Der Kampf gegen den blauen Dunst

PR-Kampagnen im Gesundheitssektor am Beispiel der europäischen Anti-Raucher-Kampagne „HELP“


Seminararbeit, 2006

50 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen
2.1 PR - Kampagnen
2.2 Gesundheitskommunikation
2.3 PR-Kampagnen im Gesundheitssektor

3. Der Kampf gegen den Tabakkonsum in der EU
3.1 Die Gesundheitsschäden und ihre Folgen
3.2 Gesellschaftliche Trends im Raucherverhalten
3.3 Große Ziele – kleine Erfolge: Aktionsrahmen der EU

4. „HELP – Für ein Leben ohne Tabak“
4.1 Ziele und Aufgaben
4.2 Dialoggruppen
4.3 Strategie und Kernbotschaften
4.4 Partner
4.5 Umsetzung und Dramaturgie
4.6 Evaluation
4.7 Kritische Betrachtung

5. Schlussbetrachtung und Fazit

LITERATURVERZEICHNIS

ANHANG

1. Einleitung

„Wie vernünftig wollen wir leben?“ (Leicht, 2005) fragt die Zeit die deutschen Raucher. Daraufhin meldet das Blatt: „Deutschland wird zum Nichtraucherland. Und die Raucher ziehen sich zurück auf die schlechten Plätze.“ (Barnsteiner, 2005). Und der EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz erklärt der Presse sein großes Ziel, bis zum Jahr 2009 auf dem gesamten Gebiet der Europäischen Union ein öffentliches Raucherverbot zu erreichen (vgl. Russ, 11. April 2005). Der Blick in die Medien zeigt, dass in der rauchenden Gesellschaft ein gesundheitliches Anliegen verstärkt ins Rollen kommt. Denn die Erfahrungen der letzten Zeit offenbaren: wer sich dem Tabakgenuss hingibt, kann auf Dauer nur verlieren. Aber wollen wir eine Gesellschaft der Verlierer? Gesundheit gilt vielen als höchstes Gut; so auch der Europäischen Union, die sich der Wahrung der Menschenrechte und einem Leben in Würde und Frieden verschrieben hat. Aber wie kann man das Wissen um die Folgen des Rauchens, die Vernunft und die gelebte Gesundheitspraxis der Bürger auf einen Nenner bringen? Eine Möglichkeit stellt die gezielte Kommunikation mit betroffenen Bevölkerungsgruppen dar. Deshalb greifen viele Mitglieder der europäischen Gemeinschaft auf Anti-Raucher-Kampagnen zurück.

Für die vorliegende Arbeit ist es daher von besonderem Interesse, den Kampf gegen den Tabakkonsum mit dem PR-Instrument Kampagne zu untersuchen. Das erfolgt anhand eines konkreten Beispiels, indem die aktuelle Anti-Tabak-Kampagne der Europäischen Union „HELP – Für ein rauchfreies Leben“ präsentiert wird. Zunächst werden PR-Kampagnen im Allgemeinen beleuchtet. Da Anti-Raucher-Kampagnen dem Themenfeld „Gesundheit“ zuzuordnen sind, wird daraufhin die wissenschaftliche Disziplin der Gesundheitskommunikation vorgestellt und in ihren Grundzügen skizziert. Daran schließt sich die Betrachtung des spezifischen Kommunikationsinstruments „Gesundheitskampagne“ an, wobei auf ihre Aufgaben, gesellschaftlich-sozialen Hintergrund sowie Wirkungspotential eingegangen wird. Im Mittelpunkt der weiteren Ausführungen steht das Vorgehen der EU gegen das Rauchen. Nach einem Einblick in die gesundheitlichen Schäden werden die gesellschaftlichen Entwicklungen in der EU ausführlich dargestellt. Sie sollen den Ernst des Sachverhalts und die dringende Notwendigkeit, gegen die gefährliche Sucht anzukämpfen, verdeutlichen. Hiernach wird vor dem Hintergrund der Ziele und Zwecke der europäischen Public Health Politik das Handlungsspektrum der EU im Kampf gegen den blauen Dunst herausgearbeitet. Im letzten Teil der Arbeit wird der Blick auf das europäische Praxisbeispiel gerichtet. Hier wird die Kampagne „HELP“ im Hinblick auf Konzeption und Durchführung vorgestellt und im Anschluss daran diskutiert. Abschließend werden Überlegungen zur vorgestellten Gesundheitskampagne in einem Fazit zusammengetragen.

