Die europäische Ausrichtung der Wohlfahrtsverbände der BRD in Theorie und Praxis


Hausarbeit, 2002

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2.Rahmenbedingungen
2.1. Die Bedeutung Europäischer Sozialpolitik für die Wohlfahrtsverbände der BRD
2.2. Die Interessensvertretungen und Arbeitsgruppen der WV

3. Die individuelle Ausgestaltung europäischen Engagements der WV
3.1. Die Arbeiterwohlfahrt
3.2. Das Diakonische Werk der BRD
3.3. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband

4. Resümee

Quellenverzeichnis

1.Einleitung

Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege der BRD sich theoretisch mit dem Thema Europa auseinandersetzen und welche Ziele sie mit einem europäischen Engagement verfolgen. Mein ursprünglicher Ansatz war es, mich ausschließlich mit den theoretischen Aussagen der Wohlfahrts­verbände zu befassen und zu ermitteln, wie sich das jeweilige Selbstverständnis in die Europaarbeit einbringt. Diese Fragestellung stellte sich aber als zu komplex und die Materiallage als zu dürftig heraus, so dass ich meine zentrale Frage zunächst auf die konkreten Aktivitäten richtete. Diese Aktivitäten beinhalten zum einen die europäische politische Arbeit in verschiedenen Ausschüssen und Netzwerken, zum andern das Engagement durch (Hilfs-) Programme im Ausland. Die Frage nach der eigentlichen Zielsetzung europäischer Arbeit der einzelnen Wohlfahrtsverbände behielt ich immer im Hinterkopf und sie klärte sich erst, als ich einen Gesamtüberblick über alle Facetten des Themas hatte. Die Darstellung der europäischen Wertorientierung des jeweiligen Verbandes gehört zur Betrachtung dazu, weil sie zur Darstellung des Verhältnisses von Anspruch und Wirklichkeit beiträgt - und darüber zum Verstehen der eigentlichen Ziele.

Die Materiallage zum Thema allgemeine Europäische Sozialpolitik ist umfangreich. Allerdings gibt es nicht viele aktuelle Darstellungen, so dass ich mich über die neueren Entwicklungen Europäischer Sozialpolitik vorwiegend mit Hilfe von Zeitschriftenartikeln, Aufsätzen und mit Hilfe des Internets informiert habe. Die Artikel sind meist politisch eingefärbt und so verbanden sich die Informationen zu allgemeiner Europäischer Sozialpolitik oft automatisch mit der Position der einzelnen Verbände. Zu letzteren muss ich sagen, dass sich die Informationsbeschaffung als sehr mühsam darstellte. Die richtigen Ansprechpartner der einzelnen Verbände zu finden war eine Herausforderung sowohl für mich als auch für die meisten WV selbst. Diese Vorerfahrung ist nicht zu unterschätzen, zeigt sie doch, dass das Thema Europa in einem deutschen Wohlfahrtsverband kein wirklich zentrales ist. Im Kontrast zu diesen ersten Begegnungen stand das persönliche Gespräch mit zuständigen Mitarbeitern. Diese stellten sich als äußerst auskunftsfreudig heraus, selbstverständlich nicht ohne sich entsprechend wortgewandt positiv darzustellen. „Problematischen“ Fragen meinerseits wurde meist diplomatisch ausgewichen, was mir wiederum erst recht zeigte, dass diese Fragen problematisch und ungeklärt sind.

Ursprünglich wollte ich alle 5 Wohlfahrtverbände (außer den ZWST) darstellen, aber aufgrund der quantitativen Beschränkung und auch wegen der Materiallage bei einzelnen Verbänden entschied ich mich, nur drei zu behandeln. Zur Diakonie ist die Materiallage am reichhaltigsten (und daher komplexesten), zum Paritätischen am dürftigsten. Aber durch ein langes Gespräch mit einem Mitarbeiter des DPWV schärfte sich für mich das Profil des Verbandes. Um einen Kontrast zu den zwei anderen Wohlfahrtsverbänden aufzuzeigen, habe ich ihn abschließend dargestellt. Die Diakonie als einen der zwei größten und kirchlichen WV hineinzunehmen war für mich wichtig. Von den kleineren Wohlfahrtsverbänden erscheint mir die AWO –zumindest in ihren historischen Ursprüngen- die stärkste ideologische Orientierung zu haben und daher war es für mich interessant, diese Ideologie auch hinsichtlich europäischer Aktivitäten zu überprüfen.

