Studenten vertreten waren wie etwa 1817 auf dem Wartburgfest, sondern auch Handwerker, Arbeiter und Bürger. Diese setzten sich dort friedlich für die nationale Einheit und Freiheit ein. Jedoch reagierten die restaurativen Kräfte, allen voran der österreichische Staatskanzler Fürst Metternich, mit einer weiteren Verschärfung der Presse-, Vereins- und Versammlungsfreiheit im Deutschen Bund.[10]

In der Zeit zwischen dem Hambacher Fest und dem Ausbruch der Revolution 1848 in Frankreich bzw. im Deutschen Bund konnte der Liberalismus seine soziale Basis durch ein entwickeltes Vereinssystem, durch Wahlen und sogar durch die zensierte Presse ständig vergrößern, so dass er zu einer bürgerlichen Massenbewegung anwachsen konnte.[11]

Das Scheitern der Revolution von 1848 machte aber die Heterogenität der liberalen Bewegung deutlich und spaltete die Liberalen in eine radikal-demokratische und in eine liberal-konstitutionelle Strömung. Aber nicht nur in der Frage der Machtverhältnisse eines möglichen demokratischen Deutschen Bundes bzw. Deutschen Reiches bestand Uneinigkeit, sondern auch in der Frage, wie groß ein demokratisches Deutsches Reich sein sollte.[12]

Die Liberalen scheiterten zwar in diesen Fragen, aber die Revolution brachte auch Fortschritte in einigen Bereichen. Beispielsweise entwickelte sich die Zivilgesellschaft weiter, und Wirtschaftsreformen wurden eingeleitet und zu Ende geführt wie etwa die Agrarreform.[13]

Das Scheitern der Revolution von 1848/49 bedeutete auch, dass den Liberalen die Möglichkeit entzogen worden ist die Deutsche Frage, d.h. Einheit und Freiheit zu verwirklichen, zu lösen. Nun konnte diese Frage nur noch von den monarchischen Kräften verwirklicht werden. Für die Liberalen bedeutete das, dass sie auf mehr taktische Kompromisse mit der Obrigkeit angewiesen waren. Sie konnten also nur noch das politisch Mögliche realisieren, also „Realpolitik“ betreiben. Diese Hinwendung zu einer realistischen Zielsetzung hatte auch zur Folge, dass sich viele Liberale aus dem politischen Geschäft zurückzogen um im privaten Bereich, d.h. auf ökonomischem Gebiet Erfolg zu haben, und dass die Liberalen die Möglichkeit erhielten die Wirtschaftspolitik frei zu gestallten. Die monarchischen Kräfte siegten zwar, aber ihre Schwäche wurde auch offenkundig, von daher suchten sie den Kontakt zu den Liberalen.[14]

Die liberalen Führer dieser Zeit konnten aber ab 1858, nachdem Prinz Wilhelm die Regentschaft übernahm, die Regierung der „Neuen Ära“ bilden. Am 6. Juni 1861 kam es dann zur Gründung der Deutsche Fortschrittspartei. 1862 errang sie auch mit 104 Sitzen im preußischen Abgeordnetenhaus eine fast 2/3 Mehrheit im Parlament.[15]

Zu diesem Zeitpunkt kam es zum schwersten Konflikt mit dem preußischen König. Die Liberalen gerieten mit dem König in der Frage der Ausgestaltung der Heeresreform aneinander, besonders in der Frage des Budgetrechtes und der Stellung der bürgerlichen Landwehr. Der König berief Bismarck zum Ministerpräsidenten und löste den Konflikt mittels der Lückentheorie, zweier Kriege und der Idemnitätsvorlage, die Bismarcks verfassungswidriges Handeln als rechtmäßig erklären sollte. Diese Idemnitätsvorlage verursachte innerhalb der liberalen Deutschen Fortschrittspartei eine tiefe Spaltung. Einmal in jene Gruppe, die Bismarcks Handeln als Verfassungsbruch brandmarkte und die Vorlage ablehnte, und dann in jene Gruppe, die diese Idemnitätsvorlage akzeptierte und sich hinter Bismarck stellte. Die zweite Gruppe formierte sich 1866 bzw. 1867 als Nationalliberale Partei. Im Norddeutschen Bund und später in der liberalen Ära des Deutschen Reiches konnte Bismarck auf die Nationalliberalen vertrauen und bildete eine De-facto-Regierung mit Ihnen, während die Deutsche Fortschrittspartei weiterhin in Opposition zu Bismarck stand.[16]

Abschließend lässt sich sagen, dass der deutsche Liberalismus trotz seiner Heterogenität, seines abstrakten Selbstverständnisses, seiner Zersplitterung und seiner Niederlagen zur wichtigsten und stärksten Kraft im 19. Jahrhundert wurde. Zudem war er einer der wichtigsten Faktoren, die zur Gründung eines deutschen Nationalstaates führte.

[...]


[1] Vgl. Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 1998, S.288.

[2] Vgl. Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1800-1866, S.288f..

[3] Vgl. Kraus, Hans-Christof : Politisches Denken und politischen Strömungen. In OGL Neuste Zeit. Hg. von Andreas Wirsching. München 2006, S.63.

[4] Vgl. Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1800-1866, S.289.

[5] Vgl. Winkler, Heinrich August: Der lange Weg nach Westen. Band 1: Deutsche Geschichte 1806-1933. München 2000, S.80-85.

[6] Vgl. Nipperdey , Thomas: Deutsche Geschichte 1800-1866, S.290.

[7] Gall, Lothar: Von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft (=Enzyklopädie deutscher Geschichte Band 25. München 1993, S.27f.

[8] Vgl. Winkler, Heinrich August: Der lange Weg nach Westen, S. 76.

[9] Vgl. Müller, Helmut M.: Schlaglichter der deutschen Geschichte. Leipzig 2002, S.151, S.154.

[10] Vgl. Müller, Helmut M.: Schlaglichter der deutschen Geschichte, S.154.

[11] Vgl. Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1800-1866, S.299.

[12] Vgl. ebenda, S.661-670.

[13] Vgl. Kocka, Jürgen: Das lange 19. Jahrhundert: Arbeit, Nation und bürgerliche Gesellschaft (=Gebhardt Handbuch der deutschen Geschichte. Zehnte völlig neubearbeitete Auflage Band 13). Stuttgart 2001, S.133.

[14] Vgl. Gall, Lothar: Europa auf dem Weg in die Moderne 1850-1890 (=Oldenbourg Grundriss der Geschichte), 4. Auflage, München 2004, S.39f., S.57.

[15] Vgl. Müller, Helmut M.: Schlaglichter der deutschen Geschichte, S.174.

[16] Vgl. Müller, Helmut M.: Schlaglichter der deutschen Geschichte, S.174, S.180.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Liberalismus, Kulturkampf und innere Nationsbildung
Hochschule
Universität Regensburg  (Institut für Geschichte)
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
24
Katalognummer
V83499
ISBN (eBook)
9783638900027
ISBN (Buch)
9783638910446
Dateigröße
494 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Liberalismus, Kulturkampf, Nationsbildung
Arbeit zitieren
Stefan Mölzer (Autor:in), 2007, Liberalismus, Kulturkampf und innere Nationsbildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83499

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