Man Ray - Ein Künstlerleben zwischen Surrealismus und Dadaismus


Hausarbeit, 2004

17 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition der Begriffe
2.1. Dadaismus
2.2. Surrealismus

3. Pre-Dada in New York
3.1 Der Einfluss der europäischen Avantgardisten
3.2. Die Aerographien

4. Ein neuer Anfang in Paris

5. Photographie
5.1 Rayographie
5.2 Solarisation

6. Ready-mades

7. Filme
7.1. Le Retour à la raison
7.2. Emak Bakia
7.3. L’Etoile de Mer
7.4. Les Mystères du château de dés

8. Schlusswort

9. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Ich habe keinerlei Probleme anzubieten, nur Lösungen.“[1]

Man kann Man Rays Œuvre keiner bestimmten Kunstrichtung zuordnen, seine Werke bleiben immer „Dada-Realistik oder Sur-Dada-Realismus“[2], auch wenn in seinen früheren Arbeiten der dadaistische Anteil sicherlich überwiegt.[3] Man Ray experimentierte Zeit seines Lebens mit den verschiedensten künstlerischen Techniken, er war Maler, Schriftsteller, Verleger, Photograph, Objektkünstler und Filmemacher. Er war der einzige amerikanische Dadaist, und verfolgte konsequent seine Prinzipien: Freiheit, Kreativität, Humor, Unabhängigkeit und Anarchismus. Er war der einzige amerikanische Avantgarde Künstler, der nicht daran interessiert war, eine moderne amerikanische Kunst zu schaffen. Er ‚wollte’ mit seinen Bildern nichts erreichen.

Seine große Bedeutung für die europäische Kunstgeschichte liegt darin, dass er dem französischen Dadaismus, zu einer Zeit, als dieser gerade in sich selbst zerfiel, den entscheidenden Übergang zum Surrealismus ermöglichte. In seinen Werken, aber auch in seiner Person selbst, vereint er die wichtigsten Merkmale beider Kunstrichtungen: der surrealistischen und der dadaistischen Kunst.

In dieser Hausarbeit werde ich die Entwicklung Man Rays, vom Beginn seiner Malerei in der Pre-Dada Zeit, über seine Zeit als Photograph in Paris und seine Rückkehr nach Amerika, verfolgen. Schwerpunkte möchte ich auf die von ihm entdeckten neuen Möglichkeiten der Photographie, seine Ready-mades und Filme setzen. Zudem werde ich, an kurzen Beispielen, jeweils die Einflüsse des Dadaismus und des Surrealismus in seinen bekanntesten Werken darlegen.

2. Definition der Begriffe

2.1. Dadaismus

„Dada haßt Kunst, aber Dada erneuert die Kunst durch eine ‚künstlerische Anti-Kunst-Bewegung’.“[4] Obwohl die Dada-Bewegung nur einige Jahre dauerte (1916 – 1922) gelang es ihr, die Kunst und Kunstwahrnehmung des 20. Jahrhunderts umfassend zu verändern.[5] Die Dada-Bewegung war der totale Bruch mit der Vergangenheit, eine Rebellion gegen Traditionen, Glauben, Ideologien, gesellschaftliche Hemmungen und Barrieren (wozu auch die Ästhetik zählte). Gerne bezeichneten sich die Dadaisten selbst als ‚die freiesten Menschen der Welt’. Der Dadaismus war eine Internationale Bewegung, unabhängig von nationalen Grenzen, Religionen oder Berufen. Er war eine direkte Konsequenz des Ersten Weltkrieges: Die jungen Künstler machten die bürgerliche Gesellschaft für den Krieg verantwortlich und zeigten ihren Protest in ihrer Kunst und großangelegten öffentlichen Aktionen. „The beginnings of Dada were not the beginnings of art, but of disgust.“[6] Die meisten Dadaisten standen aus politischen Gründen in enger Verbindung mit dem Kommunismus, dem Anarchismus und den revolutionären Bewegungen.

