Die Europäische Union

Demokratische Legitimation - Eine (zu) knappe Ressource in der EU?


Seminararbeit, 2003

24 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Das Europäische Rechtssystem

3. Forschungsstand
3. 1. Realismus
3. 2. Intergouvernementalismus
3. 3. Funktionalismus

4. Begriffsklärung
4. 1. Demokratie
4. 2. Legitimität

5. Frage nach dem institutionellen Defizit der EU
5. 1. Das Europäische Parlament
5. 2. Die Europäische Kommission
5. 3. Der Ministerrat und der Rat der Europäischen Union
5. 4. Der Europäische Gerichtshof

6. Das substantielle Defizit

7. Die sozialpolitische Frage

8. Ausblick
8. 1. Die EU- Osterweiterung
8. 2. Der Verfassungskonvent

9. Fazit

10. Abkürzungsverzeichnis

11. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„ Jegliche politische Herrschaft als Herrschaft von Menschen über Menschen bedarf der rechtfertigenden Herleitung, einer Legitimation. Die Legitimation ist (…) notwendig für die Funktionsfähigkeit und Dauerhaftigkeit der Demokratie, und sie ist zugleich auch Grenze für demokratische Prinzipien.“ (vgl. Grunauer 2002: 7)

Lange hat in der Europadiskussion die Frage nach der Legitimität der Europäischen Union keine Rolle gespielt. Man war sich einig, dass das Integrationsprojekt EU eine notwendige Konsequenz aus der leidvollen Konfliktgeschichte der europäischen Staaten ist. (vgl. Kielmannsegg 2003: 50)

Die Frage nach einem Legitimations- bzw. - Demokratiedefizit gewann erst mit der fortschreitenden Entwicklung und Integration in der EU an Bedeutung. Seit dem Maastricher (1992) und Amsterdamer Vertrag 1997 wurden die Kompetenzen der EU kontinuierlich ausgebaut. In dem Maße, in dem die EU den nationalen Parlamenten Kompetenzen entzieht, nimmt sie sich dieser an, ohne sich jedoch selbst zu legitimieren. (vgl. Weidenfeld/Wessels, 2000: 389)

Somit tauchte unter einigen Politik- und Sozialwissenschaftlern der Ruf nach einer verstärkten demokratischen Legitimation der Union auf.

Mit der Diskussion über den Verfassungskonvent beschäftigen sich momentan die führenden Köpfe der Mitgliedstaaten mit dem zukünftigen Status der Europäischen Union. Auch hier spielt die Frage und der Umgang mit dem Demokratiedefizit eine große Rolle.

Dass ein solches vorhanden ist, wird unter den Wissenschaftlern nicht bestritten. Vielmehr geht es um die Frage, ob eine Legitimation der EU- Organe überhaupt nötig ist. Und wenn ja, ob sie möglich ist. Und kann die Legitimation der Mitgliedstaaten überhaupt auf die Union übertragen werden?(vgl. Grunauer 2002: 39)

Mit diesen Fragen und einigen möglichen Antworten beschäftigt sich, vor dem aktuellen Hintergrund des Konvents und der EU- Osterweiterung, diese Arbeit.

Um die Frage zu klären, ob und wenn ja, in welchem Ausmaß ein Legitimations- und Demokratiedefizit in der Europäischen Union vorhanden ist, stelle ich nach einer Einführung in das europäische Rechtssystem, zuerst die politikwissenschaftlichen Ansätze zur Thematik dar.

Es folgt eine nähere Betrachtung der Begriffe Demokratie und Legitimität.

Schließlich wird anhand der einzelnen Institutionen der EU deren demokratische Legitimität überprüft. Anschließend skizziere ich ein mögliches substantielles Defizit, wie auch die Rolle der EU in der Sozialpolitik.

Abschließend folgt ein themenbezogener Ausblick auf die aktuelle Entwicklung im europäischen Integrationsprozess im Kontext zur Demokratie.

2. Das europäische Rechtssystem

Als Grundlage eines europäischen Gesetzes gelten die Gründungsverträge von EGKS (1951), Euratom (1957) und EWG (1975). Ein Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichtes bezeichnet den EWG- Vertrag „gewissermaßen (als) die Verfassung der Gemeinschaft..“.

