Der Pfalzgraf bei Rhein

Reichsvikariat und Richteramt


Hausarbeit, 2006

24 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Begriffsklärung - Reichsvikariat

2. Der Pfalzgraf bei Rhein als Reichsvikar
2.1 Pfalzgraf bei Rhein Otto II. als Reichsvikar 1251-1253
2.2 Pfalzgraf bei Rhein Ludwig II. als Reichsvikar 1267
2.3 Der Pfalzgraf bei Rhein als Reichsvikar im Schwabenspiegel
2.4 Pfalzgraf bei Rhein Ludwig II. als Reichsvikar 1277
2.5 Der Pfalzgraf bei Rhein als Reichsvikar in der Goldenen Bulle von 1356
2.6 Der Pfalzgraf bei Rhein Ruprecht II. als Reichsvikar 1394

3. Begriffsklärung – Richteramt

4. Der Pfalzgraf bei Rhein als Richter über und anstelle des Königs
4.1 Pfalzgraf bei Rhein Ludwig II. als Richter anstelle des Königs 1274
4.2 Das Richteramt des Pfalzgrafen bei Rhein in der Goldenen Bulle 1356

5. Fazit

6. Quellen

7. Literatur

0. Einleitung

Viele Bundesbürger waren Mitte April 2006 wohl einigermaßen überrascht, als der neue Hoffnungsträger der SPD Matthias Platzeck aus gesundheitlichen! Gründen seinen Rücktritt vom Parteivorsitz bekannt gab. Die Reaktion der SPD auf diesen Vorfall war aller Enttäuschung zum Trotz reine Formsache. Für solche Fälle gibt es nämlich überall wo sich Menschen gleich zu welchem Zweck zusammenschließen, angefangen beim Schülersprecher über den Kapitän einer Fußballmannschaft bis hin zur Bundeskanzlerin zumindest nominell das Amt eines Stellvertreters. Der Vorsorgegedanke, der hinter der Einsetzung eines Vertreters bei Vakanz der Führungsposition steht, ist jedoch kein moderner.

Ausgehend von einem Hauptseminar in mittelalterlicher Geschichte über die Pfalzgrafschaft bei Rhein im Spätmittelalter, das innerhalb dieses räumlichen und zeitlichen Rahmens immer wieder die inhaltlichen Schwerpunkte Rang und Herrschaft setzte, will ich das neben dem Papsttum wohl würdevollste Stellvertreteramt des Mittelalters untersuchen. Das Reichsvikariat und das damit verknüpfte Richteramt. Aus Urkunden und anderen Texten der genannten Zeit ist häufig zu entnehmen, dass gerade der Pfalzgraf bei Rhein diese beiden Ämter bekleidete, obwohl oder vielleicht gerade weil er im Konzert der Fürsten des Mittelalters keine ebenbürtige Machtgrundlage besaß, die gerade auch in einem zusammenhängenden umfangreichen Territorium ihre Grundlage besaß.

In diesem Zusammenhang stellen sich folgende Fragen, die ich zu bearbeiten versuche: Aus welchen Gründen wurde dem Pfalzgrafen bei Rhein das Amt des Reichsvikars und das Richteramt übertragen? Waren diese Ämter neben der Auszeichnung es zu tragen auch wirkungsmächtig?

Im ersten Kapitel geht es mir um die (rechtshistorische) Erklärung und innere und äußere Differenzierung des Begriffs Reichsvikariat.

Das zweite Kapitel untersucht chronologisch anhand von Urkunden und anderen Rechtstexten beispielhafte Fälle der Reichsvikariate der Pfalzgrafen bei Rhein

Im dritten Kapitel gebe ich ausgehend vom Schwabenspiegel eine Erklärung und Differenzierung des Richteramtes des Pfalzgrafen bei Rhein.

Ich zeige im vierten Kapitel wiederum an Quellentexten wann, wo, wie und warum es zur Ausübung des Richteramtes des Pfalzgrafen bei Rhein gekommen ist.

Das fünfte Kapitel fasst die Ergebnisse zusammen und zieht ein kritisches Fazit.

1. Begriffsklärung - Reichsvikariat

Eine Auseinandersetzung mit dem Begriff Reichsvikariat kann sich m. A. nicht auf eine Erklärung der zwei Arten des Reichsvikariats beschränken, sondern sie muss auch die historischen Rahmenbedingungen für diese verfassungsrechtliche[1] Bestimmung beleuchten. Das heißt nicht zuletzt auch, danach zu fragen wie das Reichsvikariat entstanden ist, weil es nur schwer absolut, d. h. ohne Beachtung und Beobachtung des historischen Kontextes, erfasst werden kann.