2. Theoretische Grundlagen

2.1 PR - Kampagnen

Ob Parteien, Wirtschaftsunternehmen, Kirchen, Verbände, Umweltorganisationen, oder Gewerkschaften, viele Akteure der heutigen Informations- und Mediengesellschaft nutzen PR-Kampagnen als einen Weg, um in der sozialen Wirklichkeit wahrgenommen zu werden und bestimmte Ziele zu erreichen. Kampagnen sind als Informations- und Kommunikationsprozesse zu begreifen, die öffentlich, zeitlich befristet und thematisch begrenzt sind. Sie verfolgen klar definierte Ziele und überschreiten eindeutig „das Basisniveau routinemäßiger oder kontinuierlicher Aktivität einer Organisation“ (Bentele 2004, 307). Allgemein gesprochen sollen damit Individuen, einzelne soziale Gruppen oder ganze Gesellschaften beeinflusst werden (vgl. Rogers/Storey 1989, 818). Das vollzieht sich über eine durchdachte Formulierung sowie organisierte und koordinierte Verbreitung von Botschaften über mehrere mediale Kanäle. Als angestrebte Ziele können beispielsweise öffentliche Aufmerksamkeit, Glaubwürdigkeit und Vertrauen gelten, ebenso wie die Erzeugung von Images und die Legitimation organisationseigener Interessen. Das alles dient in der Regel dazu, durch Information und Persuasion eine Veränderung von Einstellungen und Verhalten bestimmter Bevölkerungsgruppen zu bewirken, sprich die angesprochenen Teilöffentlichkeiten zu mobilisieren.

Bei PR-Kampagnen handelt es sich um eine „strategische Kommunikation par excellence“ (Röttger 2005, 589). Sie stellen einen rationalen Prozess dar, welcher auf einer Kommunikationsstrategie basiert und die Schritte Analyse, Planung, Umsetzung und Evaluation umfasst. Zu ihren Eigenschaften zählt deshalb eine dramaturgische Gestaltung, der Maßnahmen- und Kostenpläne zugrunde liegen. So haben Kampagnen in der Regel einen zeitlichen Spannungsbogen, welcher einen Auftakt, bestimmte Phasen und Höhepunkte sowie ein Ende beinhaltet. Dabei finden diverse kommunikative Instrumente und Techniken aus den Bereichen Public Relations, Werbung und Marketing eine gezielte Anwendung sowie eine formale, inhaltliche und zeitliche Integration (vgl. Röttger 2005, 589). Die Komplexität von Kampagnen variiert je nach Umfang der eingesetzten Kommunikationsinstrumente. Dazu gehören zum Beispiel Pressearbeit, Anzeigen, Werbespots, Veranstaltungen, Internetauftritte und Personalisierung durch Prominente. Die Kampagne wird als kommunikative Maßnahme von verschiedenen Initiatoren zahlreicher Gesellschaftsbereiche, sei es Politik, Wirtschaft, Religion oder Kultur, ergriffen. Daraus ergeben sind unterschiedliche Kampagnenarten. Dazu zählen beispielsweise politische Wahlkampagnen sowie wirtschaftliche oder Non-Profit-Kampagnen. Des Weiteren kann diesbezüglich eine Differenzierung nach thematischen Schwerpunkten und Kommunikationsstilen vorgenommen werden. So findet man in der Praxis viele Beispiele für Gesundheits-, Sozial-, Umwelt- oder Tierschutzkampagnen respektive Informations-, Dialog-, Image-, Werbe- und Aufklärungskampagnen (vgl. Bentele 2004, 308).