Schwierigkeiten bei der Behandlung dieses Themas waren zum einen die Beschaffung ausreichend gehaltvoller Informationen und die Tatsache, dass Europa in den einzelnen WV ein noch sehr untergeordnetes bzw. diskutiertes Thema ist. Aufgrund dieser uneinheitlichen europäischen Standpunkte war es schwer, eine gültige Aussge zur Zielsetzung und zu den wirklichen Interessen der einzelnen Verbände zu machen. Aber durch den Vergleich ihrer Theorien und ihrer konkreten Handlungen stellte ich fest, dass die wahren Motivationen zur Europaarbeit andere sind als ich selbst es anfangs sehr ideologisch vermutet hatte.

2.Rahmenbedingungen

2.1. Die Bedeutung Europäischer Sozialpolitik für die Wohlfahrtsverbände der BRD

Die Sozialpolitik der Europäischen Union besitzt traditionell keine eigenständige Rolle (Vgl. Schulz 1996, 8) und blieb den ökonomischen Zielen der Europäischen Gemeinschaft untergeordnet (Vgl. Mäder 1992, 7). Der Grund hierfür ist, dass sich die EG zuallererst als Wirtschaftsgemeinschaft verstand (Vgl. EWG-Vertrag, Art.1) und annahm, eine Stärkung der Wirtschaftsstärke werde gleichzeitig eine Besserung der sozialen Umstände mit sich bringen (Vgl. EWG-Vertrag, Art.2). Das Soziale verblieb größtenteils in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (Vgl. Däubler, W., 1989) im Sinne der Subsidiarität (Vgl. Bieber 2002, 370). Im Zuge der Wirtschaftlichen Einigung durch die Vollendung des Binnenmarktes am 1.1.1993 kam es zu einer Schärfung des Gemeinschaftsbewusstseins für die Soziale Dimension der EU (Vgl. Schulz 1996, 89). Es ist seit dem Vertrag von Amsterdam im Mai 1999 eine Stärkung der sozialpolitischen Gemeinschaftskompetenzen zu beobachten, aber dieses dichter werdende Regelungsnetz tangiert noch wenig das nationale Recht. Das Hauptziel des gemeinschaftlichen Handelns im sozialpolitischen Bereich ist noch immer die Bekämpfung zunehmender ökonomischer Probleme in Europa (Vgl. Schulte, B. 1998: o.S.)

Aufgrund der fehlenden primärrechtlichen Verankerung der Sozialpolitik und dem Mangel einer ganzheitlichen Steuerungsbefugnis (Vgl. Däubler, W.,1989,S 70ff.) und der Vorzugsstellung der Wirtschaft wirken sich –viel mehr als sozialpolitische Regelungen an sich- Ökonomische Bedingungen heute in der Gemeinschaft auch zunehmend auf den Sozialen Sektor in den Einzelstaaten aus (Vgl Loges 1989, 45). Ein elementarer Begriff ist der der „economie sociale“ (Vgl. Ipsen 1997, 62ff). Deren Kernaussage und Diskussions­grundlage ist es, dass wirtschaftlich aktive Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesell­schaften und auch gemeinnützige Vereine, (unter denen sich die Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege befinden), unter die gemeinschaftlichen Wettbewerbsbestimmungen fallen (Vgl. Seibel u.a. 1998, 13). Hauptkonsequenz für die Freie Wohlfahrtspflege wäre der Wegfall staatlicher Finanzierung und eine zum Überleben erforderliche betrieb­wirtschaftliche Orientierung durch den Konkurrenzdruck aus dem In-und Ausland (Vgl. Thein 1999, 32). Konträr zu den Tendenzen der EU, die Einrichtungen der FW zu „ökonomisieren“, läuft das. Konzept zur Daseinsvorsorge. Es ist auf europäischer wie auch nationaler Ebene noch ungeklärt, in welche „Kategorie“ (eigenverantwortlicher Wettbewerb oder schutzbedürftige Daseinsvorsorge) die FW einzuordnen ist (Vgl. Öner 2002, 15). Die zentrale Frage ist: erfüllen die WV die Kriterien von Unternehmen mit Erwerbszweck (Vgl. Ipsen,K.,1997)? Die Wohlfahrtsverbände hinsichtlich ihrer rechtlichen Standortbestimmung und der gesamte Sektor der zivilgesellschaftlichen Akteure sehen sich einer inkonsequenten Haltung der Kommission „ausgesetzt“ (zur Benachteiligung der NGOs siehe Sörries, B., 1998). Deutschlands subsidiäre „Sonderstruktur“ der sozialen Aufgaben­gestaltung und somit das finanzielle Fundament der Wohlfahrtsverbände stehen (Vgl. Gudera u.a. 1996, ) zur Disposition. Wohlfahrtsverbände müssen also die „Chance“, die noch uneinheitliche Gestaltung ihrer Rolle mit zu beeinflussen, ergreifen, um die Entscheidungs­prozesse in den Europäischen Organen weitestmöglich zu ihren Gunsten ausfallen zu lassen. Um ihre Position stark, schlagkräftig und eindeutig vertreten zu können, müssen die Wohlfahrtsverbände sich auf europäischer Ebene in Arbeitsgemeinschaften und Netz­werken zusammenschließen (zum Netzwerkbegriff siehe Observatorium für die Sozialen Dienste in Europa 2002,S. 4ff.) .

