Daily Talks vs. Gerichtsshows

Ein kommunikationswissenschaftlicher Vergleich der beiden Fernsehgenres


Seminararbeit, 2006

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Unterhaltung im Fernsehen
2.1 Hintergrund
2.2 Typologie
2.3 Entwicklung von Verbreitung und Nutzung

3. Vergleich zwischen Daily Talks und Gerichtsshows
3.1 Entstehung und Entwicklung der Märkte
3.2 Strukturelle Kennzeichen
3.2.1 Allgemeine Merkmale
3.2.2 Beziehung zur Wirklichkeit
3.2.3 Inszenierungsstrategien
3.3 Rezeptionsmotive und Wirkungen
3.4 Bewertung der Qualität
3.4.1 Dimensionen von Qualität nach Schatz / Schulz (1992)
3.4.2 Bewertung der Qualität von Daily Talks und Gerichtsshows

4. Schlussbetrachtung

5. Literatur

1. Einleitung

Das Programmangebot im deutschen Fernsehen ist umfangreicher als jemals zuvor. Immer neue Formate, die insbesondere dem Bereich der Unterhaltung zuzuordnen sind, konkurrieren auf einer immer größer werdenden Vielfalt an Kanälen um die Aufmerksamkeit des Publikums.

Bei der Beobachtung von Veränderungen in der Mediennutzung und in der Programmgestaltung lassen sich langfristige, senderübergreifende Trends erkennen. Ein solcher Trend ist die Neuordnung der Nachmittagsprogramme der großen privaten Vollprogramme zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Auffälligste Entwicklung bei dieser Umgestaltung ist, dass sogenannte Gerichtsshows nach und nach die noch vor einigen Jahren allgegenwärtigen Daily Talks fast vollständig von ihren Sendeplätzen verdrängt haben. Obwohl vor dem Hintergrund dieser Entwicklung eine Gegenüberstellung der beiden Genres besonders interessant und fruchtbar erscheint, sucht man in der Literatur bis jetzt vergeblich nach einem systematischen Vergleich zwischen Daily Talks und Gerichtsshows.

Diese Hausarbeit verfolgt deshalb das Ziel, ausgehend von einer kurzen Beleuchtung des Unterhaltungsfernsehens im allgemeinen, zu klären, in welcher Art und Weise sich Daily Talks und Gerichtsshows im wesentlichen voneinander unterscheiden und wo Gemeinsamkeiten zu erkennen sind. Um diese Frage zufriedenstellend zu beantworten, soll der Vergleich sämtliche Positionen im klassischen Kommunikations­prozess ( „Who says What in Which Channel to Whom with What effect“), wie ihn die Lasswellformel illustriert, umfassen (vgl. Lasswell 1948). Ganz bewusst wird der Schwerpunkt jedoch auf das Who und auf das What gelegt: Wie lässt sich die Struktur der jeweiligen Medieninhalte beschreiben und welchen Einfluss üben die Produktions­bedingungen auf die gesendeten Botschaften aus?

Im Anschluss an diese Analyse soll, unter Zuhilfenahme eines theoretischen Qualitäts-Modells, ein Vergleich der Qualität der Medieninhalte der beiden Genres unternommen werden. Der Anspruch kann es in diesem limitierten Rahmen jedoch nicht sein, den Leistungsvergleich auf Basis einer vollständigen empirischen Untersuchung zu tätigen. Vielmehr sollen die bis dato herausgearbeiteten, charakteristischen Merkmale der beiden Genres und ausgewählte empirische Befunde aufgegriffen und unter der Prämisse bestimmter Qualitätskriterien einander gegenübergestellt werden.

2. Unterhaltung im Fernsehen

Sowohl Daily Talks als auch Gerichtsshows werden zum Bereich der Fernsehunterhaltung gezählt. Deshalb soll zunächst geklärt werden, worum es sich bei diesem Begriff genau handelt und welche unterschiedlichen Unterhaltungsformate zu unterscheiden sind. Schließlich soll ein kurzer Blick auf Verbreitung und Nutzung von Unterhaltung im Fernsehen geworfen werden.

2.1 Hintergrund

Unterhaltung ist im deutschen Fernsehen auf dem Vormarsch. Ein immer größerer Anteil des Fernsehprogramms in Deutschland wird mit dem Ziel produziert, zu unterhalten. In den letzten Jahren sind zudem viele neue Misch-Genres entstanden, deren Bezeichnungen verraten, dass Unterhaltung mittlerweile in Bereiche vorgedrungen ist, in denen sie bis vor einiger Zeit nicht anzutreffen war: „Info-tainment“, Doku-tainment“ etc. (Vgl. Schneider 2000: 24, 28)

Zudem handelt es sich bei der Fernsehunterhaltung um einen Bereich, welchem von oberster rechtlicher Stelle eine gewichtige Bedeutung zugesprochen wird. So stellt das Bundesverfassungsgericht fest: „Auch die Unterhaltung trägt zur Meinungsbildung bei, ist also ein Teil von Grundversorgung und soll Medium und Faktor der Meinungsbildung sein“ (zitiert nach Klenke 2000: 36).