Fortschreitende Globalisierung, soziale und ökologische Problemlagen, gesellschaftliche Konflikte – viele aktuelle Entwicklungen bewirken eine zunehmende Umweltkomplexität, in der für Organisationen aller Gesellschaftsbereiche die Notwendigkeit besteht, mittels Public Relations ihre Interessen und Positionen zu vermitteln. Dabei kommt Kampagnen in der ausdifferenzierten Informations- und Mediengesellschaft eine große Bedeutung zu, da sie Themen und Interessen aufmerksamkeitswirksam in den öffentlichen Diskurs einbringen. Insbesondere Non-Profit-Organisationen, welche keinen direkten Einfluss auf politische Entscheidungsträger ausüben können, bedienen sich der Kampagne, um über öffentliche Diskussion und Meinungsbildung ihre Interessen durchzusetzen. Aber auch alle anderen Organisationen, ob staatlich oder kommerziell, unterliegen dem Zwang, mittels Kommunikation ihren politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Handlungsraum im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zu schaffen und zu sichern.

Da die Medien unsere soziale Wirklichkeit maßgeblich gestalten, sind gesellschaftliche Akteure auf diese angewiesen, wenn sie sich in der Öffentlichkeit Gehör verschaffen wollen. Deshalb müssen die Kampagnenträger ihre Kommunikationspraxis nach den Spielregeln des Mediensystems ausrichten. Angesichts der Informationsflut bedeutet das, mit einer inhaltlichen Aufbereitung und zeitlichen Abstimmung der Botschaften die Faktoren der Nachrichtenselektion zu erfüllen, um eine hohe Medienresonanz und damit ein breites Publikum zu erreichen. Das letztere ist aber täglich mit einem Überangebot von Informationen konfrontiert, sodass es interesseweckender Symbole und Inszenierungen bedarf, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, inszeniert man mit Kampagnen medien- und publikumswirksame Ereignisse unter Verwendung bestimmter stilistischer Mittel, darunter die symbolhafte Vereinfachung, Visualisierung, Emotionalisierung und Wiederholung von Botschaften (vgl. Röttger 2005, 589). Die Medienorientierung einerseits und die Publikumsausrichtung andererseits münden in eine Doppelstrategie, die viele Kampagnen auszeichnet. Ulrike Röttger bringt es auf den Punkt, indem sie sagt, dass PR-Kampagnen die Wirklichkeit dramatisch inszenieren und dies in der Regel in medienadäquater Form (vgl. Röttger 2001, 15).

Der etymologische Ursprung des Begriffs „Kampagne“ liegt im militärischen Vokabular. Abgeleitet vom lateinischen campus, das so viel wie flaches Land bedeutet, wurde das Wort im deutschen Sprachraum im 17. Jahrhundert als Fremdwort adaptiert und im Sinne von „Feldzug“ verwendet (vgl. Bentele 2004, 308). Der Kampfmoment ist in dem Kommunikationsbegriff „Kampagne“ immer noch enthalten, wie es zum Beispiel im „Wahlkampf“ oder im „Kampf gegen das Rauchen“ zum Ausdruck kommt.

2.2 Gesundheitskommunikation

Der Begriff Gesundheitskommunikation stammt von dem angelsächsischen Health Communication und bezeichnet eine bedeutende Teilsdisziplin der modernen Gesundheitspolitik. Das gesundheitspolitische Fachgebiet wird auch als Public Health bezeichnet, worunter man die „Wissenschaft und Praxis der Krankheitsverhütung, Lebensverlängerung und Gesundheitsförderung durch bevölkerungsbezogene Maßnahmen“ (Jazbinsek 2000, 12) versteht. Sein Teilbereich Health Communication zielt darauf ab, mittels verschiedener Kommunikationsmaßnahmen und Strategien die Verhaltensmuster der breiten Bevölkerung im Sinne der Gesundheitsförderung zu beeinflussen. Hinter dem Begriff verbirgt sich ein wissenschaftliches Feld, welches die Gebiete Kommunikationswissenschaft und Gesundheitswissenschaften, inklusive deren medizinischer Anwendungsbereiche, integriert. Zur zentralen Aufgabe der Gesundheitskommunikation gehört die Vermittlung und der Austausch von Wissen, Meinungen und Gefühlen zwischen den professionellen Akteuren des Gesundheitswesens und Menschen, die als Patienten von einem Gesundheitsthema persönlich betroffen sind oder als Bürger sich für die Themen der öffentlichen Gesundheit interessieren (vgl. Hurrelmann/Leppin 2001, 11). Dieser Wissenstransfer über Krankheit und Gesundheit kann drei wesentliche Kommunikationsformen annehmen und durch verschiedene Kanäle erfolgen. So unterscheidet man diesbezüglich zwischen einer direkten, personalen Kommunikation, einer massenmedialen Vermittlung von Gesundheitswissen und einer neuen, interaktiven Kommunikationsform, welche durch den Einbezug elektronischer Medien in den letzten Jahren ermöglicht wurde.

