Jenseits der etablierten Politik: Grundsicherungsmodelle zwischen Königsweg und Feigenblatt

Soziale Polarisierung


Hausarbeit, 2005

19 Seiten, Note: 1.2


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung und Fragestellung

2. Kombilohnmodelle
2.1 Lohnsubventionen an Arbeitgeber
2.2 Subventionierung von Sozialversicherungsbeiträgen
2.3 Einkommensbeihilfen für Beschäftigte

3. Modelle negativer Einkommenssteuer

4. Grundeinkommensmodelle

5. Zusammenfassung und Schlussfolgerung

6. Literatur

1. Einleitung und Fragestellung

Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist zur Sicherung des allgemeinen Lebensunterhalts auf Erwerbsarbeit angewiesen. Auch das deutsche soziale Sicherungssystem baut auf der sozialversicherungspflichtigen Erwerbsarbeit auf. Das sozialstaatliche Leistungssystem fußt bekanntlich bislang vor allem auf Abschöpfung von Einkommen aus Lohn-/Einkommenssteuer, sowie Beiträgen zur Sozialversicherung. Ausreichende soziale Sicherung der Bürger mit Leistungsansprüchen aus dem Sozialversicherungssystem setzt eine lebenslange kontinuierliche Vollzeiterwerbstätigkeit (Normalarbeitsverhältnis) voraus. Als Normalarbeitsverhältnis wird im allgemeinen und wirtschaftlichen Sinne eine unbefristete, sozialversicherungspflichtige, tariflich und an ein anerkanntes Berufsfeld gebundene Vollzeitbeschäftigung definiert. Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes hat jedoch zur Folge, dass nur noch rund die Hälfte aller Arbeitnehmer in einem solchen Arbeitsverhältnis stehen. Die anderen Beschäftigten sind in Teilzeitarbeit, Leiharbeit, befristeten Jobs usw. beschäftigt.1

In der aktuellen Diskussion um die Krise des Sozialstaates gewinnt das Thema Grundsicherung eine immer stärkere Bedeutung. Die offensichtliche Krise besteht darin, dass viele Menschen aus den beitragsorientierten sozialen Sicherungssystemen herausfallen und schlussendlich längerfristig bzw. dauerhaft in der Mindestsicherung (Sozialhilfe) aufgefangen werden. Dieses System der Mindestsicherung ist jedoch reformbedürftig, da es in seinem eigentlichen Sinn als nachrangige Hilfe und somit als Ausnahme gedacht ist. „Hier setzt die Idee einer garantierten Grundsicherung an. Sie geht davon aus, dass jedem Menschen ein menschenwürdiges Existenzminimum zusteht, und dass dieses zukünftig nicht mehr ausschließlich über Erwerbsarbeit und die derzeitigen sozialen Sicherungssysteme gewährleistet und finanziert werden kann.“2

Die derzeit arrivierte Definition des Begriffes „ Grundsicherung “ ist (nach: kleines Lexikon der Politik S.184):

(1) die Gewährleistung der Mindestausstattung einer Familie mit Gütern des privaten Verbrauchs: ausreichende Ernährung, Wohnung und Kleidung, bestimmte Haushaltsgeräte und Möbel;
(2) die Bereitstellung elementarer öffentlicher Dienstleistungen wie Trinkwasser, sanitäre Anlagen, Transportmittel, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen.

Grundbedürfnisse können des weiteren unterschieden werden in Bedürfnisse, deren Befriedigung ein objektivierbares Existenzminimum ermöglicht (first floor needs), und weiterreichende Bedürfnisse zur Gewährleistung sozialen und mentalen Wohlbefindens (second floor needs), wie z. B. Bildung, soziale Sicherheit, kulturelle Identität.

Definition nach Professor Joachim Mitschke:

„Der Begriff [der Grundsicherung] beschreibt Transferleistungen, die die materielle Existenzsicherung gewährleisten sollen. Dem Überbegriff Grundsicherung werden auch das ‚Grundeinkommen’, die ‚Negative Einkommenssteuer’ und manchmal auch Kombilohnmodelle zugeordnet.“3

Im allgemeinen Sprachgebrauch ist der Begriff Grundsicherung Überbegriff für diverse Modelle. Er umschließt Bezeichnungen wie: Bürgergeld; Grundeinkommen; negative Einkommenssteuer; Kombilohn; Existenzgeld; Sozialhilfe; Grundsicherung im Alter. Seit dem Kriseneinbruch und erhöhter Arbeitslosigkeit zu Beginn der 1980iger Jahre werden die verschiedensten Konzepte von den unterschiedlichsten Verbänden, Initiativen und Parteien entwickelt und diskutiert. In der Literatur wird in drei grobe Kategorien unterteilt, die dann in weitere individuelle Konzepte mit ähnlichen Ansätzen weiter gegliedert werden. Bei diesen grob unterteilten Kategorien handelt es sich um Kombilohnmodelle, Modelle negativer Einkommenssteuer und Grundeinkommensmodelle. Hier sollen nun diese Kategorien dargestellt, auf Vor- und Nachteile hingewiesen und anhand von Beispielen diskutiert werden.

