Im Zocken vereint

Über die Entstehung der neuen Gemeinschaft der Computerspieler


Hausarbeit, 2007

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kategorisierung von Computerspielen
2.1 Der Genre-Schmelztiegel
2.2 Was alle Spiele vereint
2.2.1 Die sechs Punkte der Celia Pearce
2.2.2 Die drei Dimensionen des Christoph Klimmt
2.3 Singleplayer versus Multiplayer

3. Soziologie des Online Gamings
3.1 Virtuelle Kommune Netz: Das Leben nach dem Alltag
3.2 Mein Online-Ich und ich

4. Online Gaming – Die Revolution der Netz-Community: Wir bauen uns eine eigene Welt
4.1 Ich baue mir einen Avatar
4.2 Der Reiz der potenziellen Unendlichkeit und der Verlust ursprünglicher Spielintentionen

5. Deutsch – Computerspiele Computerspiele – Deutsch
5.1 Die Geburt einer neuen Sprache
5.2 Wodurch zeichnet sich speziell der Gamer-Jargon aus?

6. Schlussbemerkung

7. Quellen

1. Einleitung

Mal nebenbei ein bisschen Zocken, das ist in Deutschland mittlerweile eine der beliebtes-ten Freizeitbeschäftigungen – unabhängig von Alter oder sozialem Stand (vgl. Klimmt, 2004, S. 696). Während es Anfang der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts noch der Fall war, dass sogar schwierige und komplexe Tätigkeiten wie das Programmieren ein häufi-gerer Verwendungszweck des Personal Computers waren als das Spielen (Eckert, 1991), boomt die Industrie heute in ungeahnten Ausmaßen. Im Zuge der Ausstattung jedes vier-ten Deutschen (Klimmt, 2004) mit einer Videospielkonsole und/oder einem PC, der primär dem Spielen dient, wuchs auch das Interesse der Wissenschaften am Unterhaltungs-medium.

In der folgenden Arbeit möchte ich insbesondere darauf eingehen, wie sich durch den Einfluss des Computerspiels, dem ich alle digitalen Spielformen unterordnen werde, eine völlig neue Form der Gemeinschaft gebildet hat, die sich vor allem im virtuellen Raum etabliert. Zum Einstieg ins Thema werde ich einige Möglichkeiten anführen, wie man Spiele kategorisieren kann, wodurch die Fragen nach den verschiedenen Genrearten, der Quintessenz eines Computerspiels und dem Unterschied zwischen alleinigem und grup-pengebundenem Spielen geklärt werden sollen. Der Hauptteil ist zuerst dem Phänomen der virtuellen Gemeinschaft an sich gewidmet und wird später klären, inwiefern sich die-ses speziell unter Computerspielern widerspiegelt. Dabei soll besonderes Augenmerk auf den sich immer weiter entwickelnden Kommunikationsprozessen unter miteinander vernetzten Spielern liegen.

Aufgrund des Zugzwangs der Wissenschaft (und damit verbunden der Fachliteratur), die sich noch schwer damit tut, dem – sich im ständigen Wechsel befindlichen – Medium und seiner Auswirkungen auf die Gesellschaft die nötige Aufmerksamkeit und differenzierte Betrachtung zu zollen, werde ich mich in meinen Ausführungen häufig auf meine eigene, über 16 Jahre hinweg gereifte Erfahrung auf dem Gebiet berufen.