Alle drei Gründungsverträge bestehen als primäres Gemeinschaftsrecht auch nach dem Abschluss anderer Verträge fort. Änderungen wurden 1986 durch die Einheitliche Europäische Akte und 1992 durch den Maastricher Vertrag vorgenommen. Diese ratifizierten die Mitgliedstaaten nach den Regeln, die ihre Verfassungen vorgeben. Ergänzend wurden außerdem auch die Verträge von Amsterdam 1997 und Nizza 2000 abgeschlossen. (vgl. Pfetsch, 2001: 124; Jachtenfuchs/Kohler- Koch, 2003: 54).

Das politische System der Europäischen Union beruht auf drei Säulen.

Die erste Säule bezeichnet die drei Gründungsverträge, sowie die Veränderungen im gemeinsamen Rahmen, dem Vertrag über die EU (EUV). Die Gemeinschaften, die sich auf diese Verträge aufbauen, sind supranational ausgerichtet.

Die zweite, intergouvernementale, Säule kennzeichnet die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), beruhend auf Art. 11 EUV.

Das Ziel dieser Zusammenarbeit ist unter anderem die Wahrung gemeinsamer Werte und Unabhängigkeit, als auch die Stärkung der Demokratie[1].

Die dritte Säule kennzeichnet die intergouvernementale Zusammenarbeit in polizeilichen und justiziellen Strafsachen (PJZ) . Diese beruht auf Art. 29 EUV. (vgl. Weidenfeld 2002: 330)

Besonders hervorzuheben ist die Flexibilität der EU- Verfassung. Eine fortwährende Verfassungsentwicklung kann durch die kontinuierlichen Entscheidungen im Ministerrat und die Zusammenkünfte der europäischen Staats- und Regierungschefs festgestellt werden. Das politische System der EU ist bis heute nicht festgeschrieben.

3. Forschungsstand

Integration und Demokratie sind zwei nah beieinander liegende Phänomene.

Im Integrationsprozess der EU gewinnt die Mehrheitsregel in Entscheidungs­prozessen an Bedeutung. Begründungs- und Akzeptanzprobleme gehen mit dieser Entwicklung einher. Außerdem erweitert sich der Kompetenzbereich der Europäischen Union. Und daraus schlussfolgernd nimmt auch mit dem Integrations­fortgang die Handlungsfähigkeit der Mitgliedstaaten ab.

(vgl. Jachtenfuchs/Kohler- Koch 2003: 49 ff.)

Aufgrund dieses kritischen Verhältnisses zwischen Demokratie und Integration werden die verschiedenen Integrationstheorien, die sich mit dem Integrationsprozess der EU entwickelt haben, kurz vorgestellt.

3. 1. Realismus

Der Realismus (z. B. H. J. Morgenthau) geht davon aus, dass die europäische Arena von einheitsstaatlichen und rationalen Akteuren beherrscht wird. Der Staat selbst ist primär eine Organisation, die nach der Kosten- Nutzen Relation handelt. Und nur aufgrund dieser Kalkulation kommt es zur Zusammenarbeit mit anderen Staaten.

In der supranationalen Arena handelt jeder Staat als Individuum. Somit existieren so gut wie keine zwischenstaatlichen Beziehungen. Allenfalls temporäre Koalitionen, um bestimmte Zwischenziele zu erreichen.

Die einzelnen Staaten sind, gleich dem Menschen, durch Interessen geleitet. Diese Interessen spiegeln sich im Wunsch nach Macht wieder. Neben Machtpotentialen (z.B. Militär, Technologien) spielt vor allem die Fähigkeit zur Machtausübung eine entscheidende Rolle.

Während der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit kommt es niemals zur Auflösung des Staates, da dieser die höchste Organisationsform des Menschen ist.

(vgl. Grunauer 2002: 23f., Pfetsch 2001, Debiel 1998: 235)

3. 2. Intergouvernementalismus

Der Intergouvernementalismus, vertreten z. B. durch Stanley Hoffmann, ist eine modifizierte Form des Realismus.

Hauptakteure im Integrationsprozess sind die Nationalstaaten, deren Kooperation nicht über einen Staatenbund hinausgeht.

Im Institutionensystem der EU sind der Ministerrat, der Rat der EU und die Regierungskonferenzen stark intergouvernemental ausgerichtet. Diese Institutionen kontrollieren den Kompetenztransfer und bestimmen die gemeinsame Ent­scheidungsfindung. Vorbereitet wird diese von nationalen Beamte in Ausschüssen und Konferenzen, während bi- und multilateraler Gespräche.

Unter dem Etikett „Europäische Union“ beschließen die Mitgliedstaaten gemeinsame Regeln, Normen und Institutionen. Diese sind letztendlich für alle von Vorteil.

