Cultural Studies und digitale Medien

Ein Problemaufriss


Hausarbeit, 2007

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Cultural Studies

3. Digitale Medien
3.1. Digitale Grenzen

4. Der digitale Text
4.1. Software
4.2. Interaktivität

5. Die „Cultural-Production“ – These
5.1. „Widerständiges“ Produzieren

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Information and Communication technology shapes our perceptions, distributes our pictures of the world to one another, and constructs different forms of control over the cultural stories that shape our sense of who we are and our world. The instant we develop a new technology of communication – talking drums, papyrus scrolls, books, telegraph, radio, televisions, computers, mobile phones – we at least partially reconstruct the self and its world, creating new opportunities for reflection, perception, and social experience.”[1]

Neue Kommunikationstechnologien haben in der Geschichte immer einen Einschnitt und einen Wandel in Gesellschaft und Kultur markiert, sie haben die Welt nachhaltig verändert, indem sie unser Verständnis von uns und unserer Welt, und wie wir dieses Wissen organisieren und ausdrücken, gewandelt haben. Aus der Sicht der Cultural Studies ist die Revolution der neuen, digitalen Medien daher durchaus zweischneidig, denn sie haben ihre Methoden, Fragestellungen und Erkenntnisse in der Auseinandersetzung mit den einzelnen analogen Massenmedien entwickelt. Durch digitale Medien wie das Internet hat sich nun aber die Kommunikation von zeitlichen und räumlichen Einschränkungen befreit, Informationen sind durch die neuen Technologien so gut wie überall und zu jeder Zeit verfügbar. Gleichzeitig synthetisieren digitale Medien ihre analogen Vorgänger, sie integrieren sie also sozusagen in ein Super-Medium. Die Frage, die sich daher stellt ist, welche Implikationen digitale Medien für die Produktion und Distribution von Bedeutungen innerhalb der Gesellschaft haben und inwiefern die Werkzeuge der Cultural Studies, die im Rahmen der analogen Massenmedien entwickelt wurden, auf sie anwendbar sind. Auf diese Frage gibt es keine definitive Antwort, aber ich will im Folgenden versuchen, die Probleme, Fragestellungen und Veränderungen aufzuzeigen, vor die digitale Medien die Cultural Studies stellen. Dieser Problemaufriss ist natürlich nicht erschöpfend, das ist bei der Weite des Feldes auch kaum möglich; daher konzentriere ich mich auf einige grundlegende Charakteristika und Strömungen, und will so auch versuchen Punkte zu identifizieren, die den Cultural Studies einen Zugang ermöglichen oder sich als eventuell als logische Weiterführung ihrer Ansätze zeigen.

2. Cultural Studies

Zu allererst, man kann eigentlich nicht von den Cultural Studies reden, denn es handelt sich um einen Forschungsansatz, in dem zu einer spezifischen Fragestellung jeweils Theorien und Methoden aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen wie eine Bricolage[2] zusammengestellt werden. Es gibt also weder ein einheitliches Vorgehen, noch ein umfassendes theoretisches Gerüst, und auch ihr Forschungsgegenstand, die Populärkultur, hat so vielfältige Erscheinungsformen, dass es unmöglich ist, die Cultural Studies so auf einen Nenner zu bringen. Allerdings gibt es eine Reihe von Grundannahmen und grundlegenden Fragestellungen, die – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – in diesem Kapitel kurz skizziert werden sollen.

Die Anfänge der Cultural Studies liegen in Großbritannien, wo sie Ende der Fünfziger Jahre mit literaturwissenschaftlichen Arbeiten über die soziale Bedeutung von Literatur begannen[3] und sich dann mit der Gründung des Centre for Contemporary Cultural Studies (CCCS) in Birmingham 1964 institutionell manifestierten. Der ursprüngliche Forschungsauftrag des CCCS war die Analyse der Populärkultur[4], also vornehmlich eine Auseinandersetzung mit den Massenmedien. Nun ist Kultur in den Cultural Studies ein weit gefasster Begriff, der sich auf die gesamte Bandbreite der Bedeutungen und sozialen Erfahrungen der Lebensweise in einer industriellen Gesellschaft bezieht[5], also auch auf Prozesse der Bedeutungsschöpfung, durch die der Einzelne und Gruppen Sinn aus ihrer Umwelt machen und sich darin verorten. Kultur ist nicht wie im soziologischen Sinne das gemeinsame Werteverständnis einer Gesellschaft, vielmehr ist Gegenstand der Cultural Studies, dass gerade dieser Konsens zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen fehlt und stattdessen ein Kampf um Bedeutungen stattfindet, „ein nie zum Stillstand kommender Konflikt über Sinn und Wert von kulturellen Traditionen, Praktiken und Erfahrungen.[6] Kultur ist ein Feld, das sowohl menschliches Lebensumfeld, im Sinne von Alltagswelt, als auch Schauplatz ideologischer Kämpfe ist, und in den Cultural Studies geht es daher um die Interpretation und die Aneignung kultureller Texte im Alltag. Eine Unterscheidung in Hoch- und Populärkultur wird dabei nicht gemacht, denn einen Unterschied in der Wertigkeit kultureller Praktiken nahe zu legen, gilt ihnen als ein Ausdruck gesellschaftlicher Machthierarchien.