2.2. Surrealismus

Der Surrealismus war im Grunde genommen eine Weiterentwicklung des Dadaismus. Deswegen waren viele der Hauptmerkmale des Surrealismus auch bereits, in einem chaotischeren Zustand, bei den Dadaisten vorhanden, z.B. das Experimentieren mit Automatismus, Zufall und gefundenen Objekten, innerhalb eines von sozialer Revolution geprägten gesellschaftlichen Umfelds. Im Gegensatz zum Dadaismus, der bei einigen zur einfachen Parole ‚Gegen alles!’ mutierte, wollte der Surrealismus die Kunst und die Gesellschaft, in der er lebte, verändern. Der Surrealismus war von Sigmund Freud und seinen Schriften zur Traumdeutung und zum Unterbewussten inspiriert, und strebte eine neue Ordnung an, wogegen der Dadaismus jede Art von Ordnung und Regeln ablehnte. Man Rays Verbindung zu den Surrealisten lag hauptsächlich in der gemeinsamen politischen Distanzierung vom aufkommenden Faschismus, und der künstlerischen Hinwendung zum Objekt.

In Man Rays Werken findet man viele Aspekte, die beide Kunstrichtungen gemeinsam haben, z.B. die Infragestellung der Wirklichkeit des Realismus, und die große Rolle, die das Zufällige in ihrer Kunst spielt. Wegen seiner amerikanischen Herkunft sahen die Pariser Avantgardekünstler in Man Ray sogar den „ Mythos des ‚Neuanfangs’“[7] verkörpert, der für sie eine große Rolle spielte.

3. Pre-Dada in New York

3.1 Der Einfluss der europäischen Avantgardisten

„Ich könnte für mich beanspruchen, daß ich Dada in New York erfunden habe. 1912 vor Dada. Im Jahre 1919 brachte ich Dada mit Erlaubnis und Zustimmung anderer Dadaisten in New York heraus. Nur einmal. Das reichte. Die Zeit verdiente nicht mehr. [...] Ist Dada tot? Lebt Dada? Dada ist. Dadaismus.“[8]

Im Februar 1913 besuchte Man Ray die Armory Show in New York, und begegnete hier zum ersten Mal dem Werk Duchamps. Die Ausstellung der europäischen Avantgarde machte starken Eindruck auf ihn und gab ihm einen entscheidenden Anstoß in seiner künstlerischen Entwicklung. Er probierte z.B. die für ihn neue Technik des Kubismus aus. Seine Bilder waren aber, im Gegensatz zu den monochrom gehaltenen Bildern der ‚traditionellen’ Kubisten, leuchtend bunt, wie z.B. AD MCMXIV (1914). In diesem Bild versucht Man Ray den Ausbruch des ersten Weltkrieges künstlerisch zu bewältigen. Der Horror des Krieges nahm damit, ähnlich wie bei vielen europäischen Dada-Künstlern, Einfluss auf seine frühen Werke.

Nachdem er 1915 nach New York gezogen war, besuchte Man Ray oft die Galerie 291 des Photographen Stieglitz, wo er die moderne europäische Kunst kennen lernte.[9] Des weiteren traf er sich regelmäßig auf Versammlungen mit jungen, aufgeschlossenen Künstlern, die miteinander ihre neuen Ideen diskutierten. Diese New Yorker Pre-Dada Gruppe wurde von den emigrierten europäischen Künstlern Marcel Duchamp und Francis Picabia getragen[10], die einen großen Einfluss auf die jungen Künstler hatten. Sie forderten die jungen Künstler dazu auf, sich von ihrem sensuellen Kunstbegriff zu lösen, und auf einen mehr konzeptionellen zuzugehen. Dada präsentierten sie ihnen als eine radikale Ablehnung der europäischen Moderne, und sie verlangten von den Künstler, sich von europäischen Traditionen zu befreien, eine eigene Kunst zu entwickeln.[11] Man Ray bestand aber immer darauf „that he was ‚Dada’ before he met Duchamp“.[12] Bereits 1911 hatte er Tapestry, ein abstraktes dadaistisches Gemälde, unter Verwendung von Stoffteilen angefertigt, und sich in seinen Bildern, nach Art der späteren Surrealisten, mit Traumszenerien auseinandergesetzt, z.B. „...“ (1912). Schon 1915 hatte Man Ray die erste und einzige Ausgabe von The Ridgefield Gazook, die erste amerikanische Dada-Zeitschrift überhaupt, veröffentlicht. Er hatte sie komplett selbst geschrieben, und drückt in ihr seine anarchistische Anti-Kunst Position, seinen Sinn für Humor und seine Liebe für Wortspiele aus. In The Ridgefield Gazook zeigte sich auch, dass Man Ray schon früh mehr Wert auf Ideen als auf Form legte.

