Ein Vergleich von Fay Weldons "Weekend", Doris Lessings "To Room Nineteen" und Mary Lavins "Sarah" aus Sicht der Gender-Theorie


Seminararbeit, 2006

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Weiblichkeitsideal und Geschlechterverhältnis
2.1 „Angel in the House“
2.2 „Working Wife and Mother“
2.3 „Madonna“

3. Auswirkungen auf Selbstbild und Verhalten
3.1 Verlust der Identität und Resignation
3.2 Internalisierung des Ideals und Anpassung
3.3 Selbstbestimmung und Auflehnung

4. Folgen der Abweichung vom Ideal
4.1 Pathologisierung
4.2 Repression
4.3 Physische Bestrafung

5. Zusammenfassung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In meiner Arbeit vergleiche ich die Kurzgeschichten „To Room Nineteen“ von Doris Lessing, „Sarah“ von Mary Lavin und „Weekend“ von Fay Weldon aus Sicht der Gender Studies. Eine solche Perspektive scheint mir naheliegend, da alle drei Texte die Lebensbedingungen von Frauen in den 40er, 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts thematisieren und somit die Frage nach einer geschlechtsspezifischen Lebenserfahrung implizieren. Gemeinsam ist den Protagonistinnen, dass ihnen eine selbstbestimmte Lebensgestaltung durch die Werte und Normen der Gesellschaft erschwert, beziehungsweise unter Androhung von Sanktionen verwehrt wird.

Im ersten Teil meiner Arbeit möchte ich die Diskurse herausarbeiten, welche die Weiblichkeitsideale und das Geschlechterverhältnis in den Texten konstituieren, und zeigen, welche gesellschaftlichen Normen und Werte kritisiert werden. Im zweiten Teil gehe ich der Frage nach, wie sich die verschiedenen Weiblichkeitsideale auf das Selbstbild der Protagonistinnen und ihr Handeln auswirken. Der dritte Teil beschäftigt sich mit den Sanktionen nonkonformistischen Verhaltens.

2. Weiblichkeitsideal und Geschlechterverhältnis

2.1 „Angel in the House“

Doris Lessings Short Story „To Room Nineteen“, die erstmals 1963 veröffentlicht wurde, handelt von dem Ehepaar Susan und Matthew Rawlings, die mit ihren vier Kindern in Richmond, einem Vorort von London, leben. Aufgrund einer Affaire Matthews, zieht Susan sich immer mehr von ihrem Mann und ihren Kindern zurück, bis sie sich von ihrer Umgebung völlig isoliert hat und schließlich Selbstmord begeht.

Die Einführung der Figuren übernimmt ein heterodiegetischer Ich-Erzähler (Genette), der im Laufe der Handlung zugunsten der Reflektorfigur (Stanzel) Susan in den Hintergrund tritt. Im ersten Satz erklärt der Erzähler dem Leser explizit, um was es in der folgenden Geschichte gehen wird: „This is a story, I suppose, about a failure in intelligence: the Rawlings marriage was grounded in intelligence“(Lessing 1988, 150). Die direkte Ankündigung des Themas durch einen auktorialen Erzähler (Stanzel) irritiert, verweist diese Erzählsituation doch auf eine Erzähltradition des 19. Jahrhunderts, und erscheint für eine moderne Kurzgeschichte ungewöhnlich.

Lessing macht sich den telling -Modus jedoch in zweierlei Hinsicht zu Nutze: zum einen erlaubt er ihr, die intendierte Gesellschaftskritik ihrer Kurzgeschichte durch den Erzähler direkt zum Ausdruck zu bringen, zum anderen schafft er beim Leser Distanz zum Geschehen, und gibt ihm die Möglichkeit, dieses mit einem analytischen Blick zu verfolgen, und so zu eigenen Schlussfolgerungen zu kommen.

Zwar zeigt der erste Satz, dass sich der Erzähler, der sich hier als außenstehender Beobachter charakterisiert, schon viele Gedanken über die Rawlings gemacht hat, er ist jedoch noch zu keinem eindeutigen Urteil gelangt. Die Parenthese „I suppose“ (150) relativiert das distinktive Merkmal des auktorialen Erzählers, seine Allwissenheit, und kann als Konzession an die Moderne gedeutet werden, in der es keine absoluten Gewissheiten mehr geben kann. So wird auch der erste Eindruck den dieser Erzählerkommentar erweckt, nämlich dass die Geschichte aus didaktischen Gründen erzählt wird, an deren Ende den Leser klare Handlungsanweisungen erwarten, um die Fehler der Rawlings zu vermeiden. Auch inhaltlich bleibt der erste Satz ambivalent und fordert den Leser so zum Mitdenken auf:

The opening sentence prepares us for the paradox that the Rawlings` marriage is grounded in intelligence and nevertheless destroyed by `a failure in intelligence`. This can either mean that `intelligence` in the sense of `irrationality` is not the right basis for a marriage or that their intelligence failed them on an important issue. The reader is not likely to consider both aspects of this sentence at a first reading, but the sentence is sufficiently memorable to linger in our minds, giving us food for thought when we are left without further guidance of the narrator. (Auberlen 1993, 35)

In Form eines zeitlich stark gerafften Berichts, der mehrere Jahre umfasst, erfährt der Leser die Vorgeschichte der Rawlings bis zu ihrer Heirat, und auf welchen Prinzipien ihre Ehe basiert. Auf den ersten Blick scheint einer glücklichen Ehe nichts im Wege zu stehen, denn Susan und Matthew haben alles sorgfältig durchdacht und besprochen, und sind sich in allem völlig einig. In der Kontrastierung ihrer wohlüberlegten Eheschließung mit den gefühlsbetonten „romantic marriages“ (150), drückt sich eine Abwertung von Emotionen aus, und deutet schon die spätere Problematik ihrer Beziehung an, dass sie nämlich unter allen Umständen am Primat der Vernunft festhalten.