Es gibt aber für deutsche Wohlfahrtsverbände auch Anreize und Gründe, sich in Europa zu engagieren:

der Beschluss zur Methode der offenen Koordinierung im Jahr 2000 (vgl. www.bda-online.de, 16.01.´´03) mit dem Ziel der Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung birgt für die WV die Möglichkeit, den Austausch mit anderen Mitgliedsstaaten über Integrationsprogramme von der Europäischen Kommission finanzieren zu lassen (Vgl. Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufnahme eines Aktionsprogramms der Gemeinschaft, Art.2, Abs.4). Die Verbände müssen sich dafür (im Aktionsbereich 3) entsprechend in europäischen Netzwerken und Organisationen beteiligen (Vgl. ebd.,Anhang, Hinweis 3, Bereich 3) und sich um die Zuschläge bewerben . Es gibt noch viele weitere Förderprogramme in der EU, mit unterschiedlichen Zielsetzungen (vgl. www.text.bundes­finanzministerium.de, 16.01.´03 / www.eufis.de, 16.01.´03). Jedem ist gemeinsam, dass sich die Wohlfahrtsverbände um die Zuschläge bewerben und entsprechend den Programmen sozialpolitisch-ethisch profilieren müssen.

Nicht nur ausländische Programme beinhalten die Finanzierungsanreize. Auch im nationalen Rahmen können sich die WV um die für Deutschland zugeteilten Mittel aus dem Europäischen Strukturfonds (und dem ihm teilweise zugehörenden Sozialfonds) mit auf die Europäischen Zielvorgaben zugeschnittenen eigenen Initiativen bewerben (vgl. www.eufis.de 16.1.´03). Die notwendige Profilierung und Werteausrichtung gegenüber der Regierung der BRD ist auch hier natürlich unerlässlich.

Das Thema Europa splittet sich also tendenziell auf in die theoretischen Überlegungen über die Zukunft des deutschen Sozialstaates innerhalb Europas einerseits und andererseits in den Bereich der europäischen Förderpolitik, in welchem sich die Wohlfahrtsverbände entsprechend den Zielsetzungen der einzelnen Förderprogramme profilieren müssen um finanzielle Unterstützung zu erhalten.

