Sozialarbeiterische Unterstützungsmöglichkeiten bei sexuellem Missbrauch in der Familie


Seminararbeit, 2006

23 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Begriff „Missbrauch“
2.1. Zahlen über sexuellen Missbrauch
2.2. Folgen des sexuellen Missbrauchs
2.3. Die Täter

3. Sexuelle Gewalt
3.1. Der Verdacht des sexuellen Missbrauchs
3.2. Der Aufdeckungsprozess
3.2.1. Das Aufdeckungsgespräch mit dem Kind
3.2.2. Das Aufdeckungs- und Konfrontationsgespräch mit der Mutter
3.2.3. Das Konfrontationsgespräch mit dem Täter
3.3. Arbeit mit sexuell missbrauchten Buben
3.3.1. Geschlecht des Beraters

4. Schutz und fachliche Hilfe
4.1. Die rechtliche Situation in Österreich
4.2. Das Amt für Jugend und Familie
4.3. Prozessbegleitung
4.4. Wissenswertes und Belastungen für HelferInnen

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Sexueller Missbrauch ist auch heute noch für viele Menschen ein Tabuthema – vor allem das Sprechen über diesen Missbrauch fällt schwer.

In meiner Tätigkeit als Kindergartenpädagogin wurde ich ziemlich bald nach Beendigung meiner Ausbildung mit dem Verdacht der sexuellen Gewalt konfrontiert. Als in der Vorlesung das Thema sexueller Missbrauch zur Auswahl war, beschloss ich mir auf diese Weise weitere Informationen zu erarbeiten.

In der vorliegenden Arbeit möchte ich der Frage nachgehen, wie sozialarbeiterische Unterstützungsmöglichkeiten bei sexueller Gewalt in der Familie aussehen können.

Das erste Kapitel bietet einen kurzen Überblick über die Zahlen und die Folgen des Missbrauchs. Weiters werde ich auch kurz auf die Täter eingehen. Da, wie aus der Arbeit zu ersehen ist, die Täter vorwiegend männlich sind, verzichte ich auf die geschlechtsneutrale Sprache im Bereich der Täter.

Anschließend erfolgt die Auseinandersetzung mit den möglichen sozialarbeiterischen Unterstützungsmöglichkeiten, beginnend mit dem Verdacht des sexuellen Missbrauch bis zu möglichen Aufdeckungs- und Konfrontationsgesprächen. Auch auf die Möglichkeiten des Amtes für Jugend und Familie werde ich in dieser Seminararbeit eingehen.

2. Der Begriff „Missbrauch“

In Österreich definieren 7 Paragraphen, was sexuelle Gewalt an Minderjährigen ist:

- Beischlaf mit Unmündigen (§ 206 StGB)
- Unzucht mit Unmündigen (§ 207 StGB)
- Pornographische Darstellung mit Unmündigen (§ 207a StGB)
- Sittliche Gefährdung von Personen unter 16 Jahren (§ 208 StGB)
- Gleichgeschlechtliche Unzucht mit Personen unter 18 Jahren (§ 209 StGB)
- Blutschande (§ 211 StGB)
- Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses (§ 212 StGB)
Ferner gibt es strafrechtliche Tatbestände, die nicht auf minderjährige Opfer beschränkt sind, die aber im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung von Bedeutung sind:
- Vergewaltigung (§ 201 StGB)
- Geschlechtliche Nötigung (§ 202 StGB)
- Zuhälterei (§ 216 StGB) (vgl. Friedrich 1998:11).

Betrachtet man jedoch den Missbrauch aus psychosozialer Sicht, so ist jede Handlung, die an einem Kind vollzogen wird und der sexuellen Erregung des Täters dienst, als sexueller Missbrauch anzusehen – gleichgültig, ob jemand einem Kind pornographisches Material zeigt, sich exhibitioniert, um seine sexuelle Erregung zu demonstrieren, oder unzüchtige Berührungen an einem Kind durchführt bzw. an sich selbst durchführen lässt (vgl. Friedrich 1998: 12).

Missbrauch liegt also vor, wenn das Kind zu einem „Objekt“ der Machtbegierde des Täters gemacht wird, einschließlich der Tatsache, dass es sich aufgrund seiner körperlichen, geistigen, emotionalen und sozialen Entwicklung noch nicht gegen Übergriffe wehren kann und auch nicht in der Lage ist, die Tragweite von Handlungen zu erfassen oder ihnen vollbewusst zuzustimmen (Friedrich 1998:12ff).