Unterhaltung selbst ist jedoch ein schwieriger Begriff. Er bezeichnet einen Gegenstand ohne feste Grenzen und klare Konturen. Schon 1959 schrieb Gerhard Prager: „Unterhaltung ist nicht immer lustig. Nichts ist jedoch weniger lustig als der Versuch, sie zu definieren“ (Prager 1959: 237).

Im Bereich des Fernsehens ist Unterhaltung eine sehr allgemeine, übergeordnete Genrebezeichnung. Ein Genre fasst verschiedene Angebote im Fernsehen, die sich in inhaltlichen Merkmalen ähneln, zu einer Gruppe zusammen. Diese Schematisierung hat die Funktion, die Orientierung des Zuschauers zu erleichtern. Aus konstruktivistischem Blickwinkel handelt es sich bei der Ordnung von Fernsehangeboten in Genres und Gattungen, ein Begriff der im Gegensatz zum Genre nicht den inhaltlichen, sondern die strukturelle Form eines Formats zur Kategorie­bildung heranzieht, um produktions- und rezipientenseitige Konstrukte, die letztlich der Komplexitätsreduktion dienen: Durch die Etikettierung eines Angebots wird der mögliche Inhalt und Aufbau einer Fernsehsendung für den Zuschauer erwartbar und es wird eine Basis für die Selektion aus dem Gesamtprogramm geschaffen. (Vgl. Gehrau 2001: 18, 24 f.)

Aus der Perspektive der Rezipienten lassen sich folglich all diejenigen Inhalte als Unterhaltung deklarieren, die den Zuschauer aus seiner subjektiven Perspektive heraus unterhalten, ihm also bestimmte Gratifikationen liefern, die typischerweise zum Funktionsbereich von Unterhaltung gezählt werden, wie zum Beispiel Entspannung und Eskapismus. (Vgl. Gerhards / Grajczyk / Klingler 2000: 100 f.)

Aus der kommunikatorbezogenen Perspektive wird Unterhaltung hingegen an formalen Kriterien festgemacht, in etwa an den Zuständigkeiten entsprechender Organisationseinheiten: „Als Unterhaltung im Fernsehen gilt weiterhin alles, was von den Unterhaltungsredaktionen der Fernsehanstalten geplant und verantwortet wird“ (Hickethier 1979: 41).

Die Differenzierung von Unterhaltung in eine rezipientenorientierte und in eine kommunikatororientierte Dimension verdeutlicht die eingangs erwähnte Schwierigkeit bei der Annährung an den Begriff. So wird zum Beispiel die Tagesschau mit dem Anspruch produziert, die Zuschauer zu informieren und die Verantwortung für das Format liegt folglich bei der Nachrichten­redaktion der ARD. Trotzdem kann es gut sein, dass inhaltliche Elemente der Tagesschau die Rezipienten nicht nur informieren, sondern auch unterhalten. Eine der noch am tragfähigsten scheinenden Definitionen für das Phänomen Unterhaltung liefert Lübbecke, weil er beide Dimensionen des Begriffs aufgreift: „Als Fernsehunterhaltung im engeren Sinne lassen sich zunächst solche Sendungen bezeichnen, die von den Programmverantwortlichen in der Zuordnung als Unterhaltung angekündigt und von den meisten Zuschauern auch mit Unterhaltung in Verbindung gebracht werden.“ (Lübbecke 1996: 67)

2.2 Typologie

Das Genre Unterhaltung gliedert sich zunächst in die beiden Hauptgruppen fiktionale Unterhaltung und nicht-fiktionale Unterhaltung, wobei der Anteil von Fiktion-Produktionen am Gesamtprogrammvolumen (ca. 30%) etwa dreimal so hoch ist wie der Anteil von nicht-fiktionalen Formaten (ca. 10%). Zum Bereich der fiktionalen Unterhaltungssendungen zählen etwa die Subgenres Fernsehfilm, Spielfilm und Fernsehserie. Im Feld der nicht-fiktionalen Unterhaltung lassen sich drei Untergruppen identifizieren: Der Bereich der journalistischen Darstellungsformen (zum Beispiel Magazine, Ratgeber und Talkshows), der Bereich der konventionellen Unterhaltungsformen (zum Beispiel Show, Quiz und Darbietung) und schließlich der Bereich Reality TV. (Vgl. Paukens 2000: 167 f.)