Die traditionelle Form der direkten, personalen Kommunikation bezieht sich im Wesentlichen auf die Interaktion zwischen dem Arzt und dem Patienten im Rahmen einer Therapie. In dem gegenwärtigen Gesundheitssystem besteht hierbei ein partizipatives Kommunikationsmuster, bei dem der Laie in die Bewertung der Diagnose und der möglichen Behandlungsoptionen nach Wunsch miteinbezogen wird. Denn es ist maßgeblich für den Heilerfolg, den Patienten am Heilprozess zu beteiligen. Um als ein mündiger Partner des Arztes am Therapieverlauf beteiligt sein zu können, muss dieser für seine Gesundheit Selbstverantwortung übernehmen und aktiv nach Informationen suchen, die ihm Entscheidungen über Therapiealternativen erleichtern. Weiterhin gehört zu dieser Art der Gesundheitskommunikation die Schulung von Patenten mit chronischen Leiden über Einzelbetreuung, Gruppenberatungen, oder Workshops mit dem Ziel, sie für die Bewältigung des Alltags zu emanzipieren. Auch werden in diesem Bereich der Gesundheitskommunikation ausgewählte Zielgruppen, wie Jugendliche, Migranten oder alte Menschen, mit präventiven oder gesundheitsfördernden Programmen zum Beispiel von Krankenkassen oder Volkshochschulen angesprochen. Der zweite Bereich von Health Communications umfasst die massenmediale Informationsverbreitung an weite Bevölkerungsgruppen. Damit wird eine Stärkung der Laienkompetenz in der Beurteilung von Gesundheitsfragen bezweckt. Dafür werden die Bürger von den Medien prophylaktisch mit Ratschlägen in Sachen Ernährung oder Vorbeugung von Krankheiten versorgt, über die Leistungsangebote des Gesundheitssystems unterrichtet, zum selbständigen Umgang mit leichten Krankheiten angeleitet sowie im Umgang mit Ärzten, Krankenhäusern und Medikamenten kritikfähig gemacht (vgl. Göpfert 2001, 137 f.). Der Schwerpunkt liegt ebenfalls auf Präventionsstrategien, mit denen man eine positive Veränderung des gesundheitsbezogenen Verhaltens bezweckt. Hierzu zählen aufklärende und präventive Gesundheitskampagnen. Seit einiger Zeit bietet auch das Internet einen zusätzlichen Informationskanal. Hier findet man auf allgemein zugänglichen Websites von Wissenschaft und Praxis Gesundheitstipps und Ratschläge bei Krankheiten sowie kommunale Wegeweiser durch die gesundheitlichen Versorgungsleistungen (vgl. Hurrelmann/Leppin 2001, 11 ff.). Insgesamt betrachtet geht es bei Gesundheitskommunikation um die Förderung der Lebenskompetenz und –Qualität der Bürger mit Hilfe von Informationen zu Behandlungsmöglichkeiten und gesundheitsgefährdenden beziehungsweise –fördernden Verhaltensweisen.