Die Entstehung des Reichsvikariats ist eine praktische Folge der mittelalterlichen königlichen Herrschaftspraxis. Diese war nämlich aufgrund der weitläufigen und dünnen Besiedelung der deutschen Lande an eine hohe Mobilität des Königs und seines Hofes gebunden. Die Floskel, die Könige des Mittelalters regierten vom Sattel aus, ist zutreffend, weil sie eine zwingende Notwendigkeit des mittelalterlichen Königtums impliziert: der König musste vielerorts präsent sein, das hieß ansprechbar sein und gerecht Recht sprechen und schaffen, um seine Herrschaft unter der Beobachtung der kritischen Fürsten, denen er sein Königtum verdankte, zu festigen und aufrechtzuerhalten.

Dennoch kam es aber dazu, dass Königsnahe und Königsferne Gebiete entstanden. Die Reiseschwerpunkte begannen sich im Hochmittelalter außerdem vom Norden Deutschlands an den Mittelrhein zu verschieben. Während sich die einen Städte bei gleichzeitiger Abnahme der Königspräsenz rühmen konnten einen Kaiser in ihrem Dom begraben zu wissen, wodurch sie sich dem Reich zugehörig fühlten[2], zeugten in anderen die Pfalzen von der regelmäßigen Anwesenheit lebendiger Könige und Kaiser.[3] Zu langen Abwesenheiten des Königs oder Kaisers kam es im ganzen Mittelalter jedoch immer wieder wegen der Rom- und Italienzüge, das ja ebenfalls zum Imperium Romanum gehörte.

Diese Verhältnisse bewirkten, dass die Könige im Falle ihrer Abwesenheit oft von sich aus einen Vertreter oder Verwalter des Reiches einsetzten. Diese Form der Stellvertretung wird Verweser genannt. Der Reichsverweser unterscheidet sich zwar nicht bezüglich der Aufgaben vom Reichsvikariat, aber im Hinblick auf die rechtliche Verankerung.[4]

Das Reichsvikariat ist die Erscheinungsform eines abstrakter werdenden Herrschaftsbegriffes im Hochmittelalter. Das Reich und die Ämter begannen unabhängig von Personen, wie beispielsweise dem Menschen der gerade König war, zu bestehen. Das hängt unter anderem mit der schriftlichen Fixierung des bisher mündlich weitergegebenen Gewohnheitsrechts zusammen, das dadurch konserviert[5] und in den jeweiligen Gebieten, wo es Geltung beanspruchte, kodifiziert wurde.

Im Falle des Reichsvikars handelt es sich demnach nicht mehr nur um einen vom jeweiligen Herrscher in einer bestimmten Situation selbst angewiesenen Vertreter wie den Reichsverweser. Sondern um eine rechtlich festgelegte Vollmacht eines Sachwalters, der automatisch sein Amt aufnahm.[6] Dieses nahm er auf: entweder anstelle des Königs, er handelte dann in seinem Namen, oder im Falle eines Interregnums, dann handelte er im Namen des Reiches.

Der vicarius imperii vertrat damit den König oder Kaiser und Reich in zwei Fällen, nach denen das Amt benannt wird. Hinsichtlich dieser Unterscheidung muss aber der Vorbehalt geltend gemacht werden, dass es sich bei ihr um die wissenschaftliche Interpretation der Angaben aus Textquellen handelt, die auf die vorgetragene Weise wohl nicht im Bewusstsein der Menschen vorhanden war.

Erstens: Das Reichsvikariat vacante imperio: Dies tritt ein, wenn der König oder Kaiser gestorben ist, also einem Interregnum. Der Reichsvikar wurde mit verbindlichen Rechten und Pflichten ausgestattet, die er innerhalb mehr oder weniger genau geregelter räumlicher Grenzen zu erfüllen hatte.[7]

Zweitens: Das Reichsvikariat vivente imperatore: Der König oder Kaiser überträgt die Reichsgeschäfte zu Lebzeiten einem Reichsvikar. Sein Aufgabenbereich wird urkundlich festgelegt. Die häufigste Ursache für diese Art des Reichsvikariats sind die Rom- und Italienfahrten der deutschen Könige.[8]

2. Der Pfalzgraf bei Rhein als Reichsvikar

2.1 Pfalzgraf bei Rhein Otto II. als Reichsvikar 1251-1253

Pfalzgraf bei Rhein Otto II. hatte von 1251-1253 das Vikariat, also die Statthalterschaft über Deutschland inne.[9] Er erhielt es während des Königtums Konrads IV. (1250-1254). Die gewichtigste Ursache für diese Ernennung war wohl nicht nur das gute politische Verhältnis des Pfalzgrafen mit dem Staufer, das Otto schon mit Kaiser Friedrich II. pflegte, sondern auch die Heiratsverbindung der Tochter Ottos, Elisabeth, mit Konrad IV.[10]