Reality TV hat sich, seitdem es Anfang der 1990er Jahre in den USA aufgekommen ist, rasch ausdifferenziert und fungiert mittlerweile als Genrefamilie für Formate, die ganz unterschiedliche Lebensbereiche thematisieren. Bei Reality TV-Sendungen lassen sich zwei unterschiedliche Ausprägungen unterscheiden:

„Narratives Reality TV umfasst jene Sendungen, die ihre ZuschauerInnen mit der authentischen oder nachgestellten Wiedergabe realer oder realitätsnaher, außergewöhnlicher Ereignisse nicht-prominenter Darsteller unterhalten. Performatives Reality TV [hingegen] umfasst jene Sendungen, die eine Bühne für nicht-alltägliche Inszenierungen sind, jedoch zugleich direkt in die Alltagswirklichkeit nicht-prominenter Menschen eingreifen“ (Klaus / Lücke 2003: 1999).

Reality TV-Formate beider Prägungen dominieren mittlerweile das Nachmittagsprogramm der großen privaten Vollprogramme und werden auch immer zahlreicher in den Abendprogrammen sowie in den Programmen der öffentlich-rechtlichen Sender platziert.

Viele Genres, die als Reality TV deklariert werden (zum Beispiel Doku-Soaps und Reality-Soaps), sind aus einer Hybridisierung ursprünglich strikt voneinander abgegrenzter Genres hervorgegangen.

2.3 Entwicklung von Verbreitung und Nutzung

Sowohl die Programmangebote als auch das Nutzungsverhalten der Zuschauer haben sich seit der Etablierung des Fernsehens in der BRD in den 1950er Jahren stark verändert. Gegenwärtig besitzen annähernd 100% aller deutschen Haushalte mindestes ein Fernsehgerät und die durchschnittliche Tagesreichweite ist seit Mitte der 1960er Jahre um fast das doppelte auf über 80% gestiegen. (Vgl. Gerhards / Grajczyk / Klingler 2000: 102)

Auch der Bereich der Unterhaltung hat sich inhaltlich radikal gewandelt, wozu vor allem auch die Einführung des dualen Systems im Jahr 1984 beigetragen hat. Die privaten Sender müssen Programmvielfalt nur außenpluralistisch gewährleisten und konnten ihren Fokus deshalb seit ihrem Bestehen verstärkt auf reichweitenstarke Unterhaltungssendungen richten. Ihr Erfolg hat wiederum die öffentlich-rechtlichen Sender dazu motiviert, ebenfalls verstärkt unterhaltende Elemente in ihre Sendungen zu integrieren und insbesondere zur Prime-Time, aber auch im Werbeumfeldprogramm vor 20 Uhr verstärkt auf Unterhaltungsinhalte zu setzen. (Vgl. Meyn 2004: 136 f., 153)

Die Attraktivität von Unterhaltungsformaten für das Publikum kann besonders anschaulich gezeigt werden, wenn man die Angebotsanteile mit den Nutzungsanteilen vergleicht. So betrug im Jahr 1999 der Anteil des Angebots an Informationssendungen am Gesamtprogrammvolumen durchschnittlich 41%. Der Anteil an fiktionaler und nicht-fiktionaler Unterhaltung war mit zusammen 42% zwar nur unwesentlich höher. Dafür konnten die Unterhaltungsformate aber deutlich höhere Nutzungsanteile (53%) verzeichnen als Informationsformate (29%). (Vgl. Gerhards / Gragczyk / Klingler 2000: 112)

[...]

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Details

Titel
Daily Talks vs. Gerichtsshows
Untertitel
Ein kommunikationswissenschaftlicher Vergleich der beiden Fernsehgenres
Hochschule
Universität Münster  (Institut für Kommunikationswissenschaft)
Veranstaltung
Programmprofile im dualen Rundfunksystem
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
22
Katalognummer
V83005
ISBN (eBook)
9783638889797
ISBN (Buch)
9783638889940
Dateigröße
478 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar des Dozenten (Auszug): "Sie haben eine in fast in allen Belangen phantastische Arbeit vorgelegt. Es beginnt bei einer selbstständig und plausibel hergeleiteten Problemstellung, es geht weiter in einem klug argumentierenden Hauptteil, in dem sie beeindruckend strukturiert eine Menge an kommunikationswissenschaftlichem Verständnis und Rüstzeug unter Beweis stellen, und es endet schließlich in der Schlussfolgerung, die das vorher genannte intelligent zusammenfasst und kritisch diskutiert. (...)"
Schlagworte
Daily, Talks, Gerichtsshows, Programmprofile, Rundfunksystem
Arbeit zitieren
Johannes Gunst (Autor:in), 2006, Daily Talks vs. Gerichtsshows, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83005

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