2.3 PR-Kampagnen im Gesundheitssektor

In den letzten zwei Jahrzehnten haben Akteure des Gesundheitswesens, darunter auch Behörden wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, verstärkt in gesundheitsfördernde Kampagnen investiert, um dem erhöhten Erkrankungs- und Suchtpotential, welches aus Stress, Konsumüberfluss und hoher Arbeitsbelastung resultiert, entgegenzuwirken. Die Aufgabe von Gesundheitskampagnen „involves convincing individuals to exercise personal responsibility for their health by altering their lifestyles in more healthful directions, through the use of mass media and other communication channels to inform the public about dangers, motivate them to reduce risks, or train them in skills that enable them to adopt more healthful lifestyles“ (McGuire 1984, 299; zitiert nach Rogers/Storey 1989, 820). An der Fülle der Kampagnenthemen läst sich erkennen, dass die ehemaligen Genussmittel im Hinblick auf Essen, Trinken und Rauchen sich in der heutigen Gesellschaft zu Suchtmittel gewandelt haben, gegen die es kommunikativ anzukämpfen gilt. Gesundheit, Fitness und Wohlbefinden sind zu zentralen Werten geworden, mit denen Lebensqualität definiert wird. In diesem Zusammenhang richten sich gesundheitsfördernde Kommunikationsprogramme zunehmend gegen Alkohol-, Tabak-, Mager-, Fress-, Spiel- oder Chatsucht. Demnach sind Gesundheitskampagnen ein Ausdruck der gesellschaftlichen Reaktion auf sozial-gesundheitliche Probleme und ein Hinweis auf bestehende Verhaltensnormen (vgl. Leonarz 2001, 270 f.). Folglich üben Informationskampagnen eine Thematisierung von Normen für individuelles Verhalten aus, welche auf eine Disziplinierung des Handelns und des Seins abzielt. Im Verlauf des öffentlichen Diskurses sollen die kommunizierten Normen vom Individuum freiwillig als handlungsleitend übernommen werden (vgl. Dorer 2001, 56 f.).

Die US-amerikanischen Kommunikationswissenschaftler Rogers und Storey differenzieren drei Wirkungsziele von Kampagnen. Demzufolge sollen sie über Probleme informieren, von der Güte bestimmter Einstellungen und Verhaltensweisen überzeugen und schließlich zum entsprechenden Handeln mobilisieren. Hiernach lassen sich Informations-, Persuasion- und Mobilisierungskampagnen unterschieden. Die letztere verfolgt alle drei Wirkungsziele und enthält daher drei Wirkungsschritte. Soll mit einer Anti-Raucher-Kampagne zum Beispiel bei Rauchern eine Verhaltensänderung bewirkt werden, so muss die Zielgruppe zuerst über die Konsequenzen ihres Verhaltens informiert, dann vom Aufhören überzeugt und schließlich dazu mobilisiert werden, mit dem Rauchen aufzuhören und einem Rückfall in die alte Gewohnheit zu widerstehen (vgl. Rogers/Storey 1989, 822). Die Wirksamkeit der massenmedialen Kampagnenaufklärung per se wird als relativ begrenzt angesehen und bedarf daher einer Unterstützung durch interpersonale Gesundheitskommunikation. So kann eine Mobilisierung erst erfolgen, indem Betroffene in Aufhörprogrammen dabei unterstützt werden, ihren Entschluss in nachhaltiges Verhalten umzusetzen (vgl. McAlister et al. 1989, 292). Die Erfahrung hat gezeigt, dass ein Raucher sein Laster erfolgreich aufgeben kann, wenn ihm geholfen wird, Stresssituationen, Entzugserscheinungen und die Versuchung zu überwinden. Auswertungen zu Anti-Raucher-Kampagnen aus den frühen 80er Jahren belegen zwar, dass der massenmediale Informationsprozess zu einem beachtlichen Rückgang der Raucherquote in den USA geführt hat. Es wurde bestätigt, dass die Kampagnen ein hohes öffentliches Bewusstsein für die Gefahren des Rauchens geschaffen und Einstellungen zum Positiven verändert haben. Allerdings blieb es umstritten, ob die Aufklärungsmaßnahmen tatsächlich eine Veränderung im Rauchverhalten bewirkt haben (vgl. Pettegrew/Logan 1989, 690 f.). Die tatsächliche Veränderung des Individualverhaltens hingegen wird noch heute auf den Beitrag des sozialen Umfelds, wie ärztlichen Rat oder familiäre Unterstützung, zurückgeführt.