2. Kategorisierung von Computerspielen

2.1 Der Genre-Schmelztiegel

Als das auf digitalen Daten basierende Spiel mit dem von Atari 1972 entwickelten Pong seinen Eroberungsmarsch antrat (Masuyama, 2002), konnte niemand ahnen, wie es sich innerhalb der folgenden 35 Jahre entwickeln würde. Während es bei Pong noch aus-reichte mit jeweils einer Taste für Nach-oben sowie Nach-unten einen weißen Balken (auch Tischtennisschläger genannt) auf schwarzem Grund so zu bewegen, dass er das hin und her springende weiße Quadrat (der Tischtennisball) trifft und es somit daran hindert, den Bildschirm auf der eigenen Spielfeldseite zu verlassen, was einen Punkt für den Gegner bedeuten würde, simulieren moderne Computerspiele ganze Realitäten. Computerspiele sind nicht mehr einfach nur Daddelgelegenheiten in Form von überdimen-sionalen Arcade-Automaten in öffentlichen Spielhallen, sondern ein fester Teil unserer Kultur, auf den mittlerweile, vor allem durch Handheldkonsolen wie den Game Boy oder durch das Handy, praktisch jederzeit und an jedem Ort zugegriffen werden kann.

Die Genrevielfalt des Computerspiels war bis Anfang der 90er-Jahre noch relativ über-schaubar. Fast jedes Spiel konnte viel umfassenden Überkategorien wie dem Jump ’n Run, dem Adventure oder dem Strategiespiel zugeordnet werden. Wer sich heute jedoch an einer derartigen Kategorisierung versucht, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit an der Komplexität moderner Spiele zerbrechen. Einst begann es als kleiner Gag der, überwie-gend japanischen, Spieleentwickler in ein Spiel, das im Prinzip klar einem Genre einzu-ordnen war, kleine Elemente aus völlig unverwandten Genres einzubauen. Als Beispiel soll hier die Final Fantasy -Reihe genannt werden. Die wohl bekannteste und erfolg-reichste Serie der Rollenspielgeschichte[1] ist bekannt für ihre Ausflüge in fremde typologische Welten. Schon im ersten Teil der Reihe konnte der Spieler mittels geheimer Tastenkombination ein Puzzlespiel freischalten, das weder dem Verbessern des eigenen Spielstands noch dem Vorankommen der Story diente. In den vielen Teilen der Serie, die noch folgten und noch folgen werden, ließen und lassen sich die Entwickler immer wieder neue so genannte Mini-Games einfallen, deren primärer Zweck darin besteht, den Spieler länger in den Bann des Produkts zu ziehen. So war es bei Final Fantasy VIII beispiels-weise der Fall, dass man die meisten Figuren, die einem in der fiktiven Spielwelt begegneten, zu Duellen mittels eines speziell entwickelten Sammelkartenspiels herausfor-dern konnte. Wer alle Karten besitzen wollte, musste gegen starke Gegner antreten, um von diesen einzigartige Karten zu gewinnen, und lange Reisen und unzählige Regelmodi-fikationen in Kauf nehmen. So war es letztlich für den strebsamen Sammler nicht verwunderlich, dass er weitaus mehr Zeit in das vermeintliche Mini-Game investierte (über 50 Stunden waren nicht unüblich) als in das ohnehin schon zeitaufwändige Durchspielen der eigentlichen Geschichte. Oft wurde es auch unabdingbar, den kompletten Spielstand zu löschen, weil man eine einzige Karte verpasst hat.

2.2 Was alle Spiele vereint

2.2.1 Die sechs Punkte der Celia Pearce

Die bereits angesprochene Schwierigkeit, modernere Spiele klar einem Genre unterzuord-nen, war der Anlass für die Fragstellung danach, welche Elemente ein Computerspiel besitzen muss, um als solches zu gelten – ungeachtet all der genretypischen Merkmale. Das Problem der alten Genreeinteilung war, dass sie dazu verleitete, Forschungen zu stark auf eine bestimmte Gattung zu fixieren[2]. Eine allumfassende medienpsychologische und –wissenschaftliche Forschung im Bereich der Computerspiele sollte jedoch alle Spiele abdecken können (vgl. Klimmt, 2004, S. 698). Worauf kommt es letztlich also wirklich an, wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzt?