Die New Yorker Künstlergruppe veröffentlichte zwar, im Gegensatz zu den europäischen Dada-Gruppen, keine revolutionären Pamphlete und Manifeste, und es lag ihnen auch nicht im Sinn, ein großes Publikum zu provozieren, aber der Geist des Dadaismus war in ihnen lebendig, auch bevor das Label „Dada“ 1916 von Tristan Tzara erfunden wurde. Trotz ihrer wenig spektakulären Aktionen in der Öffentlichkeit, hatte die New Yorker Pre-Dada Gruppe einen großen Einfluss auf die amerikanischen Künstler und Schriftsteller. Man Ray selbst war dabei besonders von Duchamps bildstürmerischen Ideen und Theorien fasziniert.[13] Aber auch der französische Künstler Picabia inspirierte ihn. Angeregt von dessen Maschinen-Zeichnungen und mechanomorphen Portraits, begann Man Ray selbst das Sujet ‚der Mensch als Maschine’ in seine Werke einzubauen, so z.B. bei seinem Bild Danger / Dancer (1920) oder bei der Photographie Man (1918).

[...]


[1] Alain Sayag und L’Ecotais (Hrsg.): Man Ray – Das Photographische Werk. München: Schirmer/Mosel Verlag 1998, S.212.

[2] Hans Richter: Dada – Kunst und Antikunst. Köln: DuMont Verlag 21970, S.200.

[3] Dies liegt zum größten Teil daran, dass der beginnende Surrealismus mit Dada fast identisch war. Z.B. gibt uns Salvador Dali noch 1929 eine Beschreibung des Surrealismus, die auch auf den Dadaismus zutrifft: „Der Surrealismus ist die Systematisierung der Konfusion. Der Surrealismus schafft scheinbar eine Ordnung. [...] Der Surrealismus ist destruktiv, aber er zerstört nur, was er als Ketten betrachtet, die unsere Vision einschränken.“ Ebd., S. 200.

[4] Hans Richter in: Frankfurter Kunstverein (Hrsg.): Man Ray – Inventionen und Interpretationen. Frankfurt: Frankfurter Kunstverein 1979, S.89.

[5] Die Dada-Bewegung war z.B. maßgeblich an der Erforschung neuer Techniken und moderner Ausdrucksmittel, wie der Collage, der Typographie, der Photographie, und des Films beteiligt.

[6] Tristan Tzara in: William S. Rubin: Dada, Surrealism, and their Heritage. New York: Verlag des Museums of Modern Art 21977, S.12.

[7] Merry Foresta (Hrsg.): Man Ray. 1890-1976. Sein Gesamtwerk. Zürich: Edition Stemmle Verlag 1994, S.233.

[8] Hans Richter in: Frankfurter Kunstverein, S.48.

[9] Stieglitz begeisterte Man Ray durch seine neuartige Idee, dass Photographie nicht nur Reproduktion unserer Welt sein muss, sondern selbst eine neue Welt kreieren kann. Man Ray lernte bei Stieglitz auch, dass die Performance beim Photographieren im Atelier genauso wichtig sein kann, wie die fertige Photographie.

[10] Man Ray lernte Duchamp 1915 kennen, ein Jahr später begegnete er zum ersten Mal Picabia.

[11] Duchamp (1915): „If only America would realize that the art of Europe is finished – dead – and that America is the country of the art of the future, instead of trying to base everything she does on European traditions!“ Rudolf E. Kuenzli (Hrsg.): New York Dada. New York: Willis Locker & Owens Verlag 1986, S.2.

[12] Ebd., S.4.

[13] Ähnlich den europäischen Dadaisten kämpfte Duchamp in seiner Kunst gegen die Regeln der Ästhetik und die Sakralisierung der Kunst an.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Man Ray - Ein Künstlerleben zwischen Surrealismus und Dadaismus
Hochschule
Universität Paderborn  (Fakultät für Kulturwissenschaften)
Veranstaltung
Avantgardefilm
Note
2,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V82807
ISBN (eBook)
9783638885911
ISBN (Buch)
9783638888875
Dateigröße
560 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Künstlerleben, Surrealismus, Dadaismus, Avantgardefilm
Arbeit zitieren
M.A. Melitta Töller (Autor:in), 2004, Man Ray - Ein Künstlerleben zwischen Surrealismus und Dadaismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82807

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