Die neusten Erkenntnisse der Kommunikationsforschung führen vor Augen, wie wenig die massenmediale Intervention ins Individualverhalten auszurichten vermag. Das gilt insbesondere für suchtartiges Verhalten wie Rauchen. Heute orientiert man sich an einem komplexen Wirkungsmodell, bei dem auf der ersten Stufe die kognitive Aufnahme mit der Information steht. Wird zum Beispiel eine Person damit konfrontiert, dass Rauchen ernste Krankheiten verursacht, so wird sie sich dessen bewusst und verarbeitet die Information als Wissen, welches im Gedächtnis gespeichert wird. Trifft die gespeicherte Information auf eine positive innerliche Disposition, bildet sich eine Überzeugung und daraufhin eine Einstellung. Ist eine rauchende Person von der Schädlichkeit des Rauchens überzeugt, stellt sich die Einstellung ein, dass sie damit aufhören sollte. Sie fasst dann den Entschluss, das Rauchen aufzugeben, und setzt die Intention in tatsächliches Verhalten um. Dabei führt erst die Wiederholung zu einer nachhaltigen Verhaltensänderung. Darüber hinaus werden die einzelnen Stufen Überzeugung, Einstellung und Verhalten von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Dazu zählen Persönlichkeitsstärke, soziales Umfeld, positive Erwartungen, die man mit der Verhaltensänderung verbindet, sowie bestimmte Werte (vgl. Göpfert 2001, 133 ff.). Stellt beispielsweise die Gesundheit für eine Person einen Grundwert an sich dar, so wird sie dazu tendieren, mit dem Rauchen aufhören oder es gar nicht erst anfangen zu wollen. Wenn aber in einer Gruppe Jugendlicher das Rauchen einen hohen Stellenwert besitzt, können sie zwar von dessen Schädlichkeit überzeugt sein, gleichzeitig aber die Einstellung vertreten, dass es für sie persönlich nicht schlecht wäre. Führt man sich vor Augen, wie viele Einflussfaktoren in der Wirkungskette zum Tragen kommen und wie vielen gegensätzlichen Einflüssen der Mensch ausgesetzt ist, so muss man schlussfolgern, dass massenmediale Gesundheitskampagnen allein die gewünschte bevölkerungsweite Verhaltensänderung nicht bewirken können. Vielmehr dienen sie als wichtiger Impuls für Interaktionen im familiären und sozialen Umfeld eines Menschen. Häufig lösen Informationskampagnen eine öffentliche und private Diskussion aus, bei der eine weitere Verarbeitung der Botschaft stattfindet und die einen entscheidenden Einfluss auf das Handeln ausübt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Gesundheitskampagnen einen strategischen Kampf im sozial-gesundheitlichen Engagement darstellen, welches auf kommunikativem Wege die Lebensgestaltung der Bürger und damit die gesellschaftlichen Gesundheitsbelange in einer positiven Weise zu gestalten versucht. Auf den folgenden n wird der kommunikative Feldzug der Europäischen Union gegen das gesellschaftsweite Gesundheitsproblem „Tabakkonsum“ umfassend behandelt und am Beispiel einer konkreten PR-Kampagne beleuchtet.

3. Der Kampf gegen den Tabakkonsum in der EU

3.1 Die Gesundheitsschäden und ihre Folgen

Mit dem Genuss von Tabak sind zahlreiche gesundheitliche Risiken verbunden, die auf verschiedene in Zigaretten enthaltenen Schadstoffe zurückgeführt werden. Im Tabakrauch findet man ca. 4. 000 chemische Subtanzen, wobei etwa 40 davon nachweislich krebserregend sind. Einige weitere sind stark gesundheitsgefährdend (vgl. von Mühlendahl/Otto, 2005). Der Anteil der Inhaltsstoffe im Hauptstromrauch, den ein Raucher direkt in seine Lunge aufnimmt, unterscheidet sich vom Nebenstromrauch, welchen Anwesende in der Umgebung einatmen. Der Hauptstromrauch ist stark belastet mit Stoffen wie Kohlendioxid und -monoxid, Nikotin, Blausäure und Staubpartikeln sowie den krebserzeugenden Phenol, Formaldehyd und Benzol. Im Vergleich dazu ist die Konzentration vieler gefährlicher Substanzen im Nebenstromrauch wesentlich höher, insbesondre die von Kohlendioxid und –Monoxid sowie Formaldehyd und Benzol. Darin liegt die gesundheitsschädliche Wirkung des Passivrauchens begründet.