2002 wagte Celia Pearce, die bereits erkannte, dass eine antiquierte Unterteilung der Computerspiele in verschiedene Genre nach semiotischen Gesichtspunkten nicht mehr funktionierte, eine völlig neue Kategorisierung, die sich darauf bezog, auf welchen Grund-lagen Spiele entwickelt werden. Nach dem Studieren Dutzender Spiele (Pearce, 2002, S.113) fand sie sechs Punkte, die jedes der untersuchten Spiele aufweisen konnte:

- Punkt eins: Jedes Spiel hat ein Ziel und mehrere Unterziele.
Beispiel: Ein Spiel hat das Ziel, den letzten Gegner zu besiegen (das Hauptziel), dazu müssen jedoch erst alle Level, also Zwischenabschnitte des Spiels, durchgespielt werden. Das Bewältigen jeden Levels gilt als Erreichen eines Unterziels.
- Punkt zwei: Hindernisse, die einen davon abhalten wollen, das Ziel zu erreichen.
Beispiel: feindliche Kreaturen, ablaufende Spielzeit oder Rätsel.
- Punkt drei: Ressourcen oder Hilfsmittel, durch die man das Ziel erreichen kann.
Beispiel: Waffen, um Gegner zu bekämpfen, Gegenstände, um Hindernisse zu über-winden oder bei Spielen wie Pong einfach nur der weiße Balken, mit dem man das weiße Quadrat zurückschießen muss.
- Punkt vier: Belohnungen, um das Spiel voranzutreiben.
Beispiel: Stärkere Waffen, um stärkere Gegner zu besiegen oder bei Spielen wie Tetris der Erhalt von höheren Punktzahlen unter erschwerten Bedingungen.
- Punkt fünf: Bestrafungen für Misserfolge.
Beispiel: Der Verlust von Ressourcen, Punkten oder im schlimmsten Fall das Löschen des gesamten Spielstandes.
- Punkt sechs: Informationen in allen erdenklichen Formen.

Beispiele: Die Information, wie viele Punkte man im Spiel bereits erreicht hat, Informa-tionen, welche Aufgabe als nächstes erledigt werden muss oder Informationen, wie ein bestimmtes Ziel erreicht werden kann.

2.2.2 Die drei Dimensionen des Christoph Klimmt

Zwei Jahre nach Celia Pearce stellte sich Christoph Klimmt die Frage, welche Punkte essenziell seien für eine explizit medienpsychologische Forschung im Bereich der Computerspiele und er erkannte, dass die zuvor oft forschungsgebundene Betrachtung der Spieltechnologie, worunter u.a. genutzte Software und Hardware fallen, völlig irrele-vant sei. Der entscheidende Aspekt, so Klimmt, sei der Nutzen des Spielens für den Konsumenten. Hier spielen wiederum drei Komponenten die entscheidenden Rollen, da sie – vergleichbar mit den sechs Punkten der Celia Pearce – für jeden einzelnen Titel Gültigkeit haben und somit die optimale Basis zur Charakterisierung eines Spiels bilden. Erst die sinnvolle Symbiose der im Folgenden erläuterten Dimensionen macht ein Spiel spielenswert und somit auch interessant für wissenschaftliche Betrachtungen (Klimmt, 2004, S.698 ff).

- Die erste Dimension: Der narrative Kontext.

Der narrative Kontext liefert sämtliche Informationen, die den Spieler tiefer in die Welt des Spiels eintauchen lassen. Wie bei anderen narrativen Medien wie Film, Hörspiel oder Belletristik sind hier die Ausprägungsmöglichkeiten unbegrenzt. Die denkbar profanste Information, die ein Spieler erhalten kann, wäre im Sinne von Pong, dass er sich in einem Tischtennisspiel befindet und sein Ziel das Bezwingen des Gegners ist. Moderne Spieltitel durchbrechen jedoch sämtliche bekannten narrativen Dimensionen, da sie aufgrund ihrer komplexen Erzählstränge praktisch unendlich viele Möglichkeiten bieten, sich seine eige-ne individuelle Geschichte zu schaffen[3].