Eine gesteigerte Stufe ist der liberale Intergouvernementalismus. Hier sind für die Entscheidungen auf europäischer Ebene zusätzlich die innenpolitischen Ent­scheidungsprozesse der Nationalstaaten relevant. Ein Vertreter dieser Theorie ist Andrew Moravcsik.

(vgl. Giering 2000: 263f.)

3. 3. Funktionalismus

Bei den Funktionalisten (z. B. David Mitrany) stehen die Gemeinschaftsorgane und technisch- bürokratischen Eliten im Vordergrund.

Ausgangspunkt sind, gleich dem Realismus, die Interessen der Nationalstaaten. Um Konflikte beim Aufeinandertreffen verschiedener nationalstaatlicher Interessen zu vermeiden, wird eine schrittweise Integration in inkontroversen Politikfeldern angestrebt. Erst mit dem Fortschreiten des Integrationsprozesses soll die supra­nationale Kompetenz auf andere, friedenssichernde, Politikfelder ausgedehnt werden. Die sogenannten „spill over“ Effekte führen zu einer steigenden Abhängig­keit der Mitgliedstaaten. Diese sind dann gezwungen ihre Souveränität durch Kompetenzübertragung auf die supranationale Ebene einzuschränken.

Die transnationalen Einrichtungen agieren somit als Konsensfindungs- und Ausführungsorgane der Nationalstaaten. Nicht jedoch aber als eigenständige Akteure.

Über die wirtschaftliche Integration führt dieser Prozess zur politischen Integration.

In der neofunktionalistischen Schule führt die Kompetenz- und Souveränitäts­abtretung der Nationalstaaten sogar zu einem komplett neuen politischen Akteur. Die politische Form dessen ist allerdings noch unklar.

(vgl. Weidenfeld/Wessel 2000: 265f.; Grunauer 2002: 28)

Da die Entscheidungsprozesse der EU auf eine komplexe Mehrebenenstruktur beruhen und verschiedenen Politikebenen, Akteure und anwachsende Themen­bereiche aufeinander treffen, lassen sich die jeweiligen Ansätze nur für bestimmte Teile des europäischen Einigungsprozesses anwenden. Veranschaulicht wird diese Aufteilung zum Beispiel in der Tempelkonstruktion des EU- Systems, das über eine supranationale und zwei intergouvernementale Säulen verfügt.[2]

4. Begriffsklärung

4. 1. Demokratie

In der Forschungsliteratur kursieren zahlreiche Definitionen von Demokratie.

Greift man auf die etymologische Bedeutung zurück, setzt sich „Demokratie“ aus den griechischen Wörtern demos (das Volk) und kratein (herrschen) zusammen. Demokratie ist demnach die Volksherrschaft.

Abraham Lincoln fasste dies 1863 sehr knapp zusammen: „government of the people, by the people, for the people.“ Sie geht vom Volke aus, wird durch dieses und im Interessen dessen ausgeübt.Das Volk wird dabei nicht nach einer ethnischen Zusammengehörigkeit definiert, sondern als ein Staatsvolk.

Der Unterschied zur altgriechischen Form der Volksversammlungsherrschaft liegt in der heute üblichen Repräsentativverfassung. Heutzutage verfügen Demokratien zum Beispiel über intermediäre Organisationen (Parteien, Verbände) und haben in Klein- als auch in Großstaaten Anwendung gefunden. Eine Vielzahl politischer Ordnungen sammelt sich mittlerweile unter dem Begriff der Demokratie. Verschiedene ältere und neue Demokratietheorien stellt zum Beispiel Manfred G. Schmidt ausführlich dar.

(vgl. Schmidt 2000: 19f.; Guggenberger 1998: 81)

[...]


[1] Auf diesen Punkt werde ich in 8. 2. zurückkommen.

[2] Vgl. Punkt 2

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die Europäische Union
Untertitel
Demokratische Legitimation - Eine (zu) knappe Ressource in der EU?
Hochschule
Universität Konstanz  (Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft)
Veranstaltung
Die Europäische Union: Integrationsschritte, Prozesse, Politiken
Note
1,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
24
Katalognummer
V83018
ISBN (eBook)
9783638890212
ISBN (Buch)
9783638890304
Dateigröße
472 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Europäische, Union, Europäische, Union, Integrationsschritte, Prozesse, Politiken
Arbeit zitieren
M.A. Claudia Engelmann (Autor:in), 2003, Die Europäische Union , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83018

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