Infolgedessen verursacht das Rauchen viele Gesundheitsrisiken und Krankheiten. Zum einen ist das in Zigaretten enthaltene Nikotin für die Sucht der Raucher verantwortlich. Zum anderen werden durch die aufgezählten Schadstoffe Herz, Lunge und Blutgefäße nachhaltig geschädigt. Aus diesem Grund kann Tabakkonsum zu chronischer Bronchitis, Herzinfarkt und Wasseransammlung in der Lunge führen sowie Durchblutungsstörungen des Gehirns und der Beine hervorrufen. Das letztere ist unter der Bezeichnung „Raucherbein“ bekannt. Damit zusammenhängend droht Rauchern ein hohes Risiko, an Lungen-, Kehlkopf-, Magen-, Mundhöhlen-, und Speiseröhrenkrebs zu erkranken. Was das passive Rauchen anbelangt, so bedingt es aus kurzfristiger Sicht betrachtet, dass die Betroffenen durch gereizte Augen-, Nasen- und Rachenschleimhäute beeinträchtigt werden und unter Schwindel und Kopfschmerzen leiden können. Aus langfristiger Perspektive sind die Gesundheitsschäden besonders bei kleinen Kindern gravierend. Kinder, die regelmäßig dem Tabakrauch ausgesetzt sind, tragen ein bis zu 70% höheres Risiko für Asthma und Infektionen der Atemwege und leiden öfter an Mittelohrerkrankungen. Bei Säuglingen erhöht sich sogar die Wahrscheinlichkeit von plötzlichem Kindstod. Frauen, die während der Schwangerschaft rauchen, laufen Gefahr, dass ihr Kind mit einem niedrigen Geburtsgewicht zur Welt kommt oder dass sie sogar eine Fehlgeburt erleiden (vgl. ebd.). Aber auch für erwachsene Passivraucher sind die Folgen nicht weniger ernst. Laut einer Studie, die im April 2004 im British Medical Journal veröffentlicht wurde, herrscht unter denjenigen Erwachsenen, die dauerhaft dem Tabakrauch ausgesetzt sind, eine zu 15% höhere Sterberate (vgl. HELP Homepage. Pressemitteilung, 01. März 2005). Dementsprechend ist Passivrauchen seit 2004 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge eine erklärte Ursache für Lungenkrebs bei Nichtrauchern (vgl. HBI Homepage. Pressemitteilung, April 2005). Darüber hinaus können Menschen, die mit einem Raucher zusammenleben mit einer zu 25% höheren Wahrscheinlichkeit an einem koronaren Herzleiden erkranken.

Ungeachtet der erschreckenden Konsequenzen zählt über ein Drittel der gesamten erwachsenen EU-Bevölkerung zu den Rauchern (vgl. EU Kommission. General Policy). In diesem Zusammenhang werden in der Europäischen Union jährlich rund 650.000 Menschen gezählt, die an den Folgen des Rauchens sterben (vgl. Russ, 2005). Dabei liegt fast die Hälfte der Sterbefälle im Alter zwischen 35 und 69 Jahren, was die durchschnittlichen Lebenserwartung deutlich unterschreitet (vgl. EU Kommission. General Policy). Den Fakten zufolge stellt das Rauchen die häufigste vermeidbare Todesursache dar. Die geschilderten Erkrankungen verursachen aber nicht nur persönliches Leid, sondern auch hohe finanzielle Einbußen für das Gesundheitssystem. In der Europäischen Union entstehen jedes Jahr bis zu 100 Mrd. € Kosten, wie Gesundheitsexperten im Jahr 2004 errechneten (vg. ebd.). Sie resultieren einerseits aus Behandlungen der beschriebenen Krankheiten. Ferner sind mit Krankheit und frühzeitiger Mortalität beachtliche Produktivitätsverluste verbunden. Alles zusammen bedeutet es eine enorme Belastung für die Volkswirtschaft der europäischen Länder.