Fragen nach Macht und Ideologie sind in den Cultural Studies eng mit Kultur verbunden, denn ihr Gesellschaftsbild ist von marxistischen Einflüssen geprägt; so wird Gesellschaft nicht als homogener Organismus gesehen, sondern als ein Netzwerk verschiedener Gruppen (Klasse, Gender, Religion, Ethnie, Bildung usw.), die im ständigen Kampf um Dominanz stehen. Diese Dominanz äußert sich in einer Vorherrschaft der Werte, wie sie durch soziale Institutionen wie Familie, Bildungseinrichtungen, Medien, Sprache usw., als sozial annehmbares Verhalten oder Verhaltensnormen implementiert werden[7]. Auch kulturelle Texte dienen dabei der Bestätigung und dem Aufrechterhalten gesellschaftlicher Machtstrukturen. Sprache selbst ist in der Art und Weise wie sie die Welt organisiert und uns einen Zugang zur Realität verschafft ideologisch aufgeladen[8]. Die Prozesse des Interpretierens und Aneignens von Medientexten sind aber komplex und beinhalten einen aktiven Rezipienten, der den Text auf der Grundlage seiner eigenen Erfahrung und sozialen Situation dekodiert und daher durchaus zu widerständigen oder widersprüchlichen Lesarten kommt[9]. Damit ist er auch in der Lage, je nach Kontext eigene Bedeutungen zu generieren und einen Text für sich, entgegen der Macht einer dominanten Ideologie, die in ihn eingeschrieben ist, nutzbar zu machen[10]. Vor diesem Hintergrund ist es das primäre Ziel der Cultural Studies „kulturelle Prozesse in ihrer kontextuellen Einbindungen in Machtverhältnisse zu erforschen“[11] und Formen des Widerstands in der Auseinandersetzung um Bedeutungen zu bestimmen, um letztendlich marginalisierten Gruppen gewissermaßen eine Hilfe zur Selbstreflexion bieten zu können.

Soweit einige Grundlagen der Cultural Studies, wie sie in Bezug auf analoge Massenmedien, insbesondere das Fernsehen, entwickelt wurden; die digitalen Medien stellen das Projekt der Cultural Studies nun vor eine neue Herausforderung, denn es stellt sich die Frage, inwieweit Erkenntnisse und Fragestellungen überhaupt übertragbar sind. Das Feld dieser neuen Medien ist ausufernd. Seit einigen Jahren wird im Bereich der digitalen Medien extensive Forschung betrieben, die sich teilweise unter dem Stichwort Cybercultural Studies in die Tradition der Cultural Studies stellt; im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen dabei meistens die verschiedenen Phänomene des World Wide Web, wie Muds (Multi User Dungeons), Chatrooms oder virtuelle Gemeinschaften etc.. Dies führt meines Erachtens dazu, dass es sehr viele spezielle Untersuchungen zu neuen Medien gibt, in denen jedoch oft ihre „Digitalität“ zu kurz kommt, eben das was alle digitalen Medien gemeinsam haben, und was ihre Besonderheit ausmacht. Im Folgenden will ich deshalb zunächst die Grundlagen der digitalen Medien betrachten, denn diese allgemeinen Charakteristika sind notwendig, um den Wandel im Verhältnis von analogen zu digitalen Massenmedien zu erklären, und damit auch die neue Herausforderung, die sich den Cultural Studies im Zeitalter digitaler Medien stellt.