Zu Missbrauchshandlungen gehören auch:

- Das Aufnehmen pornographischer Filme oder Fotos
- Sexuelle motivierte Schläge
- Zungenküsse
- Abtasten oder reiben am Körper des Mädchens oder Buben
- Zwang zur oralen Befriedigung (vgl. Bundeskanzleramt 1997).

2.1. Zahlen über sexuellen Missbrauch

Die Dunkelziffer besagt, dass jedes 3. bis 4. Mädchen und jeder 7. bis 8. Bub zwischen einem und 16 Jahren Opfer von sexueller Gewalt geworden ist. Zumeist sind die Kinder zu Beginn des Missbrauchs zwischen 6 und 12 Jahre alt, an zweiter Stelle folgt die Gruppe der 0- bis 5-jährigen Mädchen und Buben. Sexueller Missbrauch kann sich über Jahre erstrecken und oft auch bis ins Erwachsenenalter andauern.

In einer Untersuchung der Universität Zürich zur sexuellen Ausbeutung gaben von 539 Befragten 21,8 Prozent an, als Kind sexuelle Ausbeutung erfahren zu haben (vgl. www.bmsg.gv.at)

2.2. Folgen des sexuellen Missbrauchs

Die Folgen des sexuellen Missbrauchs ähneln den Folgen, die eine körperliche Misshandlung mit sich bringt, denn viele der sexuell missbrauchten Kinder wurden auch geschlagen und emotional misshandelt.

Akute Folgen des sexuellen Missbrauchs können nun Verletzungen im Genital- und Analbereich, Scheiden- oder Analrisse, unerklärliches Bluten, Fremdkörper in der Scheide oder im After, Geschlechtskrankheiten, aber auch eine Schwangerschaft sein (vgl. Bange/Deegner 1996: 78).

Jedoch weisen mehr als 2/3 der missbrauchten Kinder und Jugendlichen keine körperlichen Verletzungen auf, aber sie reagieren mit vielfältigen psychosomatischen Beschwerden.

Es gibt aber kein Missbrauchs-Symptom, an dem sich einen sexueller Missbrauch festmachen lässt, deshalb ist es so schwierig, den Missbrauch zu erkennen. In verschiedenen Studien wird belegt, dass ein Teil der Kinder, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, mit psychosomatischen Beschwerden reagieren.

Durch:

- Kopf-, Hals-, Magen und Unterleibsschmerzen ohne erkennbare organische Ursachen
- Starkes Klammern an der Mutter
- Nicht alleine Zuhause bleiben und alleine schlafen wollen
- Schlafstörungen und Alpträume
- Gewichtsänderungen und Essstörungen
- Verhaltensänderungen
- Zuviel waschen oder gar nicht mehr
- Einnässen oder einkoten
- Ablehnen von Zärtlichkeiten
- Weglaufen von Zuhause
- Erzählungen sexueller Geschichten oder die Benützung sexueller Ausdrücke, die nicht dem Alter entsprechen
- Sprachstörungen

bringen die Kinder ihre leidvolle Erfahrung zum Ausdruck (vgl. Friedrich 1998: 91ff).

Die sexualisierte Gewalt wird von allen betroffenen Kinder als demütigend erlebt. Sie schämen sich, dass sie den Missbrauch nicht verhindern konnten und denken auch, dass sie aufgrund der sexualisierten Gewalt, die sie erlebten, nicht viel wert sind und zweifeln an sich selbst. Eine weitere Folge des Missbrauchs kann daher ein niedriges Selbstwertgefühl und auch wenig Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sein (vgl. Bange/Deegner 1996: 82) Ferner kann es zu emotionalen Problemen wie Depressionen, Angst und regressiven Verhaltensweisen kommen. Auch ist es möglich, dass Autoaggressionen, wie z.B. Suizidversuchen, Drogen- und Alkoholabhängigkeit, aber auch: Auffälligkeiten im Sexualverhalten auftreten.

Rund 1/3 der missbrauchten Kinder und Jugendlichen sind symptomfrei, während rund 20 Prozent schwere Folgeschäden aufweisen. Dies hat mit zur Frage geführt, welche Faktoren das Ausmaß des Traumas bestimmen.

Hierbei wird zwischen primären und sekundären Traumatisierungsfaktoren unterschieden.

Die primären Traumatisierungsfaktoren leiten sich direkt aus dem Geschehen des sexuellen Missbrauchs ab. Massive Effekte können erwartet werden,

- wenn die Beziehung des Opfers mit dem Täter vertraut war
- wenn der Täter Zwang oder Gewalt anwendet
- wenn der Missbrauch sehr intensiv war (Vergewaltigung...)
- wenn die Übergriffe wiederholt und über längeren Zeitraum stattgefunden haben.