3.2 Gesellschaftliche Trends im Raucherverhalten

Im Rauchverhalten der EU-Bürger lassen sich vier wesentliche Trends erkennen, die Anlass zur Besorgnis geben. Lange Zeit bestand unter Rauchern ein deutlicher Unterschied zwischen den Geschlechtern, wobei mehr Männer rauchten als Frauen. Mittlerweile geht der Trend dahin, dass die Lücke zwischen den geschlechtsspezifischen Raucherquoten zunehmend kleiner wird. Der Grund dafür ist, dass vor allem immer mehr junge Frauen zur Zigarette greifen. Der Anteil weiblicher Raucher im Alter von 25 bis 39 Jahren beträgt inzwischen 42 %. Das ist nur 9 % weniger als unter Männern dieser Altersgruppe, in der die Raucherquote bei 51% liegt (vgl. ebd.). Statistisch betrachtet tragen Frauen generell ein zu 40 % geringeres Risiko als Männer, an Krebs zu erkranken. Aufgrund des zunehmenden Zigarettenkonsums unter Frauen steigen jedoch das Krebsrisiko sowie die Häufigkeit von Herz- und Lungenerkrankungen. Dementsprechend belegen Statistiken, dass Lungenkrebs als Todesursache bei Frauen immer stärker zunimmt. Darüber hinaus wirkt er sich negativ auf die Fruchtbarkeit aus. Dieses Verhaltensmuster beim weiblichen Geschlecht kann auf einen Einfluss der Zigarettenwerbung zurückgeführt werden. Die Tabakindustrie verfolgt schon seit längerer Zeit speziell auf Frauen ausgerichtete Marketingstrategien, um das weibliche Marktsegment anzusprechen und zu binden. Sie transportieren die irreführende Botschaft, Rauchen sei das Zeichen eines modernen Lebensstils und einer positiven, befreienden Haltung. Ein aktuelles Werbeplakat der Zigarettenmarke „Gauloises“ zeigt eine junge Frau, die barfuss an einem Brunnen mitten in Paris eine Zigarette raucht und damit die Blicke anderer auf sich zieht. Dabei lacht sie, als ob man über die klein karierten und ängstlichen Warnungen der Gesundheitsexperten nur lachen könnte. Die Tabakindustrie porträtiert Raucherinnen als schlank, sexy und ungezwungen und verleitet auf diese Weise immer mehr junge Frauen zu einer ungesunden Lebensführung. In diesem Punkt wird die Bedeutung von Gesundheitskampagnen deutlich – sie bilden ein generell Gegengewicht zu Kommunikationsinhalten kommerzieller Unternehmen, die Zigaretten- und Alkoholkonsum oder schlechte Ernährungsweisen in der Bevölkerung fördern. Gleichzeitig konkurrieren Kampagnen aber auch mit ihnen um Aufmerksamkeit und Einfluss.

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Ende der Leseprobe aus 50 Seiten

Details

Titel
Der Kampf gegen den blauen Dunst
Untertitel
PR-Kampagnen im Gesundheitssektor am Beispiel der europäischen Anti-Raucher-Kampagne „HELP“
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft)
Veranstaltung
Seminar "PR-Kampagnen"
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
50
Katalognummer
V82779
ISBN (eBook)
9783638906425
ISBN (Buch)
9783638910378
Dateigröße
3734 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kampf, Dunst, Seminar, PR-Kampagnen, Raucher, Anti-Raucher, Gesundheitskommunikation, Health Care, Rauchen, EU-Kommission
Arbeit zitieren
Marina Deck (Autor:in), 2006, Der Kampf gegen den blauen Dunst, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82779

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