Der in der Zeit der Aufklärung etablierte Primat der Vernunft verband sich im 18. Jahrhundert mit der geistigen Strömung der Empfindsamkeit und und leitete ein Denken in binären Dichotomien, wie Vernunft/Gefühl, Rationalität/Irrationalität, Zivilisation/Natur, Männlichkeit/Weiblichkeit ein. Weiblichkeit wurde mit Gefühl, Irrationalität und Natur assoziiert, Männlichkeit mit Vernunft, Rationalität und Zivilisation. Die so ideengeschichtlich etablierte Geschlechterdifferenz führte auch zu einer Hierarchisierung der Geschlechter zugunsten des Mannes. (Kroll 2002, 27, 60).

Die Ehe der Rawlings` basiert auf Vernunft, einem Prinzip, das, wie oben gezeigt, als männliche Domäne gilt, und so stellt sich die Frage, ob es Lessings Absicht ist auf patriarchale Gesellschaftsstrukturen hinzuweisen.

Annemarie Döhmer sieht in der Figur Susan Rawlings` „eine Neuauflage des viktorianischen Weiblichkeitsideals des `Angel in the House`“ (Döhmer 1994, 140), das die Frauen, nach einer relativ emanzipatorischen Phase während und zwischen den beiden Weltkriegen, in die traditionelle Rolle der Hausfrau und Mutter zurückdrängte.

Das Ideal des „Angel in the House“ entstand im 19. Jahrhundert und ist auf ökonomische und sozio- kulturelle Veränderungen zurückzuführen, in der sich die bürgerliche Lebenswelt in eine private und eine öffentliche Sphäre aufspaltete. Die empirisch- sensualistische Deutung von naturgegebenen Geschlechtercharakteren erlaubte es, die gesellschaftliche Rolle der Frau, auf die der fürsorglichen, sich aufopfernden Ehefrau und Mutter, und somit auf die private Sphäre, normativ festzulegen.

Die Rollenverteilung innerhalb der Familie Rawlings entspricht zwar dem traditionellen bürgerlichen Konzept, sie soll jedoch nur so lange gelten, so lang die Kinder klein sind:

[...] and when these four healthy wisely brought up children were of the right age, Susan would work again, because she knew, and so did he, what happened to women of fifty at the height of their energy and ability, with grown-up children who no longer needed their full devotion. (Lessing 1988, 153)

Deshalb sehe ich Susans Selbstmord auch weniger in der traditionellen Rollenaufteilung der Rawlings` begründet, als vielmehr in der Marginalisierung, bzw. Pathologisierung der Gefühle.

Vera Nünning widmet diesem Thema in ihrer Kulturgeschichte der englischen Literatur ein ganzes Kapitel mit dem Titel „Gefährliche Gefühle? Emotionen in der viktorianischen Literatur“ (Nünning 2005, 171-181) und stellt darin unter anderem fest, dass „das zentrale Paradigma der Diskurse der Emotionen im 19. Jahrhundert die Beziehung zwischen Gefühlsausdruck und Gefühlskontrolle ist“ (175). Die Viktorianer sahen in extremen Gefühlszuständen und unkontrollierten Gefühlsausbrüchen „eine Hauptursache von psychischen Störungen und Krankheiten“ (176). Unkontrollierte Gefühle stellten also eine Bedrohung der Gesundheit, nicht nur des einzelnen, sondern der ganzen Gesellschaft dar.

Die Trennung der Lebenswelten in die private, weibliche Sphäre der Gefühle und die öffentliche, männliche Sphäre, in der Emotionen keine Rolle spielen sollten, belastete das Geschlechterverhältnis, weil beide Geschlechter auf nur einen menschlichen Wesensanteil reduziert wurden und das die reale Folge der Entfremdung vom anderen Wesensteil hatte:

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Ein Vergleich von Fay Weldons "Weekend", Doris Lessings "To Room Nineteen" und Mary Lavins "Sarah" aus Sicht der Gender-Theorie
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Department für Anglistik und Amerikanistik)
Veranstaltung
Short Fiction in Britain and Ireland
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
25
Katalognummer
V82744
ISBN (eBook)
9783638896689
Dateigröße
540 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vergleich, Weldons, Weekend, Doris, Lessings, Room, Nineteen, Mary, Lavins, Sarah, Sicht, Gender-Theorie, Short, Fiction, Britain, Ireland
Arbeit zitieren
Eva Speck (Autor:in), 2006, Ein Vergleich von Fay Weldons "Weekend", Doris Lessings "To Room Nineteen" und Mary Lavins "Sarah" aus Sicht der Gender-Theorie , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82744

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