Unter sekundären Traumatisierungsfaktoren werden die Reaktionen der Eltern, der Freunde und Bekannten aber auch der MitarbeiterInnen der Polizei, Beratungsstellen etc. auf den Missbrauch verstanden (vgl. Marquardt-Mau 1995: 42ff).

Die sekundäre Traumatisierung kann ebenfalls im Aufdeckungsprozess herbeigeführt werden, vor allem dann, wenn bei dem Kind z.B. durch die Intervention oder den Aufdeckungsprozess, Gefühle des Ausgeliefertseins, der Abhängigkeit, der Ohnmacht, Schutzlosigkeit, Missachtung, Unterlegenheit und oder Unglaubwürdigkeit aufkommen (vgl. Bundeskanzleramt 1997).

Doch nicht nur das betroffene Kind kann infolge des sexuellen Missbrauchs ein Trauma erleben, auch Eltern, ZeugInnen, Angehörige, aber auch professionelle HelferInnen können indirekt traumatisiert werden. Bei dieser Sekundärtraumatisierung können dieselben Symptome auftreten, wie bei dem betroffenen Kind, daher ist es sehr wichtig, sich auch hier Hilfe zu holen.

Viele Beratungsstellen bieten auch die Angehörigenbetreuung an und für HelferInnen ist es besonders ratsam, Supervision und Intervision zu besuchen. Denn neben der fachlichen Hilfe von außen brauchen auch professionelle Helferinnen die Möglichkeit ihre eigene Betroffenheit, die Ängste und die Wut anzusprechen.

Diese Gespräche mit den KollegInnen oder die Supervision eignen sich dazu, dass sich die HelferInnen der eigenen Kompetenz bewusst werden und sich Zeit lassen, um in Ruhe Schritt für Schritt den Kontakt mit dem betroffenen Kind zu intensivieren (vgl. www.taraweb.at).

2.3. Die Täter

Rein äußerlich gibt es natürlich keine Merkmale die einen Missbrauchstäter von einem „normalen Menschen“ unterscheiden. Meist sind es jene Persönlichkeiten, die als ganz „unauffällig“ beschrieben wurden, die nach außen ein Leben führen, welches sich nicht von anderen Menschen unterschiedet. Auch kann man ihnen keine typischen Merkmale zuordnen, sie stammen aus verschiedenen Schichten, haben unterschiedliche Bildungsgrade oder unterschiedliche Hobbys. Nichts deutet daraufhin, dass jemand ein Missbrauchstäter ist (vgl. Friedrich 1998: 42).

Sexueller Missbrauch wird in erster Linie von Männern verübt. Je nach Untersuchung schwankt der Anteil der Täter bei sexuellem Missbrauch an Mädchen zwischen 94 und 100 Prozent und an Buben zwischen 83 und 93 Prozent (vgl. Marquardt-Mau 1995: 37).

Etwa 2/3 der Täter, die innerhalb ihrer Familie missbrauchen haben auch Opfer außerhalb ihrer Familie. Häufig waren die Täter schon selbst Opfer, bevor sie begannen ihre Söhne oder Töchter zu missbrauchen. Manchmal blicken die Täter auf eine sehr lange Missbrauchsserie zurück, denn im Jugendalter wurden schon kleinere Geschwister, Nachbarskinder oder eine kleine Cousine oder ein kleiner Cousin zu ihren Opfer.

Mädchen werden zu etwa 1/3 von Tätern aus der Familie missbraucht, während bei Buben „nur“ etwa 10-20 Prozent der Missbraucher aus der Familie stammen.

Sexueller Missbrauch ist kein zufälliges Geschehen, sondern sorgfältig geplant. Die Strategien, die die Täter verwenden, richten sich nach außen um ein Eingreifen von Dritten auszuschließen, aber auch gegen das Kind um sie oder ihn gefügig zu machen. Durch ihre Strategien möchten die Täter auch die Wahrnehmungen der HelferInnen vernebeln (vgl. Enders 2001: 56ff).

[...]

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Sozialarbeiterische Unterstützungsmöglichkeiten bei sexuellem Missbrauch in der Familie
Hochschule
Fachhochschule Technikum Wien
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V82716
ISBN (eBook)
9783638896825
Dateigröße
448 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sozialarbeiterische, Unterstützungsmöglichkeiten, Missbrauch, Familie
Arbeit zitieren
Mag (FH) Barbara Gruze (Autor:in), 2006, Sozialarbeiterische Unterstützungsmöglichkeiten bei sexuellem Missbrauch in der Familie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82716

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