[...]


[1] Die japanische Reihe gilt als wohl einflussreichste der gesamten Computerspielgeschichte und wird nicht nur von Kritikern und Konsumenten hoch geschätzt, sondern auch an vielen Universitäten (inklusive Stanford) als Unterrichtsbasis genutzt (Siong Low, 2001). Final Fantasy VII, der erfolgreichste Teil der Serie, gilt zudem als Wegbereiter des enormen Rollenspielerfolgs in westlichen Ländern und kann somit auch als ein Grundstein im Siegeszug von World of Warcraft gesehen werden. In vielen Umfragen innerhalb der letzten zehn Jahre, welches das beste Spiel aller Zeiten sei, landeten Titel der Serie auf Platz eins. In einer der aktuellsten Umfragen, durchgeführt vom japanischen Magazin Famitsu, befanden sich unter den acht beliebtesten Titeln aller Zeiten gleich vier Final Fantasys, von denen sich wiederum zwei auf den ersten beiden Plätzen befanden (Campbell, 2006).

[2] Als prägnantes Beispiel soll hier nur die inflationäre Betrachtung der so genannten Killerspiele sein (vgl. Fromm, 2002 / Hüsing, 2007 / Morris, 2002 / Thompson, 2002), also Spiele, die in erster Linie Gattungen wie dem Shoot ’em up, dem Ego-Shooter oder dem Third-Person-Shooter zuzuordnen sind. Besonders nach Gewaltakten jugendlicher Gamer neigt die Forschung dazu, stark zu polarisieren und die Betrachtung der Spiele zu stark in eine Richtung zu drängen, die den mit Abstand größeren Teil der verschiedenen Genre und eigentliche Spielinhalte völlig außer Acht lässt.

[3] Als Beispiel soll hier das Rollenspiel Radiata Stories genannt werden. Entgegen der Konvention, dass ein Singleplayer-RPG (also ein Rollenspiel für nur einen Spieler) durchschnittlich sechs bis acht spielbare Hauptcharaktere mit mehr oder weniger ausgefeilten individuellen Geschichten, die mehr oder weniger stark in den Hauptplot eingebunden werden, bietet, wartet dieses Spiel für die Playstation 2 mit maximal mög-lichen 177 (!) spielbaren Charaktere auf, von denen jeder einzelne seine eigene Hintergrundgeschichte und Auswirkung auf den Spielverlauf hat. Spiele wie Radiata Stories und vergleichbare Titel, die in der Regel dem Rollenspiel-Genre zuzuordnen sind, können vor allem durch massenweise Sidequests (siehe Abschnitt 2.3) die Gesamtspielzeit auf mehrere hundert Stunden anheben.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Im Zocken vereint
Untertitel
Über die Entstehung der neuen Gemeinschaft der Computerspieler
Hochschule
Technische Universität Chemnitz  (Technische Universität Chemnitz)
Veranstaltung
Neue Medien - Neue Kommunikationsformen
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
23
Katalognummer
V83189
ISBN (eBook)
9783638892063
ISBN (Buch)
9783638892148
Dateigröße
517 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit wurde in höchsten Tönen gelobt, innerhalb der Dozentenschaft meines Studiengangs durchgereicht und sogar in den Semesterapparat aufgenommen. Mittlerweile arbeiten bereits nachfolgende Semester seminargebunden mit der Arbeit.
Schlagworte
Zocken, Neue, Medien, Neue, Kommunikationsformen, Medienkommunikation, Computerspiele, Videospiele, Community, MMORPG, Soziologie, Psychologie, Medienpsychologie, Kommunikation, Neue Medien, World of Warcraft, David Füleki, Medienwissenschaft, Jargon, Mediensoziologie, Online Game
Arbeit zitieren
David Füleki (Autor:in), 2007, Im Zocken vereint, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83189

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