Eine Urkunde aus der die Bestimmungen des Vikariats Pfalzgraf Ottos II. hervorgehen gibt es nicht. Aber aus bruchstückhaft erhalten gebliebenen Vikariatsurkunden aus den ersten 1250er Jahren an andere Empfänger als den rheinischen Pfalzgrafen wie zum Beispiel für die Lombardei und die Toskana, die Konrad IV. ausstellen ließ, gehen Bestimmungen hervor wie sie auch in Vikariatsdiplomen aus der Kanzlei Friedrichs II. aus dem Jahr 1239 zu finden sind. Diese Diplome haben auch insofern für den weiteren Verlauf meiner Arbeit Bedeutung, weil sie Karl IV. und damit auch im Besonderen den Artikel 5 der Goldenen Bulle über das Recht des Pfalzgrafen bei Rhein zum Stellvertreter des Königs oder Kaisers beeinflusst haben.

In eben diesen Diplomen, deren Artikel ich hier darstellen will, werden einem Generalvikar keine allgemeinen Aufgaben zugewiesen, sondern spezifische und strikt geregelte Vollmachten übertragen[11]:

die Zivil- und Strafgerichtsbarkeit,

die Auferlegung des Reichsbanns und anderer Strafen,

die Abänderung städtischer Statuten, wenn es um Lebensmitteltransporte, die Entfremdung von Kirchengut oder den geraubten Besitz von Minderjährigen geht,

die fallabhängige Einsetzung von Vormündern und Pflegern für Minder- oder Volljährige,

[...]


[1] Ich möchte darauf hinweisen, dass ich die modernen Begriffe von Recht und Ordnung(en) in diesem Zusammenhang immer nur unter Vorbehalt einsetze und hauptsächlich des Verständnisses wegen, weil Gesetze und Ordnungen im Mittelalter nicht zuletzt aufgrund ihrer mündlichen und erst im 13. Jh. beginnenden schriftlichen Überlieferung nicht wie Gesetze in modernen Staatsgebilden umfassende Gültigkeit und Kraft besaßen.

[2] Vgl. Schneidmüller, B.: Magdeburg und das geträumte Reich des Mittelalters. S. 10-43. In: Heilig – Römisch – Deutsch. Das Reich im mittelalterlichen Europa. Hg. Schneidmüller, B. u. Weinfurter, S. Dresden 2006. S. 20.

[3] Vgl. Keller, H.: Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont. Deutschland im Imperium der Salier und Staufer 1024 bis1250. Propyläen Geschichte Deutschlands 2. Hg. Groh, D. Berlin 1986. S. 367.

[4] Vgl. Erler, A.: Reichsverweser. Sp. 806f. In: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 4. Hg. Erler, A. u. Kaufmann, E. Berlin 1990. Sp. 806.

[5] Vgl. Angenendt, A.: Verschriftlichte Mündlichkeit – vermündlichte Schriftlichkeit. S. 3-25. In: Im Spannungsfeld von Recht und Ritual. Soziale Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit. Hg. Durchhardt, H. u. Melville, G. Norm und Struktur. Studien zum sozialen Wandel in Mittelalter und Früher Neuzeit 7. Hg. Melville, G. Köln, … 1997. S. 3.

[6] Vgl. Lammers, W.: Reichsvikariat. Sp. 807-810. In: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 4. Hg. Erler, A. u. Kaufmann, E. Berlin 1990. Sp. 807.

[7] Vgl. Rödel, V.: Die Geburt der Kurpfalz. S. 217-238. In: Mitteilungen des historischen Vereins der Pfalz 100. Hg. Warmbrunn, P. Speyer 2002. S. 230.

[8] Vgl. Rödel, Kurpfalz, S. 231.

[9] Vgl. Moraw, P.: Die kurfürstliche Politik der Pfalzgrafschaft im Spätmittelalter, vornehmlich im späten 14. und frühen 15. Jahrhundert. S. 75-97. In: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 9. 1983. S. 82; So auch: Schaab, M.: Geschichte der Kurpfalz 1, Mittelalter. Stuttgart, … 19992. S. 73. Allerdings führen beide keinen Quellenbeleg an!

[10] Vgl. Schaab, Kurpfalz, S. 72f.

[11] Vgl. RI, V., 1, S. 631.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Der Pfalzgraf bei Rhein
Untertitel
Reichsvikariat und Richteramt
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Historisches Seminar )
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
1
Autor
Jahr
2006
Seiten
24
Katalognummer
V82908
ISBN (eBook)
9783638898638
Dateigröße
402 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Untersuchung des würdevollsten Stellvertreteramtes des Mittelalters neben dem Papsttum anhand von Urkunden und anderen Rechtstexten.
Schlagworte
Pfalzgraf, Rhein, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Frank Rückert (Autor:in), 2006, Der Pfalzgraf bei Rhein, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82908

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