3. Digitale Medien

Umgangssprachlich redet es sich leicht von den digitalen Medien, doch handelt es sich um eine ganze Bandbreite von technischen Geräten zur Aufzeichnung, Speicherung, Verarbeitung, Darstellung und Distribution digitaler Informationen – angefangen vom Computer, über das Handy, die CD, bis zum Navigationssystem. Untereinander sind die einzelnen Medien in einem Netz komplizierter Verwandtschaftsbeziehungen verbunden; es haben sich spezielle Unterformen entwickelt, wie etwa die Spielkonsole, als eine auf Computerspiele spezialisierte Subform des Computers – dass die Konsole andererseits aber auch das Abspielen von Dvds und den Zugang zu Internetangeboten ermöglicht, verdeutlicht in welchem Spannungsfeld von Konvergenz und Differenzierung digitale Medien angesiedelt sind:

„This combined process of convergence and differentiation creates what has become known as multimedia or hypermedia – not discrete sets of clearly separated media but a dynamic continuum of (old and new) media forms.”[12]

In diesem dynamischen Raum liegt ein fast chaotisches Potenzial für neue Medienverbindungen und alte und neue Medien lassen sich quasi grenzenlos kombinieren.

Die gemeinsame Grundlage dieses Medienraumes ist der digitale Code, durch den jede beliebige Information in einen Haufen Daten aus Einsen und Nullen verwandelt wird, die aufgrund ihres binären Charakters mit elektronischen Schaltungen – Strom / kein Strom – , technisch verarbeitet werden können. Damit gibt es auf der Ebene der Kodierung keinen Unterschied zwischen Texten, Tönen oder Bildern, oder wie Florian Kramer schreibt:

„Streng genommen gibt es gar keine digitalen Medien, sondern nur digitale Information; digitale Information, die auf analogen – optischen, elektrischen, magnetischen und mechanischen – Medien gespeichert und durch sie übertragen wird.“[13]

[...]


[1] Burnett, Robert/ Marshall, David P.: Web Theory: An Introduction. London [u.a]: Routledge 2003. S. 61.

[2] vgl. Winter, Rainer: Ethnographie, Interpretation und Kritik: Aspekte der Methodologie der Cultural Studies. In: Göttlich, Udo/Mikos, Lothar/Winter, Rainer (Hg.): Die Werkzeugkiste der Cultural Studies. Perspektiven, Anschlüsse und Interventionen. Bielefeld: transcript 2001. S. 47.

[3] vgl. Turner, Graeme: British Cultural Studies: An Introduction. Reprint d. Ausg. 1990. New York [u.a]: Routledge 1992. S. 12.

[4] vgl. Winter, Ethnographie, Interpretation und Kritik, S. 45.

[5] nach Althusser, vgl. Fiske, John: British Cultural Studies and Television. In: Allen, Robert C.: Channels of Discourse. Television and Contemporary Criticism. Chapel Hill: University of North Carolina Press 1987. S. 255.

[6] Winter, Ethnographie, Interpretation und Kritik, S. 45.

[7] vgl. Fiske John, British Cultural Studies, S. 256.

[8] nach Saussure, vgl. Turner, British Cultural Studies, S. 13.

[9] vgl. Hall, Stuart: Kodieren/Dekodieren. In: Adelmann, Ralf/ Hesse, Jan O. [u.a.] (Hg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft. Theorie – Geschichte – Analysen. Konstanz: UVK 2002. S. 121f

[10] vgl. Fiske John, British Cultural Studies and Television, S. 284f.

[11] Winter, Ethnographie, Interpretation und Kritik, S. 46.

[12] Fornäs, Johan/ Klein, Kajsa u.a. (Hg.): Digital Borderlands. Cultural Studies of identity and interactivity on the internet. New York [u.a.]: Lang 2002, S. 19.

[13] Kramer, Florian (2001): Für eine Textwissenschaft des Digitalen. online unter: URL http://plaintext.cc:70/all/textwissenschaft_des_digitalen/textwissenschaft_des_digitalen.html (letzter Zugriff: 22.04.2007)

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Cultural Studies und digitale Medien
Untertitel
Ein Problemaufriss
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Institut für Medienwissenschaft)
Veranstaltung
Cultural Studies
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
25
Katalognummer
V82851
ISBN (eBook)
9783638859516
ISBN (Buch)
9783638855884
Dateigröße
537 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Cultural, Studies, Medien, Cultural, Studies
Arbeit zitieren
Laura Heuer (Autor:in), 2007, Cultural Studies und digitale Medien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82851

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