2.2. Die Interessensvertretungen und Arbeitsgruppen der WV

Im Folgenden werden zunächst die allen Wohlfahrtverbänden gemeinsamen Strukturen Erwähnung finden, der individuellen Ausgestaltung wird sich mich das nächste Kapitel widmen. Die einzelnen Verbände haben sog. Europa-Büros in Brüssel eingerichtet. Mit Ausnahme der AWO und des ZWST haben sich alle Spitzenverbände in Brüssel positioniert. Die Aufgabe der Mitarbeiter ist, die Verbände über wichtige sozialpolitische Entwicklungen zu informieren, hauptsächlich aber sollen die eigenen Interessen gegenüber den zuständigen EU-Politikern vertreten und dadurch die Entscheidungen beeinflusst werden (Gespräch Tibursi). Dies geschieht im Wesentlichen durch Kontakte zu Mitgliedern der Kommission und weiteren Entscheidungsträgern (Gespräch Öner, 18.12.´02). Die Rolle der Arbeit in Brüssel stellt eine „Übersetzerfunktion“ (Gespräch Öner, 18.12.´02) im doppelten Sinne dar: europarelevante Informationen wie Neuigkeiten, Entwicklungstendenzen und aktuelle Diskussionen werden nach deren Filterung zu den zuständigen Mitarbeitern im nationalen Verband weitergeleitet. Auf der europäischen Ebene werden die Anliegen des Verbandes an die zuständigen Entscheidungsträger in Brüssel herangetragen (Gespräch Tiebursi, 14.11.´02).

Im Europaauschuss der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) werden, beruhend auf dem Konsensprinzip, die einzelnen Positionen der Verbände diskutiert. Durch Stellungnahmen und Positionspapiere an entsprechende Entscheidungsgremien oder weitere Arbeitsgemeinschaften werden die gefundenen Positionen weitergeleitet (Gespräch Tiebursi, 14.11.´02). Die BAGFW ist Mitglied des ETWelfare, welcher wiederum der Platform of European Social Non-Government-Organisations angehört. Diese sog. Social Platform besteht aus z.Zt. 37 Europäischen Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs), Vereinigungen und Netzwerken (vgl. www.social­platform.org, 17.12.´02). Sie ist dadurch der Interessensvertreter der Zivilgesellschaft Europas (vgl. ebd.). Die für diese Betrachtung wichtigen Ziele der Plattform sind: Verbesserung des Zivilen Dialogs mit den Organen der EU (vgl. ebd.), und die Vertretung der gemeinsamen Interessen aller Mitglieder (vgl. ebd.). Durch die Sozialpolitische Agenda (Vgl. KOM/2000)379: Sozialpolitische Agenda) und besonders durch das Aktionsprogramm gegen Ausgrenzung (vgl. KOM(2000)368 Auflage eines Aktionsprogramms der Gemeinschaft zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Mitgliedsstaaten bei der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung) wurde die Social Platform verstärkt in die Beratungen einbezogen (Vgl. KOM/2000)379:Sozialpolitische Agenda, 5.). Die Arbeit in der Social Platform wird zunehmend wichtiger, jedoch auch mühsamer (Gespräch Traitteur , 29.11.´02, Gespräch Öner, 18.12.´02). Denn durch die vielen verschiedenen Mitglieder mit vielen verschiedenen Interessen uns Schwerpunkten wird die ursprüngliche Position der einzelnen WV soweit gefiltert, dass sich eine ursprüngliche Position am Ende der einzelnen Diskussionen erheblich geschmälert wiederfindet. Darüber hinaus kommt der Plattform trotz steigender Miteinbeziehung (vgl. Herrmann 2001, 122ff) noch immer eine untergeordnete Rolle zu, denn anders als die Sozialpartner wird sie nur zu den Diskussionen eingeladen, besitzt aber kein eigenes Stimmrecht. Jedoch sichert die Mitarbeit in den Netzwerken den Zugang zu den „Finanzquellen“, und aufgrund der fehlenden Einbindung des Dritten Sektors (zum Dritten Sektor siehe: Priller, Zimmer, Anheiner 1999, 12ff.) in die Europäische Politik ist diese Mitarbeit die einzige Möglichkeit, Interessen schlagkräftig formulieren zu können.

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die europäische Ausrichtung der Wohlfahrtsverbände der BRD in Theorie und Praxis
Hochschule
Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
24
Katalognummer
V83112
ISBN (eBook)
9783638898713
ISBN (Buch)
9783638905008
Dateigröße
502 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ausrichtung, Wohlfahrtsverbände, Theorie, Praxis
Arbeit zitieren
Christina Nerlich (Autor:in), 2002, Die europäische Ausrichtung der Wohlfahrtsverbände der BRD in Theorie und Praxis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83112

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