2. Kombilohnmodelle

In Form von staatlichen Transferleistungen oder Vergünstigungen ist der Kombilohn eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme für Beschäftigte mit dem Ziel der Aufnahme oder Ausübung einer Tätigkeit. Mit den Kombilohnmodellen sollen speziell geringqualifizierte Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger im Niedriglohnsektor zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit motiviert werden. Neben Arbeitnehmern können mit dem Kombilohnmodell auch Arbeitgeber gefördert werden, zum Beispiel durch Lohnsubventionen, die im Gegenzug an die Betriebe gezahlt werden, die Arbeitslose oder Sozialhilfeempfänger einstellen. Hintergrund des Fördermodells Kombilohn ist die Tatsache, dass die im Niedriglohnsektor ausreichend vorhandenen Arbeitsplätze nicht besetzt werden, weil hier durch einen zu geringen Unterschied zwischen Entlohnung und Lohnersatzleistungen (Arbeitslosen-, Sozialhilfe) keine Anreize zur Arbeit geschaffen werden. Hierbei zeigen die Beispiele aus amerikanischen und britischen Arbeitsmarktstatistiken, dass auch im unteren Lohnsegment produktivitätsgerechte Lohnsenkungen nicht unerhebliche Potentiale an Arbeitsplätzen schaffen. Auf diesen Erfahrungen basierend, errechnete das Institut der deutschen Wirtschaft ein Potential von ca. 4,7 Millionen erschließbaren Arbeitsplätzen für die Bundesrepublik Deutschland. Die Idee, die Tarife für Geringqualifizierte nach unten zu öffnen, um so die bei Lohnsenkungen vorhandenen Beschäftigungspotentiale zu nutzen sowie Rationalisierung und Auslandsverlagerung den Anreiz zu nehmen, ist eine besonders von Arbeitgebern bevorzugte Variante der Grundsicherung.4

„Grundsätzlich lassen sich im wesentlichen vier Varianten von Subventionen zur Förderung der Beschäftigung von Geringqualifizierten (bzw. anderen benachteiligten Gruppen unter den Arbeitslosen) unterscheiden, wobei es für jede Variante mehrere Instrumente gibt:

- Lohnsubventionen an Arbeitgeber;
- Subventionierung von Sozialversicherungsbeiträgen (an Arbeitgeber und / oder Beschäftigte);
- Einkommensbeihilfen für die Beschäftigten;
- Nachfragesubventionen.“5

2.1 Lohnsubventionen an Arbeitgeber

Die Subvention an Arbeitgeber, die im Gegenzug Arbeitsplätze schaffen oder Arbeitslose aus bestimmten Zielgruppen (bspw. Langzeitarbeitslose) einstellen ist eine Variante, die es, nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, schon längere Zeit gibt. Die gewährten Zuschüsse sind meist ein prozentualer Anteil an den Lohnkosten des jeweiligen Arbeitnehmers. Diese Subventionen sind zumeist steuerfinanziert. Sie sind in der Regel an verschiedene Bedingungen geknüpft, wie zum Beispiel: Nachbeschäftigungsfristen, im Anschluss an die Maßnahme abzuschließende unbefristete Arbeitsverträge usw. Die Zuschüsse werden als meist degressiv gestalteter Prozentsatz des jeweiligen Arbeitslohnes berechnet. So werden beim Sonderprogramm „Beschäftigungsbeihilfen für Langzeitarbeitslose“ (BHI) die Zuschüsse für eine Dauer von bis zu einem Jahr gewährt, wobei in der ersten Jahreshälfte die Subvention 60 bis 80% des durchschnittlichen Arbeitsendgeldes betragen kann und in der zweiten Jahreshälfte um 20% gesenkt wird. Eine Besonderheit ist hier, dass, je länger der Beschäftigte arbeitslos war, der Zuschuss umso höher ist.6

Eine andere Variante der Lohnkostenzuschüsse für Unternehmen sind die, die in Form von Einstellungszuschüssen bei Neugründungen gezahlt werden. Diese Subventionen können an Unternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten innerhalb der ersten zwei Jahre nach Existenzgründung gezahlt werden.

Eine dritte Variante der Arbeitgebersubventionen sind die 1997 eingeführten Eingliederungsverträge. Hier werden die Arbeitgeber nicht durch finanzielle Zuwendungen, sondern durch arbeitsrechtliche Erleichterungen begünstigt. So können Arbeitgeber Arbeitnehmer innerhalb der sechsmonatigen Laufzeit des jeweiligen Eingliederungsvertrages ohne Angabe von Gründen auch wieder kündigen. Des Weiteren werden dem Unternehmen Lohnkosten und Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung bei Ausfallzeiten wie beispielsweise Krankheit erstattet.7

Es zu erkennen, dass diese Fördermodelle der Bezuschussung von Arbeitgebern in erster Line nicht auf die Neuschaffung von Arbeitsplätzen ausgerichtet ist. Eine Ausnahme bildet hier nur die Förderung durch Einstellungszuschüsse bei Neugründungen. Vielmehr sollen durch Lohnsubventionen an Arbeitgeber Produktivitätsnachteile von bestimmten Arbeitslosengruppen (Geringqualifizierte, Langzeitarbeitslose usw.) auf bestimmte Zeit, die diese zur Wiedereingliederung benötigen, ausgeglichen werden.

[...]


1 vgl. Willke (2003) S.82

2 Katholische Arbeitnehmerbewegung, Arbeitsausschuss Soziale Sicherung (2003) S.2

3 Mitschke (2000)

4 vgl. Mitschke (1997)

5 Weinkopf (1999) S.26

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Jenseits der etablierten Politik: Grundsicherungsmodelle zwischen Königsweg und Feigenblatt
Untertitel
Soziale Polarisierung
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg  (Institut für Politikwissenschaft)
Note
1.2
Autor
Jahr
2005
Seiten
19
Katalognummer
V82928
ISBN (eBook)
9783638037464
Dateigröße
615 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jenseits, Politik, Grundsicherungsmodelle, Königsweg, Feigenblatt
Arbeit zitieren
Martin Oppermann (Autor:in), 2005, Jenseits der etablierten Politik: Grundsicherungsmodelle zwischen Königsweg und Feigenblatt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82928

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